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Die Struktur der POD-2202 war nicht sonderlich kompliziert. Allerdings gab es Hinweise darauf, dass der Schulungsraumer eine Ausnahmestellung im Flottenbetrieb der Ladhonen einnahm. Tenga durfte von diesem einen Schiff nicht auf andere schließen.

Er nutzte Servicegänge, die parallel zu Korridoren im Inneren der POD-2202 liefen. Sie wurden kaum kontrolliert.

Ab und zu begegnete er ladhonischen Maschinen. Sie beachteten sein Kleinstschiff nicht weiter. Ihr einziger Daseinszweck war die Erledigung von Reparatur- und Servicearbeiten.

Noch war Tenga sicher. Doch die Befehlshaber der POD-2202 würden irgendwann die Überprüfung aller Schiffsbereiche anordnen.

»Es kommen vermehrt Flapper zum Einsatz«, sagte Tenga mehr zu sich selbst als zu KORN. »Sie schwirren durch die Korridore und halten Ausschau nach uns. Kugelrunde Kampfroboter und bewaffnete Maate patrouillieren unentwegt.«

»Sie werden uns entdecken«, behauptete KORN. »Sie wissen, wie die SCHOTE aussieht.«

»Die Aufmerksamkeit zumindest der Besatzungsmitglieder wird irgendwann nachlassen. Die Maate werden müde werden. Der Bordbetrieb kann nicht für alle Zeiten allein auf uns ausgerichtet sein.«

Tenga belog sich mit diesen Worten selbst. Die Schiffspositronik der POD-2202 würde niemals aufhören, nach Spuren der SCHOTE zu suchen. Es gab unzählige flugfähige Minispione, stündlich wurden es mehr. Die Maate und Roboter installierten zusätzliche Überprüfungsmöglichkeiten, das Schiffsinnere wurde zur Festung ausgebaut.

Immerhin war es ihnen gelungen, in die Nähe jenes Raums zu gelangen, in dem die gefangenen Olubfaner untergebracht wurden. KORN lieferte ihm Hinweise, wie er ins Innere vordringen konnte, ohne die Ladhonen auf sich aufmerksam zu machen.

»Du willst, dass wir durch die Müllentsorgung nach oben gehen?«, fragte Tenga. »Wir sollen uns durch einen Haufen Unrat wühlen?«

»Wären dir die Toilettenanlagen lieber?«, fragte KORN. »Das Recyclingsystem ist nachgeordnet und schlecht gewartet. Die Ladhonen legen wenig Wert auf Abfalltrennung, nur die wenigsten Rohstoffe werden wiederverwertet. Was immer in ihrem Auge als Unrat gilt, wird durch ein Röhrensystem zu Verbrennungsanlagen geschafft und dort verfeuert. Ich habe eine Serviceluke entdeckt. Ich kann die Sensoren neutralisieren, sodass wir unbemerkt ins System einsteigen und ins Innere der Halle vordringen können.«

»Gegen den Müllstrom.« Tenga schüttelte den Kopf und nahm eine Nervenberuhigungspraline zu sich. Sie half ihm. Pralinen halfen immer. Besonders diese. Orangen-Zimt-Ingwer-Crisp. »Also schön«, sagte er. »Machen wir uns auf den Weg.«

»Bist du darauf vorbereitet, mit einem der Olubfaner zu reden? Sie sind uns fremd, von der Art und vom Wesen her.«

»Ich bin Siganese, ich kann alles. Und jetzt los! Bring uns hoch ins Gefangenenlager!«

*

KORN steuerte die SCHOTE durch einen stetigen Strom an Unrat, der über eine leichte Schräge abtransportiert wurde und ihnen entgegenschwappte. Aus Seitenöffnungen pfiffen Gebläse, die die stockenden Massen weiterbewegten. Da und dort wurden primitive Schneckengewinde verwendet, um größere von kleineren Müllteilen zu trennen. Die Außenmikrofone übertrugen schreckliche Geräusche, die an Stöhnen und Ächzen erinnerten.

