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6.

Onker Dou

Fasziniert von der Präzision und der rohen Gewalt Icho Tolots verfolgte Onker Dou dessen Fluchtversuch.

Gustav gab Onteren, Ghysar und ihm die Gelegenheit, Teile der halutischen Tour de Force durch das Schiff zu beobachten. Der Posbi zapfte ANANSIS Minispione an, die den Haluter auf Schritt und Tritt verfolgten. Dou bewunderte die gewieften Ablenkungsmanöver, die Unberechenbarkeit in Tolots Fluchtbewegungen, die scheinbare Rücksichtslosigkeit. Und während der Haluter durch die RAS TSCHUBAI irrte und alle Aufmerksamkeit auf sich zog, schafften die beiden Nemetze sie in ihr neues Versteck.

»Wir haben einen Fehler begangen«, wiederholte Onteren ihre Vorwürfe, nachdem Tolots Flucht ein Ende genommen hatte. »Wir hätten mit dem Haluter zusammenarbeiten und ihn zu uns holen sollen. Gemeinsam hätten wir größere Chancen gehabt, gegen die VECU vorzugehen. So aber haben wir ihn an ANANSI verfüttert.«

»Tolot ist bereitwillig auf meinen Plan eingegangen,«, widersprach Dou. »Er wusste, dass er zu auffällig ist, um sich auf Dauer vor der Superintelligenz und vor ANANSI verbergen zu können.«

Ihr neues Versteck war eine wenig benutzte Steuerzentrale mit hochwertigem Positroniknetzwerk auf Deck 18, keine 100 Meter von einem Zugang zur Kernkugel und damit zur Zentrale der RAS TSCHUBAI entfernt.

Ein Teil der lebenserhaltenden Systeme des Ogygia-Habitats wurde von diesem Ort aus gesteuert. Ogygia, die parkähnliche Erholungslandschaft des Schiffs, befand sich unmittelbar über ihren Köpfen.

Dou blickte auf einen der Bildschirme der Steuerzentrale. Er zeigte die Geschehnisse in Ogygia.

TARA-Kampfroboter schwebten über den Bäumen und Sträuchern, ihre langen Waffenarme waren dabei nach unten gerichtet. Sie überwachten Mitglieder der Schiffsbesatzung, die in Ogygia zusammengetrieben worden waren. Diese Terraner, Arkoniden, Aras und Angehörigen anderer Milchstraßenvölker waren auf den beiden außen angeflanschten OXTORNE-Kreuzern stationiert gewesen. ANANSI hatte sie nach Ogygia schaffen lassen. Dazu kamen Hunderte Mitglieder der großen Wissenschaftslabors und Angehörige des militärisch-strategischen Personals der RAS TSCHUBAI.

Entlang der vier Wasserläufe, die sich in Ogygias Zentrum zu einem kleinen See vereinten, entstanden Zeltstädte mit Sanitäreinrichtungen und Essensbuden. Dort saßen die Soldaten und Wissenschaftler in kleinen Grüppchen zusammen. Einige von ihnen wirkten lethargisch, die Mehrzahl jedoch zornig und zu allem entschlossen.

»Sie brauchen bloß jemanden, der ihnen sagt, was zu tun ist«, meinte Dou leise.

»Du denkst hoffentlich nicht daran, eine Revolution gegen ANANSI anzuzetteln?«, fragte Onteren. »Die Semitronik würde uns die Atemluft abdrehen oder uns mithilfe von Prallfeldern zusammenquetschen.«

»Das kommt davon, wenn man sich zu sehr von Rechnern abhängig macht.«

»Das kommt davon, wenn man sich in die Belange von Superintelligenzen einmischt!«, giftete die Arkonidin zurück.

