Читать книгу Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1) - Perry Rhodan - Страница 60

6.

Оглавление

Ein kräftiges Zupfen an seinem Dritten riss Adh Arradhu aus dem Schlaf. Wie immer fühlte er sich erschöpft. Und wie so oft hatte er nicht jene Ruhezeit zugestanden bekommen, die man ihm versprochen hatte. Es waren nur knapp sechs Stunden vergangen, seit er sich aufgehängt und in den Schlaf gewippt hatte.

Arradhu ließ sich so sachte wie möglich von der Schlafstange gleiten. Die Muskulatur des Dritten schmerzte.

Ringsum herrschten Gedränge und Geschiebe. Ein Ausbilder reichte ein viel zu kleines Frühstückspaket an die Maate weiter, Druckholos mit den Tagesplänen wurden ihnen auf die nackte Haut gepresst, Anweisungen gegeben. Mehr als fünfzig seiner Leidensgenossen drängten in Richtung der Nassräume, sie konnten höchstens die Reinigungsgebläse für die Lamellen in der Hand und die Facettenkratzer greifen, wenn sie keinen Punktabzug in Kauf nehmen wollten.

Arradhu stellte sich in der Reihe an und wartete geduldig darauf, die Toilettenanlagen und die Waschgelegenheiten nutzen zu können. Es roch stechend. Die Ans, Abs und Klars brachten die Körperchemie der jungen Ladhonen gehörig durcheinander.

Er würde zu spät kommen, wie immer. Er würde eine Kürzung seiner Essensration erhalten.

Nachdem Arradhu seine Körperpflege beendet und die Frühstücksration heruntergewürgt hatte, verließ er das Massenquartier. Er kannte niemanden in diesem Teil des Schiffs. Die Maatschaft wurde täglich durcheinandergewürfelt. Nandh Nadhama legte Wert darauf, dass die Maate untereinander keine Freundschaften schlossen.

»Freundschaft verweichlicht«, hörte er die Stimme des Ausbilders in seinem Kopf. »Sie macht, dass wir falsche Emotionen entwickeln. Ein Ladhone im Kampf ist ausschließlich auf seine eigenen Fähigkeiten angewiesen. Zugleich aber achtet er den Kameraden. Er vertraut ihm, er unterstützt ihn. Ohne Dank zu erwarten. Das ist das Leben eines Infanteristen.«

Arradhu blieb kurz stehen und aktivierte das Druckholo an seinem Unterarm. Er wurde mit der Bordpositronik verbunden, die ihn seiner heutigen Ausbildungsstätte zuwies.

Seine Lamellen wurden feucht, als er das geplante Trainingsprogramm begutachtete. Arradhu würde einige der großen Simulationen durchmachen müssen, und das auch noch in der Optimum-Halle. Dort, wo die schlimmsten Ausbilder zugange waren und ihn bloß Demütigungen und Verletzungen erwarteten.

Nadhama war für die Zuweisung verantwortlich. Wie immer. Der altgediente Kämpfer erschwerte dem jungen das Leben, seit er die POD-2202 betreten hatte. Es gab Gründe dafür, aber sie wurden niemals laut ausgesprochen.

Mit steifen Beinen machte er sich auf den Weg. Schon nach wenigen Schritten fiel er in einen leichten Trab, so, wie es Nadhama von den Maaten erwartete.

Überall im Schiff herrschte rege Betriebsamkeit. In den Kraftkammern wurde fleißig trainiert, auch die physiotherapeutischen Werkstätten und die Medoabteilung waren gut besucht. Die Robotfabriken hatten Hochbetrieb, immer wieder begegnete er transportablen Glandulatoren.

Arradhu hörte auf seinem Weg zur Optimum-Halle das Stöhnen der Verletzten, das Keifen der Ausbilder und die trocken vorgetragenen Analysen von Robotbeobachtern. Immer wieder bekam er einen Hauch der unterschiedlichen Hormone zu fühlen.

Eigentlich sollten Absaugvorrichtungen verhindern, dass die Duftwolken in die Gänge des Schiffs vordrangen, aber darum kümmerte sich in Wirklichkeit niemand. Bodh Aputhar, der Kommandant der POD-2202, interessierte sich bloß für die Ausbildung. Er schulte die Schiffsoffiziere bei waghalsigen Manövern, aber auch die Einsatzkräfte. Er wollte gute Quoten erzielen. Alles andere war für ihn nebensächlich.

