Читать книгу Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1) - Perry Rhodan - Страница 47
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Die Planung, so unbeständig
Ein Olubfaner betrat die Halle. Er trug einen rötlich glänzenden Einteiler mit verschnörkelten silbernen Symbolen, die schon auf den ersten Blick bedeutend wirkten, selbst wenn man sich mit den modischen Gepflogenheiten dieses Volkes nicht auskannte.
Mit schaukelnden Schritten kam er ihnen im aufrechten Gang zwischen klobigen Blöcken und mächtigen Säulen entgegen, die eher an eine Maschinenhalle als an einen Audienzsaal erinnerten.
Er blieb vor ihnen stehen, ließ den Blick von einem zum anderen wandern und machte es sich auf einer Sitzschale bequem, indem er auf die Hinterläufe sank. »Wer von euch fünf tapferen Gesellen ist Wahlmeisterin Sirne Caliko?«
Farye Sepheroa erhob sich kurz von ihrem Sessel, einem von elf für humanoide Besucher geeigneten Exemplaren in einer Reihe. »Das bin ich.«
Der Olubfaner gab ein Brummen von sich. »Ich danke dir und deinen Begleitern für den heldenhaften Einsatz zur Rettung der GLUTOBAT III. Mein Name ist Origobo. Ich bin der Großdirektor der olubfanischen Territorien.«
Was, wie Rhodan aus dem abgehörten Funkverkehr wusste, die Bezeichnung für den amtierenden Regierungschef des Planeten war.
Origobo sprach ein akzentfreies Interkosmo, wenn man von dem stets bei den Vokalen mitschwingenden O-Laut absah. Hatten die Cairaner die Sprache als Lingua franca der Milchstraße beibehalten, weil es zu mühsam gewesen wäre, eine gewachsene Sprache in der gesamten Galaxis durch etwas Neues zu ersetzen? Oder hatte sich Interkosmo als Mittel zur Kommunikation durchgesetzt, weil viele Völker von überall aus der Milchstraße auf Ollfa zu Gast waren?
»Du erweist uns eine große Ehre«, sagte Farye, »indem du uns persönlich empfängst. Darf ich dir meinen Berater vorstellen? Edgar Malone.« Sie deutete auf Rhodan, der sich mit braunen Kontaktlinsen, weißblond gefärbten Haaren und dank gesichtsformverändernder Kollagenpolster hinreichend verkleidet fühlte. Vermutlich eine unnötige Vorkehrung, aber man konnte nie wissen. »Und das ist meine Mannschaft. Winston Duke, Donn Yaradua und Osmund Solemani.«
Für die drei hatten sie auf eine Tarnidentität verzichtet, da die Namen den Cairanern nichts sagen dürften – und je weniger Pseudonyme man im Kopf behalten musste, desto geringer war die Gefahr, sich zu versprechen.
Dass zu ihrem Team auch Tenga gehörte, verschwieg Farye. Der Siganese war sofort nach der Landung mit der SCHOTE, seinem Miniaturgleiter, aufgebrochen, um weiter die Lage zu erkunden. Die anderen waren diesmal auf der BJO zurückgeblieben.
»Entschuldigt, wenn ich euch aufhalte«, sagte Origobo, »aber ich wollte euch unbedingt persönlich danken. Und ich bin nicht der Einzige. Doch lasst mich vorher fragen, was euch zu uns führt? Das Aufbruchsfest?«
»In zweiter Linie. Hauptsächlich sehen wir uns nach Handelsmöglichkeiten und vor allem einem neuen Triebwerk um«, behauptete Farye. »Wir sind terranische Raumnomaden und vor wenigen Wochen aus den Magellanschen Wolken zurückgekehrt. Der Handel mit den Gurrads war ertragreich, aber irgendwann ist es an der Zeit, weiterzuziehen. Und nun brauchen wir Ersatz für das erschöpfte Triebwerk der YAMANA.« Damit meinte sie eine künstlich auf alt maskierte Korvette der BJO. »Doch warum nicht das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden?«
Farye erzählte in einer geschönten und an ihre Legende angepassten Version, wie sie sich Ollfa genähert und den unkontrolliert auf den Mond zurasenden Raumer entdeckt hatten. Dass ihnen die Rettungsmission eine Audienz beim Regierungschef bescherte, war ein angenehmer Nebeneffekt.
