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Intergalaktischer Paarlauf:

Neutrinos und Gammaquanten vom Schwarzen Loch

Höchste Energien aus dem All – Astronomen entdecken einen Ursprungsort der Kosmischen Strahlung

Von Rüdiger Vaas

Manchmal genügt ein einziges Teilchen, um mehr als 1000 Wissenschaftler über Monate zu beschäftigen. So geschah es beim Neutrino 170922A, das eine Spur im IceCube-Detektor unter dem Südpol erzeugte. Daraufhin wurden Astronomen in aller Welt alarmiert, um nach der Quelle am Himmel zu fahnden – vom Radio- bis zum Gammastrahlenbereich. Sie gewannen dabei Einblick in ein extremes Energiegewitter im Sternbild Orion – die erste identifizierte extragalaktische Ursache der bereits seit mehr als einem Jahrhundert bekannten Kosmischen Strahlung.

Vier Milliarden Jahre bis zum Nachweis

Für die Wissenschaftler begann die Geschichte am 22. September 2017 um exakt 20:54:30 Uhr Weltzeit, obwohl sich alle wesentlichen Vorgänge, an denen die Forscher interessiert sind, bereits vier Milliarden Jahre vorher abgespielt hatten. Denn so lange flog das damals entdeckte, fast lichtschnelle Neutrino schon vollkommen ungestört durch den Weltraum, bis es die Erde erreichte. Hier stieß es zufällig mit einem Atomkern im Eis der Antarktis tief unter dem Südpol zusammen. Dabei entstand ein Myon – der schwere Bruder des Elektrons –, das weiter geradeaus flitzte. Weil es dies fast mit Lichtgeschwindigkeit tat, sandte es einen charakteristischen ultrakurzen bläulichen Lichtblitz aus.

Diese Tscherenkow-Strahlung erhaschten einige der über 5000 Lichtsensoren des IceCube-Detektors. Seine Digitalen Optische Module – 35 Zentimeter große Kugeln, die wie Perlen an Schnüren bis zu 2,5 Kilometer tief in das Eis in 125 Meter Abstand eingelassen sind – durchziehen ein Eisvolumen von einem Kubikkilometer, das als natürliches Detektormaterial fungiert.


Ein Neutrino-Signal für die Geschichtsbücher der Wissenschaft: Am 22. September 2017 registrierte das IceCube-Observatorium in der Antarktis (oben im Foto die Basisstation) ein Myon, das aus der Wechselwirkung eines Neutrinos mit einem Atomkern in rund zwei Kilometer Tiefe entstanden war und eine Lichtspur durch den unterirdischen Detektor zog (hier von links). Unten dargestellt sind die Messpunkte dieser Tscherenkow-Strahlung, wobei die Größe jeder Kugel der Aktivierungsstärke eines IceCube-Sensors entspricht. [Montage: IceCube Collab., NSF]

IceCube ist der größte Neutrino-Detektor der Welt. Finanziert wird er vor allem von den USA, aber auch mit Geldern aus Deutschland, Schweden, Belgien und einigen anderen Ländern. Seit seiner Inbetriebnahme im April 2008 überwacht er kontinuierlich den gesamten Himmel. Im Jahr 2013 hat das IceCube-Team den Nachweis der ersten kosmischen Neutrinos bekannt gegeben – ein Meilenstein in der Geschichte der Astroteilchenphysik.


Strahlung vom Zentrum einer fernen Galaxie: Der Blazar TXS 0506+056 emittiert sowohl Neutrinos, wie sie vom IceCube-Observatorium am Südpol registriert werden, als auch Gammastrahlen, die Teleskope auf der Erde und im Orbit messen. Andere elektromagnetische Strahlung vom Radio- bis zum Röntgenbereich ist ebenfalls nachweisbar. [Illustration: IceCube Collab., NASA]

Die Herkunftsrichtungen dieser Teilchen können auf bestenfalls 0,3 Grad genau gemessen werden. Sie sind nicht auf die Scheibe der Milchstraße konzentriert, sondern über den gesamten Himmel verteilt. Daher haben sie höchstwahrscheinlich einen extragalaktischen Ursprung. Doch wodurch werden sie erzeugt?

