Читать книгу Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2) - Perry Rhodan - Страница 114
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Was geschah (3)
»Achtzehn Sekunden ...«, sagte eine Stimme, die kaum noch etwas mit der von ANANSI gemein hatte. »Du und alle anderen habt sechzehn Sekunden, um ein Versteck zu finden. Dann muss ich mich ergeben.«
Dou schaltete schnell. Er erkannte an Shaupaards Gesichtsausdruck, dass die VECU mit Problemen zu kämpfen hatte. Der Cairaner blickte ratlos um sich.
ANANSI bot Dou die Gelegenheit, im Schiff unterzutauchen.
»Krisenfall Philippi!«, rief er, schaltete den Deflektor seines Schutzanzugs ein und eilte davon. »Jetzt gleich!«
Matho Thoveno blieb stehen, ebenso die meisten anderen Techniker und Wissenschaftler, die er während der Untersuchung der Komponententräger hinzugezogen hatte. Sie verstanden nicht, was Dou meinte. Seine Leute hingegen, ausgebildete Spezialisten der Inneren Sicherheit, eilten davon.
Zwölf Sekunden.
Dou erreichte den Hauptgang Richtung Schiffsinneres, warf sich in eine Expresskapsel, hieb auf den Auslöser, ließ sich mit Höchstgeschwindigkeit beschleunigen. Er raste mit 500 Metern pro Sekunde dahin, drei Sekunden lang. Stieg aus, stürzte sich in einen Antigravschacht, gelangte zwei Decks darunter ins Freie, ging ein paar letzte weite Schritte – und erreichte sein Ziel. Hauptdeck 12-20. Eine Plattform, von der aus er in eine schier endlose Tiefe blickte.
Dou hielt inne und holte tief Luft. War er in der Ringhalle sicher, die einen Großteil der Hauptdecks Zwölf bis Drei ausfüllte? In einem Bereich, in dem einige wenige Techniker, Roboter und vor allem die Posbis das Sagen hatten?
Er maß keine Verfolger an. Auch von ANANSI war nichts zu hören.
Nach einem kurzen Moment des Zögerns schaltete er den Deflektor aus und desaktivierte so gut wie alle weiteren Funktionen seines Anzugs, die ihn verraten konnten. Dou wollte energetisch unsichtbar werden.
Die Ringhalle hatte eine zylindrische Grundform. Der äußere Durchmesser betrug 1400 Meter, die Höhe eintausend Meter.
Ich blicke einen Kilometer in die Tiefe, machte sich Dou bewusst.
Er sah die oberen Abdeckungen von fünf Hawk-V-Kompensationskonvertern und einen annähernd gleich großen Transitions-Strukturkonverter. Gemeinsam bildeten diese Zylinderelemente das technische Herzstück der RAS TSCHUBAI: die überaus wirksamen und technisch ausgereiften Überlichtantriebe.
Die Zylinder waren kreisförmig um einen zentralen Freiraum angeordnet. Überwachungs- und Nebenleitstellen klebten da und dort wie Schwalbennester an den Wänden. Dazu kamen Wartungsplattformen, mobile Arbeitsbühnen und feldenergetische Zugangsbrücken. Einige Arbeitsroboter gingen schwebend ihrer Arbeit nach.
Der freie Platz im Zentrum war im Lauf der Zeit von Zusatzbauten überwuchert worden. Zahlreiche technische Erneuerungen in der Geschichte der RAS TSCHUBAI hatten ein gewisses Maß an Improvisation erfordert. So kam es, dass stabilisierende Schrägträger kreuz und quer standen. Dazwischen befanden sich Modulblöcke, die wiederum durch komplexe Rohr- und Leitungssysteme miteinander verbunden waren. Man musste einmal dort gewesen und alles mit eigenen Augen gesehen haben, um zu begreifen, weshalb die Mechaniker diesen Teil der Ringhalle nur als Kathedrale bezeichneten.
Dou kniff die Augen zusammen. Immer wieder rissen Lichteffekte die Dunkelheit auf. Feldenergetische Isolationsfelder von unterschiedlicher Stärke sorgten für stroboskopartige Blitzerscheinungen, die sich in die Netzhaut brannten.
Onker Dou sah auf jenen Bereich hinab, der sein eigentliches Ziel darstellte. Zwischen zwei größeren Lichtinseln inmitten der Kathedrale waren stark ineinander verschachtelte Konstrukte zu erahnen. Röhren, Platten, Kabelstränge, Wege, Treppen und Plattformen bildeten ein nahezu undurchschaubares Wirrwarr. Dieser Komplex maß etwa sechzig Meter im Durchmesser. Seine Bewohner nannten ihn Nest.
Dou hörte über Funk die kurze Ansprache Bru Shaupaards und verfolgte sie wenig interessiert. »Bleibt ruhig und gehorcht meinen Anweisungen, dann wird alles wieder gut«, schloss der Cairaner.
ANANSI war demnach vorerst besiegt. So, wie Dou es befürchtet hatte. Die Semitronik hatte alles unternommen, um ihm und einigen anderen Leuten die Flucht zu ermöglichen. Dou konnte bloß hoffen, dass Tolot und Luetyens entkommen waren. Mit ein wenig Glück auch Cascard Holonder und andere Offiziere.