Das Schott öffnete sich vor Arradhu, er betrat die Optimum-Halle. Er hatte Probleme, Luft zu bekommen. Eine seiner Lamellen war nach dem zu heftigen Schlag eines Roboters vor zwei Schlafeinheiten noch nicht richtig verheilt. Immer wieder bildeten sich Blutklumpen, die von Medorobotern nur mangelhaft abgesaugt wurden.

Arradhu entdeckte Nadhama nahe einer kleinen Simulation auf Ebene Drei. Zu seiner Erleichterung kümmerte er sich um eine Gruppe neuer Maate und bemerkte ihn nicht. Er ließ die Neuen Aufwärmübungen absolvieren und Ringkämpfe mit Robotern üben.

Arradhu dachte an die vielen Überdehnungen und Sehnenrisse zurück, die er zu Beginn seines Aufenthalts auf der POD-2202 erlitten hatte. Insbesondere sein Dritter hatte unter den Belastungen gelitten. Für eine Weile hatte sogar eine Amputation des Expanderarms im Raum gestanden, doch zu Arradhus Überraschung hatte Nadhama einer mehrtägigen Ruhe- und Operationspause zugestimmt.

Das Druckholo wies ihn einer Gruppe von acht Kameraden zu, die eben ihre Ausrüstung ausfassten.

»Wird Zeit, dass du da bist«, sagte der namenlose Ausbilder, ohne ihn anzublicken. »Drei Punkte Abzug wegen Zuspätkommens. Nadhama hat mich vor deinen Nachlässigkeiten gewarnt.«

Natürlich. Nadhama beobachtete ihn immer, auch wenn er gar nicht anwesend war.

Einen der Maate kannte er beiläufig. Er hatte mehrmals neben ihm auf einer Schlafstange gehangen und einige Worte mit ihm gewechselt. Drash Kanthan kam der Vorstellung von einem Freund an Bord der POD-2202 am nächsten.

Der Gleichaltrige blitzte mit dem Facettenauge als Zeichen des Erkennens, der Ausbilder nahm es mit einer Verdunklung seines Sichelkamms zur Kenntnis. Er war zornig.

Ausbilder waren immer zornig.

Arradhu blitzte zurück und kümmerte sich dann um das Druckholo an seinem Unterarm. Es lieferte ihm strategische Anweisungen, schon nach wenigen Sekunden verblasste das Bild wieder. Von den Maaten wurde eine rasche Auffassungsgabe verlangt.

»Ihr bekommt Messer und ein Antigravaggregat mit einem Energievorrat, der für drei Schübe zu je acht Sekunden reicht«, sagte der Ausbilder. »Ihr kämpft allein. Gegeneinander, um den einzigen Ausgang des unterirdischen Bereichs vor allen anderen zu erreichen.«

Die Simulation gewann vor Arradhus Augen an Kontur. Es handelte sich um ein unterirdisches Reich. Um einen von Gängen durchzogenen Erdhaufen, der jeden Augenblick in sich zusammenzustürzen drohte. Ein zu festes Auftreten, ein falscher Schritt – und schon geriet man in Gefahr, verschüttet zu werden.

»Hundert Bonuspunkte für den Sieger, zwanzig für den Zweiten. Alle anderen gehen leer aus. Ihr habt zwanzig Minuten. Dann bricht die Simulation in sich zusammen. Was das bedeutet, könnt ihr euch ja vorstellen.«

Ja, das konnte Arradhu. Es bedeutete, dass man das Gefühl vermittelt bekam, qualvoll zu ersticken und von den Erdmassen erdrückt zu werden.

»Nach dieser Aufwärmübung gibt es eine taktische Nachbesprechung und gegebenenfalls eine Medoversorgung. Anschließend einen weiteren Durchgang, um das Eingelernte zu überprüfen. Wer schlechter abschneidet als zuvor, bekommt zwanzig Punkte Abzug, damit es sich auch lohnt. – Macht schon, auf die Positionen!«

Sie stürzten auf den Eingang zum Hügellabyrinth zu. Arradhu war klar, dass die vordersten Maate eine bessere Ausgangsposition hatten. Sie konnten sich frei bewegen, während hinter ihnen gedrängelt und geschoben wurde.

Arradhu knuffte und puffte nach allen Seiten, um sich ein wenig Freiraum zu schaffen und in die Nähe des Eingangs zu geraten. Er durfte ausschließlich auf sich selbst schauen, wollte er in diesem Einzelkampf nicht völlig untergehen.