Die SCHOTE schaffte es gerade noch durch die engsten Passagen. Immer wieder mussten sie eine Pause in einer der Gebläsenischen einlegen, um einen Schwall von Unrat abzuwarten. Erst nach einer halben Stunde erreichten sie das Ziel. Unmittelbar voraus war eine primitive Klappe. Ein Saugvakuum entstand, sobald sie sich öffnete.

Einige spinnenähnliche Roboter sortierten dort den Müll vor und suchten nach wertvollen Materialien.

Die Luke öffnete sich, ein Ächzen war zu hören. Eine Hand, deren Finger wie abgesetzt wirkten, zeigte sich. Sie ließ Folien in den Sog gleiten und davonwirbeln. Eine wickelte sich um den Bug der SCHOTE und verklebte einige der Außenbordkameras. Nach einigen Schüttelbewegungen des Schiffs löste sich die Folie aber wieder.

»Wir haben es geschafft«, sagte er und nahm eine Erleichterungspraline – Vurguzz-Trüffel im Himbeermantel – zu sich. »Nur die Olubfaner haben derart klobige Hände mit sensiblen Symbionten.«

Sie waren tonnenförmige Geschöpfe, die behäbig und ungeschickt wirkten. Erst das Zusammenleben mit den symbiontischen Tolnoten verhalf ihnen zu unerwarteter Sensibilität. Die wurmartigen Fortsätze wuchsen im jugendlichen Alter erstmals mit den Nervenenden degenerierter Finger der Olubfaner zusammen und erleichterten den Riesen das Leben enorm.

»Wie willst du sie kontaktieren?«, fragte KORN. »Wenn ich die SCHOTE aus der Müllklappe lenke, wird das keinen sonderlich guten Eindruck machen.«

»Zumal die Großen vor Siganesen schreckliche Angst haben.«

KORN schwieg und bestätigte Tenga damit in dieser Einsicht. Na gut, es war vielleicht keine Angst, die größer gewachsene Lebewesen ihm gegenüber empfanden. Eher Respekt. Schließlich galten Siganesen als die geschicktesten Techniker der Milchstraße, als hochintelligent, als gefürchtete Einsatzkräfte. In der Größe mochten sie unterlegen sein, aber im Geist waren sie vielen Angehörigen anderer Völker weit voraus.

»Wir lenken die SCHOTE in einem unbeachteten Augenblick ins Innere des Raums, und ich gebe mich zu erkennen. Allerdings in der Größe eines Terraners. Wir zeichnen ein synchrones Kommunikationsholo auf, das wir vor die SCHOTE spiegeln und das möglichst natürlich wirkt.«

»Einverstanden. Ich beginne umgehend mit der Holoabtastung. Du wirst mir einige Mimikbilder zur Aufzeichnung liefern müssen. Das sollte reichen.«

»Ich werde den Olubfanern beizeiten erklären, was es mit dem Holo auf sich hat. Vorerst muss ich ihr Vertrauen gewinnen und dafür sorgen, dass sie mir zuhören. Das wird klappen, du wirst sehen.«

*

Die SCHOTE glitt im Schutz des Deflektorschirms aus der Müllklappe und parkte im Schatten einer Ecke. Tenga orientierte sich. Sie befanden sich an der Stirnseite einer Halle, in der geschätzte fünfzig Olubfaner zusammengedrängt waren. Sie lagen auf behelfsmäßigen Liegen und starrten gegen die nackten Wände. Auf der anderen Seite der Halle unterhielten sich einige von ihnen angeregt, doch die meisten Olubfaner wirkten apathisch.

Wenige Meter neben den Entsorgungseinrichtungen stapelten sich Eimer mit breiiger Nahrung. Ein Olubfaner schleppte sich eben heran, nahm eines der Gefäße auf, klopfte mehrmals gegen den Deckel und öffnete es. Ein Schwall warmer Luft strömte ihm entgegen. Der Olubfaner schaufelte mithilfe seiner Tolnoten die zähflüssige Nahrung in den breiten Mund. Es war ihm anzumerken, dass ihn der Brei anwiderte.

