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5.

Das Fremde, so vertraut

Den verlassenen Geheimstützpunkt im Asteroidenring um Mister Stringer aus- und aufzurüsten und Zemina Paaths Sternenschiff dort zu parken, ging erfreulich reibungslos vonstatten. Dennoch erforderte es viel Zeit, sodass die BJO BREISKOLL ihren Flug erst am 15. September 2045 NGZ fortsetzte. Nach mehreren kurzen Etappen und Orientierungshalts stoppte sie einige Lichttage außerhalb des Olubneasystems.

Acht Stunden des Lauschens und Beobachtens später versammelte sich das Einsatzteam erneut im Konferenzraum. Diesmal verzichtete die Positronik darauf, dem Team ein terranisches Idyll vorzugaukeln. Stattdessen präsentierte ein Holo über dem Tisch das Zielsystem und zoomte auf den vierten Planeten.

»Darf ich vorstellen?«, fragte Perry Rhodan. »Ollfa, die Heimat der Olubfaner. Eine Sauerstoffwelt mit zwei Monden namens Konoll und Subard. Etwas größer als Terra, mit einer Schwerkraft von 1,31 Gravos, was den stabilen Körperbau der Einheimischen erklärt.«

»Was wissen wir über die Olubfaner?«, erkundigte sich Osmund Solemani.

»Wir haben in den letzten Stunden den Funkverkehr des Planeten abgehört. Überwiegend Normalfunk, inhaltlich eine gute Woche alt, wenig Hyperfunk. Eine schiere Datenflut aus Nichtigkeiten, aus denen wir Interessantes nur schwer herausfiltern konnten. Immerhin wissen wir, dass sich die Feierlichkeiten auf jede größere Stadt des Planeten erstrecken: Ombono, Oggrylon, Orntilonasso, Onwynt, um nur einige zu nennen. Das Zentrum bildet die Hauptstadt Oppolon.«

»Ihre Vorliebe für den Buchstaben O«, sagte Sholotow Affatenga, »macht es einem nicht gerade leicht, sich all diese Namen zu merken.«

»Das dürfte auch nicht nötig sein. Wir konzentrieren uns auf Oppolon. Oder besser gesagt, einige von euch. Solange wir nicht wissen, ob sich cairanische Mentaltaster im System befinden, bleibe ich zurück, bis Zemina Entwarnung gibt. Solange muss ich mich darauf verlassen, dass der Paratronschirm der BJO BREISKOLL meine Impulse ausreichend abschwächt.«

»Zemina?«, echote Siad Tan. Die Hand, mit der sie ihren Okrill tätschelte, verharrte in der Luft.

»Auf der RAS TSCHUBAI hat sie diese cairanische Technik mit ihrem Nashadaan angemessen. Darauf müssen wir nun verzichten, da wir ihr Schiff ausgeschleust haben. Allerdings sagt sie, sie könnte das auch mit ihrem Koffer tun. Fragt mich nicht, wie. Was ihren Paau angeht, hält sie sich bislang recht bedeckt.« Das bereitete Rhodan durchaus Probleme. Einerseits vertraute er der geheimnisvollen Fremden – oder wollte es zumindest. Andererseits fragte er sich, ob er das durfte.

Wo verlief die Grenze zwischen Vertrauen und Leichtsinn? Er wusste, das musste er sich eingestehen, weniger über Zemina Paath, als ihm lieb war. »Auf jeden Fall wird sie euch zu diesem Zweck auf den Planeten begleiten.«

»Und ich begleite wiederum sie als Aufpasserin, nehme ich an?«

»So ist es, Siad. Farye, Tenga und Osmund komplettieren den Vortrupp, der sich mit einer LAURIN-Jet ein wenig umsieht. Winston und Donn, ihr setzt diese Runde aus.«

»Eine Sache noch«, sagte Siad Tan. »Die Olubfaner feiern den 121. Jahrestag ihres Aufbruchs ins All. Ist das nicht eine reichlich krumme Zahl für ein so bedeutendes Fest?«

»Sie verwenden kein Dezimalsystem wie wir. Stattdessen spielt die Elf eine große Rolle – und elf mal elf umso mehr. Wir haben sie damals nicht lange beobachtet, weil ihre Entwicklung nicht weit genug vorangeschritten war und sich wohl niemand ausreichend für sie interessiert hat. Aus OXFORDS Datenbanken wissen wir aber, dass sie einem Glauben an elf Götter anhingen, einem Elter und fünf Zwillingspärchen aus je einem Mann und einer Frau. Die Geschwister trugen jeweils den gleichen Namen, nur dass dem der Schwester ein T vorangestellt war. Sie heißen beispielsweise – das wird dir gefallen, Tenga – Olog und Tolog, Olno und Tolno, Orbot und Torbot.«

»Osmund und Tosmund«, murmelte Tenga.

Osmund Solemani grinste.

»Und nein«, fuhr Rhodan fort, als hätte er es nicht gehört, »auch das braucht ihr euch nicht zu merken, denn offenbar spielen diese Götter heutzutage keine Rolle mehr. Auf jeden Fall haben wir im Funkverkehr keinen der Namen aufgeschnappt. Auch sonstige Gespräche oder beispielsweise Trivid-Sendungen religiösen Inhalts: Fehlanzeige.«

»Die Ankunft der Cairaner könnte ihr Weltbild umgekrempelt haben«, vermutete die Kosmospsychologin Siad Tan.

»Denkbar. Weitere Fragen?«

»Eine fällt mir ein«, meldete sich Tenga zu Wort. »Wie stellst du dir unsere Annäherung vor? Sollen wir offen einfliegen oder von den Tarnmöglichkeiten der Jet Gebrauch machen?«

»Ich halte Unauffälligkeit für das Wichtigste. Bei den LAURIN-Jets stehen uns mit Schattenmodus, Hypertaster-Deflektor, Masse- und Librationstarner und der chromatovariablen Außenhülle zwar eine Reihe von Optionen zur Verfügung, die einer Unsichtbarkeit nahekommen. Trotzdem würde ich mich damit unwohl fühlen. Wir kennen die technischen Möglichkeiten der heutigen Zeit zu schlecht und können nicht ausschließen, dass die Hightech-Tarnung vergangener Tage heute – fünfhundert Jahre später als vor einer Woche – nicht mehr ausreicht.

Nichts ist unauffälliger als Unsichtbarkeit, aber zugleich ist nichts auffälliger als der gescheiterte Versuch von Unsichtbarkeit. Hinzu kommt: Werden Besucher offiziell erfasst und würden nicht registrierte Gäste bei Stichproben von Sonden oder Überwachungsoptiken Aufsehen erregen? Aus dem abgehörten Funkverkehr geht nichts darüber hervor, aber wir können es nicht ausschließen. Deshalb halte ich es für sicherer, wenn ihr den Planeten offen und für jeden sichtbar anfliegt.«

»Ich habe vermutet, dass du das so siehst, und ich stimme dir zu. Ergänzungsfrage: Wie du richtig sagst, wissen wir bisher wenig über die aktuellen Zustände und Gepflogenheiten in der Milchstraße. Beispielsweise über das Geldwesen. Hat sich jemand Gedanken darüber gemacht, wie wir die Liegegebühr im Raumhafen bezahlen sollen, falls die Olubfaner eine verlangen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie meinen Kundenchip der Stadtsparkasse Terrania akzeptieren.«

»Das haben wir in der Tat, Tenga. Leider muss ich dir mitteilen, dass wir zu diesem Zweck die Hälfte des Pralinenvorrats an Bord benötigen.«

*

Während sich die LAURIN-Jet dem Planeten Ollfa näherte, betrachtete Osmund Solemani über Faryes Schulter hinweg den Holoschirm in der Zentrale. Rhodans Enkelin saß im Pilotensessel, Tenga stand auf der Steuerkonsole.

