Читать книгу Gault&Millau Restaurantguide Deutschland 2020 - Patricia Bröhm - Страница 14

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Am Brenner beginnt der Genuss

Zwischen Buchweizenknödel und Gewürztraminer: Entlang der Südtiroler Weinstraße und in den Alpentälern erwarten den Besucher Genüsse auf Schritt und Tritt


Lagrein & Co: Authentische Weine mit eigenständigem Charakter begleiten in den Gaststuben der Region jedes Essen

© MAURITIUS IMAGES / MARTIN BRAITO, MAURITIUS IMAGES / KARL ALLGAEUER / ALAMY

Im Herbst zeigt sich die Südtiroler Weinstraße von ihrer schönsten Seite. In den Dörfern mit ihren mittelalterlichen Gassen, den alten Gutshäusern und blumengeschmückten Erkern steigt dem Besucher überall der Duft des jungen Weins in die Nase und lockt in die Buschenschänken. Ein Glas vom blassrot-fruchtigen jungen Wein, „Nuier“ genannt, dazu ein Holzbrett mit Südtiroler Speck, Almkäse und Kaminwurzen – da ist das Glück für ein paar Minuten greifbar nah. Die klassische Südtiroler Küche, von hausgemachten Schlutzkrapfen bis zum Gulasch vom Bergrind, wird noch in vielen Gasthöfen und Buschenschänken aufgetischt. Die boomende Weinkultur inspiriert aber auch immer mehr Gastronomen, neue Wege zu gehen. Längst gibt es in den Gaststuben mehr zu entdecken als Speckknödel & Co.

Auch in der gehobenen Gastronomie setzt man heute verstärkt auf Produkte mit originär Südtiroler Identität, nicht zuletzt ihnen ist es zu verdanken, dass junge, engagierte Küchenchefs

in den vergangenen Jahren zahlreiche Auszeichnungen erkochten. Da kommt als Vorspeise etwa eine Schüttelbrotbruschetta mit Kirschtomaten und Burrata auf den Tisch. Das Schüttelbrot, eine klassische Spezialität, backen noch viele Bäcker selbst in einem aufwendigen Verfahren nach überliefertem Rezept: mit einer Mischung aus Weizen- und Roggenteig, wie ein Pizzaboden in der Luft gedreht, bis es hauchdünn ist, dann von Hand geschüttelt.


Südtirols Gastronomie im Höhenflug: Rund 100 Lokale werden jährlich mit einer oder mehreren Kochmützen ausgezeichnet

© STOCKFOOD / WESTERMANN, JAN-PETER / BURDA

Kreative Gastronomen suchen heute verstärkt den Kontakt zu regionalen Produzenten. Deren beste Erzeugnisse wandern in die Küchen – zum Beispiel im Frühjahr der Spargel, morgens auf dem Feld gestochen, mittags schon als lauwarm marinierter Spargelsalat auf der Speisekarte. Den Spargel kombinieren junge Küchenchefs gerne mit gekochtem Schinken vom Villnösser Brillenschaf, einer alten Rasse, die sehr zurückgegangen war, heute aber wegen der milden und delikaten Aromatik ihres Fleischs wieder gefragt ist. Die enge Zusammenarbeit mit den Bauern in der Region inspiriert viele Köche zu Gerichten, die für das moderne Südtirol stehen, weil sie alpine Tradition und mediterrane Einflüsse verbinden – zum Beispiel, wenn hausgemachten Schlutzkrapfen im Kartoffelfond mit Venusmuscheln serviert werden.

