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ОглавлениеWie es war, über Perry Rhodans Privatleben zu schreiben
Von der Idee bis zum fertigen Buch
von ANDREAS ESCHBACH
Copyright: Robert Kneschke
Das erste Mal, dass ich schreiberisch in Perry Rhodans Schuhe geschlüpft bin, war, als es darum ging, Band 2700 zu schreiben, meinen vierten Gastroman für die Serie. Das Exposé gab Rhodan als hauptsächliche Perspektivfigur vor, aber ich hatte freie Hand, wie ich ihn schildern wollte.
Nun handelte es sich ja dabei um den Beginn eines neuen Zyklus. Rhodan war noch nicht in ein laufendes Abenteuer mit seinen Herausforderungen und Gefahren verstrickt, sondern befand sich quasi noch in seinem Alltag, und die interessante Frage lautete: Wie sieht der eigentlich aus?
Mir fiel damals eine Bemerkung von Klaus N. Frick wieder ein, der bei einem unserer Schreibseminare in Wolfenbüttel – es ging darum, wie man Romanfiguren entwickelt – einmal nebenbei meinte, Perry Rhodan sei eigentlich eine relativ unentwickelte Figur, denn: »Wir wissen zum Beispiel nicht, was er in seiner Freizeit tut.« (Das war nämlich eine der Fragen, die die Teilnehmer für ihre eigenen Figuren beantworten sollten.)
Diese Bemerkung hat mich nach dem Seminar eine ganze Weile beschäftigt. Ich versuchte, mir auszumalen, was ein Perry Rhodan, Großadministrator a.D., ehemaliger Ritter der Tiefe und so weiter wohl in seiner Freizeit tun mochte. Was war da vorstellbar? Wir erleben ihn meistens in allerlei Abenteuern, in denen sich diese Frage nicht stellt, aber jemand, der unsterblich ist, muss zwischen diesen Abenteuern trotzdem eine Menge Freizeit haben – und ja, was tut er dann? Seine freien Abende in Bars zu verbringen kann man sich vielleicht bei Reginald Bull vorstellen, aber nicht bei Perry Rhodan, oder? Er ist in meinen Augen auch nicht der Typ, der eine Party nach der anderen schmeißen würde, und erst recht nicht jemand, der romantische Abenteuer sucht – Letzteres, wissen wir, ist eher Atlans Ding, wenn er mal nichts zu tun hat. Anhänger einer Sportart scheint Rhodan nicht zu sein, weder aktiv noch passiv, und auch als Sammler irgendwelcher Preziosen kann man ihn sich nicht vorstellen (man schaudert allerdings bei der Vorstellung, zu welchen Exzessen ein der Sammelleidenschaft verfallener Unsterblicher fähig wäre).
Mein Schluss war schließlich, dass ich mir Perry Rhodan nur als jemand vorstellen kann, der, wenn er dazu kommt, gern und viel liest. Das passt nicht nur gut zu ihm, es ist zudem eine Beschäftigung, mit der man nie fertig wird, denn schon heute erscheinen ja bei Weitem mehr Bücher, als selbst ein Unsterblicher je lesen könnte. Unter anderem diese Erkenntnis floss in den Band 2700 ein, wobei ich mich während des Schreibens bremsen musste, denn ich merkte, dass es, was den »privaten Rhodan« anbelangt, noch eine Menge mehr zu erzählen gegeben hätte, wofür das Exposé aber keinen Raum ließ. Schon so kam ich auf Überlänge, es blieb also erst mal dabei.
Doch manche Ideen und Anregungen geben nicht auf Dauer Ruhe, und dass es hier so war, liegt an Hannes Riffel. Hannes Riffel und ich, muss man dazu sagen, kennen uns schon eine kleine Ewigkeit; ich hatte eine meiner ersten Lesungen in seiner Otherland-Buchhandlung, als sich die noch in Freiburg befand (in einem anderen Jahrtausend also), und zwar zusammen mit keinem Geringeren als Christopher Priest – eine Veranstaltung, von der man heute noch spricht, weil nämlich nur ein einziger Besucher kam, weswegen wir das Lesen ausfallen ließen, alle zusammen in eine nette Kneipe gingen und den ganzen Abend einfach redeten. Inzwischen ist Hannes Riffel Chef von Fischer TOR, und in dieser Eigenschaft kam er eines Tages auf mich zu und fragte, ob ich nicht Lust hätte, einen großen, dicken PERRY RHODAN-Roman zu schreiben, der im Hardcover erscheinen sollte, und zwar in seinem Verlag.
Ich war mir, ehrlich gesagt, erst unschlüssig. Der Reiz, für PERRY RHODAN zu schreiben, liegt für mich darin, zu einer Heftserie beizutragen, die in ihrer Gesamtheit das mit weitem Abstand umfangreichste literarische Werk aller Zeiten darstellt. Dicke Bücher mit Weltraumabenteuern hingegen kann ich auch so schreiben, dazu brauche ich Perry Rhodan nicht.
Programmvorschau (Frühjahr 2019) und die Leseprobe von Fischer TOR
Diese Unschlüssigkeit hielt an, bis mir der bemerkenswerte Umstand auffiel, dass das Erscheinen von PERRY RHODAN-Heft 3000 und das 50-jährige Jubiläum der ersten Mondlandung (der echten, wohlgemerkt) ins selbe Jahr 2019 fallen würden. Da machte es auf einmal Klick, und ich wusste, was ich schreiben wollte: Ich wollte der Fährte nachgehen, die ich beim Schreiben von Band 2700 entdeckt hatte, und etwas Licht in das Geheimnis bringen, was dieser Perry Rhodan eigentlich für ein Mensch ist. Der ideale Weg, das zu tun, war meinem Gefühl nach der, seine Lebensgeschichte zu erzählen bis etwa zu dem Punkt, an dem die Heftserie einsetzt, und ein »dicker Roman« würde mir den nötigen Raum bieten, das auch zu tun. Ich hatte die Idee, es als Uchronie zu schreiben, als Alternative Geschichte also, die sich schön plakativ in der Frage zusammenfassen ließ: Wie kam es eigentlich, dass nicht Apollo auf dem Mond gelandet ist, sondern die STARDUST?
Diesen Vorschlag also unterbreitete ich Hannes Riffel und Klaus N. Frick. Beide waren begeistert, und der Rest ist, wie man so sagt, Geschichte – im wahrsten Sinne des Wortes, denn in der Umsetzung hieß es ja, tief einzusteigen in die Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts. Es galt, das Amerika der 30er-Jahre zu schildern, in dem Perry Rhodan geboren ist; es galt, die beträchtlichen Lücken in seinem Stammbaum auszufüllen, was es wiederum erforderte, bis vor den Ersten Weltkrieg zurückzugehen; und es galt natürlich, die Geschichte der Raumfahrt Revue passieren zu lassen. Verblüffenderweise passte ganz viel aus der realen Geschichte mit dem, was in der Serie schon über Perry Rhodan geschrieben worden ist, so gut zusammen, dass ich mir manchmal nicht mehr ganz sicher war, welche Version der Geschichte denn nun wirklich die wahre ist ...
Und wer weiß – vielleicht ergeht es Lesern bei der Lektüre meines Buches ja ganz ähnlich?