Es roch stechend nach Terpentin und Ammoniak. Die tonnenförmigen Lebewesen schwitzten stark, Duschgelegenheiten schien es nirgendwo zu geben. Drei eher schlank wirkende Olubfaner, womöglich Frauen, schöpften Wasser aus breiten Schüsseln und reinigten ihre nackten Oberkörper damit.

»Wie sieht es mit der Sprache aus?«, fragte Tenga KORN.

»Interkosmo tut's. Aber ich habe auch einen ausreichenden Wortschatz durch unsere Expedition nach Ollfa gesammelt. Du kannst also loslegen.«

Tenga sah sich weiter um. Ein Olubfaner löste sich aus der Gruppe jener, die sich miteinander unterhielten. Er kam auf die Speisenausgabe zu. Er wirkte selbstbewusst und ging mit festem Schritt.

Bemerkenswert waren die Geräte, die er wie viele andere Olubfaner bei sich trug. Da waren klobige Chronometer genauso wie Armbandgeräte mit integriertem Funk – und sogar Messer. Die Ladhonen gaben ihren Gefangenen bemerkenswert viele Freiheiten.

»Es ist ihnen völlig einerlei, was innerhalb dieser vier Wände geschieht. – Kannst du Spionsonden anmessen? Etwas, das nach ladhonischer Technologie aussieht?«

»Nicht hier im Küchenbereich«, antwortete KORN knapp. »Im Aufenthaltsraum gibt es einige Beobachtungssonden.«

»Das reicht den Ladhonen wohl, um ihre ... Gäste zu überwachen. Vermutlich verlassen sie sich auf Kampfroboter oder Maate, die vor den Eingangstür Wache stehen.«

Der Olubfaner betrat die Küchennische auf zwei Beinen. Er maß gewiss drei Meter und war wuchtig gebaut. Die beiden Gewebeballen links und rechts seines faltigen Gesichts raschelten leise. Sie dienten als Ohren und waren höchst empfindlich, wie Tenga den Einsatzunterlagen entnommen hatte.

Der Olubfaner bediente sich an den gestapelten Eimern. Wie sein Vorgänger erhitzte er die Nahrung, indem er mehrmals gegen den Deckel klopfte.

Tenga gab KORN ein Zeichen, das Holo zum Leben zu erwecken. Er sah sich mit einem Mal in aller Pracht vor die SCHOTE projiziert, noch im Schatten der Ecke verborgen.

»Pst!«, sagte er und ließ es so erscheinen, als würde er einen Schritt in den Küchenbereich hinein machen, zog sich aber gleich wieder zurück. »Du brauchst keine Angst zu haben.«

Der Olubfaner wandte sich ihm mit bemerkenswerter Geschwindigkeit zu. Er fiel auf die Vorderbeine und stand auf allen vieren da, die hinteren Glieder gegen den Boden gestemmt, als wollte er auf Tenga zustürzen und über ihn herfallen.

»Ich bin ein Freund«, sagte Tenga ruhig. »Ich bin hier, um euch zu helfen.«

»Ich will dich sehen«, forderte der Olubfaner grollend.

Tenga ging erneut einen Schritt vor – und bewirkte keinerlei Reaktion. Es war, als hätte das Wesen vor ihm niemals zuvor einen Terraner zu Gesicht bekommen.

»Bist du ein Akone?«, fragte sein Gegenüber mit skeptisch klingender Stimme.

»Wir haben gemeinsame Vorfahren, aber das tut nichts zur Sache. Ich habe mich in die POD-2202 eingeschlichen. Ich möchte euch von hier wegschaffen. Auf ein anderes Schiff. Zu Leuten, die euch nach Ollfa zurückbringen werden.«

Tenga redete weiter. Er sprach ruhig und gleichermaßen bestimmt. Er erzählte ein wenig von den Problemen, die er gehabt hatte, die Olubfaner zu finden.