Die Entscheidungsträger an Bord der RAS TSCHUBAI wussten ganz genau, wie sie sich im Falle einer feindlichen Übernahme verhalten mussten. Sie waren über den Krisenfall Philippi informiert. ANANSI hingegen nicht – was durchaus nicht einfach zu bewerkstelligen gewesen war. Etwa fünfzig hochrangige Bordmitglieder kannten Verstecke und geheime Nebenzentralen, von denen aus sie den Widerstand gegen eine schadhaft funktionierende Semitronik organisieren konnten.
Die Ringhalle war eines der besten Verstecke. Dort war das energetische Aufkommen derart komplex, dass ANANSIS Einfluss geringer als sonst wo im Schiff war. Die Semitronik beobachtete und wirkte ausschließlich durch ihre mobilen Einheiten. Sensoren, Prüf- und Steuerungsautomatiken konzentrierten sich auf die Funktionstüchtigkeit der Antriebsaggregate, nicht aber auf die wenigen Lebewesen.
Onker Dou ließ sich in die Tiefe fallen. Er entdeckte immer mehr aufblitzende Metallkörper, je näher er seinem Ziel kam.
Er drang ins Innere des Nests vor und setzte auf einem etwa fünf Meter breiten Trägerelement auf. Markante Steher, zwischen zwei und fünf Meter lang, standen wie Stacheln davon ab. Manche von ihnen waren fein ziselierte Kunstwerke, in die mit viel Geduld und Geschick Muster gestanzt worden waren. Andere erschienen primitiv und wie mit ungelenker Hand angeschweißt.
Dou fühlte sich nicht sonderlich wohl. Er wusste besser über die RAS TSCHUBAI Bescheid als jedes andere Besatzungsmitglied. Bereiche wie das Nest mied er, so gut es ging.
»Ich weiß, dass ihr da seid«, rief Onker Dou. »Zeigt euch!«
Metall klackerte auf Metall. Ein menschenähnlicher Roboter trat hinter einem der Träger hervor. Sein blechernes Gesicht war mehrfach eingedrückt, sein rechtes Bein schleifte das Metallwesen hinterher.
»Was willst du?«, fragte der Roboter unwirsch.
»Ich möchte um Hilfe bitten.«
»Ihr Fleischigen erinnert euch immer nur dann an uns, wenn ihr allein nicht zurechtkommt. Warum sollten wir dich unterstützen?«
»Lass ihn in Ruhe, Lazarus!«, erklang eine neue Stimme. Ein weiterer Roboter kam dahergeflogen und setzte ungelenk auf dem Querträger auf. Er bestand aus einer mächtigen Kugel, zwei dünnen Beinchen und fünf langen und dürren Armen, die ständig in Bewegung blieben.
»Onker Dou«, sagte der Posbi. »Es ist lange her, dass wir miteinander zu tun hatten.«
Dou atmete erleichtert durch. Er kannte sein Gegenüber. Gustav war einer der prominentesten Posbis an Bord der RAS TSCHUBAI. Er war ein hoch spezialisierter Funk- und Ortungsroboter, der gerne bei Außeneinsätzen hinzugezogen wurde.
»Stimmt, Gustav. Das liegt aber nicht nur an mir. Du hast dich aus dem Tagesgeschäft der RAS TSCHUBAI zurückgezogen.«
»Ich bin da, wenn man mich braucht.«
»Ich brauche dich jetzt.«
»Nimm dich in Acht, Gustav! Der Fleischige will dich bloß wieder ausnutzen. Er ist wie sie alle. Er wird ...«
»Es reicht, Lazarus!«, unterbrach ihn Gustav. »Du hättest die RAS TSCHUBAI verlassen sollen, als die Gelegenheit dazu war. Du bist geblieben, also finde dich mit den Gegebenheiten ab.«
»Ich meine ja nur ...«, sagte der beschädigte Posbi und verschwand so abrupt, wie er aufgetaucht war.
»Ich entschuldige mich für meinen Kollegen«, sagte Gustav. »Die Narben an seinem Körper und im Gesicht wurden von einem betrunkenen Terraner verursacht, und Lazarus hat sich geweigert, sie reparieren zu lassen. Seitdem ist er nicht mehr ganz der Alte. Vorher war Lazarus wirklich ein lustiger Kerl.«
»Jaja, schon gut.« Dou blickte auf sein Armbandkom. Vor sechs Minuten war er geflohen. Je mehr Zeit verging, desto sicherer fühlte er sich.
»Warum bist du hier, Onker? Möchtest du dich vor der VECU verstecken? Erwartest du, dass wir dich unterstützen?«
Der Posbi war also informiert. Natürlich.
»Bin ich hier denn sicher?«, stellte Dou eine Gegenfrage.
