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Die Geschichte einer Eroberung

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Die erste Phase der muslimischen Verteidigung von Sizilien dauerte bis zum Sommer 1071, gipfelte in der normannischen Belagerung der Hauptstadt Palermo und war eine wechselvolle Periode von überraschenden Niederlagen und organisierten Scharmützeln, die darauf abzielten, normannische Erfolge im Ansatz zu ersticken (Karte 3). Sie begann wenig verheißungsvoll: Nachdem eine Delegation sizilianischer Muslime in Tunesien um Beistand ersucht hatte, entsandte der dortige Emir der Ziriden eine Flotte mit Soldaten zur Verteidigung der Insel. Die Flotte sank jedoch im Sturm vor der tunesischen Küste und war verloren, was die militärische Macht des Emirs im eigenen Land schwächte und Hilfe aus dieser Richtung verzögerte. Nachdem Messina von normannischen Truppen besetzt war, mussten die sizilianischen Muslime den Invasoren zunächst auf ihrem Vormarsch auf Rometta an der Nordküste entgegentreten. Die dortigen Bewohner waren über die jüngsten Ereignisse in Messina informiert, und so zog eine Gruppe örtlicher Honoratioren aus, um die Stadt kampflos zu übergeben und die Kapitulationsbedingungen auf den Koran zu beschwören.

Da sie nun den Rücken frei hatten, wandten sich die Normannen nach Süden, die westlichen Ausläufer des großen schlafenden Vulkans Ätna entlang, und belagerten unterwegs die kleine Stadt Centuripe. Deren muslimische Bewohner wehrten sich standhaft und rückten Katapulte an die Stadtmauern, um die Normannen in die Flucht zu schlagen. Unterdessen verbreitete sich das Gerücht, Ibn al-Hawwas habe ein Heer entsandt, um sie zu stoppen, und so ließen Robert Guiskard und sein Bruder die Belagerung aufheben, rückten nach Süden vor und machten vor Catania Rast, der Hauptstadt ihres Verbündeten Ibn al-Thumna. Sie hatten gehofft, Ibn al-Hawwas dort in der Schlacht zu begegnen, an einem Ort ihrer Wahl mit naher Zuflucht und ausreichend Raum zum Manövrieren. Aber Ibn al-Hawwas wartete auf den rechten Moment.


Karte 3 Sizilien im Mittelalter; nach: Alex Metcalfe, The Muslims of Medieval Italy (Edinburgh: Edinburgh University Press 2009)

Durch Spione erfuhr Ibn al-Thumna, Ibn al-Hawwas sei immer noch dabei, seine Truppen zu sammeln, und so wandten sich die Normannen nach Westen, offenbar auf der Suche nach einem Gefecht. Mittlerweile hatte Ibn al-Hawwas ein zahlenmäßig starkes Heer aus Einheimischen und „Afrikanern“ zusammengestellt, bei denen es sich um Soldaten (vermutlich Berber) gehandelt haben muss, die die Ziriden aus Tunesien geschickt hatten. Die Gegner trafen östlich von Castrogiovanni am Ufer des Dittaino aufeinander. Die afrikanischen und sizilianischen Abteilungen von Ibn al-Hawwas’ eilig zusammengestelltem Heer waren offenbar nicht gut aufeinander abgestimmt. Obwohl sie anscheinend in der Überzahl waren, flohen die muslimischen Soldaten beim ersten Anzeichen normannischer Überlegenheit nach Castrogiovanni. Die Normannen folgten ihnen, aber eine Belagerung der Stadt war ausgeschlossen, und so kehrten sie nach Messina zurück. Von dort setzten Robert und Roger aufs Festland über, wo dringende Angelegenheiten an anderen Fronten auf sie warteten, und Ibn al-Thumna zog sich nach Catania zurück, von wo aus er seine Raubzüge im Südosten fortsetzte.

Ende 1061 landete Roger erneut mit einer kleinen Streitmacht und zog plündernd bis Agrigent. Die Festung Troina, eine überwiegend christlich bewohnte Stadt, ergab sich ihm; dort feierte er Weihnachten und fuhr dann wieder aufs Festland, um zu heiraten. Im Frühjahr 1062 kehrte er zurück und eroberte mithilfe von Ibn al-Thumna Petralia, das neben Troina zur wichtigsten Operationsbasis für den unausweichlichen Vormarsch nach Westen wurde. Dann kehrte er abermals nach Italien zurück und überließ Ibn al-Thumna die Verantwortung für alle Gebiete, die sie auf Sizilien erobert hatten.