Gewiss, Osmund hätte sich ebenfalls setzen können, allerdings fühlte er eine nagende Unruhe, und nach wenigen Sekunden wäre er ohnehin wieder aufgestanden und herumgelaufen.

»Du machst mich nervös«, sagte Affatenga.

»Entschuldige.« Osmund dachte an die fünf Kisten, die in einem Lagerraum der Jet standen – gefüllt mit Vorräten aus der BJO BREISKOLL, die sie beim Ausschleusen aus der RAS TSCHUBAI mitgenommen hatten. Die meisten stammten aus den hydroponischen Gärten: Austernpilze, Äpfel, Erdbeeren, Gemüse, Gewürze und Kräuter aller Art. Aber es befanden sich auch unterschiedliches Gebäck, einige Kanister mit Pudding und zwei Behälter mit Pralinen darunter. »Glaubst du wirklich, sie lassen sich damit bezahlen?«

»Falls du mit damit unsere Leckereien meinst, bin ich guter Dinge. Niemand kann einer köstlichen Praline widerstehen. Außerdem ging aus dem Funkverkehr eindeutig hervor, wie wild die Olubfaner auf Spezialitäten anderer Völker sind.«

»Sagt Perry.«

»Sagt Perry«, bestätigte der Siganese.

»Was nicht bedeutet, dass sie es als Zahlungsmittel akzeptieren.«

Tenga winkte ab. »Dann bitten wir um Stundung und verkaufen unsere Waren in der Stadt. Und wenn sie sich darauf nicht einlassen, wünschen wir ihnen einen schönen Tag, drehen ab – und kehren im Schutz der Unsichtbarkeit zurück.«

»Hm ...«

»Jetzt mal im Ernst. Dir geht es doch nicht nur darum, oder? Vergiss nicht, dass ich dich kenne, als wärst du einer meiner besten Freunde.«

»Ich bin einer deiner besten Freunde. Na schön, du hast recht: Derzeit versuchen wir noch, den Cairanern aus dem Weg zu gehen, bis wir mehr über sie herausgefunden haben. Jene Cairaner, die den Olubfanern zum Sprung ins All verholfen haben und von denen es bei dem Fest wimmeln dürfte. Siehst du darin keinen Widerspruch, dass wir ausgerechnet dort auf Informationsjagd gehen?«

»Überhaupt nicht. Aus diesem Grund ist Rhodan auf der BJO geblieben. Und wir? Wir sind ganz normale Reisende.«

»Die überall Fragen stellen, auf die sie die Antworten längst kennen müssten.«

»Das bekommen wir schon hin. Und jetzt genieß die Aussicht.«

In der Tat war es ein Genuss, Ollfa zu betrachten. Wenn man von der Lage und Form der drei großen Landmassen absah, glich der Planet der Erde. Leichte Achsneigung, die Pole vereist, riesige blaue Meere, über den Globus verteilte weiße Wolkenfelder.

Erst als sich die Jet in einem Bogen der Welt weiter näherte und jenseits davon zwei Monde anstatt eines sichtbar wurden, verflog Osmunds skurriles Gefühl einer Heimkehr. Und noch ein Punkt fiel ihm auf, in dem sich Ollfa von Terra unterschied.

»Kommt es mir nur so vor oder umkreisen tatsächlich recht wenige Raumschiffe den Planeten?«, fragte er.

»Stimmt«, sagte Farye. »Es gibt zwar etliche Satelliten, aber ich messe nur sieben Schiffe an. Für eine moderne Welt dieser Größe ist das so gut wie nichts.«

»Entweder sind die meisten Festgäste schon eingetroffen ...«, begann Tenga.

»... oder die Olubfaner haben nicht annähernd so viele Freunde, wie wir vermutet hatten«, beendete Osmund den Satz.

»Oder es steckt etwas anderes dahinter«, gab Farye zu bedenken. »Eine Sache mehr, die herauszufinden sich lohnen könnte. – Eine Nachricht geht ein.«

Sie aktivierte die Akustikfelder.

»Leitstelle Raumhafen Oppolon zwei ruft den Raumer der ... was ist das? Eine frühzeitliche terranische Schiffsklasse? Euer Schiff sieht aus wie ein Pilz.« Die Stimme sprach Interkosmo in einem brummenden Bass, der bei jedem Vokal ein lang gestrecktes O mitschwingen ließ.

»Habt ihr gehört?«, fragte Tenga leise in die Runde. »Frühzeitlich. Ich fühle mich plötzlich so alt.«

»Richtig«, bestätigte Farye über Funk. »Ein terranisches Modell. Alt, aber bestens gepflegt. Wir bitten um Landegenehmigung.«

»Euer erster Besuch auf Ollfa, nehme ich an?«

»Was hat uns verraten?«

»Dass du um eine Genehmigung bittest. Das ist auf Ollfa unnötig. Wir sehen uns als so junges Mitglied einer galaktischen Gemeinschaft an, dass wir niemandem die Landung verwehren würden. Im Gegenteil freuen wir uns über jeden Besucher.«

»Eine gefährliche Einstellung«, flüsterte Tenga.

»Oder eine, die man sich in einer Epoche des Friedens leisten kann«, entgegnete Osmund. Ihm war eingefallen, wie Zemina Paath die Cairaner bezeichnet hatte: als Konsuln der Milchstraße, auf deren Geheiß das Sternenrad rollte und die Friedensbrecher zerbrach. Was immer das genau bedeuten mochte.

»Sehr gut«, sagte Farye. »Dann bitten wir um Zuweisung eines Landeplatzes.«

»Gerne«, bestätigte die Bassstimme. »Ich schicke euch ein Leitsignal. Darf ich nach dem Anlass eures Besuchs fragen?«

»Wir haben von eurer großen Feier erfahren und konnten nicht widerstehen.«

»Dann weise ich euch einen Landeplatz speziell für Festgäste zu. Die Liegegebühr ...«

»Was das angeht«, fiel ihm Farye ins Wort, »sind wir ein wenig auf euer Entgegenkommen angewiesen.«

»... beträgt für Besucher des Aufbruchsfestes«, fuhr der Olubfaner fort, als hätte niemand ihn unterbrochen, »fünftausend Oty ab dem zweiten Tag. Den aktuellen Galax-Wechselkurs entnehmt ihr bitte den Informationsholos im Empfangsbereich des Raumhafens.«

»Und der erste Tag?«

»Habe ich das nicht erwähnt? Der ist wegen des Festes kostenlos.«

»Das ist sehr ... großzügig«, sagte Farye.

»Überraschend«, sagte Osmund.

»Erfreulich«, ergänzte Tenga.

»Was fangen wir nun mit unseren Vorräten an?«, fragte Osmund.

»Ach«, antwortete Tenga, »zumindest was die Pralinen angeht, fällt mir da bestimmt etwas ein.«

*

Während des Landeanflugs präsentierte sich ihnen ein Blick auf die Hauptstadt der Olubfaner, der in seiner Eindrucksfülle sich durchaus mit dem auf Terrania messen ließ. Oppolon erstreckte sich mindestens hundert Kilometer über dreizehn Hügel und Täler, ein Flickenteppich aus Bauten der unterschiedlichsten Stile, reichhaltigen grünen Inseln und etlichen Seen.