Der Riese hörte aufmerksam zu, ohne seine Position zu verändern. Er wirkte wie erstarrt. Wie die Statue eines vierbeinigen Riesen.

»Ist alles in Ordnung mit dir, Onostaio?« hörte Tenga eine Stimme aus der Nähe.

»Wir haben ein Problem«, sagte der Olubfaner.

Tenga ließ seinen Holokörper einen Schritt nach vorne machen und hob abwehrend beide Hände. »Ich bin ein Freund und ...«

»Du bleibst gefälligst stehen!«, fuhr ihn Onostaio an.

Tenga gehorchte. Etwas lief mächtig schief. Der Olubfaner misstraute ihm ganz und gar. Hatte er etwas falsch gemacht, und wenn ja, was? War der Riese traumatisiert? Hatte Onostaio nicht verstanden, dass er helfen wollte?

Ein zweiter Olubfaner betrat die Küchennische. Ein etwas zarteres Exemplar, eine Frau. Ihr fehlte jenes prägnante Haarbüschel auf dem Kopf, das die Männer ihres Volkes stolz präsentierten.

Sie fiel ebenfalls auf alle viere, richtete sich aber gleich wieder auf. Wie von Zauberhand hielt sie auf einmal ein Messer mit langer, glänzender Klinge in der Hand.

»Was hast du hier zu suchen?«, fragte sie in Tengas Richtung.

»Wie ich deinem Freund bereits sagte ...«

»Du sollst nicht lange herumreden. Haben dich die Ladhonen geschickt? Sollst du uns bespitzeln?«

»Er behauptet, dass er gekommen sei, um uns zu helfen«, mischte sich Onostaio ein.

»Ausgerechnet jetzt? – Das ist unglaubwürdig.«

»Vielleicht lässt du mich endlich etwas sagen?«, mischte sich Tenga ein. »Ich wurde von Perry Rhodan geschickt, um euch zu befreien. Ich bin ein Siganese und ...«

»Was ist ein Perry Rhodan und was ein Siganese? Hör auf mit diesem Unsinn und sag, was du wirklich willst.«

Tenga schluckte. Der Name des Unsterblichen war der Frau ebenso unbekannt wie der seines Volkes. Was lief bloß schief in der Milchstraße? Was war mit den Siganesen geschehen? Wie war es den Cairanern gelungen, die Namen von ganzen Völkern aus dem kollektiven Bewusstsein zu löschen?

»Ich bin hier, um zu helfen. Ich schwöre, dass ich mit guten Absichten komme. Ich heiße Tenga. Und wie ist dein Name, Olubfanerin?«

»Onigboia.«

Sie machte einen überraschenden Satz auf ihn zu und blieb unmittelbar vor Tengas Holo stehen. Bevor er zurückweichen konnte, berührte sie ihn, seine Darstellung.

»Du bist nicht echt«, sagte sie. »Du hast ein Holo von dir erschaffen und hockst irgendwo in Sicherheit, weil du dich vor uns fürchtest. Du bist ein Betrüger, der mit den Ladhonen kooperiert. Wie ich's mir dachte. Ich fühle, dass du etwas anderes bist als das, was du darstellst. Du bist ... minderer.«

»Wie bitte?« Tenga mochte ganz und gar nicht, in welche Richtung sich diese Unterhaltung entwickelte. Zumal immer mehr Olubfaner die Unterhaltung verfolgten. Einige richteten sich von ihren Liegen auf, andere tuschelten miteinander.

»Du bist unbedeutender. Kleiner. Wie auch immer du es nennen möchtest. Du gibst etwas vor zu sein, was du nicht bist.«

Worauf spielte Onigboia an? Verfügte sie über besondere Fähigkeiten, um sein wahres Ich, seine Körpergröße zu erahnen? Waren es die Tolnoten, die ihr dabei halfen, nun, da sie sein Holo berührt hatte? Oder gab es einen anderen, noch unbekannten Faktor?