»Das Nest ist vom Logik-Programm-Verbund und damit von ANANSI abgekoppelt«, antwortete Gustav. »Hier bestimmen wir darüber, was die Semitronik erfährt und was nicht. Hier sind wir Individuen. – Ist es das, was du wissen wolltest?«
»Ja.«
»Nenn mir den Grund für deine Flucht, Onker. ANANSI arbeitet mit der VECU zusammen. Die VECU ist eine positive Ordnungsmacht. Es gibt keinen Grund, sich ihr zu verweigern.«
»Sie hat die RAS TSCHUBAI ohne Rücksprache übernommen. Sie beherrscht ANANSI. Sie erstickt jeglichen Widerstand im Keim. Würdest du das als friedfertige Übernahme bezeichnen?«
»Das nicht. Aber die VECU sieht das Schiff als wichtigen Faktor, um ihre Pläne umzusetzen und die Galaxis Ancaisin zurückzuerobern. Und das ist durchaus im Sinne der Milchstraßenvölker.«
»Der Zweck heiligt also die Mittel? Ist es das, was du mir sagen möchtest? Du weißt aus der Geschichte deines Volkes, wie schädlich äußere Einflüsse sein können. Ihr habt damals im besten Wissen gehandelt, als die Hassschaltung euch dazu brachte, biologische Lebewesen zu bekämpfen.«
»Richtig«, gab Gustav zu. Er ließ seine dünnen Metallarme um den kugelförmigen Körper schlackern.
»Es gibt in dir sicherlich Erinnerungsroutinen, die dir sagen, wie schrecklich sich deine ... Vorfahren fühlten, als die Hassschaltung beseitigt wurde.«
»Es war eine traumatische Erfahrung«, sagte Gustav leise.
»Ihr mögt es nicht, manipuliert zu werden, wir ebenso wenig. So einfach ist das. Die VECU hat positive Ziele. Aber wenn sie uns zu etwas zwingt, wird das Gute zum Schlechten.«
»Du simplifizierst, Onker.«
»Weil ich keine Zeit für Diskussionen habe. Die Frage ist: Wirst du mir helfen? Werden uns die Posbis an Bord helfen, die Herrschaft über das Schiff zurückzugewinnen?«
»Du redest vom Kampf gegen eine Superintelligenz. Das ist absurd!«
»Ich rede davon, die VECU auf uns und unsere ethischen Standards aufmerksam zu machen. Die Superintelligenz muss verstehen, dass eine Partnerschaft in ihrem und in unserem Sinne ist. Sie ist nach wie vor geschwächt. Eine Schiffsbesatzung, die ihr passiven Widerstand entgegensetzt, erschwert die Mission der VECU.«
»Weißt du denn, was sie vorhat, Onker?«
»Nein. Wir müssen mehr über ihre Pläne herausfinden.«
»Wir? Du hast mich längst nicht überzeugt.«
»Doch, das habe ich. Andernfalls würdest du mir nicht zuhören. Du hättest mich entweder aus dem Nest geschmissen oder mich gar der VECU übergeben.«
Gustav schwieg für einige Sekunden. Viel zu lange für einen Roboter.
»Ich bin im Zwiespalt«, gab Gustav schließlich zu. »ANANSI bietet uns Zufriedenheit und Geborgenheit. Sie sieht uns als gleichberechtigte Partner.«
»Tun wir das nicht ebenfalls?«
»Ihr Terranischstämmigen bemüht euch. Aber ihr begreift nicht, was Objektivität bedeutet. Ihr verhaltet euch uns gegenüber öfter mal unfair.«
»Habt ihr deshalb dieses Nest gebaut? Um euch vor uns zurückziehen zu können?«
»Unter anderem.«
Die Antwort fiel für Gustavs Verhältnisse ungewöhnlich spröde aus. Der Funkspezialist war berüchtigt für seine Litaneien.
Dou konzentrierte sich auf seine Aufgabe. »Hör mir zu, Gustav: Die RAS TSCHUBAI wurde von der VECU übernommen. Gegen unseren Willen und auch gegen ANANSIS Willen. Wir werden das nicht akzeptieren.«
»Wer ist wir?«
»Ich bin mir sicher, dass sich noch andere Besatzungsmitglieder auf der Flucht befinden.«
»Ihr könnt der VECU nicht entkommen. Nicht auf Dauer.«
»Wenn wir aber Unterstützung von euch erhalten ...?«
»Wir könnten dich und einige andere Besatzungsmitglieder für eine Weile verbergen. Aber gewiss nicht lange. ANANSI wird Hinweise geben, wo die VECU nach euch suchen lassen soll.«
»Für die Superintelligenz sind wir ein vernachlässigbarer Faktor«, erwiderte Dou und fügte in Gedanken ein hoffentlich hinzu. »Sie wird sich um ihre eigenen Pläne kümmern und uns vorerst in Ruhe lassen. Wir sind in ihrer Wahrnehmung bestenfalls so etwas wie Mücken.«
»Was hast du vor, Onker? Was willst du wirklich?«
»Kräfte sammeln. Beobachten. Und der VECU begreiflich machen, dass sie die RAS TSCHUBAI nicht einfach in Besitz nehmen kann.«
Anders gesagt: Die Fliegen müssen lästig werden. Aber nicht zu sehr, weil sie sonst von der VECU erschlagen werden.