Natürlich darf auch der Speck nicht fehlen – diese Südtiroler Spezialität par excellence serviert man am besten ganz traditionell, hauchdünn aufgeschnitten auf dem Holzbrett. Beim Speck hat jedes Tal seine eigene Tradition, jeder Bauer seine eigene Gewürzmischung, die er hütet wie ein Staatsgeheimnis. So werden die Schweineschlegel im Passeier- und Ultental wegen der Haltbarkeit stärker geräuchert; im Meraner Land setzt man weniger auf das Räuchern, sondern arbeitet mehr mit Gewürzen. Lorbeer, Rosmarin und Wacholder sind immer dabei, manchmal auch Thymian, Knoblauch, Koriander oder Kümmel. Auf vielen Höfen landauf, landab wird nicht nur die Tradition des Räucherns, sondern auch die der Sennerei aufrechterhalten. Und das Spektrum ist breiter geworden: Während früher nur der Berg- oder Graukäse infrage kam, gelangen heute auch gute Weichkäse und Käsemischungen in den Küchen zum Einsatz. Auf vielen Höfen sind es besonders die Bäuerinnen, die im Nebenerwerb herrlich würzige Bergkäse herstellen und viel Herzblut investieren.

Apfelschatzkammer

Ein weiteres Südtiroler Produkt, das mit schöner Regelmäßigkeit auf den Speisekarten auftaucht, ist der Apfel – zum Beispiel, wenn als Dessert ein geeistes Süppchen vom grünen Apfel serviert wird. Kilometer um Kilometer ziehen sich schnurgerade Baumreihen durch die Landschaft und bilden das größte zusammenhängende Anbaugebiet Europas. Auf 18.000 Hektar Anbaufläche stehen rund 40 Millionen Apfelbäume. Im Herbst hängen die Früchte so dicht an den Ästen, dass diese manchmal gestützt werden müssen, um unter der Last nicht zu brechen. Heute werden vor allem gängige Tafeläpfel wie Gala, Golden Delicious oder Braeburn angebaut, sodass selbst in der Apfelschatzkammer Südtirol alte Sorten vom Aussterben bedroht sind. Die Vereinigung Sortengarten Südtirol setzt sich für die Rettung von Traditionsfrüchten ein, Köche und engagierte Brenner sind dankbare Abnehmer für charakterstarke Sorten wie den Quittenapfel oder den Weißen Rosmarin.

Vernatsch-Revival

Auch beim Thema Wein hat sich viel getan. Kalterersee – das war einst ein Name, der Weinfreunde erzittern ließ. Synonym für den roten, billigen Massenwein, der das Image des Südtiroler Weins niedergemetzelt hatte. Heute zählt das flächenmäßig kleine Alto Adige – dank einer Qualitätsoffensive sondergleichen, des alpin-mediterranen Klimas, der Qualität der Böden und der exzellenten Lagen – qualitativ zu den ganz Großen. Seine Winzer eroberten zunächst mit delikaten Weißweinen, dann mit Rotwein-Cuvées die Herzen der Weinkritiker und den Gaumen des Publikums. Die italienische Weinpresse schwärmt von einem „fast schon schwindelerregenden Höhenflug des Südtiroler Weinbaus“ und bezeichnet die Region als „eines der interessantesten Weinbaugebiete ganz Europas“.

Auch die Ehrenrettung des Kalterersee ist längst geglückt – heute werden aus Vernatsch-Trauben ausgezeichnete Qualitäten gekeltert, das gilt auch für die zweite große autochthone Rebsorte Südtirols, den Lagrein. Er passt bestens zur Küche, die zur kühleren Jahreszeit in den Gaststuben serviert wird. Im Herbst versorgen Pilzsammler die Gastronomie mit dem Besten, das Südtirols Wälder zu bieten haben. Dann ist auch die richtige Zeit für Schmorgerichte – ganze 48 Stunden wird zum Beispiel das Backerl vom Almochsen geschmort, bevor es mit Steinpilzschaum und saftigen Meraner Zwetschgen auf den Tisch kommt. Generell hat sich das Angebot an regionalen, naturnah hergestellten Lebensmitteln enorm gesteigert. Vielerorts entstanden Bauernmärkte, wo von Honig über Käse bis zum Speck alles verkauft wird, was auf den Höfen der Region erzeugt wird. Hier lässt sich die ganze Vielfalt der Südtiroler Landwirtschaft entdecken – und mit nach Hause nehmen.




Gault&Millau Restaurantguide Deutschland 2020

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