»Hör zu, Onigboia: Du musst dafür sorgen, dass keine Unruhe ausbricht. Lass uns darüber reden, warum ich hier bin.«

»Betrüger!«, sagte Onostaio. »Bist du ein Ladhone, der irgendwo hockt und uns vorspiegelt, ein akonenähnliches und hässliches Wesen zu sein? Habt ihr uns nicht schon genug angetan? Warum haltet ihr uns hier gefangen und quält uns?«

»Es wird ungemütlich«, meldete sich KORN zu Wort. »Die Wächtersonden im Schlafraum haben die wachsende Unruhe angemessen und Alarm geschlagen.«

Tenga wollte nicht so rasch klein beigeben. Er überdachte seine Optionen, nahm eine Abschiedspraline – ein Basilikum-Limonen-Praliné – zu sich und löste sich mit geübten Griffen aus dem Haltegeschirr seines Platzes. Er aktivierte das Vollprogramm seines SERUN-DS und machte sich bereit für den Ausstieg aus der SCHOTE.

»Was machst du da?«

»Ich muss die Olubfaner überzeugen.« Tenga aktivierte den Öffnungsmodus. Leise zischend schob sich die Einstiegsluke zur Seite, er sprang ins Freie. Der SERUN trug ihn auf Kopfhöhe des Olubfaners.

»Holo desaktivieren!«, befahl er, KORN gehorchte kommentarlos.

Für die Olubfaner musste es den Eindruck haben, als flöge er direkt aus dem sich auflösenden Holo. Onigboia streckte die vorderen Glieder wie abwehrend von sich. Ein Zischeln und Grunzen erklang. Immer mehr der tonnenförmigen Geschöpfe wurden auf die Geschehnisse in der Küche aufmerksam.

Tenga drehte die Leistung seines Lautsprechers höher und sagte: »Verstehst du jetzt? Ich wollte euch auf gleicher Höhe begegnen. Ich bin Tenga. Ein Agent. Ich wurde von meinem ... Kommandanten beauftragt, euch zu befreien.«

Onigboia ging einen zögerlichen Schritt auf ihn zu. Hatte sie Vertrauen zu ihm gefasst? Gewiss fühlte sie sich nicht mehr bedroht, nun, da sie ihn in seiner wahren Größe sah.

»Was will ein Winzling wie du bewirken? Außerdem kommst du zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.«

»Ich verstehe nicht.«

»Wir hatten einen Fluchtversuch für die nächsten Stunden geplant. Ich bin bereits länger an Bord und kenne die POD-2202 mittlerweile gut genug. Ich habe den Weg zu einem Beiboot ausgekundschaftet. Ich ...«

»Du willst einen ladhonischen Kleinraumer lenken? Du weißt, wie du dich vom Mutterschiff lösen kannst und beherrschst eine fremde Positronik? Du kennst dich mit den Waffensystemen aus, du könntest im Kampf im freien Raum mit ausgebildeten Einsatzkräften bestehen?«

»Wir hätten sie überrascht«, sagte Onigboia starrköpfig. »Wir hätten einige von ihnen als Geiseln genommen, um die Flucht zu erzwingen.«

Es war naiver Unsinn, den die Olubfanerin da von sich gab, und vermutlich wusste sie es auch. Die Ladhonen hatten auf Ollfa bewiesen, wie kompromisslos sie vorgingen. Sie würden ihren Gefangenen niemals die Flucht erlauben.

Ein ohrenbetäubender Krach ertönte, eine Bö fauchte durch den Raum und fegte einige Olubfaner von den Beinen. Stimmen wurden laut, Rauch war auf einmal überall.

Tengas SERUN kämpfte selbstständig gegen die Druckwolke der Explosion an. Ein Wärmebild zeigte ihm unzählige Gestalten, die ins Innere des Saals stürmten. Sie arbeiteten mit Prallfeldern, die die Olubfaner vor sich herschoben. Sie schrien Kommandos, sie paralysierten da und dort Gefangene, sie schufen ein gehöriges Durcheinander.