*
Das Nest der Posbis war in seinem Inneren sogar um einiges verwirrender, als es von außen gewirkt hatte. Kühl wirkende und strikt logisch aufgebaute Bereiche wechselten mit solchen ab, die den Träumen eines Verrückten zu entstammen schienen. Trampelpfade hatten keinen Anfang und nahmen kein Ende. Permanent kippten die Schwerkraftverhältnisse. Einmal hatte Onker Dou das Gefühl, bergauf steigen zu müssen, um im nächsten Augenblick in die Tiefe zu stürzen. Die Zusammensetzung der Luft war Änderungen unterworfen, die Wahl der Farben, die Gerüche, die Konsistenz der Baumaterialien ...
»Wie viele von euch leben hier?«, fragte er Gustav.
»Das Nest ist kein Lebensraum. Wir ziehen uns in sein Inneres zurück und kehren irgendwann zurück in die Welt des Äußeren.«
»Warum bist du hier? Du wirkst nicht so, als hättest du einen Aufenthalt im Nest nötig.«
»Woran willst du meinen Gemütszustand erkennen, Onker?«
»Ist Gemütszustand denn ein Wort, das ihr auf euch selbst anwendet?«
»Wenn es dir lieber ist, können wir von reduzierter Spannungsimmanenz der bioplasmatischen Denkmatrix an der hypersensuellen Oberfläche der hypertoyktischen Verzahnung reden.«
»Bleiben wir lieber doch beim Wort Gemütszustand.«
»Das ist mir recht.«
Sie passierten eine schwerkraftlose Zone entlang ihres Weges, und erreichten ein Labyrinth, in dem Röhren aller Größen ineinander verschlungen waren.
»Der Posbi-Philosoph Adornfont hat dieses Labyrinth endloser Weisheit errichtet«, erklärte Gustav. »Wenn du es mit meinen Linsen sehen könntest, würdest du seine wahre Schönheit erkennen und vermutlich vor Freude einen Achtelliter Öl verlieren.«
»Hör zu, Gustav: Ich finde es toll, dass du mich im Nest herumführst und mir seine Sehenswürdigkeiten zeigst. Aber ...«
Der Posbi unterbrach ihn. »In Inneren des Labyrinths endloser Weisheit ist die Abschirmung am besten. Selbst ein Dutzend von ANANSIS Robotern könnte dich dort drin nicht aufspüren. Es wandelt sich, erfindet sich stets aufs Neue. Es kontrahiert, es verändert seine Form, sein Fassungsvermögen. Es folgt dabei einem Plan, der von Adornfont im Voraus für die nächsten zwölftausend Jahre festgelegt wurde. Ich bin einer der wenigen, die jederzeit Zugang zu seinem Inneren finden.«
»Wenn dir etwas geschieht, bleibe ich also für alle Zeiten im Inneren des Labyrinths eingesperrt?«
»Ja.«
»Da bin ich aber beruhigt.«
»Ist das Zynismus?«
»Gustav, verdammt noch mal! Begreifst du nicht, in welcher Lage die RAS TSCHUBAI und wir alle stecken? Ich will mich nicht in diesem Röhren-Wirrwarr verbergen und toter Mann spielen. Ich brauche ein Versteck mit ausreichender Infrastruktur, von dem aus ich meine möglichen Mitverschwörer kontaktieren und mit ihnen zusammenarbeiten kann. Ich muss ein Informationsnetz entwickeln. Ich muss planen. Ich muss Kameras in allen Teilen des Schiffs anzapfen ...«
»Ich weiß, Onker Dou. Das alles bekommst du.«
Gustav tastete mit vier seiner Arme nach dem fünften, drehte abrupt und mit aller Gewalt daran – und riss ihn sich aus. »Schon vergessen? Ich bin einer der besten Funk- und Ortungsspezialisten in der RAS TSCHUBAI. Mein Arm dient als Relais, damit ich dir ins Innere des Labyrinths berichten kann.«
Er legte den schlaffen, biegsamen Greifarm ins Innere eines breiten Röhrenelements. Die Finger entwickelten ein Eigenleben, sobald sie mit dem Metall in Berührung kamen, und klammerten sich daran fest.
»Kalibrier deinen Anzugfunk auf das Signal, das du vom Arm jetzt erhältst.«
Onker Dou gehorchte. Schon bald hatte er die richtige Frequenz gefunden. Er bekam ein kristallklares Signal und gleich darauf Bilder, die von Gustav stammten.
»Ich werde durchs Schiff wandeln und deine Anweisungen befolgen. ANANSI ist es gewöhnt, dass Posbis ohne erkennbare Aufgaben durch die RAS TSCHUBAI streunen. Sie wird keinen Verdacht schöpfen. Das Richtfunksignal wird völlig unverfänglich sein, dafür sorge ich. Und jetzt solltest du dich in dein Versteck begeben.«
Gustav sendete eine weitere Funksequenz. Einen Befehlscode. Er ließ die Röhrengebilde nach unten, nach links und nach rechts wegklappen. Ein Weg ins Innere des Labyrinths, gerade mal so breit, dass Dou ihn seitwärts begehen konnte, tat sich vor ihm auf.