Osmund sah gewaltige Kuppeln, manche transparent, andere milchig, wieder andere metallen oder steinern, Spindelbauten, die sich in den Himmel schraubten, im Licht der Vormittagssonne funkelnde Türme, Konstrukte, die an Trichter erinnerten oder an Pyramiden oder an Quallen mit durchgestreckten Nesselfäden oder ... Zwischen den Bauwerken spannten sich auf zahlreichen Ebenen geschwungene, gewundene und gerade Hochstraßen, Brücken und Röhren.

Dazwischen fielen Osmund immer wieder ganze Blocks auf, in denen dicht an dicht annähernd baugleiche Mischungen aus Wohnhäusern und Fabriken mit eisernen Schloten standen. Sie wirkten auf Osmund wie Fremdkörper im Stadtbild; allerdings vermutete er, dass sie das originale, das ursprüngliche Oppolon darstellten. Wahrscheinlich hätte die gesamte Stadt so ausgesehen, hätten die Olubfaner nicht die Bekanntschaft der Cairaner und anderer Völker gemacht.

Über der Stadt schwirrten in scheinbarem Chaos Schwärme von Gleitern, auch sie in beeindruckender Vielfalt. Rot schimmernde Käfer, silberne Patronen, tiefblaue Flundern, gläserne, sich während des Flugs überschlagende Zylinder, schlichte Kugeln, liegende Sanduhren – und eine Unzahl von Fluggeräten, für die Osmunds Wortschatz keine eingängigen Vergleiche hergab.

Das Leitsignal lotste die LAURIN-Jet zu einer gewaltigen Fläche nördlich der Stadt, die an anderen Tagen als denen des Aufbruchsfestes alles Mögliche darstellen mochte, aber gewiss keinen Raumhafen.

»Entschuldigt den abgelegenen Landeplatz«, erklang erneut die Bassstimme aus den Akustikfeldern. »Doch ihr seid spät dran. Die meisten Gäste halten sich seit Tagen auf Ollfa auf. Die besten Plätze sind längst belegt. Ein Besuchergleiter wird euch abholen. Wie viele Personen dürfen wir begrüßen?«

»Drei«, antwortete Farye.

Sie waren übereingekommen, dass Siad Tan und ihr Schützling an Bord bleiben würden. Die Messungen mit ihrem Koffer – oder was sie sonst damit anstellen wollte – konnte Zemina Paath genauso gut und wesentlich unauffälliger vom Schiff aus vornehmen.

Fünf Minuten später setzte die Jet auf. Osmund Solemani, Farye Sepheroa und Sholotow Affatenga schwebten via Antigrav aus der Diskuseinheit, dem Schirm des pilzförmigen Schiffs, vorbei am Paratron-Konverter, dem Stiel, und über zwanzig Meter in die Tiefe.

Um den Eindruck von Harmlosigkeit und Normalität zu erwecken, trugen sie schlichte Bordkombinationen und hatten auf Waffen verzichtet. Womöglich ein Risiko, aber ein überschaubares, wie Osmund fand.

Lediglich Tenga hatte sich einen Antigravgürtel mit Antrieb umgeschnallt, um nicht sämtliche Strecken auf seinen kurzen Beinen und auf Höhe der Schienbeine anderer Wesen zurücklegen zu müssen.

Sie landeten auf einem felsigen, glatten Untergrund, vermutlich einer natürlichen Struktur, von den Olubfanern zu einem Behelfslandeplatz umgearbeitet. Einem Behelfslandeplatz, auf dem sich derzeit Hunderte von Raumern tummelten. Die Luft roch nach Anis.

Links von ihnen parkte ein dünnes zylinderförmiges Schiff mit einer Kugel in der Mitte.

»Könnte ein topsidisches Modell sein«, sagte Farye. »Und das dort drüben erinnert mich an eine Walze der Mehandor.«

»Und wo bleibt der angekündigte Gleiter?«, fragte Tenga.

Sie mussten beinahe zehn Minuten warten, bis ihnen zwischen einem vermutlich cheborparnischen Doppelkugelraumer und einem Schiff, das aussah wie eine schwarze Träne, ein wuchtiges Gefährt entgegenschwebte. Es erinnerte an einen zu hoch geratenen Zugwaggon, in dessen Wandungen übermannsgroße Ventilatoren träge rotierten.

Unmittelbar vor den Neuankömmlingen blieb es stehen. Zwischen den Ventilatoren öffneten sich Türen.

Osmund stieg als Erster ein. Vor ihm erstreckte sich über die gesamte Länge des Gefährts eine Reihe aus Sitzmöglichkeiten: überwiegend einfache Schalen, mit oder ohne Lehne, mit oder ohne Kuhlen, aber auch Ringe, die von der Decke hingen, barhockerähnliche Gestelle, massige Gelpolster, Kniebänke und sinnverwirrende Konstruktionen aus mehreren Stangen, bei denen Osmunds Phantasie nicht ausreichte, um sich die Spezies vorzustellen, die es sich darin bequem machen könnte.

Kaum jemand hielt sich in dem Besuchergleiter auf, lediglich auf dem Platz ganz vorne links saß ein Wesen, wie er es nie zuvor gesehen hatte. Es wies zwar eine humanoide Form auf, die Arme jedoch hingen links und rechts des Sitzes bis auf den Boden. Von der Hüfte aufwärts zog sich ein schwarzer Körperpanzer, der nur die Vorderseite des Kopfes frei ließ und eine Bekleidung des Oberkörpers unnötig machte. Oder handelte es sich um eine Art Rüstung? Schwer zu sagen. Das Fremdartigste waren die sechs dunkelroten Augen, die sich um einen zentralen Mund gruppierten. Der wiederum stand offen und ermöglichte den Blick auf einen Kreis aus beängstigenden, nadelspitzen Zähnen.

»Hallo«, sagte Osmund. »Bist du unser Chauffeur?«

Das Wesen erhob sich und baute sich gebückt vor ihm auf. Nun hingen die Arme nur noch bis wenige Zentimeter über dem Boden.

»Was bildest du dir ein?«, fragte es mit überraschend sanfter Stimme. »Bist du einer dieser Terraner, die sich für etwas Besseres halten, weil sie glauben, von einem legendären Planeten abzustammen?«

»Entschuldige, ich wollte dir nicht zu nahetreten. Ich dachte nur ...«

»Dass der Fremde im Gleiter zwangsläufig dein Diener sein muss?«

»Keineswegs.« Hitze stieg in Osmund auf. Beim ersten Kontakt mit einer ihm unbekannten Spezies hatte er Anlauf genommen und war mit beiden Beinen in den Fettnapf gesprungen. »Die Leitstelle hat uns den Besuchergleiter angekündigt, und ich bin irrtümlich davon ausgegangen, dass ...«

»Ach, und da kommen ja noch mehr!«

Osmund drehte sich um und sah Farye und Tenga. Letzterer schwebte neben Faryes Kopf.

»Was bist du denn für einer?«, fragte das Wesen. »Ein Miniaturterraner?«

»Ich muss doch sehr bitten«, gab Tenga zurück. »Haben Terraner etwa grüne Haut? Ich bin ein Siganese.« In seiner Stimme klang Stolz.