Drash Kanthan war auf einmal unmittelbar neben ihm. Der grobschlächtig wirkende Junge war einen halben Kopf größer als er, aber schmal gebaut.

»Los!«

Das Startkommando blinkte auf, zwei Glandulatoren gaben An-Hormone ab. Hormone, die sie lenkten und ihnen zu einer Leistungssteigerung verhalfen.

Arradhu fühlte sich ... erhöht. Euphorisch. Er konnte und wollte sich der Wirkung des Ans nicht entziehen. Es machte, dass er bereit war, alles für den Sieg zu geben. Nichts und niemand konnte ihn daran hindern, dass ...

Er fühlte stechenden Schmerz in seinem Expanderarm.

Arradhu stürzte zu Boden und krümmte sich instinktiv, als die anderen Maate über ihn hinwegtrampelten. Sie stiegen ihm in die Weichteile, traten ihm gegen das Gesicht. Er war bloß ein Konkurrent auf dem Weg zum Sieg.

Es dauerte einige Sekunden, bis Arradhu den Schmerz überwunden hatte. Dank der An-Hormone kam er wieder auf die Beine und torkelte seinen Kameraden hinterher. Drash Kanthan schlüpfte eben ins Innere, als Zweiter in der Reihe. Er wandte sich zu Arradhu um und machte eine spöttische Geste.

Er war es, der ihn derart heftig am Dritten gezogen hatte. Und zwar genau an jener Stelle, an der die muskuläre Schädigung am deutlichsten zutage trat.

Arradhu hatte dem Jüngeren vom Ausgangspunkt des Schmerzes erzählt. Nun erhielt er die Rechnung für seine Vertrauensseligkeit.

Er glitt als Letzter ins Loch, unter dem spöttischen Gelächter des Ausbilders.

*

Die wechselseitige Wirkung der Ans und Abs belastete Arradhu mehr als alles andere. Während er von einer Ausbildungssimulation zur nächsten geschickt und in blutige Auseinandersetzungen verwickelt wurde, musste er zudem mit den stetigen hormonellen Umstellungen seines Körpers kämpfen.

Es war, als hätte er zu viel Babyac inhaliert, das in manchen Winkeln der POD-2202 angeboten wurde. Um nach einigen Stunden der Glückseligkeit mit brummendem Kopf und einer gestörten Facettenwahrnehmung zu sich zu kommen.

Eine weitere Übung, einige weitere Verletzungen. Hautabschürfungen, Verbrennungen, Verrenkungen. Die Medoroboter verrichteten ihren Dienst, er humpelte zur nächsten Simulation.

Nandh Nadhama wartete auf ihn. Der Ausbilder schenkte ihm ein spöttisches Lamellenschnaufen, bevor er ihn anwies, die kommende Aufgabe über das Druckholo abzurufen.

»Es steht euch ein Kampf gegen Roboter bevor!«, rief Nadhama über die Köpfe von etwa zwei Dutzend Maaten hinweg. »Ihr werdet in Einzelkämpfe verwickelt werden, müsst aber auch ein strategisches Bewusstsein entwickeln. So, wie es vor kurzem auf Ollfa notwendig war.«

Ollfa ... Arradhu dachte mit gesträubtem Kopfflaum an seinen Einsatz auf dieser sonderbaren Welt zurück. Er hatte zur Nachhut gehört. Seine Aufgabe war die Unterstützung der eingesetzten Maate bei ihrem Rückzug. Er hatte seine Arbeit gut erledigt und jene Härte gezeigt, die im Kampfeinsatz gefordert wurde. Dennoch war er von Nadhama zusammengestaucht worden. Er hätte »strategische Fehler begangen« und »zu zögerlich agiert«.

Die Simulation gewann an Tiefe. Vor Arradhu tauchte der Teil einer Feuchtwelt auf. Am Horizont waren albtraumähnliche Gestalten zu erahnen. Saurier, deren markerschütterndes Gebrüll den Boden zum Zittern brachte. Hinter Lianenwerk und einem sumpfigen Becken entdeckte er eine Gebäudestruktur, quaderförmig und lang gestreckt.

Die Glandulatoren wurden eingesetzt. Wieder schütteten sie Duftwolken aus, wieder stellte sich das Gefühl von mehr Kraft, mehr Mut, mehr Zuversicht und Aggressivität ein.

Arradhu sah mit einem Mal klarer. Das Gebäude sollte ein Refugium darstellen. Dorthin mussten sie gelangen, wie ihm das Druckholo mitteilte.