»Du warst das!«, rief Onigboia zornig. »Verräter!« Sie stürmte davon, hinein in den Saal, wohl, um sich ins Getümmel zu stürzen

»Ich habe damit nichts zu tun!«, wollte Tenga ihr hinterherrufen, ließ es aber bleiben. Er unterdrückte einen Fluch und konzentrierte sich auf die Auseinandersetzungen.

Die Olubfaner waren völlig überrascht. Einige von ihnen zückten klobige Messer und wollten damit auf ihre Gegner losgehen. Auf in Schutzanzüge gehüllte Kämpfer, die ihnen in Sachen Ausrüstung grenzenlos überlegen waren.

Onostaio wurde getroffen. Blassgelbe Lähmstrahlen strichen über seine Beine, er fiel im Zeitlupentempo zu Boden.

Tenga landete im Schutz des Deflektorschirms neben ihm und stellte erleichtert fest, dass es dem Olubfaner den Umständen entsprechend gut ging. Schmerzen, die ein Paralysator auslöste, waren höchst unangenehm. Sie wirkten unmittelbar auf das Nervensystem – aber sie töteten nicht.

Tenga musste verhindern, dass Schlimmeres geschah. Andere Olubfaner mochten ebenso falsch wie Onigboia reagieren und sich auf die überlegenen Ladhonen stürzen. Wenn die Piraten mit jener Kompromisslosigkeit vorgingen, die sie auf Ollfa gezeigt hatten, würden sie bei weiterer Widerwehr zu töten beginnen. Er musste intervenieren, musste aus dem Schutz des Deflektors heraus helfen.

Fieberhaft überlegte er, wie er die Olubfaner vor den Nachstellungen der Ladhonen bewahren konnte. Tengas Spezial-SERUN bot Möglichkeiten, die andere Schutzanzüge nicht besaßen.

»KORN, du ziehst dich in den Müllbereich zurück. Du wartest auf weitere Anweisungen. Ohne Widerrede. Verstanden?«

Die Positronik bestätigte den Befehl, die SCHOTE setzte sich in Bewegung. Tenga kümmerte sich nicht weiter um das Schiff. Er zog seine Waffe, aktivierte den Nadler-Modus und schwebte in Bodennähe aus dem Küchenbereich.

Zwischen unzähligen Beinen glitt er dahin, ging an der Breitseite der Halle höher, verschaffte sich einen Überblick. Es waren etwa zwanzig gut ausgerüstete Ladhonen in den Raum vorgedrungen. Es waren Maate. Sie brachten einen Olubfaner nach dem anderen zum Schweigen. Keiner fiel aus der Rolle. Auch nicht, wenn sie von den tonnenförmigen Riesen angegriffen wurden.

Die militärische Präzision dieses Einsatzes rang Tenga so etwas wie Respekt ab. Sie wollten nicht töten, sie wollten eine Situation unter Kontrolle bringen. Die Olubfaner würden mit brummenden Schädeln für ihre Aufmüpfigkeit bezahlen, mehr würde ihnen nicht geschehen.

Vorerst.

Rechts von Tenga erklang ein trötender Laut, ein Ton des Triumphs. Einem der Olubfaner war es gelungen, eine ladhonische Waffe zu erbeuten. Er wehrte sich im Nahkampf gegen einen Ladhonen, der seine Waffe zurückzuholen versuchte.

Der Riese fuchtelte wie wild damit herum und aktivierte sie. Die energetische Kennung an der Laufmündung veränderte ihre Farbe, das Gelb machte einem kräftigen Rot Platz. Dem Narren war es gelungen, vom Paralysator- in einen anderen, womöglich letalen Modus zu schalten! Er schleuderte seinen Gegner zu Boden und richtete die eroberte Waffe auf ihn.

Der Olubfaner wird eine Katastrophe auslösen, wenn er den Maat tötet.