»Konntet ihr euch schon in Oppolon umsehen?«, fragte Origobo.
»Ein wenig. Beeindruckendes Fest.«
»Nicht wahr?«
Sie hätten sich lieber gleich mit der Botschaft der Lemurischen Allianz in Verbindung gesetzt. Da sie aber bereits während der Landung die Einladung für die wenige Stunden später stattfindende Audienz bekommen hatten, blieb ihnen nur, den ursprünglichen Plan zu verschieben.
Die Tür öffnete sich, und ein Bediensteter trat ein. Oder eine Bedienstete? Rhodan konnte die Geschlechter nicht auseinanderhalten. »Ologbon ist eingetroffen.«
»Schick ihn rein!«, bat Origobo.
Ein Olubfaner hinkte in den Saal. Sein schaukelnder Gang wirkte unsicher. Er begrüßte den Großdirektor – und legte sich anschließend vor die Reihe mit den Besucherstühlen. Die Beine verschwanden unter seinem massigen Körper. Mit der Stirn berührte er den Boden.
»Ich danke euch«, sagte er. »Meine Kameraden und ich leben wegen eurer Tapferkeit. Euch müssen die Götter geschickt haben.«
»Ologbon!«, ermahnte Origobo. »Wahre die Fassung!«
Ob er damit die beschämend ehrerbietige Körperhaltung oder die Erwähnung der Götter meinte, konnte Rhodan nicht beurteilen. Vielleicht beides.
»Wir haben nur getan, was wir als unsere Pflicht ansahen«, sagte Farye. »Steh bitte auf.«
Ologbon gehorchte.
»Wie geht es dir und deinen Freunden?«, fragte Rhodan.
»Der Rest der Mannschaft leidet noch unter den Folgen der starken Bremsung. Sie können das Heilhaus für einige Tage nicht verlassen. Aber sie leben und werden wieder gesund. Nur darauf kommt es an.«
»Du scheinst es besser verkraftet zu haben.«
»Nur dank meines Organoids.«
»Deines was?«, fragte Osmund Solemani.
»Ein cairanisches Implantat im Gehirn, das mein Schmerzempfinden dämpft und mich robuster macht.«
Rhodan horchte auf. »Ein Geschenk der Cairaner?«
»Um uns zu helfen, sagen sie.«
Interessante Einschränkung, dachte Rhodan. Glaubt er etwa, dass mehr dahintersteckt?
Ologbon erzählte vom Angriff der Ladhonen, dem Mord am Kommandanten, von ihrem Raubzug und der Entführung der halben Mannschaft der GLUTOBAT III.
»Wie schrecklich«, sagte Farye. »Warum tun sie so etwas? Hattet ihr wertvolle Ladung an Bord?«
»Ach was! Planktonballen für die Nährlösungen der Tolnoten.« Er streckte eine Hand aus, in deren Fläche sich träge drei Würmer wanden.
»Und weshalb entführen sie Olubfaner?«
»Es kursieren verschiedene Gerüchte«, antwortete Origobo an Ologbons Stelle. »Zum Beispiel dass sie ihre Gefangenen als Sklaven für Einsätze in Hyperkristallminen missbrauchen.«
»Arme tapfere Onigboia«, sagte Ologbon.
»Wer ist das?«, fragte Rhodan.
»Eine der Entführten. Sie trägt ein Organoid wie ich.«
»Kann es den Ladhonen darum gegangen sein? Um die cairanische Technik?«
»Aber sie war neben mir die Einzige an Bord. Warum auch die anderen verschleppen?«
»Und wenn sie die Tolnoten wollten?«, ließ sich Donn Yaradua vernehmen.
