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Die Mischung macht’s

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Es muss nicht immer Riesling sein: Warum nicht mal einen Negroni zur Vorspeise? Der Mixology-Trend erreicht die Restaurantszene und eröffnet Gästen neue Genusserfahrungen


Im Berliner Coda begleitet das Dessert ein Drink aus Roter Bete, Passionsfrucht, Schochu und Mirin

© CHRIS ABATZIS

Was tut man, wenn die eigenen Gerichte so kompromisslos sind, dass es schwer wird, dazu einen passenden Wein zu finden? René Frank, Patron des Berliner Dessertrestaurants Coda, griff zur Selbsthilfe: Seine „pairing drinks“, deren Alkoholgehalt den eines Glases Wein nie übersteigt, bereitet er in der Küche zu. Er möchte sie nicht als klassische Cocktails verstanden wissen, sondern komponiert sie als erfahrener Pâtissier „wie eine flüssige Speise“. Der Vorteil: Seine Kreationen sind zu 100 Prozent auf das Essen zugeschnitten: „Gerichte und Drink sind bei uns in einem gedacht.“ Beispielsweise zur Aubergine, bereits so etwas wie ein Klassiker in dem kleinen Neuköllner Lokal: Sie wird wie eine Frucht eingeweckt und mit Pekannusseis, Lakritzsalz und Apfelbalsamico serviert. Im Glas gibt es dazu eine Kreation aus Sherry Oloroso (dessen oxidative Note gut zum Fleischigen der Aubergine passt), chinesischem Oolong-Tee, Koriander und einem Kardamomdestillat, das über den fertigen Drink gesprüht wird und intensiv in die Nase steigt.

René Franks Konzept ist eine radikale Absage an die klassische Weinbegleitung, eine Einladung zum Experiment. Mit seinen sehr eigenständigen Schöpfungen besetzt er eine eigene Nische, doch der Gedanke alternativer Getränkebegleitungen greift auch anderswo um sich, vor allem in Berlin, wo Gastrokonzepte generell viel zugespitzter sind als irgendwo sonst in der Republik. Hier existieren auch bereits die ersten Lokale eines neuen Typus, der sich „Cocktailbistro“ nennt, also ganz bewusst das Thema Küche mit trendiger Mixology-Kunst verbindet. Geprägt wurde der Begriff an der Spree von Ramses Manneck, der das Wagner Cocktail Bistro am Kreuzberger Paul-Lincke-Ufer eröffnete. Im Angebot: elaboriert modernisiertes Comfort Food wie etwa gegrillter Spargel mit Miso und Haselnuss oder Pasta mit Pecorino, Pfeffer und Bonitoflocken. Dazu werden mit Feingefühl Cocktails kreiert, ebenfalls gerne mit Nippon-Elementen wie beim nach der Kirschblüte benannten „Sakura“ mit Sake, Kirschwasser und Lillet Blanc.


In der jungen Gastroszene boomen Cocktails – wie hier im Göttinger Herbarium

© SEBASTIAN BÖTTCHER

Noch recht neu ist das Bonvivant im Schöneberger Akazienkiez, das sich ebenfalls Cocktailbistro nennt. Man beruft sich auf den im Paris der Nullerjahre geprägten Begriff der „Bistronomie“ – unkomplizierte Küche mit kulinarischem Anspruch. Das Konzept ist noch weiter zugespitzt, es kombiniert „ausgefallene Drinks und vegetarisches Soulfood“. Man serviert z.B. hübsche Linsentörtchen mit Fenchel, Ananas und Anis oder weißen Spargel mit Holunderblüte und Haselnuss. Und dazu Cocktails wie den knallroten „Almost Cosmo“ mit Wodka, Zitrone, Cranberry, Agave und Erdbeere. Das Schöne an diesem Konzept: Es ist angenehm undogmatisch. Der üppige Rum-Drink „Marmelada“ passt nicht zur Roten Bete? Egal, Hauptsache, es schmeckt.

Cocktails zur Küche

Fritz & Felix, Baden-Baden

Bonvivant, Berlin

Coda, Berlin

Kumpel & Keule, Berlin

Layla, Berlin

Le Faubourg, Berlin

Wagner, Berlin

Intuu, Göttingen

Der Charme der trendigen Cocktailbegleitungen liegt vor allem im spielerischen Element, der viel größeren kreativen Freiheit. Neu ist das nur in der europäischen Kultur, wo sich Spitzenküche und -weine über Jahrhunderte parallel entwickelten, als natürliche Paarung. In jenen Weltgegenden, wo kein Weinbau existierte, werden von jeher andere und durchaus auch hochprozentige Begleiter gewählt – vom Tee in China über Whisky in Indien bis zum Wodka in Russland. Das ergibt Sinn, denn gerade zu aromenstarken Küchen kann sich Hochprozentiges leichter tun.

Nicht nur Berliner Trendsetter orientieren sich in diese Richtung. Auch anderswo ist man offen für alternative Begleitungen, neu eröffnete Restaurants bieten nicht selten eine integrierte Bar wie etwa im Baden-Badener Fritz & Felix in Brenners Park-Hotel. Besonders stolz ist man hier darauf, dass 95 Prozent der Cocktailzutaten von kleinen Manufakturen aus Deutschland stammen – vom Bavarian Single Malt Whisky der Slyrs Destillerie im oberbayerischen Schliersee bis zum Monkey 47 von den Black Forest Distillers im nahen Schwarzwald. Der Übergang zwischen Bar und Restaurant ist hier fließend, auch am Tresen kann man sich Saiblingskaviar mit Crème fraîche und Fenchelpollen oder Sot-l’y-laisse mit Miso und Hühnerhaut aus der Küche servieren lassen.

Ähnlich gut funktioniert das Zusammenspiel im Göttinger Hotel Freigeist: Das Nikkei-Restaurant Intuu und die angrenzende Bar Herbarium arbeiten Hand in Hand. Zwar gibt es auch eine respektable Weinkarte, aber zum knusprigen Schweinebauch mit Süßkartoffelpüree, pikanter Anticucho-Sauce und säuerlicher Salsa criolla empfiehlt Barchef Yannick Bertram den Cocktail „Japanese Breath“: „Er federt die Geschmacksexplosion des Gerichts etwas ab und hält leicht dagegen. Die Säure des Yuzu in Kombination mit Verjus, Sake und Riesling ergänzt die Aromenbombe des Schweinebauchs. Durch den Matcha ergibt sich ein homogenes Geschmacksprofil, er bringt zusammen, was zusammengehört.“

Gault&Millau Restaurantguide Deutschland 2020

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