»Ein Siganese also? Ich habe von euch gehört, aber noch keinen getroffen. Kein Wunder, ihr seid leicht zu übersehen.«

»Einer unserer zahlreichen Vorzüge. Um die Frage zurückzugeben: Was bist du denn für einer?«

»Ein Aankhpanali. Erkennst du das nicht?«

»Jetzt, da du es sagst.«

Die Türen schlossen sich, und der Gleiter setzte sich in Bewegung.

»Führt dich ebenfalls das Fest nach Ollfa?«, fragte Farye.

»Was sonst?«

»Ich weiß nicht. Wir sind zum ersten Mal hier. Vielleicht gibt es auf dem Planeten Attraktionen, die einen Besuch auch zu einer anderen Zeit rechtfertigen.«

Der Aankhpanali setzte sich wieder. Osmund und Farye wählten die Plätze direkt neben ihm, obwohl sie eher für Wesen mit einer massigeren Anatomie gedacht zu sein schienen.

»Wohl kaum«, sagte der Fremde. »Oder zumindest nichts, was mich zu einem unnötigen Raumflug veranlassen würde. Gewiss, die Landschaft der Sumpfigen Gründe besitzt ihren Reiz. Und das Felslabyrinth von Ommolanora weiß ebenfalls zu beeindrucken.

Trotzdem begebe ich mich nur ins All, wenn es unbedingt sein muss, zum Beispiel, wenn es sich meine Schwester, die in der aankhpanalischen Botschaft in Oppolon arbeitet, um nichts in der Welt ausreden lässt, die Aufbruchsfeier mit ihrem Bruder zu verbringen.«

»Warum so reisescheu?«, fragte Osmund.

Die Lippen des Aankhpanali zitterten kurz, drei der sechs Augen schlossen und öffneten sich. Eine bewusste Mimik? Falls ja, konnte Osmund sie nicht interpretieren.

»Weil ich, wie es jedes Intelligenzwesen bei klarem Verstand sehen sollte, keinen Wert darauf lege, den Ladhonischen Scharen in die Fänge zu geraten.«

»Das leuchtet ein.« Er hatte keine Ahnung, wovon der Vieläugige sprach. »Schlimme Sache.«

»Das Leben zwischen den Sternen ist nicht mehr, wie es der Vater meines Vaters noch kannte. Wie gerne hätte ich diese Zeit selbst erlebt. Frei und grenzenlos. Ohne Angst vor den Versorgungseinheiten der Ladhonen.« Der Aankhpanali gab ein krächzendes Geräusch von sich, das ein Lachen darstellen mochte. Oder Husten. »Versorgungseinheiten! Wenn ich das schon höre. Ich frage mich, wen oder was die versorgen, außer sich selbst?«

Offenbar handelte es sich bei den Ladhonen um ein kriegerisches Volk oder um Raumpiraten. Erneut fielen Osmund Zemina Paaths Worte über die Konsuln der Milchstraße ein, auf deren Geheiß das Sternenrad rollte und die Friedensbrecher zerbrach – mit anderen Worten: die für Ordnung sorgten. Ein Widerspruch? Er überlegte, ob er sich damit verdächtig machte, wenn er es ansprach, da kam ihm Tenga zuvor.

»Eine Schande, dass die Cairaner nichts gegen sie unternehmen.«

»Wie sollten sie? Sicherlich, sie jagen sie und erwischen gelegentlich vereinzelte Schiffe. Aber ich halte die Ladhonen für Parasiten ohne Heimatwelt. Sie verabscheuen das Leben auf Planeten. Sie in einem Gebiet finden zu wollen, das 400 Milliarden Sonnen aufweist, dazu Dunkelwolken, unzählige Dunkelwelten und unbegreiflich große Mengen von Nichts dazwischen, ist aussichtslos.«

»Die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen«, sagte Osmund.

»Eher die Suche nach einem bestimmten Halm auf einem Planeten aus Heu«, ergänzte Tenga.

»Wenn ihr mich fragt«, fuhr ihr Reisebegleiter fort, »sind die Ladhonen dafür verantwortlich, dass in der Milchstraße die Hyperkristalle immer knapper werden. Und nicht, wie es so oft heißt, die Bewohner von Sagittarius. Ja, sie halten sich für etwas Besseres ...«

Wie wir Terraner, dachte Osmund. Unser neuer Freund scheint unter Minderwertigkeitskomplexen zu leiden.

»... aber schließlich sind es die Ladhonen, die gezielt Handelsschiffe angreifen. Und wenn sie Hyperkristalle geladen haben, umso besser. Nachdem ich gestern auf Ollfa angekommen war, bekam ich mit, dass bei den Olubfanern ein Raumschiff überfällig ist. Ich möchte wetten, dass es den Ladhonischen Scharen zum Opfer gefallen ist.«

»Hatte es denn Hyperkristalle an Bord?«, fragte Farye.

»Keine Ahnung.« Der Aankhpanali schlenkerte mit den Armen, womöglich seine Entsprechung des Achselzuckens. »Vielleicht ist auch alles ganz harmlos. Ein technischer Defekt beispielsweise.«

»Du bist nicht gerade erst angekommen wie wir?«, erkundigte sich Tenga.

»Weil ich mit euch in diesem Gleiter sitze?« Erneut erklang das krächzende Geräusch. Also vermutlich tatsächlich ein Lachen. »Ich bevorzuge es, die Nacht in meinem Schiff zu verbringen. Was soll ich in den Hotels oder Herbergen zwischen den Topsidern, Akonen und Jülziish? Die halten sich doch alle für etwas Besseres.«

Was Osmund wiederum nicht überraschte.

*

Der Besuchergleiter brachte sie zum regulären Raumhafen, wo sie beschlossen, sich zu trennen und in der Stadt zu verteilen. Wie es so schön hieß: Sechs Augen sahen mehr als zwei – umso mehr, wenn sie nicht alle in die gleiche Richtung blickten.

Aufs Geratewohl wandte sich Osmund Solemani hinter der Empfangshalle nach links und tauchte in den Trubel ein, der auf den Straßen herrschte. Hatte die Strecke von der geparkten LAURIN-Jet zum Hafen eher trist gewirkt, umschloss ihn plötzlich das pralle Leben: gehörnte Cheborparner, die ihn an Teufelsgestalten erinnerten, Jülziish mit ihren langen Hälsen und Tellerköpfen, Akonen mit samtig brauner Haut, vereinzelte Terraner, aber auch ihm unbekannte Wesen, Insektoide, Reptiloide, Serpentoide, Fischähnliche in flüssigkeitsgefüllten Anzügen, Ornithoide. Alles, was man sich vorstellen – oder auch nicht vorstellen – konnte, war vertreten.

Sie standen in gemischten Gruppen zusammen, plauschten, ließen sich Leckereien von Essensständen schmecken, betrachteten holografische Kunstwerke, verfolgten Aufführungen auf zahlreichen Freiluftbühnen oder schlenderten zwischen Jahrmarktsattraktionen wie Antigravkarussellen, Achterbahnen mit variabler Schwerkraft oder Psi-Schreckenskammern umher.

Es roch nach Rauch, gebratenem Fleisch, Früchten und einer Vielzahl von Kräutern, teils vertraut, teils fremdartig und hin und wieder magenverkrampfend.