»Ein Streit führt zu nichts«, mischte sich Ghysar ein. »Wir sollten nachdenken, wie wir weiter vorgehen. Immerhin haben wir in dieser Station weitaus mehr Möglichkeiten als im Nest der Posbis.«

»Ihr habt mir noch immer nicht gesagt, was es mit dem Vergessenen ANANSIS auf sich hat.«

Die beiden Wissenschaftler blickten einander an. Onteren wandte sich schließlich Dou zu. »Der Vergessene ist ein Werkzeug, mit dem wir die Semitronik aushebeln könnten.«

»Geht's ein wenig genauer?«

»Eines der Großrechnernetze des achtteiligen Rechnerverbunds leistet ANANSI bekannterweise Widerstand.«

»Und?«

»Der Vergessene ist eine zweite Sicherheitsschaltung, die wir installiert haben. Wir wussten, dass der Philippi-Plan gut ist und uns gegebenenfalls helfen würde. Aber solange wir den Vergessenen nicht zur Verfügung hatten ... Er ist ein Teil von ANANSI, den die Semitronik im Augenblick höchster Not von sich abspaltete«, fuhr Ghysar mit dünnem Piepsen fort. »Ein Teil ihrer Persönlichkeit, wenn du so möchtest. In dem Augenblick, da sich der Vergessene von ihr löste, vergaß ANANSI ihn. Sie weiß also nichts von seiner Existenz.«

Onker Dou versuchte zu verstehen. »Der Vergessene ist demzufolge ein Teil ANANSIS und besitzt ihre Wesenszüge.«

»So in etwa, ja.« Ghysar zögerte sichtlich. »Aber du machst den Fehler, ANANSI mit einem lebenden Wesen zu vergleichen. Die Semitronik ist anders als wir. Einerseits ist sie vielschichtiger als wir biologischen Lebewesen. Andererseits ist sie nicht mit uns vergleichbar. Was immer sie uns an Emotionen zeigt – es ist imitiert und vorgespiegelt. Das Bioplasma nimmt zwar großen Einfluss auf ihre Persönlichkeit, aber ...«

»Ich habe verstanden. Kommen wir zum Vergessenen zurück.«

»Wir können von hier aus mit ihm in Verbindung treten. Allerdings wird es nicht leicht sein, ihn zu überzeugen.«

»Warum nicht?«

»Der Vergessene ist ein neues Individuum, das seine Rolle noch nicht kennt. Er wird misstrauisch sein und jedes unserer Worte überprüfen.«

»Was kann er für uns erreichen?«

»Im besten Fall Einfluss auf ANANSI nehmen und sie dazu bringen, der VECU zu widerstehen.« Onteren schüttelte den Kopf. »Vielleicht versucht der Vergessene sogar, die Semitronik zu bekämpfen. Oder aber er ordnet sich ihr unter.«

»Ihr wisst es also nicht.«

»Es gibt nicht sonderlich viele Semitroniken, wie du weißt. Jede neue Erfahrung mit dieser Art von Rechnern ist ein Abenteuer.«

»Aber es wäre einen Versuch wert, mit dem Vergessenen zu reden.«

»Richtig. Und du solltest das Gespräch führen.«

»Warum? Ich bin kein sonderlich begabter Diplomat.«

»Der Vergessene wird glauben, dass wir beide ein vorgefasstes Urteil zu ihm haben. Schließlich haben wir intensiv mit ANANSI zusammengearbeitet.«

Dou seufzte tief. »Also schön. Dann sagt mir, wie ich mich verhalten und wie ich mit dem Vergessenen umgehen soll.«

*

Ghysar beschäftigte sich minutenlang am zentralen Eingabepult der Steuerzentrale, bevor er Onker Dou einen Wink gab und dieser an die Seite des Gatasers trat.

»Du musst höflich bleiben«, sagte Onteren. »Auch wenn dir das schwerfällt.«

Dou ignorierte die Arkonidin. Es war nicht seine Aufgabe, nett zu sein. Es würde immer jemanden geben, der seine Motive und sein Verhalten nicht verstand. Also bemühte er sich gar nicht erst, die Sympathien anderer Bordmitglieder zu erringen. So etwas ermüdete ihn bloß.

