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7.

Der Verzagte, so tapfer

Es blieben nur wenige Stunden bis zur Initialkopplung, und Ofilor fiel nichts Besseres ein, als sich im Götterhain herumzutreiben.

Während der letzten Nächte hatte er kaum geschlafen, weil ihm fortwährend Osgus Angebot durch den Sinn ging. Sollte er tatsächlich Harztropfen aus dem Garten schmuggeln, um es gegen eine Droge einzutauschen, mit der er bei der Initialkopplung betrügen konnte? Drei schwere Vergehen, nur um sich den ehemaligen Freunden nicht mehr unterlegen zu fühlen und um seinen Vater nicht zu enttäuschen?

Bobla Ologbon hoffte so sehr, dass es diesmal endlich klappte. Ein erneutes Versagen des Sohnes würde er als persönliche Niederlage empfinden. Das hatte er vor dem Aufbruch ins All zwar nie ausdrücklich ausgesprochen, aber Ofilor kannte ihn gut genug, um die Wahrheit hinter den aufmunternden, begeisternden Worten herauszuhören.

Andererseits: So viel bedeutete ihm Ofilors Erfolg womöglich nicht, immerhin war er irgendwo dort draußen unterwegs, obwohl er vorher vollmundig verkündet hatte, die Kopplung zum Olufest keinesfalls zu versäumen.

Manchmal war es zum Verzweifeln mit Erwachsenen im Allgemeinen und Eltern im Besonderen. Sie sagten das eine, taten das andere und meinten vielleicht sogar etwas Drittes. War es also wirklich so erstrebenswert, diesem widersprüchlichen Personenkreis anzugehören?

Und falls ja, wie weit durfte man gehen, um das Ziel zu erreichen?

Ofilor wusste es nicht. Drei Tage und Nächte dachte er bereits nach, ohne dass er zu einem Ergebnis gekommen wäre. Drei Tage und Nächte, in denen er zwischen den Extremen hin- und hergependelt war und dabei keine Zwischenstufe ausgelassen hatte.

Vergiss Osgu! Vergiss seine Drogen! Du schaffst es ohne Betrug, eine passende Tolnotenkolonie zu finden.

Und: Warum das Risiko einer weiteren Demütigung, eines weiteren Scheiterns eingehen? Besorg dir einen Kristall, genieß den Knisterflug und starte in ein neues Leben.

Und: Wenn dein Bobla herausfindet, dass du betrogen hast, trifft ihn das schlimmer, als ein neuerliches Versagen.

Und: Du könntest ihm nie wieder unter die Augen treten, wenn dich diesmal keine Symbionten akzeptieren.

Selbst in diesem Augenblick, da er in einem abgelegenen Teil des Olu-Götterhains vor einer Reihe von Harztropfbüschen stand, wusste er nicht, was er tun sollte. Doch er musste sich bald entscheiden. Zur Mittagszeit begann die Auswahlzeremonie in den Kontaktgärten, in weniger als drei Stunden.

Er beugte sich vor, schnappte ein saftiges Blatt mit den Zupflippen, riss es ab und kaute es. Sofort erfüllte ein milder, cremiger Geschmack seinen Mund.

Lange gab er sich dem angenehmen Gefühl hin, bis er sich eingestand, dass ihn das einer Lösung nicht näherbrachte. Er schluckte den aromatischen Blätterbrei, schloss die Augen und streckte eine Hand nach dem Busch aus. Die Blüten kitzelten in seiner Handfläche. Wie mochte sich das wohl anfühlen, wenn er nicht mit den ungeschickten Fingern danach griff, sondern die Tolnoten eine Blüte abtasteten, ihre Struktur nachfühlten, den Kelch umspielten, ihn sanft hielten?

Ofilor öffnete die Lider und zog die Hand zurück.

»Ich werde herausfinden, wie es sich anfühlt«, rief er.

Beinahe kam er sich vor, als wollte er den Göttern mitteilen, dass er eine Entscheidung getroffen hatte.

*

Auf dem Rückweg zum Ausgang des Götterhains fragte er sich, ob er das Richtige getan hatte.

Nun, es musste sich weisen. Viel Zeit, die Entscheidung noch einmal zu ändern, würde ihm ohnehin nicht mehr bleiben.