»Was hat es mit ihnen überhaupt auf sich?«, fragte Rhodan. Osmund hatte sie in seinem Bericht zwar erwähnt, aber er wusste nur, dass ein Olubfaner sie als kleine Helfer bezeichnet hatte.
»Sie dienen uns als Sensorsymbionten«, antwortete Origobo. »Sie ermöglichen uns feine Arbeiten, zu denen wir allein nicht fähig wären.«
»Ebenfalls Geschenke der Cairaner?«
»O nein!« Er gab ein Geräusch von sich, das Rhodan als Lachen interpretierte. »Die Verbindung zwischen den Tolnoten und uns existiert schon immer.«
»Ich will nicht respektlos erscheinen«, sagte Ologbon. »Und es war mir wichtig, mich bei euch zu bedanken. Doch ... nun ja ...« Er wandte sich dem Großdirektor zu. »Werde ich hier weiterhin gebraucht? Die Initialkopplung meines Sohnes sollte jeden Augenblick beginnen. Ich habe ihn seit Monaten nicht gesehen, konnte mich nach meiner Rückkehr nicht einmal bei ihm melden. Wenn du einverstanden bist, würde ich gerne ...«
»Weißt du was?«, unterbrach ihn Origobo. »Geh doch zur Zeremonie und nimm unsere Gäste mit! Es interessiert sie bestimmt, mehr über unser Volk zu erfahren.«
Rhodan sah zu Farye und den anderen. Sie nickten. »Gerne.«
*
Der Großdirektor stellte ihnen einen geräumigen Gleiter zur Verfügung, in dem sie in zehn Meter Höhe über die Straßen von Oppolon huschten.
Osmund sah aus dem Fenster, betrachtete den Trubel des Festes und lauschte gleichzeitig dem Gespräch zwischen Rhodan und Ologbon.
»Was hat es mit dieser Initialkopplung auf sich?«
»Tolnoten sind faszinierende Wesen. Früher hielten wir sie für Göttergaben, inzwischen weiß die Wissenschaft längst, dass die Verbindung mit ihnen auf Kurzdistanztelepathie beruht. Deshalb müssen die Symbiosepartner ... einander auswählen. Das geschieht bei Jungolubfanern aber erst, wenn ihr Gehirn voll entwickelt ist. Diese gegenseitige Wahl nennt man Kopplung, und bei einem Olubfaner, der sie das erste Mal vollzieht, Initialkopplung.«
»Ich bin gespannt. Wo findet sie statt?«
»In den Tolnotenplantagen. Genauer gesagt in den Kontaktgärten. Du wirst es sehen.«
Unter dem Gleiter sauste ein Gebiet entlang, das Osmund vertraut war. Er erkannte die Bühne wieder, bei der er sich mit Oktor unterhalten hatte. Hieß er so? Osmund wusste es nicht mehr genau. Tenga hatte recht. Diese Namen waren tatsächlich schwer zu merken.
Ah, und dort lag die Psi-Schreckenskammer, gleich daneben die ...
Osmund richtete sich in seinem Sitz auf. »Perry! Da unten!«
Rhodan sah aus dem Fenster. »Was denn?«
»Diese Gruppe von Olubfanern mit den grünen Tüchern um den Hals.«
»Was ist mit ihnen?«
»Das sind die, die mich im Götterhain verfolgt haben! Zumindest sahen sie genauso aus.«
»Du warst in einem Götterhain?«, fragte Ologbon. Obwohl das bei Fremdvölkern schwer zu beurteilen war, klang er ungläubig. »Ihr seid doch gerade erst angekommen. Außerdem ist das verboten!«
»Das weiß ich inzwischen auch«, sagte Osmund und ging damit rasch über den Patzer hinweg, etwas vom Vortag erzählt zu haben.
Ologbon schien nicht länger darüber nachzudenken und sah aus dem Fenster. »Was tun sie da?«
Osmund konnte nicht erkennen, dass sie irgendwas taten, außer die Straße entlangzulaufen. Anders sah es mit Passanten aus. Nicht-Olubfaner starrten der Gruppe fasziniert nach, während die Einheimischen sie anschrien, anpöbelten und sogar gelegentlich mit Nahrung oder Getränkebechern nach ihr warfen.