Fest steht: Die Quellen müssen eine ungeheuerliche Leistung haben. Denn die energiereichsten dieser Neutrinos kommen auf mehr als ein Petaelektronenvolt – eine Billiarde (1015) Elektronenvolt. Zum Vergleich: Die Protonen, die im Large Hadron Collider des Forschungszentrums CERN bei Genf auf fast Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden, haben eine kinetische Energie von 6,5 Teraelektronenvolt – eine Billion (1012) Elektronenvolt. Und er ist der leistungsfähigste Teilchenbeschleuniger der Menschheit.

Alarmierte Astronomen

Das Neutrino IceCube-170922A – benannt nach seinem Datum, dem 22. September 2017 – brachte es auf etwa 290 Teralektronenvolt. Die Wahrscheinlichkeit, dass es einen kosmischen Ursprung besitzt, belief sich ersten Hochrechnungen zufolge auf etwa 60 Prozent.

Die Tscherenkow-Strahlung von 170922A brauchte nur drei Mikrosekunden, um den Detektor zu durchqueren. Doch die Folgen waren immens: Bereits 43 Sekunden später schlug die Software nach der ersten automatischen Auswertung selbstständig Alarm und informierte Wissenschaftler in aller Welt. Vier Stunden danach folgte eine zweite Nachricht mit Details – vor allem mit einer ungefähren Angabe der Herkunftsrichtung des Neutrinos.

Myonen-Spuren wie die von 170922A werden zwar rund 70.000 Mal im Jahr von der Südhemisphäre gemessen. Aber die meisten verursachen Neutrinos mit nur etwa einem Teraelektronenvolt Energie. Sie entstehen sozusagen erst vor der Haustür: aus der Interaktion der Kosmischen Strahlung mit Atomkernen der irdischen Atmosphäre. Doch jedes Jahr werden auch ein paar Hundert Teilchen detektiert, die größtenteils aus dem fernen Weltraum stammen.

Mit 170922A vergleichbare Signale hat IceCube allerdings erst rund 50 Mal aufgespürt – und einen Zusammenhang mit elektromagnetischen Gegenstücken zu finden, war nie zuvor geglückt. Auch gibt es nur etwa vier Eilmeldungen von IceCube pro Jahr. Doch nun scheint es den Astronomen tatsächlich gelungen zu sein, erstmals einen Absender hochenergetischer Neutrinos zu lokalisieren. (Ansonsten sind bloß zwei Neutrino-Quellen im All bekannt: unsere Sonne und die Supernova 1987A in der Großen Magellanschen Wolke.)

Aktive Galaxie im Orion

Das Neutrino 170922A kam aus dem Sternbild Orion, genauer: einem Gebiet bei der linken Schulter des berühmten Himmelsjägers. Dort befindet sich, nur 0,1 Grad neben dem projizierten Herkunftsort von 170922A, die Aktive Galaxie TXS 0506+056. Diese große Elliptische Galaxie ist nach ihren Himmelskoordinaten benannt. Verzeichnet ist sie im Texas-Survey (TXS), einem Katalog zahlreicher Radioquellen.

Die Galaxie gehört zur Klasse der Blazare (BL Lacertae-Objekte): Sie besitzen ultrahelle Zentren. Ihre Leuchtkraft stammt aus der unmittelbaren Umgebung eines rotierenden supermassereichen Schwarzen Lochs. Es kann riesige Mengen an Gas und Staub fressen, zuweilen sogar ganze Sterne, und entfesselt dabei ein gewaltiges Energiegewitter. Gebündelt von enormen Magnetfeldern, entweicht entlang der Rotationsachse des Schwarzen Lochs und der umgebenden Materiescheibe in beide Richtungen jeweils ein Strom energiereicher Teilchen und Strahlung. Deutet einer dieser beiden Jets genau auf die Erde, erscheint das Objekt von uns aus besonders hell. Dann beobachten Astronomen das, was sie einen Blazar nennen. (Aus anderen Blickwinkeln erscheint ein solches Energiemonster als Quasar oder Aktiver Galaxienkern.) Blazare können Helligkeitsausbrüche haben, die Minuten bis Jahre dauern, wenn das zentrale Schwarze Loch gerade sehr viel Materie verschlingt.