Osmund fühlte sich beinahe erschlagen von den Eindrücken. Dennoch bemühte er sich um höchste Aufmerksamkeit, während er stundenlang ziellos dahinspazierte. Das Aufzeichnungsgerät in seiner Tasche speicherte dabei ununterbrochen Bilder und Töne.

Er lauschte einzelnen Gesprächsfetzen, sah Nachrichtensendungen auf riesigen Monitorwänden oder unterhielt sich kurz mit anderen Besuchern des Festes, was jedoch selten über Smalltalk hinausging.

Immer wieder hörte er von den Ladhonen und dem vermissten Schiff, das der Aankhpanali erwähnt hatte. Inzwischen hatte Osmund herausgefunden, dass es GLUTOBAT III hieß.

Gelegentlich sprach er Olubfaner an. Faszinierende, fremdartige Wesen mit einer majestätischen Ausstrahlung, wie er fand. Meistens bewegten sie sich auf allen vieren voran; wenn sie aber auf den Hinterbeinen liefen, taten sie das in einem behäbig wirkenden, schaukelnden Gang.

Ihre Lippen erinnerten Osmund an die von Giraffen. Ständig war die Oberlippe in Bewegung, zuckte hin und her, schabte über die Unterlippe, als würde sie sie auf diese Weise kratzen, stülpte sich vor, legte sich wieder an.

Die Olubfaner erwiesen sich als grobgliedriger, als es das Holo auf der BJO BREISKOLL gezeigt hatte. An jeder Hand – oder an jedem Fuß der Vorderbeine, ganz wie man es sehen wollte – wuchsen nur drei kurze, dicke Finger, die aus jeweils zwei Knochen bestanden. Anders gesagt: Olubfaner hatten nur Daumen.

Osmund fragte, ob sie sich wohlfühlten in der galaktischen Gemeinschaft, der sie angehörten, und wie viel sie bereits von der neuen Welt gesehen hatten.

Meistens erntete er verständnislose Blicke oder interpretierte sie zumindest so. Nachvollziehbar, denn für die Olubfaner war das alles andere als neu. Er erfuhr, dass ihre Lebenserwartung bei sechzig bis siebzig Jahren lag. Die Ankunft der Cairaner und den Aufbruch ins All hatte also keiner selbst miterlebt. Beides lag Generationen zurück, und die Zugehörigkeit zur galaktischen Gemeinschaft war längst Normalität geworden.

»Ihr habt den Cairanern viel zu verdanken«, sagte er zu einem Olubfaner, der etwas abseits des Trubels ein künstlerisch grenzwertiges und glorifizierendes Schauspiel über den Erstkontakt verfolgte. Zuvor hatte er sich mit ihm über die bevorstehende Initialkopplung der Jungolubfaner unterhalten.

Oder besser gesagt, der Einheimische hatte geredet, wohingegen Osmund Gemeinplätze und ein gelegentliches »Was du nicht sagst« von sich gegeben hatte, denn er hatte keine Ahnung, worum es sich bei dieser Kopplung handelte. Offenbar eine so bedeutsame und bekannte Sache, dass er es nicht wagte nachzufragen.

»Den Cairanern?«, erwiderte der Olubfaner. »In der Tat, sie sind unsere Gönner.«

»Ich heiße übrigens Osmund.«

»Ein wohlklingender Name.« Vermutlich wegen des Anfangsbuchstabens. »Mein Name ist Okmor.«

»Ich bin zum ersten Mal auf Ollfa und mit den Gegebenheiten nicht vertraut. Aber weißt du, was ich mich frage? Warum habe ich noch keine Cairaner auf dem Fest entdeckt?«

Dass Rhodan ihnen während der Einsatzbesprechung das Aussehen dieses Volkes noch einmal ins Gedächtnis gerufen hatte, wäre nicht nötig gewesen, denn auf Osmunds Weg durch die Stadt waren ihm an beinahe jeder Ecke teils bewegte Bilder auf Großmonitoren oder in Holos aufgefallen. Sie zeigten Cairaner im Gespräch mit Olubfanern oder wie sie ihnen ein Stück Technologie überreichten oder in feierlichem Ambiente, den Kopf in den Nacken gelegt, nach oben deuteten. Hin zu den Sternen.

Die Cairaner wirkten weise und gütig wie geduldige Lehrmeister, so ganz anders als der Eindruck, den die Besatzung der RAS TSCHUBAI beim ersten Aufeinandertreffen von ihnen gewonnen hatten. Anscheinend alles eine Frage der Darstellung. »Sollten sie nicht im Mittelpunkt des Festes stehen?«

»Mag sein. Aber sie leben zurückgezogen in einem eigenen Bezirk am Rand der Stadt. Sie mischen sich nur selten ein, verhalten sich ihrer Klientkultur gegenüber eher dezent.«

Eine merkwürdige Formulierung, wenn es um die Teilnahme an einer Feier ging, fand Osmund. Und ein neuer Begriff: Klientkultur.

»Verstehe«, behauptete er. »Und selten heißt ...?«

»Wenn es nötig ist. Bei Gesetzesverstößen, Streitereien, Konflikten. Wusstest du beispielsweise, dass sie den Glaubenskrieg vor über hundert Jahren befriedet haben?«

»Tatsächlich? Worum ging es dabei?«

»Eine unschöne Angelegenheit, lange vor meiner Zeit. Sehr blutig. Der Kampf einer gespaltenen Gesellschaft, zerrissen zwischen dem Glauben an die Elfgötter und der Erkenntnis, nicht allein im All zu sein.«

»Verstehe«, sagte Osmund erneut, und diesmal verstand er tatsächlich. Er erinnerte sich an das verdächtige Fehlen religiöser Inhalte in den abgehörten Funknachrichten. »Die Cairaner haben den Götterglauben verboten.«

»Keineswegs. Es ist nicht so, dass sie etwas gegen den Glauben hätten. Ihnen gefällt es nur nicht, wenn daraus Konflikte und Gewalt entstehen. Also haben sie Gesetze erlassen, die das verhindern.«

»Dann gibt es noch Glaubensstätten?«

»Die Götterhaine. Elf an der Zahl, für jeden Gott einer, und über die größeren Städte von Ollfa verteilt.« Der Basston in Okmors Stimme nahm zu. Er klang ... begeistert? Schwärmerisch? »Oppolon ist der einzige Ort mit zwei Hainen: dem zu Ehren des Götterelters Olu und dem für Tolno, die Schutzpatronin der Tolnoten.«

»Tolnoten?«

Okmor streckte eine Hand aus, drehte sie nach oben, und aus Löchern in der Handfläche zuckten fingerdicke Wurmwesen hervor. »Unsere kleinen Alltagshelfer.«

»Wo liegt der nächste Götterhain?«

»Nicht weit entfernt.« Der Olubfaner deutete hinter sich. »In dieser Richtung. Aber ...«

In dieser Sekunde brandete Jubel unter den Zuschauern des Theaterstücks auf. Vermutlich, weil es gerade einen besonders ruhmreichen Augenblick aus Ollfas Geschichte zeigte, vielleicht sogar den Aufbruch ins All.

Osmund konnte nicht viel erkennen, weil sämtliche Einheimischen auf den Hinterbeinen standen und sich zu einer Größe von drei Metern aufgerichtet hatten. Ein massiger Körper rempelte ihn an, drängte ihn zur Seite, dann einer von vorne. Und noch einmal. Und zum vierten Mal.