»Vergiss mich nicht«, erinnerte Onker Dou den Posbi und wagte einen ersten Schritt in die Dunkelheit.
Vor ihm zeigte sich ein Weg, dem er ohne Gustavs Anweisungen via Funk unmöglich hätte folgen können. Er wich meterbreiten Löchern aus und übersprang Rohrsysteme, die sich gleich darauf um neunzig Grad nach vorne neigten. Weil er sich nicht rechtzeitig duckte, knallte er mit dem Helm gegen ein plötzlich absackendes Röhrenelement und torkelte rückwärts, um beinahe zwischen einigen sich drehenden Leitungen eingeklemmt zu werden.
Als Dou zu lange auf einem Fleck stehen blieb, gaben die Rohre unter ihm wie zäher Gummi nach und drohten ihn nach unten zu ziehen ...
Ringsum klingelte, klapperte, rauschte und ächzte es. Nach einer Weile ergaben all diese sonderbaren Geräusche eine Art Melodie, der ein ungewöhnlicher Rhythmus innewohnte. Sie wirkte beruhigend auf Onker Dous Gemüt. Trotz der Gefahren, trotz der mitunter bedrohlichen Umgebung.
Nach einigen Minuten des Dahinstolperns erreichte er einen Raum, etwa fünf Meter im Durchmesser. Rohre pressten sich eng an eng. Ab und zu löste sich eines von ihnen aus dem Verbund und machte einem anderen Platz, das sich ebenso passgenau einfügte.
»Im Raum der Beschaulichkeit bist du für die nächsten dreißig Stunden sicher«, hörte er Gustav über Funk sagen. »Ich mache mich jetzt auf den Weg und sehe mich im Schiff um. Sobald ich weitere Flüchtlinge entdeckt habe, informiere ich dich.«
»Du wirst sie ohne meine Hilfe nicht finden. Ich kann dir die wahrscheinlichsten Verstecke nennen ...«
»Das ist nicht notwendig, Onker. Ich kenne die blinden Flecken in der RAS TSCHUBAI.«
Ein Knacksen war zu hören, Gustav hatte die Unterhaltung beendet.
Onker Dou blieb in der Mitte des Raums der Beschaulichkeit stehen. Er wähnte sich in einem Alptraum, wie er nur den Posbis einfallen konnte.
Er wagte es nicht, sich hinzusetzen. Was, wenn die Elemente nachgaben oder schlichtweg verschwanden? Würde er nach unten einsinken und vom System zermahlen werden?
Dou hatte stets geglaubt, alles über die RAS TSCHUBAI zu wissen und sich überall zurechtfinden zu können. Er musste sich eingestehen, dass er sich geirrt hatte. Das Nest war ihm ebenso fremd wie die Gedankenwelt der VECU.
*
Alle Mitglieder der Schiffszentrale waren von der VECU festgesetzt worden. Betroffen las Onker Dou eine lange Liste mit Namen, die ihm Gustav über ultrakurzgeraffte Funksprüche übermittelt hatte.
Cascard Holonder hatte nicht einmal die Flucht versucht, ebenso wenig wie seine Stellvertreterin und Erste Offizierin Magebe Lenski.
Klavs Hem Luetyens war außerhalb der Zentrale von zwei Robotern ANANSIS aufgegriffen worden, als er sich in einen Antigravschacht hatte werfen wollen.
»Atani Kekuku, Zweiter Offizier: gefasst. Andris Kantweinen, Dritter Pilot: auf der Flucht erwischt. Lit Olwar, Funk und Ortung: von einem TARA in Gewahrsam genommen ...«
Die Liste der Namen wurde immer länger. Matho Thoveno hatte sich im Hangarbereich widerstandslos abführen lassen. Einige Mitglieder der Bereitschaftsoffiziere hatte ANANSI in deren Kabinen isoliert, auch die meisten wissenschaftlichen Berater saßen in ihren Abteilungen fest.
»Hast du denn keine positiven Nachrichten für mich?«, fragte Dou Gustav über Funk.