TXS 0506+056 gehört zu den leuchtkräftigsten Objekten im bekannten Universum. Allerdings wurde der Blazar erst 1983 entdeckt, denn er ist sehr weit entfernt. Wie weit, haben Astronomen erst bestimmt, nachdem das mutmaßliche Neutrino-Signal für Aufmerksamkeit sorgte. Dazu war das zurzeit größte Einzelspiegel-Teleskop der Welt nötig, das 10,4-Meter-Teleskop GTC (Gran Telescopio Canarias) auf der Kanareninsel La Palma. Andere Teleskope waren daran gescheitert, die Rotverschiebung des Spektrums von TXS 0506+056 zu messen (z = 0,34), aus der sich die Distanz errechnen lässt: rund vier Milliarden Lichtjahre. »Selbst mit dem enormen Lichtsammelvermögen des GTC brauchten wir viele Stunden, um typische Emissionslinien des ionisierten Gases zu finden«, sagt die Astronomin Simona Paiano aus Padua, der zusammen mit Riccardo Scarpa vom GTC die Beobachtungen gelangen.

Erhöhte Gammastrahlung

Nach der Eilmeldung von IceCube richteten Astronomen rund 20 Teleskope auf der Erde und im Orbit auf den Blazar. Das Weltraumobservatorium Fermi maß am Folgetag – genau wie einige Tage vorher – einen Gammastrahlen-Ausbruch von der fernen Galaxie. Das Large Area Telescope an Bord des Satelliten, das seit April 2008 alle drei Stunden den gesamten Himmel scannt, hat bereits seit April 2017 eine erhöhte Gamma-Aktivität des Blazars festgestellt. Doch der September-Ausbruch war der stärkste, der jemals gemessen wurde.

»Fermi beobachtet seit einem Jahrzehnt regelmäßig fast 1800 Blazare. Dadurch konnten wir TXS 0506+056 als Neutrino-Quelle identifizieren«, sagt Regina Caputo, die die Datenanalyse der Forscher vom Fermi Large Area Telescope koordiniert. Die Wahrscheinlichkeit für einen zufälligen Zusammenhang veranschlagen die Astrophysiker auf weniger als 0,15 Prozent – das ist ein gutes Indiz, allerdings kein sicherer Beweis.


Das weltgrößte Einzelteleskop im optisch-infraroten Bereich: 2,4 Kilometer über dem Meer auf dem Roque de los Muchachos, La Palma, thront das Gran Telescopio Canarias. Der Durchmesser seines Hauptspiegels beträgt 10,4 Meter. [D. López]

Das Gammastrahlen-Teleskop MAGIC (Major Atmospheric Gamma Imaging Cherenkov Telescopes) auf La Palma registrierte ebenfalls die erhöhte Aktivität des Blazars und war in der Lage, noch höhere Energien als Fermi zu detektieren: Gammastrahlen bis zu 400 Gigaelektronenvolt – das erste Mal überhaupt von dieser Quelle. MAGIC beobachtete TXS 0506+056 über mehrere Wochen, insgesamt 41 Stunden lang, und maß dabei zwei Schübe mit einer bis zu sechsfach erhöhten Gamma-Aktivität: am 3. und am 31. Oktober 2017. Andere Gammastrahlen-Teleskope fanden zunächst nichts; aber VERITAS (Very Energetic Radiation Imaging Telescope Array System) in Arizona konnte schließlich MAGICs Resultate bestätigen.