Einige ältere Maate teilten Gruppen ein und gaben Anweisungen, knapp und prägnant.

»Ich möchte, dass wir als Erste das Ziel erreichen«, sagte Arradhus Anführerin, eine gedrungene Frau mit sorgfältig tätowiertem Drittarm. Sie stellte sich als Lono Tzundhur vor und gab Anweisung, sich links von den anderen Gruppen zu sammeln und sich mit den Vibromessern einen Weg durch das Lianendickicht zu schlagen.

Sie ist ehrgeizig und dumm. Wir werden von Robotern und womöglich von riesigen Viechern gejagt. Wir sollten uns so unauffällig wie möglich durch den Dschungel bewegen.

Arradhu hätte seine Meinung laut aussprechen müssen. So, wie es unter Ladhonen üblich war. Aber er zögerte zu lange. Als er endlich bereit war zu reden, waren Tzundhur und die fünf Kameraden bereits auf dem Weg.

Er folgte der Gruppe und passte sich deren Marschrhythmus an. Nach links und rechts schlagen, einige Schritte tun, im Dickicht verharren und darauf warten, ob sich ein Feind blicken ließ.

Arradhu ärgerte sich. Er war ein Schleicher. Er verstand es besser als die meisten seiner Gefährten, sich unauffällig fortzubewegen und die natürlichen Gegebenheiten eines Geländes zu lesen, zu verstehen. Tzundhur und die anderen Gruppenmitglieder benahmen sich wie laut polternde Rasmushen, die durchs Unterholz brachen ...

Von rechts kam ein erstickter Aufschrei, gleich darauf waren Kampfgeräusche zu hören. Eine der anderen Gruppen hatte es erwischt. Die Maate mussten sich der Roboter erwehren.

Tzundhur gab Zeichen, die Gelegenheit zu nutzen und sich schneller vorwärts zu bewegen, auf ihr Ziel zu.

Halt dich zurück!, wollte Arradhu der Maatin zurufen, du kennst doch die Arbeitsweise der Roboter. Sie sind hinterlistig, sie stellen Fallen. Sie werden uns ...

Rechts von ihm brach ein Kamerad zusammen, ein Stück weiter vorne ein zweiter. Ein kleines Geschwader von armlangen zylindrischen Maschinen stürzte auf sie herab. Die Roboter glitten elegant durchs Geäst, sie bewegten sich blitzschnell. Immer wieder schlugen sie auf die Gruppenmitglieder ein, bevor sie wieder aufstiegen und außerhalb der Reichweite der Vibromesser verharrten.

»Zusammenbleiben!«, rief Tzundhur. »Bildet einen Kreis!«

Die beiden niedergeschlagenen Maate gehorchten. Arradhu half einem von ihnen, zu ihrer Anführerin aufzuschließen.

Allein und doch gemeinsam, rief er sich eine der Maximen der Ladhonen in Erinnerung. In diesem Kampf würden sie nur bestehen, wenn sie zusammenhielten.

Sie stellten sich Rücken an Rücken. Sieben Maate, allesamt die Messer erhoben und wachsam in den künstlichen Himmel starrend. Zwei von ihnen mit blutenden Kopfwunden.

Schritt für Schritt ging es vorwärts Richtung Station. Auf den Sumpf zu, der zwischen ihnen und der Sicherheit lag. Die Roboter hielten sich zurück, aus guten Gründen. Sie waren im Inneren des Lianendschungels in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Sobald Arradhu, Tzundhur und die anderen ihrer Gruppe ins Freie gerieten, würden sie angreifen.

Das musst du doch wissen, Lono!

Die Maatin konnte nicht mehr zurück. Sie wusste, dass sie schlecht gearbeitet hatte. Aber sie wollte das Gesicht wahren und einen verzweifelten Versuch unternehmen, irgendwie doch noch zur Station zu gelangen.

Vielleicht haben wir ja Glück ...

Glück! Was war das bloß für ein sonderbares Wort. Es hatte an Bord der POD-2202 nichts verloren. Man benötigte Kraft und Verstand und ein gerüttelt Maß Rücksichtslosigkeit.

Sie schlugen sich ins Freie durch. Tzundhurs Hautkamm war rosa gefärbt und spiegelte ihre Unsicherheit wider.

»Jeder ist für sich selbst verantwortlich!«, gab die Anführerin als Befehl aus. »Versucht durchzukommen, egal, wie.«

Sie wartete keine Bestätigung ab, sondern stürmte drauflos und brach damit den Verteidigungsring auf. Die Maatin platschte in den Morast und wollte ihn durchwaten. Immer zäher hing dieser an ihr, immer langsamer wurde sie.