Er versuchte, sich innerlich auf die Kopplung vorzubereiten. Auf das lange, beinahe schwerelose Treiben im Kontaktgarten, auf die Abgeschiedenheit, obwohl Hunderte oder Tausende Zuschauer die Zeremonie beobachteten. Überwiegend handelte es sich dabei um die Eltern, Verwandten und Freunde der Jungolubfaner, häufig versammelten sich außerdem Neugierige und jubelten, wenn ein Kind zum Erwachsenen wurde, als ginge sie es persönlich etwas an. Und selbstverständlich standen auch diejenigen bereit, in deren Hautfalten nicht mehr genügend Tolnoten lebten und die sich deshalb am frühen Nachmittag einer Zweit-, Dritt- oder in seltenen Fällen gar Viertkopplung stellten.

Ofilor fragte sich, ob sie trotz – oder womöglich gerade wegen? – ihrer Erfahrung nervös waren. Wie viele fürchteten, diesmal von keiner Symbiontenkolonie ausgewählt zu werden? Wie viele wandten sich vorab an die Götter, um ihren Beistand zu erflehen? Und wie viele vertrauten auf bewusstseinserweiternde Drogen wie den Knisterflug?

Er überquerte die Lichtung mit dem Olu-Mal, einer Anordnung von einem großen und zehn kleineren Steinen als Symbol für den Götterelter und seine Kinder, und bemerkte bei dem Olu-Menhir einen Löblichen Zirkel: elf Gläubige in den traditionellen Gewändern der Lobpreisenden mit grünen Halstüchern und Arm- und Stirnbändern. Ein Anblick, der einem selten begegnete. Oder besser gesagt: nie.

Zumindest Ofilor hatte nie zuvor einen gesehen. Er wusste lediglich aus den Erzählungen seines Vaters, dass sich in der Zeit vor den Cairanern häufig dann Olubfaner zu einem Löblichen Zirkel zusammengeschlossen hatten, wenn ein dringender Wunsch sie einte und sie Olu und seine Kinder mit ihrer göttergefälligen Anzahl milde stimmen wollten.

Ob es sich bei den Versammelten am Olu-Mal um Männer und Frauen handelte, denen die Zweit- oder Drittkopplung bevorstand?

Offenbar waren sie genauso überrascht wie Ofilor, nicht allein im Götterhain zu sein. Sie brummten sich einige unverständliche Worte zu und zogen sich hinter den Menhir zurück.

Sollten sie die Abgeschiedenheit genießen. Ofilor interessierte es nicht. Ihn beschäftigten seine eigenen Probleme.

Zum Beispiel, dass die Kopplung ausgerechnet während des Aufbruchsfestes stattfand. So würden nicht nur die üblichen Zuschauer seinen erneuten Versuch verfolgen – und womöglich sein erneutes Scheitern. Darüber hinaus würden ihn die Augen unzähliger neugieriger Fremdvölker anstarren. Die besten Voraussetzungen, um nervös zu werden.

Immerhin würde Bobla Ologbon die Zeremonie verpassen, was Ofilor einerseits kränkte, andererseits aber auch erleichterte.

»Augenblick bitte«, riss ihn eine Stimme aus den Gedanken.

Er sah auf. Erst da bemerkte er, dass er den Ausgang beinahe erreicht hatte. Draußen auf der Straße schlenderten Festbesucher mit langen Hälsen und Tellerköpfen vorbei. Züülish nannte sich diese Spezies, wenn er sich nicht irrte. Er konnte die komplizierten Namen anderer Völker oft nur schwer behalten.

Der Hainwächter in grauer Uniform, der ihn angesprochen hatte, beobachtete die Langhälse, bis sie weitergegangen waren. Dann wandte er sich Ofilor zu.

»Was ist denn?«, fragte der Jungolubfaner. Er kannte den Wächter. Ononkyr, ein alter Bekannter seines Vaters. Diese Vertrautheit bedeutete jedoch nicht, dass er mit ihm oder einer Kontrolle gerechnet hatte.

»Ofilor! Solltest du nicht längst in den Kontaktgärten sein und dich auf die Kopplung vorbereiten?«

»Ich bin gerade auf dem Weg dorthin.«

»Sehr gut, sehr gut.« Ononkyr schien nachzudenken. »Gestern hat sich ein Terraner im Hain herumgetrieben. Kannst du dir das vorstellen?«

»Unglaublich.« Ofilor hatte keine Lust, sich auf ein Gespräch mit dem Wächter einzulassen. Doch was blieb ihm anderes übrig? »Aber Nicht-Olubfanern ist der Zutritt nach cairanischem Gesetz verboten.«

»Das wusste er wohl nicht. Und Scherzbolde haben den Holoprojektor am Eingang mit Dreck beschmiert, sodass das Verbotssignal nicht mehr sichtbar war.«