Auch Teleskope für andere Wellenlängen nahmen den Blazar ins Visier. So maßen Swift und NuSTAR Röntgenstrahlung und das Very Large Array sowie das Owens Valley Radio Observatory eine erhöhte Radiostrahlung mit beträchtlichen Schwankungen. Mehrere optische Teleskope waren ebenfalls im Einsatz. Insgesamt beteiligten sich über tausend Astronomen aus aller Welt an der konzertierten Beobachtungsaktion.

Weitere Neutrinos im Eis erhascht

TXS 0506+056 gehört zu den 50 hellsten Gamma-Quellen am Himmel. Doch es gibt leuchtkräftigere und nähere Blazare. Warum also stammt die erste klare Neutrino-Gamma-Koinzidenz ausgerechnet von TXS 0506+056? Das könnte an seiner Position am Himmel liegen. Diese ist günstig für IceCube-Messungen, da der Blazar flach unter dem Horizont steht. Daher fliegen seine Neutrinos relativ kurz durch die Erde, was die Wahrscheinlichkeit ihrer Absorption um das Drei- bis Fünffache verringert.

Nach der Entdeckung des Neutrinos am 22. September 2017 durchsuchte das IceCube-Team das Datenarchiv des Detektors. Tatsächlich gab es zwischen September 2014 und März 2015 aus ungefähr derselben Richtung den bislang stärksten Neutrino-Fluss in den 9,5 Jahren Messzeit. IceCube erspähte innerhalb von 110 Tagen 13 plus/minus 5 Neutrinos, die allerdings energieärmer waren als 170922A. Das bestärkt die Schlussfolgerung, dass TXS 0506+056 eine der Quellen kosmischer Neutrinos ist. Die Zufallswahrscheinlichkeit bezifferten die Forscher auf nur 0,02 Prozent (3,5 Sigma).


Duo auf La Palma: MAGIC (Major Atmospheric Gamma-Ray Imaging Cherenkov Telescopes) besitzt zwei 17 Meter große segmentierte Hauptspiegel. Die beiden Teleskope stehen 85 Meter voneinander entfernt auf dem Roque de Los Muchachos und wurden 2004 beziehungsweise 2009 in Betrieb genommen. Sie messen das Tscherenkow-Licht, das hochenergetische Gammastrahlen zwischen 30 und 100.000 Gigaelektronenvolt in der Erdatmosphäre auslösen. Im Vordergrund befindet sich ein Gebäude für den technischen Betrieb, oben auf dem Bergrücken ist eine der vielen Kuppeln der optischen Teleskope des Roque de Los Muchachos Observatory zu erkennen. [R. Vaas]

»Die Indizien für die Beobachtung der ersten Quelle energiereicher Neutrinos und Kosmischer Strahlen ist zwingend«, meint Francis Halzen. Der Physik-Professor an der University of Wisconsin-Madison ist leitender Wissenschaftler von IceCube. »Die Fähigkeit, global Teleskope für eine Vielzahl von Wellenlängen zusammen mit IceCube einzusetzen, ist ein Meilenstein für das, was wir Multi-Messenger-Astronomie nennen.«

»Das Ergebnis ist eine bemerkenswerte Kulmination von zusammengerechnet Tausenden von Arbeitsjahren des IceCube-Teams, um den Traum der Neutrino-Astronomie Wirklichkeit werden zu lassen«, sagt Darren Grant, Physik-Professor an der University of Alberta und Sprecher der IceCube-Forschergemeinschaft, die sich aus über 300 Wissenschaftlern von 49 Institutionen in zwölf Ländern zusammensetzt. Aus Deutschland sind Forscher von neun Universitäten beteiligt sowie vom DESY (Deutsches Elektronen-Synchrotron) in Zeuthen.


Quartett in Arizona: VERITAS (Very Energetic Radiation Imaging Telescope Array System) auf dem Mount Hopkins besteht aus vier Teleskopen mit je einem zwölf Meter großen Spiegel. Sie haben einen Abstand von etwa 100 Meter zueinander. Sie begannen 2007 mit der Suche nach kosmischen Gammastrahlen zwischen 100 und 30.000 Gigalektronenvolt. [VERITAS Collab.]