Rasch hatte ihn die Menge in ihrem Jubel unbeabsichtigt bis in die hinterste Reihe und aus dem Pulk herausgeschoben. Er versuchte, Okmor unter den Jubelnden zu entdecken, gab aber schnell auf. Für seine ungeübten Augen ähnelten die Olubfaner einander so stark, dass er ihn selbst dann nicht erkennen würde, wenn er ihm auf den Fuß trat.

Also wandte er sich ab und setzte den Spaziergang fort, diesmal aber hatte er ein Ziel: den Götterhain.

*

Der Hain war nicht schwer zu finden, ein Eingang jedoch schon.

Bereits nach wenigen Querstraßen, in denen es genauso hoch herging wie im Rest der Stadt, stieß er auf eine fünf Meter hohe Hecke, so dicht, dass er durch die Zweige und das blaugrüne Laub weder sehen noch sich hindurchschieben konnte. Er ging nach rechts an der Pflanzenwand entlang, aber es dauerte eine halbe Stunde, bis sich endlich eine Lücke auftat.

Heckenzweige neigten sich darüber, umschlangen sich und bildeten einen Bogen über dem Zugang. Zwei identische Skulpturen flankierten das Portal: wuchtige entrindete und laublose Baumstämme, aus denen zehn Äste ragten, die sich in Zweiergruppierungen auf fünf Ebenen verteilten. Aus dem Stamm blickten ihm geschnitzte stilisierte Gesichter entgegen, die vage an die von Olubfanern erinnerten, aber zugleich erhabener, würdevoller wirkten.

Götter?

Einige Wesen, die aussahen wie übermannsgroße Gottesanbeterinnen, flanierten achtlos daran vorbei, während sie sich laut schnarrend und kratzend unterhielten. Osmund würdigten sie keines Blickes.

Er zögerte bloß eine Sekunde, dann trat er hindurch. Wahrscheinlich nicht der geeignetste Ort, um Informationen über die Cairaner und die Situation in der Milchstraße zu sammeln, aber er war dankbar, zumindest für einige Minuten dem lärmenden Trubel des Festes zu entkommen. Und das tat er schneller und gründlicher, als er vermutet hatte.

Bereits nach wenigen Metern zwischen gigantischen, silbern schimmernden Bäumen und herb duftenden Sträuchern verkam die Geräuschkulisse der Aufbruchsfeier zu einem dumpfen Murmeln und verstummte schließlich ganz.

Nun umfing ihn nur das stete Knarren, das von den Bäumen ausging. Ein hypnotisches, fast schon meditatives Geräusch. Wenn man für so etwas empfänglich war, konnte man beinahe eine göttliche Präsenz spüren.

Unsinn! Was du zu spüren glaubst, ist ...

Der Duft, der die Luft erfüllte: süßlich, frisch und zugleich mit einer herben Note. Vermutlich das Aroma von Blüten. Es roch nach Zitrusfrüchten, Wald und grenzenloser Freiheit. Es machte ihn angenehm benommen.

Von wegen göttliche Präsenz! Du bist high. Oder zumindest auf dem Weg dorthin.

Er wusste, dass er den Götterhain besser verlassen sollte, aber er brachte es nicht über sich, umzukehren. Er genoss die Friedfertigkeit dieses Ortes, den Einklang mit sich selbst, der Natur, dem Universum. Wäre es nicht wunderbar, für immer ein Teil dieses Gartens zu sein? Tagelang im Gras zu liegen und in den Himmel zu schauen? Dem Zirpen der Insekten zu lauschen und ...

Das Vibrieren des Multikomarmbands riss ihn aus der Trance.

Er nahm das Gespräch an.

»Warum ignorierst du mich so lange?«, erklang Siad Tans Stimme. »Wir wollten uns schon auf den Weg machen, um dich zu suchen.«

Wovon sprach sie? Osmund sah auf das Armband, und Hitze kroch in ihm hoch. Er hatte fünf Anrufe zuvor missachtet? Unmöglich. Und die Uhr! Sie behauptete, dass er sich seit über einer Stunde in dem Götterhain aufhielt. Aber er hatte ihn doch gerade erst betreten, richtig?

Falsch.

Das Portal war längst aus seinem Sichtbereich verschwunden. Stattdessen fand er sich auf einer moosigen Lichtung, über die ein großer und zehn kleine Menhire verteilt standen. Er konnte sich nicht erinnern, wie er an diesen Ort gekommen war.

Der Duft hat dich eingelullt! Sieh zu, dass du von hier verschwindest!

»Keine Sorge«, sagte er. »Alles in Ordnung. Ich erzähl euch später davon. Was gibt's?«

»Zemina hat ihre Messungen beendet. Sie und ihr Koffer sind sich sicher, dass es keine cairanischen Mentaltaster in der Nähe gibt. Wir kehren zurück auf die BJO. Farye und Tenga sind bereits bei mir in der Jet.«

»Haben sie etwas herausgefunden?«

»Verschiedenes. Wir reden auf der BJO darüber. Und nun komm zurück!«

Osmund rief ein Programm des Armbands auf, das seine bisherige Route protokolliert hatte und ihm den Rückweg ermöglichen würde. Sein Weg durch den Götterhain glich einem Fadenknäuel. Verschlungen, irrwitzig, mit zahllosen unvermittelten Kehrtwendungen und Halts, wenn er minutenlang in der Betrachtung eines besonders anmutigen Baumes oder einer Felsformation versunken gewesen war. Der unkontrollierte Weg eines Betrunkenen.

Da hörte er ein mehrstimmiges dissonantes Brummen, das ihm aus einem Waldstück entgegendrang. Es schwoll an, flaute ab, schwoll an.

Er wusste nicht, ob es seiner natürlichen Neugier geschuldet war oder ob ihn der betörende Duft dazu trieb, aber er musste herausfinden, was dieses Geräusch zu bedeuten hatte. Also überquerte er die Menhirlichtung, trat zwischen die Bäume und ging einen flachen Anstieg hinauf.

Mit jedem Schritt wurde das Brummen lauter, durchdringender. Es fühlte sich an, als versetzte es Osmunds Zwerchfell in Schwingungen.

Auf dem Hügel blieb er stehen und blickte zwischen den Bäumen hindurch in die Senke, die sich vor ihm auftat. Die Szenerie, die er dort unten sah, ließ ihn schaudern. Sie wirkte bizarr, mystisch und außerordentlich ... intim.

Ein gutes Dutzend Olubfaner saßen auf den Hinterläufen um einen weiteren Menhir. Sie trugen grüne Tücher mehrfach um den Hals geschlungen und Arm- und Stirnbänder der gleichen Farbe. Ihre Hände umfassten hölzerne Schalen, aus denen gelblicher Qualm aufstieg. Die Augen hielten sie geschlossen. Sie wiegten sich im Rhythmus des auf- und abschwellenden Brummens.

Sie singen!, erkannte Osmund. Sie halten einen Gottesdienst ab. Oder einen Götterdienst.

Der Geruch nach Zitrusfrüchten umfing ihn wesentlich intensiver und machte ihn erneut benommen.

Er stammt von dem Rauch aus den Schalen.

Osmund stützte sich an einem Baum ab. Die Büsche um ihn pulsierten und leuchteten plötzlich in strahlenden Farben. Die Baumstämme waberten, die Zweige tanzten. Das Rascheln des Laubs legte sich auf Osmund wie eine Decke. Und der Geschmack, der mit einem Mal seinen Mund erfüllte! Intensiv und harzig.

