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Die neue Ära der Astrophysik

Verschiedene Signale vom selben Absender revolutionieren das Verständnis des Universums

Von Rüdiger Vaas

Das Jahr 2017 wird, wie sich inzwischen beurteilen lässt, in die Wissenschaftsgeschichte eingehen. Der Grund: Es hat zum ersten Mal völlig verschiedene Betrachtungsweisen derselben brachialen Vorgänge weit außerhalb der Milchstraße eröffnet. Auf dieses Ziel haben Forscher seit Jahrzehnten hingearbeitet. Nun werden sie mit reichen Erkenntnissen belohnt: mit Informationen über die heftigsten Prozesse seit dem Urknall.

Es ist, als würde man erstmals dieselben Quellen zugleich sehen, hören und riechen können – mit dem Unterschied, dass die Wirkungen des Weltalls den menschlichen Sinnen nur indirekt zugänglich sind. Doch das Ergebnis ist ähnlich: Mehrere unabhängige Informationsüberträger vermitteln ein neues und wesentlich tieferes Verständnis. Und dabei geht es um die energiereichsten Mitteilungen überhaupt, die der Kosmos verkündet.

Ein Quartett kosmischer Botschaften

Astrophysiker kennen vier grundverschiedene Signale aus dem Weltraum, wobei sie zwei davon erst seit wenigen Jahren nachweisen können:

– Elektromagnetische Strahlung: Sie entspricht den Reizen für den Gesichtssinn, besteht aber nicht nur aus sichtbarem Licht, sondern aus dem ganzen Spektrum – von der langwelligen Radio-, Mikrowellen- und Infrarotstrahlung bis zu dem Bereich mit höheren Frequenzen als Licht, der Ultraviolett-, Röntgen- und Gammastrahlung. Werner Hofmann vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg vergleicht dies mit einem Klavier: Wenn das normale Licht darauf einer Oktave entspräche, acht weißen Tasten, dann wäre die Klaviatur des gesamten elektromagnetischen Spektrums, das Astronomen inzwischen ausloten können, ein Instrument von 15 Meter Breite.


Karambolagen von Sternruinen im Visier: Wenn kollabierte Kerne ausgebrannter Riesensterne miteinander kollidieren, erzittert die Raumzeit förmlich. Neben Gravitationswellen werden auch hochenergetische Gammastrahlen erzeugt, die von den kosmischen Erschütterungen zeugen. [Illustration: NSF, LIGO, Sonoma State University, A. Simonnet]

– Kosmische Strahlung: Sie ist am ehesten mit den Stimulanzen des Geruchssinns vergleichbar, denn die Detektoren entdecken Stoffe aus dem All – vor allem energiereiche Protonen und Elektronen, aber auch schwerere Atomkerne und zuweilen Antimaterie-Teilchen (Positronen und Antiprotonen). Aus historischen Gründen wird ein Teil der Gammastrahlung oft ebenfalls zur Kosmischen Strahlung gerechnet.

– Neutrinos: Auch sie sind »materiell«, aber auf eine besondere Weise. Die flüchtigen, fast masselosen und daher beinahe lichtschnellen Elementarteilchen wechselwirken nämlich nur äußerst schwach mit gewöhnlicher Materie – elektromagnetisch sogar überhaupt nicht –, weshalb sie selbst große Himmelskörper ungestört durchdringen können. Sie legen daher Milliarden Lichtjahre im All zurück, ohne von Magnetfeldern und Materie abgelenkt oder behindert zu werden.

– Gravitationswellen: Sie lassen sich am besten mit Schallwellen vergleichen, also mit Luftdruck-Schwingungen. Doch ihr Übertragungsmedium ist nicht Gas, sondern die Raumzeit selbst. Deren periodische Stauchungen und Dehnungen können raffinierte riesige Laser-Detektoren gleichwohl hörbar machen – eine geradezu unerhörte Leistung seit Albert Einsteins Voraussage 1916, der erst und lange selbst nicht glaubte, was er da berechnet hatte.

Der Beginn der Multi-Messenger-Astronomie

Lassen sich mindestens zwei dieser grundverschiedenen Signale von Himmelsquellen nachweisen, sprechen Wissenschaftler von Multi-Messenger-Astronomie (englisch für »viele Boten«). Eine solche Kombination verspricht neue Einsichten in bekannte Phänomene und die Entdeckung noch gänzlich unbekannter beziehungsweise allenfalls theoretisch vorausgesagter Quellen. Damit eröffnen sich neue Fenster zum Kosmos. Es ist, als würde man bestimmte Ereignisse erstmals zugleich sehen und hören oder sehen und riechen können. Teilweise sind solche Mehrfachsinne die einzige Möglichkeit, bestimmte Geheimnisse des Universums zu enträtseln.


Penetrante Partikelspucker: Blazare sind Aktive Galaxien mit einem zentralen Schwarzen Loch, das große Mengen Materie verschlingt. Dabei entstehen in seiner Umgebung zwei durch starke Magnetfelder gebündelte Teilchenströme. Auch Neutrinos und Gammastrahlen schießen von dort aus weit in den Weltraum. [Illustration: M. Weiss, CfA]

Angefangen hat die Multi-Messenger-Astronomie mit einem wahren Paukenschlag: der erstmals beobachteten Kollision zweier Neutronensterne. Dieses Inferno machte sich sowohl durch ein Energiegewitter quer durch das Elektromagnetische Spektrum bemerkbar als auch durch das Erzittern der Raumzeit selbst – in Form von Gravitationswellen. Diese Kräuselungen der Raumzeit werden erst seit wenigen Jahren gemessen; und gerade im Dezember wurden vier neue Entdeckungen und der erste Gravitationswellen-Katalog publiziert.