»Doch. Du wirst bemerken, dass einige prominente Namen auf der Liste fehlen.«
Dou dachte nach. »Icho Tolot. Es war klar, dass sich der Haluter nicht einfach so ergeben würde.«
»Richtig. Ich habe sein Versteck leider noch nicht entdeckt. Er scheint keinen Wert darauf zu legen, mit anderen Geflüchteten Kontakt aufzunehmen.«
»Was durchaus seine Vorteile für meine Pläne haben kann.« Onker Dou überlegte. »Tolot ist nicht gerade für seine Unauffälligkeit bekannt. Die VECU wird ihn als Unruhestifter identifizieren und sich auf die Suche nach ihm konzentrieren. ANANSI ebenso.«
»Du begehst einen Fehler, Onker. Weder die Semitronik noch die Superintelligenz denken eingleisig. Für die beiden ist die Suche nach Icho Tolot bloß ein winziger Nebenaspekt ihrer, nun ja, Zusammenarbeit.«
»Ich weiß. Aber wenn nun der Haluter mit lautem Getöse durch die RAS TSCHUBAI jagt und so viel Aufsehen wie möglich erregt ...«
»Du meinst wie ein Elefant im Porzellanladen?«
»Ist das ein posbisches Sprichwort?«
»Ein altterranisches. Es bedeutet so viel wie ...«
»Ich kann es mir denken, Gustav. – Du musst Tolot ausfindig machen, bevor ANANSI ihn entdeckt.«
»Ich tue mein Bestes, Onker. Ehrlich gesagt habe ich gehörig Probleme, meine Ziele vor ANANSI zu verbergen. Die Semitronik ist schließlich zu einem Teil unser Kind. Sie versteht unsere Denkweise. Ihr Zellplasma, die hypertoyktische Verzahnung und der Bioponblock stammen von der Hundertsonnenwelt.«
»Willst du damit sagen, dass du über kurz oder lang als Verbündeter ausfallen wirst?«
»Ich weiß es nicht. ANANSI ist ein komplexes Rechnergeschöpf. Sie ist weitaus komplizierter als wir Posbis. Die Semitronik wehrt sich einerseits auf sublimer Ebene gegen die VECU. Andererseits unterstützt sie die Superintelligenz.«
»Glaubst du, dass ANANSI durchdrehen könnte?«
»Möglich wäre es. Aber damit sind wir bei den guten Nachrichten. Lerva Onteren konnte entkommen, die zweite Betreuerin ANANSIS. Auch Yüs Ghysar, Betreuer des Logikprogrammverbunds.«
»Und du weißt, wo sich die beiden aufhalten?«
»Schrei nicht so laut, Onker! Meine Funkempfänger ...«
»Ich habe keine Zeit für deine Späße, Gustav. Sag mir, wo sich die beiden versteckt halten.«
»Ich sorge dafür, dass man sie zu dir in den Raum der Beschaulichkeit bringt.«
»Wie das?«
»Nemetz I und Nemetz II kümmern sich darum.«
»So leid es mir tut, aber ich kenne deine beiden Kollegen nicht.«
»Sie sind wandelnde Werkzeugkoffer. Eineinhalb mal so breit und einen Meter größer als du. Sie sind derzeit mit Reparaturen auf Hauptdeck 18 beschäftigt. Im Inneren ihres Leibes ist ausreichend Platz für eine Arkonidin und einen Gataser.
Die beiden Nemetze sind nicht die Allerklügsten; sie kommen nicht einmal mit dem fünfdimensionalen Höhenwertsatz zurecht, und erst recht wissen sie nicht, wie man ein Conchal-Modul mit Strukturfeldprojektoren synchronisiert. Du meine Güte! Kannst du dir vorstellen, wie dumm die beiden wirklich sind?«
Das war Gustav in Reinkultur. Geschwätzig, überheblich und nicht zu stoppen, wenn er einmal in Fahrt kam.
»Lass Onteren und Ghysar so rasch wie möglich zu mir schaffen, Gustav«, sagte Dou geduldig.
Die Verbindung endete abrupt, Onker Dou war erneut von der Umwelt abgeschnitten.
Rings um ihn erklangen sonderbare Geräusche. Rohre und Leitungen wanden sich und drehten sich gegeneinander. Zwischen zwei vernieteten Anschlussstücken quoll ölige Flüssigkeit hervor. Sie versickerte zwischen den Bodenelementen.
Täuschte sich Dou, oder rückten die Wände des Raums immer näher?
*
Er bekam die beiden Nemetze nicht zu Gesicht. Die Werkzeugschrank-Posbis waren viel zu breit gebaut, um in den Raum der Beschaulichkeit vordringen zu können.
Tote Enden einiger Röhrensysteme öffneten sich abrupt; sie transportierten Stimmen, die von überallher zu kommen schienen. Das Zirpen des Gatasers glitt immer wieder in den Bereich jenseits der 20 Kilohertz und wurde damit unhörbar für Dou. Ghysar schien hochgradig nervös zu sein.
Lerva Onteren hingegen klang ruhig und sonor wie stets.
Dou wartete geduldig. Nach langen Minuten erreichten die beiden so unterschiedlichen Wesen den Raum der Beschaulichkeit. Ein Teil der Röhren fiel nach unten weg, Onteren und Ghysar stolperten ins Innere. Sie blickten sich unsicher um, wobei der Gataser kaum den Kopf zu drehen brauchte. Mit seinen vier Augen, die verteilt über den Rand seines Tellerkopfs saßen, überblickte er den Raum fast zur Gänze.
»Das ist also die Zentrale des Widerstands gegen ANANSI und die VECU«, piepste Yüs Ghysar statt einer Begrüßung. »Wie heimelig.«
»Bitte erspar mir deinen Zynismus, Yüs. Ich bin froh, euch zu sehen.«
Ja, das war er wirklich. Die sonderbare Umgebung drückte ansonsten auf sein Gemüt drückte. Nun hatte er jemanden, mit dem er sich unterhalten, sich austauschen konnte.