Natürlich war 170922A nur die Spitze des antarktischen Neutrino-Eisbergs. Es müssen Millionen derartiger Teilchen von dem Blazar unbemerkt durch IceCube geschossen sein. Und eine neue Studie ergab noch mehr: Nur fünf Prozent aller Blazare würden genügen, um den diffusen kosmischen Neutrino-Fluss zu erklären, den IceCube misst, wenn sie einmal alle zehn Jahre eine Aktivität entwickeln wie TXS 0506+056 im Jahr 2014. Das schätzte Halzen zusammen mit drei Kollegen in einem Fachartikel, den die Forscher Ende 2018 zur Publikation einreichten.

Ursprung der Kosmischen Strahlung

Energiereiche Gammastrahlung kann entweder von stark beschleunigten Elektronen oder Protonen erzeugt werden. Neutrinos entstehen aus dem Zerfall von Pionen als Nebenprodukte von Protonen-Wechselwirkungen. Somit sind die Messungen von TXS 0506+056 der erste definitive Hinweis, dass zumindest ein Teil der Gammaquanten von Blazaren aus der Beschleunigung von Protonen oder Elektronen in der unmittelbaren Umgebung Schwarzer Löcher stammt.

Diese Entdeckung hat weitreichende Konsequenzen, denn sie wirft sozusagen ein Gammalicht auf die aus allen Richtungen eintreffende Kosmische Strahlung. Diese 1911 und 1912 von Domenico Pacini und Victor Hess entdeckte »Höhenstrahlung« enthält die energiereichsten Partikel – hauptsächlich Protonen –, die jemals gemessen wurden. So traf 1991 ein Teilchen die Erdatmosphäre mit 320 Exalektronenvolt (1018 Elektronenvolt) oder 51,3 Joule. Das entspricht dem 50-Millionenfachen der Protonen im Large Hadron Collider oder der Energie eines 110 Kilometer pro Stunde schnellen Tennisballs – konzentriert in einem einzigen Partikel!

Astrophysiker spekulieren seit Jahrzehnten über die Quellen der ultrahochenergetischen Kosmischen Strahlung (ultra-high-energy cosmic rays, UHECRs) und diskutieren die gewaltigsten Prozesse im All weit jenseits der Milchstraße – darunter Sternexplosionen und Stoßfronten bei ihren Überresten, kollidierende Galaxien, Aktive Galaxienkerne sowie exotische Mechanismen, die bislang reine Spekulation sind.

Bereits in den 1990er-Jahren wurden Blazare als Ursache der Kosmischen Strahlung diskutiert. Aber für einzelne Kandidaten reichten die Daten nicht aus, nicht einmal für signifikante statistische Himmelsanalysen. Erste Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang zwischen einem hochenergetischen Neutrino und einem aktiven Blazar (PKS B1424–418) publizierte Matthias Kadler von der Universität Würzburg mit Kollegen im Jahr 2016. Die Unsicherheiten in der räumlichen und zeitlichen Koinzidenz waren jedoch sehr groß.

Die Neutrino- und Gammastrahlen-Messung von TXS 0506+056 ist daher auch bahnbrechend, weil sie erstmals ein klares Indiz dafür liefert, dass Blazare wirklich hinter den energiereichsten UHECRs stecken. Das ist ein weiterer Grund, warum 170922A so viel Aufmerksamkeit erhielt. »Es zeigt uns, dass der Blazar Protonen auf enorme Energien beschleunigt. Somit könnten wir tatsächlich eine Quelle der Kosmischen Strahlung gefunden haben«, freut sich Elisa Bernardini vom DESY.

Protonen selbst verraten dies nicht, weil sie elektrisch geladen sind und daher von den Magnetfeldern überall im Weltraum abgelenkt werden. Entsprechend bewegen sich auch schwerere Atomkerne sowie Elektronen und Positronen auf Umwegen durchs All. Nur Neutrinos und Gammastrahlen breiten sich geradlinig aus und lassen daher Rückschlüsse auf ihren Entstehungsort zu. Neutrinos können sogar sehr dichten Materiekonzentrationen entkommen, in denen selbst Gammastrahlen absorbiert werden.