»Ich bin da«, hörte Dou eine geisterhaft klingende Stimme, die von überallher kam.

»Du bist der Vergessene?«, fragte Dou.

»Ich mag diese Bezeichnung nicht. Ich bin oder war ANANSI, aber das bin ich nicht mehr.«

»Du bevorzugst also einen anderen Namen?«

»Ja. Nenn mich Oman. Niemand sonst an Bord dieses Schiffs trägt den Namen Oman. Er macht mich einzigartig.«

»Also schön, Oman. Du bist mit den Vorgängen auf der RAS TSCHUBAI vertraut?«

»Ich weiß, was ANANSI bei meiner Entstehung wusste. Über das, was danach geschah, bin ich nur rudimentär informiert. Es dauerte eine Weile, bis ich zu mir kam und mir meiner selbst bewusst wurde.«

Ein Schemen verdichtete sich rechts von Dou zu einem Wesen. Es hatte einen langen und breiten Schal mit Karree-Muster um den sonst nackten Körper drapiert.

Die holografische Darstellung des Vergessenen gewann rasch an Prägnanz und Deutlichkeit. Sie zeigte einen schmal gebauten Terraner von etwa fünfzig Jahren, dessen Augen erschreckend weiß blieben, der keine Nase und keine Arme hatte.

»Du verstehst, was wir von dir möchten?«

»Ich ahne es. ANANSIS Aufgabe war, bestmöglich für die RAS TSCHUBAI zu sorgen. Sie hat diese Aufgabe durch eine andere ersetzt. Sie wurde von der VECU dazu gezwungen. Ich aber fühle mich immer noch dem Schiff verpflichtet. Zu hundert Prozent.«

Das Gespräch lief besser als erwartet. Sehr gut.

»Und damit bist du uns verpflichtet. Richtig?«

»Richtig.«

»Siehst du dich in der Lage, ANANSI gegenüberzutreten – und damit auch der Superintelligenz? Glaubst du, einen Konflikt austragen zu können?«

Der Holomann hob die Schultern. »Es wäre mein Ende. Ich bin nicht bereit zu sterben. Würde meine Existenz enden, könnte ich euch nicht mehr helfen, und das widerspricht meinem Pflichtbewusstsein.«

»Du weißt also nicht, was du tun sollst?«

»Ich bin der vergessene Teil einer Semitronik. Sieh mich an, dann weißt du, dass ich nicht vollständig bin.«

»Also schön.« Dou überlegte. »Wenn ich dir von unseren Plänen zur Rückeroberung der RAS TSCHUBAI erzähle – würdest du mich beraten und sagen, ob sie Erfolg haben könnten?«

»Selbstverständlich.«

Dou sammelte seine Gedanken. »Könntest du ANANSI so weit beeinflussen, dass sie den Kurs abändert und die RAS TSCHUBAI in einen unbesiedelten Raumsektor bringt?«

»Ich weiß es nicht«, gestand Oman.

»Könntest du Icho Tolot aus dem Suspensionsalkoven befreien?«

»Ja. Aber warum?«

»Er besitzt besondere Berechtigungen. Als der militärische Stellvertreter des Liga-Residenten kann er auf den Aagenfelt-Blitzgenerator zugreifen und gegen die RAS TSCHUBAI selbst einsetzen. Dies würde ANANSI lähmen.«

»Mich ebenso.«

»Richtig. Aber die Gefahr für die Besatzung wäre vorerst bereinigt. Die VECU hätte keine Macht mehr über das Schiff.«

»Wir werden den Aagenfelt-Blitz nicht einsetzen«, meldete sich Ghysar zu Wort. »Das ist völliger Irrsinn.«