»Bleibt zusammen!«, rief Arradhu. »Nur gemeinsam haben wir eine Chance.«

Niemand hörte auf ihn. Er erntete verächtliche Blicke, ein Mitglied der Gruppe nach dem anderen löste sich aus dem Verbund. Bis nur noch er und die beiden Verwundeten zurückblieben. Zwei Maate, die benommen waren und unkontrolliert mit ihren Vibromessern durch die Luft fuchtelten.

Er hörte Schreie, kümmerte sich aber nicht darum. Was die anderen taten, war irrelevant geworden. Für ihn zählte bloß, die kleine Gruppe so lange wie möglich am Funktionieren zu erhalten. Selbst in der Niederlage wurde das taktische Verhalten bewertet. Es mochte sein, dass sie einige Pluspunkte gutgeschrieben erhielten, wenn sie lange genug gegen die Roboter bestanden.

Einzelne Maschinen stießen herab. Sie wollten ihre Wehrfähigkeit austesten. Eine davon brachte Arradhu zum Absturz, sie zog eine tiefe Furche durch den moosigen Untergrund und platschte ins Moor.

Arradhu duckte sich vor einem zweiten Roboter, tat so, als würde er stolpern und stach blitzschnell nach oben. Wieder machte er eine unmöglich wirkende Bewegung, die er ausschließlich der Muskelverkrümmung seines Dritten verdankte. Er traf das Gehäuse des zigarrenförmigen Dings, zog einen langen Kratzer über seine Unterseite, wandte sich einer anderen Maschine zu, hieb blindlings auf sie ein.

Er hörte Schreie und Wimmern neben sich. Einer der Verletzten war ein zweites Mal getroffen worden, blieb aber immer noch aufrecht stehen. Er musste einen Schädel wie aus Stein haben.

»Langsam zurück ins Dickicht!«, befahl Arradhu, und zu seiner Verwunderung gehorchten ihm die beiden Maate.

Aus dem Sumpf war sattes Gluckern zu hören. Die vier anderen Gruppenmitglieder hatten ihren Kampf verloren. Sie würden einige schreckliche Minuten im Morast durchmachen, bevor Medoroboter herangesirrt kamen und sie aus ihrer Notlage befreiten.

*

Irgendwie schaffte es Arradhu, gemeinsam mit seinen verletzten Kameraden unter das Dach des Lianendschungels. Einer torkelte, Arradhu hielt ihn auf den Beinen und schob ihn weiter. Hin zu den Luftwurzeln eines riesigen Baums. Dort lehnten sie sich gegen die Borke und atmeten tief durch, wachsam und mit griffbereiten Messern.

»Ich hätte nicht auf dich hören sollen«, sagte einer der beiden Verletzten voll Verachtung. »Ich dachte, du hättest einen Plan! Stattdessen bringst du mich hierher, wo wir uns wie Feiglinge gegen die Roboter verteidigen.«

»Wärst du lieber im Moor abgesoffen?«, fragte Arradhu. »Siehst du nicht ein, dass Tzundhurs Befehle dumm waren?«

»Sie ist eine Kämpferin. Sie hat alles versucht, um ans Ziel zu gelangen. Wir hingegen sitzen da und können weder vor noch zurück.«

»Wir bleiben beisammen und decken uns gegenseitig. Dieser Baum bietet uns bestmöglichen Schutz. Denkt mal nach: Diese Aufgabe war nicht zu erfüllen. Die Roboter brauchen bloß zu warten, bis wir uns ins Moor stürzen. Dort machen sie einen nach dem anderen von uns unschädlich. Es wird den Mitgliedern der anderen Gruppen ebenso wie Tzundhur ergehen.«

»Warum bist du dir da so sicher?«

»Es ist nicht das erste Mal, dass wir derartige Simulationen durchlaufen. Oder?«

Die beiden Verwundeten schwiegen. Sie waren im Rausch der An-Hormone gefangen gewesen und benötigten Zeit, um zu erkennen, dass er recht hatte.

Das zornige Brummen unzähliger Roboter war zu hören. Sie lauerten über dem Blätterdach und warteten darauf, dass Arradhu und seine beiden Gefährten sich ins Freie trauten. Zweimal versuchten sie, das Dickicht zu durchdringen. Arradhu gelang es, mehrere von ihnen unschädlich zu machen und die kleine Gruppe zu schützen.