»Was geht dort vor sich?«, fragte Rhodan.
»Sie haben einen Löblichen Zirkel gebildet. Eine Glaubensprozession. In der Öffentlichkeit, versteht ihr? Das verstößt gegen cairanisches Gesetz.«
Hatten sie Osmund deshalb verfolgt? Weil sie etwas planten und fürchten mussten, er könnte sie verraten?
»Warum tun sie das?«, wollte er wissen.
»Ich nehme an, um gegen ebenjenes Gesetz zu protestieren. Seit einiger Zeit existiert eine Strömung unter den Gläubigen, die – meines Erachtens zu Recht – befürchtet, die alten Traditionen könnten in Vergessenheit geraten. Sie möchten ein Zeichen dagegensetzen.«
»Mit dieser doch eher bescheidenen Prozession?«
»Damit, dass sie sich in aller Öffentlichkeit von den Cairanern verhaften lassen. Ich denke, sie wissen durchaus, was ihnen bevorsteht. Wahrscheinlich wollen sie die Bevölkerung auf diese Weise wachrütteln. Dabei vergessen sie allerdings, dass die Cairaner womöglich nicht nur sie bestrafen. Oder es ist ihnen gleichgültig.«
Rhodan zuckte zusammen, und Osmund konnte sich vorstellen, welche Frage sich ihm gerade stellte: Heißt das, dass es hier bald vor Cairanern wimmeln wird?
Nicht gut. Nur konnten sie dagegen wohl kaum etwas unternehmen ...
»Donn, Winston, Osmund«, sagte er, »wenn wir ankommen, wartet ihr vor der Plantage und behaltet die Lage im Auge.«
Osmund nickte. Winston Duke verzog das Gesicht. Auch Donn Yaradua sah nicht glücklich aus bei dem Gedanken, die Gruppe aufzuteilen, schwieg aber.
Fünf Minuten später setzte der Gleiter neben einem der klobigen fabrikähnlichen Gebäude auf. Davor hatte sich eine große Menge an Olubfanern und Festgästen versammelt und verfolgte über riesige Monitore, was im Inneren geschah.
»Sind drinnen etwa alle Plätze besetzt?«, fragte Rhodan.
»Möglich«, sagte Ologbon. »Aber keine Sorge. Als Angehörigem eines Kopplings sind für mich und meine Begleiter Plätze reserviert. Lasst uns reingehen!«
*
Der Weg aus dem Götterhain verlief komplikationslos, da der Wächter seinen Posten mittlerweile verlassen hatte. Dennoch fühlte sich Ofilor, als würden ihm die Harztropfen Löcher in die Tasche des Einteilers brennen.
In den Straßen wurde es noch schlimmer. Er glaubte, die Blicke anderer Olubfaner und sogar die der Festgäste auf sich zu spüren. Sie erahnten, nein: wussten von seiner Schuld, gafften ihn voller Missbilligung und Verachtung an – und jeden Augenblick würde jemand mit verflochtenen Tolnoten auf ihn zeigen und rufen: »Ruft die Cairaner! Er schmuggelt Harz aus dem Hain!«
Selbstverständlich geschah nichts dergleichen.
Er erreichte das Gebäude mit der Tolnotenplantage. Ihm wurde heiß, als er die Zuschauermenge davor sah, all die starrenden und scharrenden, tuschelnden und lachenden Olubfaner und Fremdwesen. Hatte eine Kopplung jemals so großes Interesse geweckt? Er bezweifelte es.
»Wie hast du dich entschieden?«, erklang eine Stimme hinter ihm.
Ofilor drehte sich um und sah in die überheblichen Züge von Osgu. Der ehemalige Freund hatte auf ihn gewartet. Anstatt zu antworten, mühte Ofilor mit seinen klobigen Fingern sechs Harztropfen aus der Tasche. Wie viel einfacher ginge das, wenn ihm Tolnoten dieses unbeholfene Grapschen erspart hätten.