Als würde ich an einem Ast lecken.

Bei dem albernen Gedanken stieg ein Lachen in seiner Kehle auf.

Der Brummgesang verstummte, und einer der Olubfaner erhob die Stimme. Die Sprache, die er benutzte, bestand hauptsächlich aus O-Lauten. Doch obwohl Osmund die Worte nicht verstand, klangen sie für ihn keineswegs feierlich oder rituell, sondern aggressiv. Angriffslustig.

Der Olubfaner endete, und die restlichen Versammelten antworteten im Chor. Dann wiederholte sich der Ablauf.

An einem Ast lecken.

Wie aus dem Nichts kehrte der Gedanke zurück, und erneut überkam Osmund der Drang, die Albernheit hinauszulachen. Mit beinahe schmerzhafter Mühe unterdrückte er ihn.

Er musste endlich diesen Hain verlassen, bevor ihn der Rausch endgültig übermannte.

Vorsichtig löste er sich von dem Baum und trat drei Schritte zurück. Nicht vorsichtig genug. Des Halts beraubt, taumelte er unkontrolliert nach hinten, stieß gegen einen weiteren Baum und krachte zu Boden.

Schlagartig brach das Wechselspiel aus Rede eines Olubfaners und Gegenrede der anderen ab.

Osmund rappelte sich auf und sah in die Senke. Sämtliche Olubfaner hatten sich erhoben und starrten ihn an.

Für eine Sekunde sagte niemand etwas, dann hallte ihm eine Stimme auf Interkosmo entgegen: »Ein Fremder! Er hat uns beobachtet! Schnappt ihn euch!«

Die Olubfaner fielen auf alle viere zurück und rannten los, preschten den Hügel herauf, brachen durch Gebüsche, trampelten sie nieder.

Und meine Güte, waren sie schnell!

Das Adrenalin, das mit einem Mal Osmund durchflutete, drängte den Rausch zurück. Ihm blieb keine Zeit, das Missverständnis aufzuklären. Das verstand er sofort.

Er warf sich herum und hetzte los. Den Weg, den er gekommen war, den Anstieg hinunter, über Stock und Stein, auf die Lichtung mit den elf Menhiren.

Hinter ihm krachte und splitterte es, wenn die massigen Körper der Verfolger im Vorbeirennen Äste von den Bäumen fetzten.

Weiter! Nicht umdrehen! Das kostet nur Zeit.

Bereits in der Mitte der Lichtung bekam er Seitenstechen. Schweiß brach ihm aus. Ihm wurde schlecht. Dieser verdammte Rausch, dieser verdammte Duft!

Vielleicht sollte er sich hinter einem der Menhire verstecken? Hoffen, dass die Olubfaner in ihrem Eifer an ihm vorbeirannten?

Nein, keine gute Idee.

Er musste versuchen, den Ausgang aus dem Hain vor ihnen zu erreichen und in der Masse der Festgäste unterzutauchen.

Versuchen, ja. Aber schaffen würde er es nicht, das war ihm klar.

Er erreichte das andere Ende der Lichtung und rannte zwischen die Bäume. Vielleicht würden sie die Olubfaner mehr ausbremsen als ihn.

Träum weiter!

Osmund hetzte in die Richtung, in der er das Portal vermutete. Zum Glück hatte er sich vorhin seine Route angesehen.

Das Stampfen und Trampeln kam näher, immer näher.

Er jagte an einer Hecke vorbei, duckte sich unter einem tief wachsenden Ast weg, der vor ihm auftauchte, ignorierte die Zweige und Dornen der Gebüsche, die nach ihm griffen, als wollten sie ihn aufhalten.

Und dann konnte er dem Drang nicht mehr widerstehen. Er drehte sich um.

Die Verfolger sah er nicht. Aber er hörte, wie sie sich weiter ihren Weg durch den Wald bahnten.

Osmund brach zwischen den Bäumen hervor – und sah das Hindernis zu spät. Er prallte dagegen und stürzte auf den Rücken.

Vor ihm stand ein aufgerichteter Olubfaner.

Hastig schob sich Osmund ein Stück zurück. »Hör zu!«, ächzte er. »Ihr versteht das völlig falsch. Ich habe euch nur ...«

»Osmund?«, fragte der Gigant vor ihm.

Osmund verstummte. Für einen Augenblick war er verwirrt, doch dann begriff er. »Okmor? Bist du das? Aber was ... wie kommst ... warum bist ...« Er brach ab, als er bemerkte, dass er stammelte.

»Was tust du da?«, wollte der Olubfaner wissen, der ihn auf die Götterhaine hingewiesen hatte. »Warum rennst du so?«

»Sie verfolgen mich!«

»Wer?«

»Die ... deine Artgenossen.« Osmund stemmte sich hoch und sah zum Waldrand. Niemand stürmte heraus und trampelte ihn nieder. »Sie waren direkt hinter mir.«

»Da ist keiner. Was glaubst du denn, gesehen zu haben?«

»Ein ... Ich weiß auch nicht. Ein Ritual, einen Götterdienst. Etwas in dieser Art. Sie haben sich gestört gefühlt.«

Okmor lachte auf. »Du irrst dich. Wir kommen in den Hain, um ungestörte Zwiesprache mit den Göttern zu halten. Ehrendienste finden hier schon lange keine mehr statt, seit es immer weniger Gläubige gibt.«

»Aber ich habe es selbst gesehen!«

»Bist du dir sicher?«

Natürlich!, wollte Osmund schreien. Aber stimmte das auch? Hatte er im Rausch nicht über eine Stunde verloren, an die er sich nicht erinnern konnte? Hatte er sich nicht eingebildet, die Büsche hätten gestrahlt, die Bäume gewabert und die Äste getanzt? Konnte er sich also den ganzen Rest ebenfalls eingebildet haben? »Ich weiß es nicht. Was tust du hier?«

»Dich suchen. Vorhin wollte ich dir noch sagen, dass du den Hain nicht betreten solltest, weil das Aroma der Harztropfbüsche auf weniger robuste Körper wie unsere schnell eine fatale Wirkung haben kann. Ohnmacht, Desorientierung, Halluzinationen. Aber dann wurden wir getrennt, und du warst plötzlich verschwunden.«

»Und deshalb bist du mir nachgekommen?«

»Ich musste lange suchen, hätte beinahe aufgegeben. Doch ich habe geahnt, dass ich dich neugierig gemacht habe.«

»Und deshalb bist du mir nachgekommen«, wiederholte Osmund.

»Selbstverständlich. Glaubst du, ich will mir vorwerfen müssen, einen Gast des Festes ins Unheil geschickt zu haben? Das würde ich mir nie verzeihen. Und die Götter auch nicht.«

*

»Wie geht es dir?«, fragte Perry Rhodan.

»Besser.« Osmund griff nach dem Wasserglas auf dem Konferenztisch und trank es in einem Zug leer. »Ich fühle mich noch ein wenig verkatert, aber mein Körper hat sämtliche Giftstoffe ausgeschieden. Der Durst sollte ebenfalls bald nachlassen.«

»Ein Hoch auf die Medoroboter«, sagte Tenga.

»Wenn sie mir nur verraten könnten, ob ich mir das alles nur eingebildet habe.«

»Bist du einsatzbereit?«, wollte Rhodan wissen.