Auch als ein ladhonengroßer – vermeintlicher – Saurier durchs Unterholz stürzte und mit gesenktem Kopf auf sie zueilte, blieb er bei klarem Verstand. Arradhu wich im letzten Augenblick aus, das Vieh krachte gegen den Stamm des Baums. Er schlitzte den Unterleib seines Gegners auf, die tierische Hülle quoll auf. Darunter war das Metallgestänge eines einfach gebauten Roboters zu erkennen.

Blitzschnell stach er zu, immer wieder. Er zerstörte die Mechanismen des falschen Sauriers und suchte gemeinsam mit den beiden Verletzten die Sicherheit einiger Luftwurzeln, während das vermeintliche Tier allmählich aufhörte zu funktionieren.

Aus dem Bereich des Moores waren Schreie zu vernehmen. Kampfgebrüll, verzweifelt klingende Kommandos, ein Ruf um Unterstützung.

Irgendwann endete alles, Ruhe kehrte ein. Nur das Sirren der lauernden Roboter über ihnen war zu hören.

»Aus!«, hörte Arradhu eine nur allzu gut bekannte Stimme. »Das ist ja nicht mit anzusehen! Ihr seid allesamt Versager!«

Nandh Nadhama polterte eine Weile drauflos, während sich die Schweberoboter zurückzogen. Er bemängelte das taktische Verständnis der Maate, er schimpfte über falsche Selbsteinschätzung, er drohte Strafarbeiten an.

Flapper näherten sich Arradhu und umkreisten ihn. Leise gezirpte Anweisungen waren zu hören. Er sollte die beiden Verletzten aus der Dschungelsimulation bringen und sie den wartenden Medorobotern übergeben.

Arradhu tat, wie ihm geheißen. Alle Anspannung fiel von ihm ab, er fühlte mit einem Mal schreckliche Müdigkeit. Rings um ihn erlosch die Simulation. Was er als mächtigen Baum wahrgenommen hatte, wurde zu einer dünnflüssigen Gussmasse, die wie viele andere Orientierungspunkte des Dschungels zerrann und durch dünne Schlitze versickerte.

Rings um ihn war Leid und Elend. Es hatte alle anderen Gruppen erwischt, niemand war unverletzt davongekommen. Er allein und seine beiden Begleiter hatten bis zum Ende der Simulation durchgehalten.

Nandh Nadhamas Hautkamm färbte sich dunkelrot, als er ihn sah und mit einer Handbewegung stehen zu bleiben befahl. Er sagte kein Wort, während die Verletzten und Paralysierten abtransportiert wurden, einer nach dem anderen. So lange, bis nur noch Arradhu und der Ausbilder übrig blieben.

»Du warst feige«, sagte Nadhama. »Du hast deine Aufgabe nicht erfüllt.«

»Wir hatten niemals eine Chance. Das weißt du.«

»Es war nicht so geplant«, gab Nadhama mit nachdenklich klingender Stimme zur Antwort. »Es gab einen ... Störfaktor. Wir wissen nicht, was genau geschehen ist.«

»Ein Störfaktor? An Bord eines Ausbildungsschiffs?«

»Das hat dich nicht zu interessieren«, blaffte Nadhama.

Der Augenblick seltener Vertrautheit war vorbei, der Ausbilder schlüpfte in seine alte Rolle zurück.

»Du hast aus purem Zufall das Richtige getan. Mehr ist zu deiner Leistung nicht zu sagen. Du bekommst ausnahmsweise keine Punkte abgezogen, im Gegensatz zu den anderen Versagern dieses lächerlichen Haufens. Freu dich über deinen kleinen Triumph und genieß die nächsten Stunden der Erholung.«

Nadhama wandte sich um, der Krillschwarm folgte seinen Bewegungen. Er schien Arradhu bereits wieder vergessen zu haben, denn er unterhielt sich leise mit den positronischen Rechnerteilchen. Sie gruppierten sich beständig vor seinem Gesicht um und wirkten dabei irgendwie ... unruhig.

Arradhu aktivierte das Druckholo. Er hätte doch noch drei weitere Simulationen bewältigen müssen?

Zwei Aufträge waren gestrichen. Er hatte bloß noch eine winzige Übung zu bewältigen.

Nadhama hatte eine Belobigung zwar nicht über die Lamellen gebracht, aber er hatte ihn belohnt. Arradhu erhielt eine Freischicht zur Erholung.

Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1)

Подняться наверх