Dann jedoch erlitten die Normannen bei Entella einen schweren Rückschlag. Die Garnison der Stadt, einst im Besitz von Ibn al-Thumna, stand immer noch unter dem Befehl eines seiner Männer, der um ein Treffen mit seinem ehemaligen Herrn ersuchte, um die Bedingungen einer Übergabe auszuhandeln. Als Ibn al-Thumna am vereinbarten Ort eintraf, griffen ihn die dort auf ihn wartenden Männer an, und ihr Führer durchbohrte den alten Wendehals mit seinem Speer.

Da Roger und Robert auf dem Festland waren, fanden sich die kleinen normannischen Besatzungstruppen in Troina und Petralia auf feindlichem Gebiet umzingelt – ohne einen einzigen Verbündeten auf der Insel. Sie gaben ihre Stellungen auf und suchten eilends Schutz in Messina, um auf neue Befehle zu warten. Auch anderswo schwand der Rückhalt der Invasoren. Als Roger im Herbst 1062 mit neuen Truppen eintraf, weigerten sich die griechischen Bewohner von Troina, ihnen Quartier zu gewähren. Während er seinen Feldzug fortsetzte, kam es in der Stadt zur Revolte. Gemeinsam mit Muslimen aus umliegenden Orten setzten die Bürger die Besatzer und Rogers frisch angetraute Braut gefangen. Der Aufstand scheiterte jedoch; Roger befreite seine Frau und seine Truppen. Den griechischen Rädelsführer ließ er verhaften und öffentlich hinrichten.

Während die Normannen dergestalt abgelenkt waren, fanden die sizilianischen Muslime Unterstützung. Ende 1062 gab es offenbar keine Zentralgewalt mehr auf der Insel, die ihre Verteidigung koordinieren konnte, und so war Ibn al-Hawwas auf sich allein gestellt. Die Lücke füllten die nordafrikanischen Ziriden, deren neuer Emir Tamim seine Söhne Ayyub und ʿAli mit einer großen Flotte schickte, um Sizilien zu retten. Ayyub landete in Palermo und errichtete dort seine Basis, ʿAli in Agrigent, vermutlich um Ibn al-Hawwas gegen normannische Angriffe auf Castrogiovanni beizustehen. Im Juni 1063 trafen das Heer der Ziriden und seine sizilianischen Verbündeten bei Cerami, ein paar Meilen westlich von Troina, auf die normannischen Truppen. Es existiert nur ein einziger – höchst parteiischer – christlicher Bericht über diese Schlacht, aber offenbar wurde sie zum Desaster für die Ziriden, die – wie schon Jahre zuvor am Dittaino – ungeordnet zu flüchten begannen, als die Normannen erste kleine Erfolge errangen und damit eine verheerende Niederlage herbeiführten. Viele Muslime fielen auf dem Schlachtfeld, noch mehr starben im Durcheinander der Verfolgung der Flüchtenden. Die Normannen plünderten das Lager der Muslime, und eingedenk dessen, der letzten Endes ihr oberster Befehlshaber war, schickten sie dem neuen Papst Alexander II. vier gefangene Kamele nach Rom. Die Möglichkeit einer muslimischen Vergeltung war nach Cerami nicht gänzlich ausgeschlossen, aber sicherlich erschüttert. Roger nutzte die Flaute auf der Insel, um nach Italien zurückzukehren, seinem Bruder dort beizustehen und sein Vorgehen hinsichtlich des nächsten sizilianischen Ziels zu planen: Palermo.

So gut wie unmittelbar nach der Besetzung durch die Muslime im 9. Jahrhundert wurde der Hafen von Palermo zur Hauptstadt des muslimischen Siziliens, wo die verschiedenen Statthalter stets residiert hatten. Zur Zeit der normannischen Invasion war es immer noch die größte und bedeutendste Stadt auf der Insel. Umgeben von Obstplantagen und Gärten, bestand sie aus einer Ansammlung verschiedener Bezirke, darunter die Altstadt al-Qasr (das heutige Cassaro) mit eigener Stadtmauer und ein neuerer Palastbereich namens al-Khalisa (heute Kalsa), den die Fatimiden neben der alten Stadt begründet hatten, ähnlich wie in Kairo. Umgeben waren sie alle von einer mächtigen Ringmauer. Außerdem verfügte Palermo über einen geschäftigen Hafen, von dem aus muslimische Schiffe überall dorthin auslaufen konnten, wo sie benötigt wurden. Eine solche Stadt war nur durch einen gleichzeitigen Angriff zu Land und zur See einzunehmen, und die Normannen brauchten Zeit, um dafür Männer und Schiffe zu sammeln.