Bald! Bald war es so weit.
Er streckte Osgu die Hand entgegen. Dessen Symbionten pflückten elegant die Tropfen aus Ofilors Handfläche und ließen einen kleinen gelben Knisterflugkristall hineingleiten.
»Am besten benutzt du ihn, bevor du das Gebäude betrittst. Und hör auf, dich so auffällig umzusehen. Damit machst du die Leute erst recht auf uns aufmerksam. Alles ist wie immer, mach dir keine Sorgen!«
Ofilor umschloss die Droge mit den Fingern, drehte sich wortlos um und schob sich durch die Menge auf den Gebäudeeingang zu. Er betrachtete ihn ... und zögerte.
Sollte er es wirklich tun? Wäre es nicht das Richtige, den Kristall fallen zu lassen, ihn zu zertreten und der Kopplung ihren freien, naturgegebenen Lauf zu gewähren?
Doch dann dachte er wieder an seinen Vater – und an Osgu, für den ein neuerliches Scheitern aussehen musste, als wäre Ofilor selbst mit Droge nicht fähig, geeignete Symbionten zu finden.
Nein, diese Schmach durfte er nicht riskieren.
Er zog sich in eine Ecke neben dem Eingang zurück und fummelte den Kristall mit zittrigen Fingern in seinen Riechspalt.
Und nun? Wie lange dauerte es, bis eine Wirkung ...
Plötzlich spürte er ein Knistern. Es füllte ihn aus, erst sein Gehirn, dann den ganzen Körper.
Mit einem Mal nahm er die Umgebung viel intensiver wahr, die kräftigen Gerüche, die Ausdünstungen der Menge vor dem Gebäude, ihre Stimmen, die gleichzeitig durch seinen Geist brandeten und die er trotzdem verstand. Und die Farben! Oh, diese Farben, sie durchfluteten ihn, jeden Winkel, jeden Gedanken!
Er ging, schwebte, flog in die Plantage, getragen von der Euphorie.
Als er einige Minuten später nackt mit einem Atemhelm am Rand eines Kontaktgartens stand, erinnerte er sich nicht, wie er dorthin gekommen war. Aber er fühlte sich gut. Unbesiegbar. Nichts konnte an diesem Tag schiefgehen.
Er sah die anderen Kopplinge, hörte ihren Herzschlag, spürte ihre Sorge. Dort vor den Zuschauerrängen stand Osgu, beobachtete ihn. Sein Mund formte stumme Worte, und trotz der Entfernung konnte Ofilor sie verstehen.
Du schaffst das!
Und dann ...
... sah er ihn. In einer der Angehörigenlogen saß Ologbon. Sein Bobla. Er war gekommen.
Ofilor wollte ihm zuwinken, da ertönte das Signal. Die Aufforderung für die Kopplinge, im Kontaktgarten einzutauchen.
Er tat es, und die Welt um ihn erlosch.
*
Die Plantage glich von der Bauart dem Audienzsaal: ein Raum mit hoher Decke und stützenden Pfeilern. Über mehrere Etagen verteilten sich riesige, flache Bassins mit Nährbädern, in denen die Tolnoten gediehen, kopfgroße Knäuel aus Würmern. Gelegentlich schwamm eines der Wesen aus einer Kolonie, kreiste einige Zeit allein umher und vereinte sich wieder mit ihr.
Um die Becken stand eine Handvoll Olubfaner, betrachtete die Symbiontenwesen, streute Pulver in die Flüssigkeit – vermutlich Nahrung – oder strich mit den Händen sanft durch das Wasser. Tolnoten näherten sich, schwammen zwischen die Finger, nagten an der Haut.
Auf Rhodan wirkte die Szenerie ungeheuer friedfertig, liebevoll, ja, zärtlich.
»Leben sie nur in diesen Bassins?«, fragte Farye.