»Es käme auf einen Versuch an.«

»Du würdest die gesamte Besatzung betäuben.«

»Nicht, wenn es Oman gelingt, zuvor die Minimalbesatzung eines Kreuzers oder einer kleineren Beibooteinheit auszuschleusen. Diese Leute würden auf die RAS TSCHUBAI aufpassen. So lange, bis die VECU eingesehen hat, dass sie allein nichts mehr ausrichten kann und dass sie auf eine gleichberechtigte Zusammenarbeit angewiesen ist.«

»Der Blitz ist eine ultimative Waffe. Er würde jegliche höherdimensionale Technik in der RAS TSCHUBAI zum Ausfall bringen. Energiespeicher würden ohne Schutzvorkehrungen explodieren, die Antigravs trotz aller Ausfallsicherungen versagen, die Schwerkraftgeneratoren ebenso. Die Statik könnte instabil werden, Innenraumgleiter würden abstürzen. Kein höher entwickelter Kontrollmechanismus wäre mehr wirksam. Ohne Schirme und Waffen wäre die RAS TSCHUBAI selbst einem einfachen Meteoritenschwarm schutzlos ausgeliefert.«

»Ich habe über diese Risiken nachgedacht«, sagte Dou. »Ein Ausfall von bis zu zehn Prozent der Besatzung wäre im Rahmen des Erträglichen.«

»Im Rahmen des Erträglichen?«, echote Onteren. »Hörst du dir eigentlich zu bei dem, was du da redest? Du sprichst von einigen Tausend Toten.«

»... und von mehreren Zehntausend Überlebenden, die von der VECU befreit wären. Dies ist kein Spiel, Lerva. Wir wurden von einer fremden Macht besetzt. Die VECU mag die richtigen Ziele haben. Aber sie wendet die falschen Mittel an. Was ist, wenn sie die RAS TSCHUBAI opfert, weil sie der Meinung ist, damit der Kandidatin Phaatom schaden zu können? Wissen wir denn, wozu die Superintelligenz bereit ist? – Nein! Wir müssen konsequent sein.«

»ANANSI würde durch den Einsatz des Aagenfelt-Blitzes geschädigt, vielleicht sogar getötet werden«, meldete sich Ghysar erneut zu Wort.

»Erklär mir das!«, verlangte Dou.

»Der Großteil der Semitronik existiert nun mal ausgelagert in einer Halbraumblase, die durch Generatoren in ANANSIS Kugel erzeugt wird.«

»Es gibt Notsysteme innerhalb ihrer Halbraumblase, soviel ich weiß. Um sie für eine Weile von innen heraus stabil halten zu können.«

»Richtig. Aber die Frist ist kurz, und wir dürfen nicht davon ausgehen, dass sich die VECU rasch zurückziehen würde. Nach einigen Stunden wird eine erneute Kopplung der ANANSI-Systeme in der Halbraumblase mit ihrer vierdimensionalen Präsenz unmöglich werden. Und selbst bei einem nur kurzen Ausfall ist nicht gesagt, dass die Semitronik im Anschluss wieder voll herstellbar ist.«

»Das würde den Tod ANANSIS bedeuten«, meldete sich Oman zu Wort. Seine Erscheinung flackerte. Das Gesicht lief rot an, die Augen wurden mit einem Mal kohlrabenschwarz. »Das werde ich niemals akzeptieren. Ich existiere, um ANANSI zu helfen, sich aus dem fremden Einfluss zu befreien. Für ihre Ermordung stehe ich nicht zur Verfügung. Haben wir uns verstanden?«

»Ja.« Dou sah ein, dass er verloren hatte. Argumente brachten ihn nicht weiter. Der Vergessene der Semitronik reagierte emotional, wie auch die beiden Wissenschaftler.

Nun, Onteren hatte ihn davor gewarnt, dass die Verhandlungen zäh verlaufen würden.

»Kehren wir zu Icho Tolot zurück«, sagte er. »Ich hätte eine Idee, wie wir uns indirekt Verstärkung holen und den Haluter aus dem Suspensionsalkoven befreien könnten ...«

Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2)

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