Tenga visierte sein Ziel an und feuerte. Er achtete darauf, den Olubfaner möglichst nahe am ausgeprägten Nacken zu treffen. Dort, wo der Faltenwurf am stärksten war und mutmaßlich das Nervenzentrum lag.

Er feuerte und traf präzise. Die feine Nadel mit dem Nervengift drang zwischen speckigen Wülsten in die Haut ein. Die Außenkameras seines SERUN-DS lieferten exakte Bilder. Sie zeigten, wie sich der Körperflaum des Olubfaners aufstellte, wie sich eine Art Gänsehaut an seinen Armen bildete. Der tonnenförmige Riese hielt irritiert inne. Die ladhonische Waffe entglitt seinen mit Tolnoten versehenen Händen und fiel zu Boden.

Er torkelte. Er stolperte gegen einen seiner Kameraden, wollte sich an ihm abstützen, rutschte ab und plumpste nieder. Als er aufschlug, war er bereits bewusstlos.

»Was für einen Ertruser gut ist, reicht auch für einen Olubfaner«, sagte Tenga und atmete erleichtert durch.

Die Ladhonen brachen den Widerstand ihrer Gefangenen mit leidenschaftsloser Härte. Wer sich nicht augenblicklich ergab, wurde mit Paralysestrahlen niedergestreckt.

Tenga beobachtete den einseitigen Kampf mit zusammengebissenen Zähnen. Er konnte bloß hoffen, dass er das Richtige getan hatte, sich die Ladhonen konsequent an ihr sonderbares Ethos hielten und keine härtere Bestrafung als eine schmerzhafte Betäubung erwogen.

Nur zur gerne hätte er eine Praline gegessen, um seinen Ärger mit ein wenig Schokolade zu dämpfen. Bislang hatte er nicht sonderlich viel zur Rettung der Olubfaner beigetragen. Er musste darauf hoffen, dass sie bei einem zweiten Gespräch auf ihn hören würden.

Es wurde ruhig im Raum. Nur noch die kläffenden Kommentare der Ladhonen waren zu hören.

»Auftrag erledigt«, sagte einer von ihnen, offenbar der Anführer der Maatschaft. »Schafft sie auf ihre Liegen und lasst sie schlafen. Sie werden ihre Lektion gelernt haben.«

»Warum sie wohl derart unruhig geworden sind?«, fragte ein anderer.

»Es gibt seit Stunden Hinweise darauf, dass sie auszubrechen versuchten. Diese Naivlinge.«

Hustende Geräusche waren allerorts zu hören, vermutlich Gelächter.

»Was ist mit den Ausrüstungsgegenständen, die sie bei sich tragen? Sollen wir sie ihnen diesmal abnehmen? Die Messer, die Analysegeräte, die Chronometer ...«

»Nein. Sie können damit ohnedies nichts anfangen. Die Wachen vor den Toren werden allerdings verdoppelt. Los, los, an die Arbeit! Wenn ihr hier aufgeräumt habt, meldet euch an den zugeteilten Sammelpunkten. Ihr wisst, dass der Suchbefehl für diesen Robot-Eindringling immer noch gilt. Macht euch auch über die geplanten Flugmanöver des Schiffs schlau. Mag sein, dass es in den nächsten Stunden unangenehm wird. Bodh Aputhar hat einiges vor.«

Was der Ladhone wohl damit meint?, fragte sich Tenga. Kann ich diese Risikomanöver zu meinem Vorteil nutzen?

Er schwebte langsam zu Boden und steuerte vorsichtig einen der hinteren Bereiche des Raums an, vorbei an Ladhonen, die einen Olubfaner nach dem anderen auf den Liegen platzierten.

Er entdeckte Onigboia. So wie alle anderen Gefangenen war auch sie paralysiert worden und starrte blicklos hoch zur Decke.

Er würde sich weiterhin an sie halten. Er musste darauf vertrauen, dass sie beim zweiten Kontaktversuch besser zuhörte. Während die Wirkung der Paralysatorstrahlung nachließ, würde er ihr einiges ins Ohr flüstern.

Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1)

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