»Die gekoppelten Tolnoten leben natürlich in unseren Körperfalten bis zu ihrem Tod«, sagte Ologbon. »Die Ungekoppelten kommen aber auch in der freien Wildbahn vor. In den meisten Teichen und Seen, hin und wieder auch in Flüssen. Es erfordert große Kunstfertigkeit, sie zu züchten. Normalerweise ist hier mehr los, da kommt man kaum an ein Becken heran. Heute tummeln sich wegen der Kopplung alle oben bei einem der Kontaktgärten.«
Über etliche Rampen erreichten sie die darüberliegende Etage. Sofort umfing sie eine Atmosphäre, die Rhodan an ein sportliches Großereignis erinnerte.
Im Zentrum der Halle standen drei gewaltige durchsichtige Becken, deutlich größer und vor allem höher als die der Plantage.
Etwa zehn Meter über dem Boden entdeckte Rhodan eine Tür in der Wand, von der aus ein breiter Gittersteg bis kurz vor die Bassins ragte und sich dort in drei schmalere Pfade verästelte. Sie führten zu ringförmigen Galerien, die die einzelnen Becken am oberen Rand umgaben.
Rings um das Arrangement an den Wänden erhoben sich Tribünen, wie es schien bis auf den letzten Platz besetzt. Überwiegend von Olubfanern, aber auch Vertreter anderer Völker warteten auf die Zeremonie. Zu seiner Erleichterung entdeckte Rhodan keine Cairaner unter ihnen – was nichts heißen musste bei Tausenden Zuschauern.
Unzählige Stimmen und Gelächter verschmolzen zu einem Geräuschbrei, der schlagartig verstummte, als eine Sirene ertönte.
Ologbon deutete wortlos auf eine Loge am oberen Ende der Tribüne und strebte ihr entgegen. Rhodan und Farye folgten.
Während sie zu den Plätzen eilten, öffnete sich die Tür zum Gittersteg, und die Kopplinge stapften auf allen vieren in einer Reihe zum mittleren Bassin. Rhodan zählte dreiunddreißig Olubfaner, die zur Kopplung antraten. Sie waren nackt bis auf einen Helm, der ihren Kopf umschloss wie ein Goldfischglas. Nach wenigen Minuten hatten sie sich in gleichmäßigen Abständen um den Beckenrand aufgestellt.
»Da ist mein Sohn.« Ologbon zeigte nach vorne, doch Rhodan erkannte nicht, wen er meinte. »Das ist Ofilor! Ich glaube, er hat mich gesehen.«
Ein weiteres Signal erklang, und die Kopplinge ließen sich synchron in das Becken gleiten.
Jubel brandete unter den Olubfanern auf, während die Angehörigen der Fremdvölker gespannt die Szenerie beobachteten.
Allerdings fand Rhodan das, was es zu beobachten gab, reichlich unspektakulär. Die Kopplinge trieben in der Flüssigkeit, zuckten ab und zu oder paddelten ziellos umher, während sich ihnen Tolnotenknäuel näherten, auffächerten, zusammenzogen und wieder davonschwammen.
Vermutlich erschloss sich einem der Reiz der Zeremonie nur, wenn man tief in der olubfanischen Kultur verwurzelt war.
Manchmal kam es vor, dass sich die Symbionten länger bei einem Koppling aufhielten. Dann schien die Menge die Luft anzuhalten. Und wenn sich der Wurmballen auflöste, barst wie bei einer Explosion und sich die Einzelwesen zwischen die Hautfalten der Jungolubfaner drängten, schrien die Zuschauer auf vor Begeisterung und stampften mit den Füßen. Stroboskopische Lichteffekte zauberten den Anschein eines Feuerwerks in die Luft.
Anschließend trieben die neuen Symbiontenträger einige Minuten regungslos im Wasser, bis sie schließlich an den Beckenrand paddelten, wo ihnen ein Erwachsener einen knorrigen Stab entgegenhielt. Der frisch Gekoppelte streckte einen Arm danach aus – und umschlang ihn mit seinen Tolnoten, wie ein gewaltiger Monitorkubus über den Bassins zeigte.