»Absolut.«

»Gut. Dann lasst uns rasch abgleichen, was ihr herausgefunden habt.«

Zunächst berichtete Osmund von dem Glaubenskrieg vor über hundert Jahren und dem Einschreiten der Cairaner. »Seitdem ist die öffentliche Glaubensausübung außerhalb der Götterhaine verboten. Das soll den Frieden sichern. Während mich Okmor aus dem Hain begleitete, erzählte er jedoch, dass nicht alle Olubfaner mit der Regelung glücklich sind. Sie fürchten, dass der Glaube an die Elfgötter aussterben könnte. Der Konflikt scheint unter der Oberfläche zu köcheln und bricht nur aus Angst vor den Cairanern nicht aus. Auf mich wirkt es, als wären sie zerrissen zwischen ihren Göttern und ihren Gönnern.«

»Die Cairanische Epoche«, sagte Donn Yaradua, »bedeutet also auch im Kleinen, auf irgendwelchen befriedeten Welten, kein Leben im Paradies. Es gibt weiterhin Streitigkeiten.«

»Und Gefahren wie die Ladhonen«, ergänzte Farye Sepheroa. »Die meisten Leute, mit denen ich gesprochen habe, sehen sie als galaktische Geißel an.«

»Habt ihr herausgefunden, seit wann sie ihr Unwesen treiben?«, fragte Rhodan.

»Nein. Der Aankhpanali hat zwar etwas vom Vater seines Vaters geschwätzt, der die gute, alte Zeit noch miterlebt hat. Aber wir wissen nicht, ob das nur eine Redewendung war, und wie lange diese Wesen leben.«

»Eine weitere Sache ist mir aufgefallen«, fuhr Osmund fort. »Zumindest in Oppolon scheint die Technik in den über hundert Jahren seit Beginn des interstellaren Reisens nicht den Entwicklungssprung vollzogen haben, den ich erwarten würde. Allerdings kann ich nicht beurteilen, ob das mit dem Posizid oder der Datensintflut zusammenhängt oder ob die Cairaner ihre Klientkultur in technischer Hinsicht kurzhalten.«

»Danke«, sagte Rhodan. »Farye?«

»Ich habe mich in verschiedenen Raumfahrerkneipen umgehört. Dabei fand ich heraus, dass die Lemurische Allianz eine kleine Botschaft in Oppolon unterhält. Und zwar in einem dieser klobigen Gebäude mit den Schornsteinen, die normalerweise den Einheimischen gehören.«

»Das deckt sich mit den Daten, die wir bereits aus einigen abgehörten Funksprüchen gewonnen haben.«

»Wie dem auch sei, die Lemurische Allianz ist ein Pakt zwischen der Liga Freier Galaktiker, dem Tamanium und der Akonischen Räterepublik.«

»Das Tamanium?«, echote Winston Duke. »Offenbar hat man im Laufe der Zeit auf den Namenszusatz ›neu‹ verzichtet.«

»Nach fünfhundert Jahren ist nichts mehr neu. Noch etwas zu den Akonen: Ihrer Räterepublik steht Rheelona tan Thanor vor, die Priorrätin des Hochrates. Ach ja, die Arbeitsplattform der Jülziish-Völker, das sogenannte Gatasium, plant ebenfalls eine Botschaft zu errichten.«

»Tatsächlich?«, fragte Rhodan. »Aus einer der Nachrichtensendungen ging hervor, dass das Gatasium kein Interesse an einer Vertretung auf dem Planeten einer so jungen Zivilisation hat.«

»Und aus einer anderen«, fügte Tenga hinzu, »dass die Gataser etliche Restaurants eröffnen wollen, um die Olubfaner in den Genuss ihrer Küche kommen zu lassen. Offenbar müssen wir uns daran gewöhnen, dass es in der Milchstraße zu einem Sachverhalt häufiger drei, vier verschiedene Wahrheiten gibt.«

»Wissen wir etwas über Arkon?«, erkundigte sich Rhodan. »Das dürfte insbesondere Atlan interessieren.«

»Die Arkonidischen Sternenbaronien«, sagte Tenga, »haben sich im Jahr 1750 NGZ zu den Vereinigten Sternenbaronien Thantur zusammengeschlossen. Das hat mir ein Arkonide erzählt, der meine Liebe für Pralinen teilt, wie sich in unserem Gespräch herausgestellt hat. Die Kristallbarone arbeiten in einem Kristallrat zusammen, aber es existiert ein Primus inter Pares: der Thantur-Baron. Angeblich gibt er sich bescheiden, hat jedoch de facto das Erbe der alten Imperatoren angetreten.«

»Kennst du seinen Namen?«

»Larsav da Ariga. Er residiert in seinem Kristallpalast auf Zalit im Vogasystem, hat aber noch eine Nebenresidenz auf Gosarkon. Das liegt ... Moment ... im Khonosystem.«

»In der Dashkon-Sternwolke«, ergänzte Rhodan. »Sehr gut. Und schon wissen wir ein bisschen mehr, was sich in den letzten fünfhundert Jahren getan hat. Viele Begriffe kannten wir bereits aus dem Hyperfunk, aber jetzt haben sie ein bisschen mehr Struktur, Substanz und Zusammenhalt gewonnen – falls denn alles stimmt, was man so hört. Für ein erstes unauffälliges Umhören ist das recht ordentlich, aber selbstverständlich nicht annähernd genug.«

Er überlegte kurz.

»Die Botschaft der Lemurischen Allianz klingt vielversprechend«, fuhr er fort. »Vielleicht können wir Kontakt mit ihr aufnehmen und Genaueres über ihre interne Situation erfahren, vor allem was die Liga Freier Galaktiker und Terra betrifft. Wir müssen ein Gefühl dafür bekommen, was für ein Empfang uns erwartet, wenn wir uns zu erkennen geben.« Er lächelte in die Runde. »Deshalb werdet ihr einen zweiten Ausflug unternehmen, und ich begleite euch.«

Und was hast du verloren?

Darüber habe ich mir bisher keine Gedanken gemacht, um ehrlich zu sein. Was bringt es auch ein, über Personen nachzudenken, die man nie wiedersehen wird? Ich erlaube mir die Hoffnung, dass sie schöne, erfüllte Jahre erleben durften – und dass sie mich vielleicht wenigstens ein bisschen vermisst haben.

Nein, Osmund, ich trauere nichts und niemandem nach, sondern erfreue mich lieber an dem, was uns geblieben ist.

Wenn du allerdings darauf bestehst, dass ich dir zumindest eine Sache nenne, dann ... Hm, lass mich mal überlegen. Ach ja, ich weiß: Es mag albern klingen, aber in der Freizeit habe ich mich gerne einer kleinen Sammlung antiker Spielzeuge gewidmet. Mein Lieblingsstück war eine handgeschnitzte vier Meter lange Miniatur der SOL mit abkoppelbaren Einzelsegmenten. Eine der Kugelraumerzellen ließ sich aufklappen und mit winzigen Holzpüppchen der Besatzung befüllen – freilich alles andere als maßstabsgetreu.

Positiv gesehen sind sämtliche Stücke nun um fünfhundert Jahre antiker. Realistisch betrachtet werde ich sie nie wiederfinden. Wir haben jeden Besitz aufgegeben, der sich nicht an Bord der RAS TSCHUBAI befand. Kleidung, Sportgleiter, Häuser, was auch immer.

Tja, Osmund. Wenn du so willst, sind wir eine Bande armer, in der Zeit gestrandeter Schlucker.

(Donn Yaradua)

Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1)

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