Zehnmal sind nun Verschmelzungen Schwarzer Löcher registriert worden – doch diese Ereignisse hatten keine Gegenstücke in den weiteren kosmischen Informationskanälen. Anders war das bei der Karambolage der beiden ultrakompakten Sternleichen am 17. August 2017 im Sternbild Wasserschlange. Sie sorgten für die bislang größte Beobachtungskampagne in der Geschichte der Astronomie. Die mehrere Dutzend bereits im Oktober 2017 erschienenen Fachartikel markieren den eigentlichen Anfang der Multi-Messenger-Astronomie.

Menschheitsprojekte

Nicht weniger spektakulär ist ein zweites Ereignis, das nur fünf Wochen nach der Neutronenstern-Kollision für Aufmerksamkeit sorgte. Es ist ebenfalls ein Multi-Messenger-Paradebeispiel und eröffnet ein neues Kapitel der Neutrino- und Gammaastronomie. Darüber hat nach monatelangen Analysen ein großes internationales Forscherteam im Juli 2018 berichtet und seither noch weitere Daten ausgewertet. Anlass war aber nicht der brachiale Augenblick einer kaum vorstellbaren kosmischen Katastrophe, sondern die Detektion eines einzigen Teilchens, das auf langwierige Prozesse hinweist. Dahinter stecken ebenfalls ungeheure Energiemengen, doch die Mechanismen sind vollkommen anders (mehr dazu im Artikel Intergalaktischer Paarlauf in diesem PERRY RHODAN-Journal).

»Die Ära der Multi-Messenger-Astrophysik hat begonnen«, kommentierte die Astrophysikerin France A. Córdova diesen Erfolg. Sie ist Direktorin der National Science Foundation, der wichtigsten staatlichen Behörde zur Förderung der Wissenschaften in den USA. »Solche Durchbrüche sind nur möglich bei einer langfristigen Verpflichtung für Grundlagenforschung und Investitionen in überragende Forschungsanlagen.«

Es ist fraglich, ob im heutigen politischen Klima ihres Landes noch Pionierprojekte wie IceCube oder der Gravitationswellen-Detektor LIGO finanziert würden. Dabei verschieben sie die Erkenntnisgrenzen für immer und sind hinsichtlich der multinationalen Beteiligungen wahre Menschheitsprojekte.

Kosmische Erkenntnisse durch internationale Observatorien

Dies gilt gleichermaßen für andere Observatorien, die völlig neue Fenster zum Universum aufstoßen. Im letzten Dezember hat das rund 1500-köpfige Forscherteam von LIGO und Virgo die Entdeckung von vier neuen Gravitationswellen-Signalen bekannt gegeben. Nun beginnen die kilometergroßen Laser-Interferometer mit noch empfindlicheren Messungen. Im Herbst soll sich ihnen der japanische KAGRA-Detektor anschließen; eine weitere LIGO-Anlage wird gegenwärtig in Indien vorbereitet. Zudem wurden letzten Oktober auf einer Konferenz des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik in Potsdam Pläne für die nächste Generation von Gravitationswellen-Detektoren auf der Erde diskutiert. Könnten in Europa das Einstein-Teleskop und in den USA der Cosmic Explorer realisiert werden, ließe sich das Suchvolumen auf fast das ganze beobachtbare Universum ausweiten. Das geht allerdings nur in enger internationaler Zusammenarbeit.

Dies gilt auch für ein weltweites Neutrino-Observatorium, über dessen Plan Elisa Resconi, Professorin an der Technischen Universität München, im selben Monat auf einer Konferenz auf La Palma begeistert berichtet hat. Dabei sollen Detektoren an vielen Orten im Meer versenkt werden, um dort Tscherenkow-Strahlung als Sekundäreffekt von Neutrinos zu erhaschen. Auch der IceCube-Detektor am Südpol wird, wenn die Finanzierung gelingt, in einigen Jahren um den Faktor zehn in seinem Volumen erweitert werden.

Bereits im Bau befindet sich das CTA-Observatorium für die energiereichsten Gammastrahlen aus dem All (Cherenkov Telescope Array). Dabei kooperieren Forschungsinstitute und Förderagenturen aus 31 Ländern. Geplant ist ein Verbund von insgesamt 118 jeweils vier bis 23 Meter großen Teleskopen sowohl auf La Palma als auch in Chile, die den gesamten Himmel bei Energien von 20 bis 300.000 Gigaelektronenvolt ins Visier nehmen sollen. Das erste Teleskop wurde bereits im Oktober 2018 eingeweiht und wird gegenwärtig intensiv getestet.

Die Wissenschaft beweist, wie internationale Anstrengungen bei gemeinsamen Zielen zu konstruktiver Kooperation und letztlich großartigen Erfolgen führen. Wir leben alle auf demselben Planeten. Globale Probleme lassen sich daher nur global lösen. Das gilt erst recht für die Suche nach kosmischen Erkenntnissen.

Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1)

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