Onteren trug wie immer einen hautengen Anzug mit Kapuze, der mit technischem Krimskrams versehen war und ihr normalerweise bei der Kommunikation mit ANANSI half. Ihr langes, weißes Haar hatte sie zu einem dünnen Zopf zusammengefasst. Ghysar hatte einen Schutzanzug übergezogen, der der Körperform eines Gatasers angepasst war. Den Falthelm hielt er offen, an seinen dünnen Oberschenkeln klebten mehrere Analysegeräte. Ohne sie war Ghysar kaum einmal anzutreffen.
»... wir waren in unmittelbarer Nähe zu ANANSIS Kugel auf Deck 16-07«, erzählte der Gataser, »als wir die VECU erstmals hörten.«
»Wir versteckten uns bei der erstbesten Möglichkeit in einem toten Winkel der Semitronik, den wir in Zusammenhang mit dem Krisenfall Philippi definiert hatten«, ergänzte Onteren und verzog dabei das Gesicht. »Ich hätte niemals gedacht, dass wir Philippi jemals brauchen würden. ANANSI schien so sicher und so voll Selbstvertrauen. Nach all den Krisen früherer Jahre haben wir alle Schutzvorkehrungen verbessert und vor allem ihr Selbstbewusstsein gestärkt. Und dennoch ...«
»Die VECU ist nun mal ein höheres Wesen. Wie sollte ANANSI gegen eine Superintelligenz bestehen? Es war gut, dass wir den Krisenfall Philippi definiert haben.«
»Es fühlt sich trotzdem so an, als würden wir die Semitronik verraten«, sagte Ghysar und zog den Halsmund weit nach unten, als Ausdruck seines Bedauerns.
»Noch einmal: Es war gut, dass ihr diesen toten Winkel geschaffen habt und euch verstecken konntet. Aber kommen wir zum eigentlichen Problem. ANANSI ist ein hochgezüchteter Rechner, der die RAS TSCHUBAI fast völlig beherrscht. Sie stellt eine immense Gefahr für die Besatzungsmitglieder dar.«
»Sie wird von der VECU unterjocht«, verbesserte ihn Onteren. »ANANSI wehrt sich, so gut sie kann.«
»Das bedeutet?«
»Das bedeutet, dass sie nach wie vor um den Einfluss in der RAS TSCHUBAI kämpft«, antwortete Ghysar. »Ich konnte, als die VECU das Schiff übernahm, eines der biopositronischen-hyperinpotronischen Großrechnernetze aus dem achtteiligen Verbund lösen. Einer der Plasmakoordinatoren arbeitet also autark.«
»Wie reagiert die VECU?«
»Sie attackiert das darin angehäufte Zellplasma. Sie macht es auf eine subtile Art und Weise. Schleichend, still und leise. Aber noch leistet dieses eine Teilnetz Widerstand.«
»Können wir mithilfe dieses Großrechners ANANSI zurückgewinnen?«
»Nein«, antwortete Onteren. »Wir können Zeit gewinnen, Widerstand auf niedrigem Niveau leisten und die VECU verunsichern.«
»Das ist zu wenig, Lerva!«
»Woher willst du das wissen? Bis jetzt kennen wir die Ziele der Superintelligenz nicht. Wenn wir ihr deutlich machen, dass die RAS TSCHUBAI nicht hundertprozentig einsatzbereit ist, wird sie sich womöglich zurückziehen und nach anderen Wegen suchen, die Kandidatin Phaatom zu bekämpfen.«
Dou ging nicht näher auf das Thema ein. Sie alle wussten, dass eine Superintelligenz nicht mit herkömmlichen Maßstäben zu beurteilen war. Die VECU mochte Dinge tun, die erst in Tausenden von Jahren Bedeutung bekommen würden.
Dou durfte sich keine Unsicherheit und vor allem keine Angst anmerken lassen. Die beiden Wissenschaftler zählten auf ihn. Darauf, dass er Pläne schmiedete, den Widerstand koordinierte und Anweisungen gab.
Dou blickte auf seine Uhr. Der 16. November 2046 Neuer Galaktischer Zeitrechnung war angebrochen.
»Gustav und andere Posbis werden uns helfen«, sagte er, »mit anderen Flüchtenden Kontakt aufzunehmen. Außerdem mit Besatzungsmitgliedern, die passiven Widerstand leisten. Erzählt mir mal, was denn so alles möglich ist und wie wir unseren Einfluss auf ANANSI ausbauen können ...«
*
Sie erzeugten Fehlfunktionen, die sich gegen ANANSI und die VECU richteten. Positroniken, die nicht vollends der Kontrolle der Semitronik unterlagen, »verrechneten sich«. Sie lieferten Daten mit geringsten Abweichungen, die Fehler an der siebenten Kommastelle verursachten und bei Kursberechnungen schlagend wurden.
Einige Dutzend Fehlsprünge sorgten für Abweichungen, die sich bei Überlichtmanövern rasch summierten und für Ratlosigkeit bei ANANSI sorgten.