»Wer tut denn so etwas?«

»Festgäste? Jugendliche, die zusehen wollten, wie Ahnungslose dem Rausch des Harzaromas erliegen? Ich weiß es nicht. Und du? Weißt du etwas darüber?«

»Was denkst du von mir?«

»Ich frage nur. Egal, wenn die Cairaner den Übeltäter erwischen, wird er es nicht mehr so spaßig finden. Auf jeden Fall habe ich den Projektor gereinigt und ...«

»Ononkyr?«

»Ja?«

»Ich muss wirklich zusehen, dass ich zu den Kontaktgärten komme.«

»Selbstverständlich. Aber da ich schon einmal hier bin, will ich meine Pflicht erfüllen.« Sein Tonfall wurde geschäftsmäßig: »Trägst du verbotene Substanzen wie Harztropfen bei dir?«

Hitze stieg in Ofilor auf. »Ich frage noch einmal: Was denkst du von mir?«

»Bist du mit einer Durchsuchung einverstanden?«

Eine rhetorische Frage. Wer an dieser Stelle mit Nein antwortete, steckte in cairanischem Gewahrsam, ehe der letzte Buchstabe verklungen war. »Nur zu.«

Ononkyr tastete ihn ab, durchsuchte die Taschen seines Einteilers und kontrollierte stichprobenhaft einige Körperfalten. Unterdessen fragte sich Ofilor, ob es doch Götter gab. Oder war es nur die Stimme seines schlechten Gewissens, die ihn davon abgehalten hatte, auf Osgus Vorschlag einzugehen?

Noch immer wallte die Hitze der Erleichterung durch seinen Körper. Er war so knapp davor gewesen, einige Harztropfblüten zu entleeren. So knapp!

Zuerst hatte er sich feige geschimpft, lieber den Gesetzen zu gehorchen, doch dann war ihm klar geworden, dass es wesentlich mehr Tapferkeit erforderte, die Kopplung ohne Hilfsmittel zu versuchen.

»Alles in Ordnung«, sagte Ononkyr.

»Ich weiß.«

»Ach ja, ehe ich es vergesse: großartige Nachrichten! Du musst erleichtert sein.«

Die Hitze kehrte zurück. Wusste der Wächter etwa, dass Ofilor beinahe straffällig geworden wäre? »Wovon sprichst du?«

»Hast du es etwa nicht gehört? Dein Vater ist zurückgekehrt!«

»Bobla?« Ofilor war wie benommen. »Aber ...«

»Die Ladhonen haben sein Schiff angegriffen. Deshalb war er auch überfällig. Bei der Rückkehr ins Olubneasystem wäre er beinahe ...«

Die Stimme des Wächters verkam für Ofilor zu einem bedeutungslosen Brummen. Stattdessen füllte ihn ein einziger Satz aus.

Bobla ist wieder da.

Er wusste, dass er sich darüber hätte freuen müssen. Und ja, er freute sich. Trotzdem herrschte ein anderer Gedanke vor.

Bobla ist wieder da. Er sieht zu, falls ich scheitere.

»Entschuldige, wenn ich dich unterbreche«, hörte sich Ofilor durch seine Benommenheit sagen. »Ich muss noch einmal zurück in den Hain.«

»Ich dachte, du hast es eilig.«

»Hab ich auch. Aber so viel Zeit muss sein, um den Göttern für die Rückkehr meines Vaters zu danken.«

Und um einige Harztropfen zu holen. Du wirst mich doch sicher kein zweites Mal durchsuchen, oder?

Und was hast du verloren?

Deine Frage zu beantworten, wäre eine Möglichkeit, mit der Situation umzugehen – aber gewiss nicht die beste. Sie führt zu Niedergeschlagenheit, nutzloser Grübelei und Gedanken, die sich im Kreis drehen.

Vielmehr müsste die Frage lauten: Was hast du gewonnen? Das will ich dir gerne sagen, Osmund: die Aussicht auf ein Leben ohne den Weltenbrand. Das Wissen und die Genugtuung, dass wir unzähligen Lebewesen eine lange, erfüllte Existenz ermöglicht haben. Eine Zukunft, die vor unserer Mission keineswegs gesichert war.

Nur eine Sache beschäftigt mich. Wie viele interessante Bücher mögen in den letzten fünfhundert Jahren erschienen sein? Ich frage mich, wie ich das alles jemals lesen soll.

(Muntu Ninasoma)

Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1)

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