Im Jahr 1066, während Roberts und Rogers Stammesgenossen in der Normandie damit beschäftigt waren, ein ganz anderes zersplittertes Inselkönigreich zu erobern, hatten die Normannen in Sizilien die Stadt Petralia zurückerobert und zur Festung ausgebaut. 1068 griffen die Muslime von Palermo bei Misilmeri, etwa acht Kilometer von der Hauptstadt entfernt, einen normannischen Stoßtrupp an und erlitten eine blutige Niederlage, die umso demoralisierender war, als Robert, wie Malaterra berichtet, Brieftauben mit in muslimischem Blut getränkten Stofffetzen nach Palermo schicken ließ. Die Geduld der Sizilianer zeigte erste Risse. Zwar unterstützten die Ziriden trotz ihrer holprigen Darbietung bei Cerami weiterhin die Bemühungen, den Normannen den Wind aus den Segeln zu nehmen, aber ihre größtenteils berberischen Truppen waren bei der Bevölkerung sehr unbeliebt. Ibn al-Hawwas missfiel ihre Einmischung in seine Gebiete; als er in Agrigent gegen sie zu den Waffen griff, wurde er im Kampf getötet. In Palermo kam es zu Aufständen gegen die Berber, und so sammelte der ziridische Befehlshaber Ayyub 1069 seine Männer, kehrte nach Nordafrika zurück und überließ Palermo und Sizilien ihrem Schicksal.

Das erfüllte sich zwei Jahre darauf. Die Belagerung dauerte fünf Monate; Roger umzingelte die Stadt zu Land, Robert blockierte mit einer Flotte den Hafen. Den Muslimen gelangen zwar offenbar mehrere kurze Ausfälle, aber die Belagerung hielt an, und bald litt die Stadt Hunger. Anfang Januar 1072 war Palermo sturmreif. Roger griff von der Landseite an, die muslimischen Truppen suchten die Stadtmauer zu verteidigen, und eine kleine Gruppe von Rittern erklomm die Mauer zur Seeseite und tötete alles, was ihr in den Weg kam. Die Stadtbevölkerung floh nahm ihre letzte Zuflucht hinter dem inneren Mauerring der Altstadt. Von den letzten Regierenden im islamischen Palermo kennen wir dank einiger jüdischer Dokumente zumindest einen Führer mit Namen: den muslimischen Kaufmann Ibn al-Baʿbaʿ. Gut möglich, dass er an den Diskussionen der Belagerten über ihr weiteres Schicksal teilnahm. Ihr Weg schien klar: Als der nächste Tag anbrach, entsandten die Einwohner von Palermo eine Delegation von Honoratioren mit den von ihnen genommenen Gefangenen und ergaben sich Robert, der ihnen körperliche Unversehrtheit und die Freiheit, ihre Religion auszuüben, zusicherte. Mazara, die wichtigste Hafenverbindung der Insel nach Afrika, kapitulierte kurz darauf. Damit war Sizilien von der übrigen islamischen Welt so gut wie abgeschnitten.

Einige Tage später hielt Robert triumphalen Einzug in Palermo und in die Hauptmoschee, die rituell gereinigt und in eine Kathedrale umgewandelt wurde. Außerdem ließ Robert die Tore der Stadt abtransportieren und im rebellischen Troina als Trophäen aufstellen. Dann machte er sich daran, seine neuen Eroberungen mit Truppen zu besetzen und mit Roger die Einzelheiten der Aufteilung der bislang eingenommenen Gebiete – etwa der Hälfte von Sizilien – auszuhandeln. Als das erledigt war, verließ der „Fuchs“ Sizilien und kehrte nie mehr zurück. Er starb 1085 im Kampf gegen die Griechen und wurde im italienischen Venosa beigesetzt; seine Grabinschrift nennt ihn stolz terror mundi, den Schrecken der Welt.

Der Kampf ums Paradies

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