Die Schutzschirme setzten mehrmals für Mikrosekunden aus. Die Versorgung des Zellplasmas ANANSIS mit Nährflüssigkeit wurde mit einigen Tropfen herkömmlichen Speiseöls ergänzt. Die Semitronik, so sagte Lerva Onteren, »wird für ein bis zwei Stunden unter so etwas wie Schluckauf leiden«.
Onker Dou hätte schwören können, dass die Arkonidin schadenfroh lächelte, als sie für die Zufuhr des Öls sorgte.
Zwei Geschützaufbauten der MVH-Sublicht-Kanonen hatten angeblich Beschädigungen aufzuweisen. Axapan-Transduktoren meldeten Fehler, obwohl sie gar nicht zugeschaltet waren. Einfache Reinigungsroboter bliesen Unrat in die Luftumwälzanlagen, simple Messinstrumente fielen aus ...
Dies alles blieb für die meisten Besatzungsmitglieder unbemerkt. Doch ANANSI spürte den inneren Widerstand – und damit auch die VECU.
»Die Superintelligenz lässt sich nicht beirren«, sagte Dou ruhig, und ohne sich seinen Frust anmerken zu lassen. »Sie schränkt die Bewegungsfreiheit der Besatzung immer weiter ein und setzt all jene matt, die Widerstand leisten. Die VECU hat mittlerweile die Besatzungen der vier MARS- und der beiden OXTORNE-Kreuzer im Außenbereich der Schiffshülle evakuiert. Sie wurden von TARAS allesamt ins Innere geschafft.«
»Richtig«, sagte Ghysar. »Aber wenn ich Gustavs Informationen richtig einordne, wurden sie in Sammelräume gebracht.«
»Das bedeutet?«
»Das bedeutet«, antwortete Onteren, »dass es sich ANANSI leicht macht. Sie verzichtet auf die Einzelüberwachung von mehreren Tausend Besatzungsmitgliedern. Sie hat Angst davor, diese Aufgabe nicht schultern zu können. Mit anderen Worten: Sie fühlt sich unsicher.«
»Davon können wir uns leider nichts kaufen.«
»Eine unsichere Semitronik wird der VECU abraten, den Feindkontakt zu suchen oder etwas Waghalsiges zu unternehmen. Wir schränken den Spielraum der beiden ein. Das ist ein Erfolg.«
»Bestenfalls ein klein wenig Zeitgewinn. ANANSI lässt nach all denen suchen, die sie an der Rechnerarbeit hindern. Über kurz oder lang werden ihre TARAS in die Kathedrale und ins Nest vordringen.«
Die beiden Wissenschaftler schwiegen. Sie waren stolz auf ihre Leistungen, auf ihre Salamitaktik. Aber sie wussten die Konsequenzen ihres Tuns nicht einzuschätzen.
»Wir müssen von uns ablenken«, sagte er.
»Was willst du tun?« Ghysars beugte seinen Tellerkopf weit zu Dou herab.
»Ich denke, es ist an der Zeit, einen Elefanten durch den Porzellanladen zu treiben.«
»Wir haben weder das eine noch das andere an Bord. – Wieso lachst du?«
»Ach, nichts.« Dou schaltete die Funkverbindung zu Gustav ein. »Hast du Icho Tolots Versteck gefunden?«
»Ich habe das Suchgebiet auf zwei Unterdecks eingeschränkt«, antwortete der Posbi augenblicklich. »Es ist bloß noch eine Sache von Minuten. Das Problem ist: Wenn ich ihn finden kann, wird ihn ANANSI ebenso bald entdecken.«
»Das spielt keine Rolle mehr.«
»Kannst du etwas präziser sein?«
»Sieh zu, dass du ihn schnell ausfindig machst und dabei nicht erwischt wirst. Ich brauche dich und die anderen Posbis dringender als den Haluter.«
»Ich fühle mich geehrt, aber ich verstehe immer noch nicht ...«
»Sag Icho, dass ich ihn um einen kleinen Amoklauf bitte.«
»Ihr wollt von euch ablenken.«
»Richtig. So, dass wir das Versteck wechseln können, besseren Zugriff auf isolierte Positroniken bekommen, weitere Besatzungsmitglieder auf den Widerstand aufmerksam machen können. Und vielleicht schafft Tolot es tatsächlich, aus der RAS TSCHUBAI zu entkommen.«
»Die Chancen sind gering.«
»Er ist ein Haluter. Eine Kampfmaschine mit überragendem Rechnergehirn.«
»Was ihn zu einer Gefahr für die VECU macht. Die Superintelligenz könnte auf die Idee kommen, ihn als Gegner einzustufen und ihn zu vernichten.«
»Daran glaube ich nicht«, erwiderte Dou. »Wir müssen ohnedies Tolot die Entscheidung überlassen.«
»Er wird sein Leben für uns riskieren. Ich verstehe. Du appellierst an sein halutisches Gewissen, und das aus Kalkül.«
»Meine Aufgabe ist der Schutz der RAS TSCHUBAI und ihrer Besatzung. Und das werde ich auch tun.« Er schaltete die Funkverbindung zu Gustav weg und wandte sich Onteren zu. »Und jetzt möchte ich von dir wissen, wer oder was der Vergessene ist, von dem ANANSI mir erzählt hat.«