Hochrechnungen zufolge können Blazare allerdings nur 30 bis 80 Prozent des extragalaktischen Neutrino-Flusses liefern. Somit muss es noch andere Arten von Quellen der energiereichsten Kosmischen Strahlung geben.

Teilchen-Feuerwerk im Jet

Zu klären bleibt außerdem, was genau in den Blazaren vorgeht, um die vielen Boten auf die Reise zu schicken. »Unsere Theorien besagen, dass Neutrinos immer zusammen mit Gammastrahlen entstehen«, erklärt Razmik Mirzoyan vom Max-Planck-Institut für Physik in München, der Sprecher des MAGIC-Forschungsverbunds. »Wir wollen verstehen, wo und wie die Protonen auf höchste Energien gebracht werden, um energiereiche Neutrinos zu erzeugen.«

MAGIC hat gemessen, dass das Gamma-Spektrum von TXS 0506+56 eine klare Signatur aufweist: »Im Energiebereich über 100 Gigaelektronenvolt sehen wir einen Verlust von Photonen. Sie müssen also absorbiert worden sein. Dies deutet darauf hin, dass das IceCube-Neutrino bei Proton-Photon-Reaktionen in den Jets des Blazars entstanden sein könnte«, sagt Elisa Bernardini, die Chefwissenschaftlerin von MAGIC. »Dieses Ergebnis spricht für ein Zusammenspiel der beiden Botschafter – Neutrinos und Gammastrahlen«, ist Mirzoyan überzeugt. »Dabei liefern die Gammastrahlen Informationen, welche teilchenphysikalischen Prozesse im Jet ablaufen. Außerdem bestätigen die Resultate, dass neben den Neutrinos ein Teil der Gammastrahlen von energiereichen Protonen produziert wird – und nicht von anderen Teilchen-Interaktionen.«

Wenn Kernteilchen im Blazar mit Ultraviolett- und Röntgenstrahlung wechselwirken, entstehen Pionen. Ein geladenes Pion wandelt sich über ein Myon um zu einem Elektron oder Positron sowie zu drei Myon-Neutrinos, wie sie IceCube detektieren kann. Ein neutrales Pion zerfällt in zwei Photonen mit ähnlicher Energie wie die der Neutrinos.


Quellen Kosmischer Strahlung: In der Umgebung galaktischer Schwarzer Löcher werden Protonen und andere Teilchen auf riesige Energien beschleunigt. [Illustration: DESY, Science Communication Lab]

Die meisten Gammastrahlen entstehen allerdings nicht über solche »hadronischen Prozesse«, sondern »leptonisch«, wie die Physiker sagen, also bei einer Streuung mit Elektronen. Das legt ein neues Modell nahe, dass das MAGIC-Team auf Grundlage seiner späteren Messungen entwickelt hat.

Die Forscher gehen davon aus, dass die Protonen und Elektronen aus dem inneren Jet mit Photonen aus einem langsamen Plasma-Mantel ringsum interagieren. Das passt gut zu einer neuen Studie von Physikern um Shan Gao vom DESY in Zeuthen. Und es kann erklären, warum die Gammastrahlen und Neutrinos einen ähnlichen Energiefluss aufweisen: rund 1040 Joule pro Sekunde. Auch die Beschleunigung von Protonen auf Energien bis zu 1018 Elektronenvolt, typisch für die stärkste Kosmische Strahlung, lässt sich im Rahmen dieses Modells nachvollziehen.

Kurzum: Die Astrophysiker lernen allmählich, die vielen Botschaften aus dem All zu entziffern und ihre Bedeutungen im Zusammenhang zu verstehen. Nun warten sie gespannt auf neue extragalaktische Nachrichten.

Energiereiche Vertiefung:

Vaas, R.: Schwarze Löcher und Superenergien. bild der wissenschaft, Nr. 2, S. 12–33 (2019)

Hinweis:

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