»War dein Sohn schon dabei?«, fragte Rhodan.
»Leider nicht«, sagte Ologbon. Er klang traurig, was aber an der brummigen Stimme liegen konnte.
Ein Vibrieren am Handgelenk meldete Rhodan, dass jemand versuchte, ihn zu erreichen. Per Multikomarmband nahm er den Anruf an.
»Es gibt Ärger«, eröffnete Muntu Ninasoma von der BJO BREISKOLL das Gespräch. Vor ihrem Aufbruch hatten sie beschlossen, diesmal nicht auf ihre SERUN Slender zu verzichten. Diese Variante der Schutzanzüge reichte zwar nicht ganz an die Leistung eines schweren SERUNS heran, doch dank seiner miniaturisierten Komponenten fiel er unter normaler Kleidung nicht auf. Ein Akustikfeldprojektor im Kragen richtete die Nachricht so aus, dass sie Rhodans Ohr – und nur Rhodans Ohr – erreichte.
»Was ist los?«, fragte er leise zurück.
»Am Rand des Systems ist ein Schiff aufgetaucht. Doppelkeilförmig. Die Raumüberwachung von Ollfa hat es ebenfalls bemerkt. Sie spricht von einem Ladhonenraumer.«
»Verstanden.«
»Sollen wir angreifen?«
Rhodan entschied sofort. »Einfach so? Ohne selbst attackiert oder provoziert worden zu sein? Wir wissen ja nicht einmal, was sie wollen. Vielleicht bringen sie die Entführten der GLUTOBAT III zurück.« Auf dem Weg vom Audienzsaal zum Gleiter hatte Farye den Kommandanten der BJO darüber informiert.
»Rechnest du ernsthaft damit?«
»Nein. Allerdings kennen wir die Ladhonen nicht. Wer kann also mit Gewissheit sagen, was passieren wird? Außerdem wissen wir nichts über ihre Kampfkraft. Wir müssen vermeiden, uns zu früh in Geschehnisse hineinziehen zu lassen, die uns nichts angehen. Das könnte die Dinge später verkomplizieren. Bisher haben wir gerade erst an der Oberfläche gekratzt, was die Verhältnisse in der Milchstraße angeht.«
»Verkomplizieren könnten sich die Dinge auch von selbst.«
»Wie meinst du das?«
»Wir haben soeben einen weiteren Funkspruch aufgefangen. Er stammt von Origobo, dem Regierungschef, und war wohl an die Cairaner auf Ollfa gerichtet. Er bittet sie, einen Notruf an ihre Flotte zu schicken.«
»Haben sie es getan?«
»Zumindest nicht über die unverschlüsselten Kanäle. Aber wir sollten davon ausgehen.«
»Danke, verstanden.«
Rhodan informierte Farye und den Rest der Mannschaft, der vor der Plantage wartete. Vermutlich dachten sie in diesem Augenblick alle das Gleiche: Was, wenn die Cairaner schnell reagierten – und eines ihrer eintreffenden Schiffe über einen Mentaltaster verfügte?
So schwer es ihm fiel, war es wohl das Vernünftigste, auf einen Botschaftsbesuch der Lemurischen Allianz zu verzichten und Ollfa so schnell wie möglich zu verlassen.
Und was hast du verloren?
Ach, weißt du, jemand wie ich sehnt sich nach dem Abenteuer. Ein solches Leben erlaubt keine allzu engen familiären Bindungen. Ich hatte weder Frau noch Kinder. Bis auf meine Eltern gibt es niemand Erwähnenswerten, den ich zurückgelassen habe.
Ich habe Freunde wie dich und Winston. Was kann man sich mehr wünschen?
Sieh es positiv! Uns ist etwas vergönnt, was bisher den Unsterblichen vorbehalten war. Wir dürfen erleben, wie sich die Welt innerhalb von fünfhundert Jahren verändert hat.
(Sholotow Affatenga)