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Heilige Länder

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Selbst wenn ein Feldzug nicht als Dschihad abgesegnet war, gab es doch Teile des Hauses des Islams, wo die Landschaft an sich so heilig war, dass selbst ein „normaler“ Krieg mit religiöser Bedeutung befrachtet war; dort zu kämpfen machte einen Dschihad in besonderer Weise dringlich. Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass die gesamte islamische Welt umringt war von als Ribats bezeichneten Festungskomplexen, in denen jene lebten, die es an die Grenzen zog, insbesondere entlang der Mittelmeerküste, wo sie eine Art Sperrgürtel gegen die christlichen Mächte des nördlichen Mittelmeers bildeten. In diesen Ribats am äußersten Rand der islamischen Welt konnten sich fromme Bruderschaften gemeinsam in kleineren und größeren Dschihads engagieren. Al-Andalus, lange Zeit das traditionelle Ziel fränkischer Angriffe, wurde oft als Land gepriesen, das frei von Häresie sei, eine Zone außergewöhnlicher Orthodoxie, dargestellt als Land der Ribats, zur Führung des Dschihads bestimmt, dem Heiligen Krieg gewidmet, ebenso wie die Grenzregionen von Sizilien und Nordsyrien.

Unumstritten heilig war jedoch wie für Christen und Juden Palästina, das Heilige Land (al-ard al-muqaddasa) selbst, Gottes Volk als Lebensraum gewährt, wie im Koran (Sure 5,21) niedergelegt, und Sitz der Stadt Jerusalem, der heiligsten muslimischen Stätte neben der Wiege des Islams in Westarabien. Jerusalem, auch al-Quds und al-Bayt al-Muqaddis (das Heilige Haus) genannt, strömte geradezu über vor Erinnerungen und Assoziationen an Propheten und religiöse Gestalten, die Gott in verschiedenen Epochen gesandt hatte, wie Abraham, David und den Messias Jesus mit seiner Mutter Maria. Für Muslime war und bleibt es eine Stadt wie keine andere; bevor sie sich in den frühesten Tagen der Gemeinschaft auf Mekka fokussierten, war es der Ort, an den die ersten Muslime ihre Gebete richteten, Ziel der wundersamen nächtlichen Reise des Propheten und Schauplatz seines Aufstiegs in den Himmel, wo er vielen von Gottes früheren Propheten begegnete und bei Ihm selbst Fürsprache einlegte, um Seinem Volk die Bürde der kultischen Dienste zu erleichtern. Dieser Ereignisse wurde später mit zwei überwältigenden Monumenten gedacht: dem Felsendom und der al-Aqsa-Moschee, beide auf dem al-Haram al-Sharif gelegen, der von alters her auch als Tempelberg bekannten Anhöhe (Abb. 4). Zudem war Jerusalem eine geschichtenumwobene Stadt. Es war beispielsweise einer der wenigen Orte, die der fromme Kalif Umar besuchte, als sich die Stadt im Jahr 637 den muslimischen Heeren ergab; an seinen Besuch erinnert die Umar-Moschee, die er unweit – und, wie es heißt, in Ehrerbietung gegenüber – der Grabeskirche errichten ließ. Außerdem hatte Jerusalem eine wichtige „Zukunftsgeschichte“, da Muslime wie Juden und Christen erwarteten, die Stadt werde eine zentrale Rolle in der Schlacht mit dem Antichrist, bei der Wiederkunft des Messias und dem Jüngsten Gericht spielen.


Abb. 4 Jerusalem, al-Haram al-Sharif (Eve81/Shutterstock)

Dennoch waren Jerusalem und Palästina nur Teile des umfassenderen Territoriums von Syrien, das im Arabischen al-Sham genannt wird und ebenfalls als heiliges Land gilt. Geografisch erstreckte es sich über eine viel größere Region als das heutige Land Syrien: Es reicht von Ägypten im Westen bis zum Euphrat im Osten, vom Taurusgebirge im Norden bis zum Roten Meer. Wie al-Andalus betrachten bestimmte Überlieferungen Syrien als einen einzigen riesigen Ribat. „Wer sich in einer seiner Städte aufhält, befindet sich in einem Ribat; wer in einer der Grenzfestungen ist, ist im Dschihad.“ Seine Truppen wurden als Schwerter oder Pfeile eines zornigen Gottes betrachtet; es war eine von Engelsflügeln beschützte Region; Gebete dort galten als tugendsamer als Gebete in anderen Regionen, da „Gott die Tugend in zehn Teile“ geteilt habe: „Neun Zehntel gab er nach Syrien, das übrige in den Rest der Welt.“ Wenn die Endzeit anbreche, werde „der wahre Glaube in Syrien sein“, wo sich die Gerechten versammeln und von wo aus über die gesamte Menschheit gerichtet werde. In den grimmigsten Schlachten der Apokalypse „wird das Lager der Muslime in einem Land sein, das man Ghuta [die Oase von Damaskus] nennt, in dem eine Stadt namens Damaskus liegt, die beste Wohnstätte für Muslime an jenem Tag“.

Darüber hinaus war Syrien übersät mit Gräbern von Patriarchen, Propheten und Heiligen, und buchstäblich jede Stadt konnte eine heilige Stätte aufbieten. Viele davon wurden zu Andachtsorten und Pilgerstätten für Muslime und, wenig überraschend, auch für Juden und Christen. Für mittelalterliche Muslime war Jerusalem demnach die heiligste Stadt in Palästina, das wiederum der heiligste Bezirk in dem viel ausgedehnteren heiligen Land Syrien war.14

Um das Jahr 1050 war die Dar al-Islam dementsprechend mächtig und selbstbewusst, die Heimat einer dynamischen Zivilisation, in Gang gehalten von einer bunt gemischten Bevölkerung und einer robusten Wirtschaft. Er war stolz auf seine Errungenschaften, pflegte ein gutes, wenn auch wachsames Verhältnis zu seinen Nachbarn und verachtete die Völker an den Rändern der Oikumene, die sich am großen Licht lediglich von fern die Hände wärmten. Zudem war er ein Reich der Ordnung, wo die Gottestreuen und ihre Untertanen unter göttlichem Schutz lebten, umsäumt von den Festungen der Frommen, regiert von Kalifen und Königen, die das göttliche Recht hochhielten, den Islam stärkten und Heere entsandten, um die Grenzen seines Hauses zu verteidigen.

Dann jedoch kollidierten das Haus des Islams und das Haus des Krieges in einer Weise, die weder Harun ibn Yahya und al-Bakri noch irgendein anderer Besucher der dunklen Klimata von Firandscha hätte ahnen oder vorhersagen können. Die Franken setzten sich in Bewegung.

Der Kampf ums Paradies

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