Читать книгу Krimi Paket 10 Thriller: Mord ist kein Vergnügen - Pete Hackett - Страница 37
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ОглавлениеSally hatte keine Ahnung wie viel Zeit seit dem Angriff der Vögel vergangen war. Sie saß starr und regungslos hinter dem Lenkrad und irgendwann war dann der ganze Spuk zu Ende. Immer größere Gruppen von Krähen erhoben sich in die Lüfte und flogen davon, bis keine mehr übrigblieben. Eine Weile noch blieb sie danach auf ihrem Platz sitzen, bevor sie es endlich wagte, die Wagentür zu öffnen und hinaus ins Freie zu treten. Ihre Knie waren weich und sie hoffte nichts sehnlicher, als dass endlich der Abschleppwagen auftauchen würde und sie diesen furchtbaren Ort verlassen konnte. Ihr Blick ging zum Horizont, wo ein Teil der Vögel als dunkler Schwarm am Himmel stand. Aus der Ferne wirkten sie wie ein einziges, düsteres Wesen, das wie ein furchtbarer Schatten durch die Luft geflogen kam. Von der anderen Seite her hörte sie das Getrappel galoppierender Hufe. Sie drehte sich herum und sah einen Reiter auf einem Apfelschimmel herannahen.
Endlich!, dachte sie.
Wer immer das auch sein mochte, sie würde nicht mehr allein sein. Sie ging ein paar Schritte, dann blickte sie die blumenbewachsene Böschung hinab, die sich ungefähr zwei oder drei Meter neben der Straße befand. Auf der Wiese, halb durch einen Busch verdeckt lag etwas Helles, Blutiges.
Sally stockte der Atem, als sie es sah.
Es waren die Überreste eines toten Lamms.
Offenbar hat der Angriff doch nicht mir gegolten, ging es Sally durch den Kopf und das erleichterte sie irgendwie.
Der Gedanke daran, dass harmlose Vögel sich in mordlüsterne Bestien verwandelten, die Menschen angriffen, war einfach zu absurd. Aber auch dies erschien ihr seltsam genug.
Sally war keine Vogelkundlerin, aber bislang hatte sie noch nie davon gehört, dass Krähen kleinere Tiere angriffen! Daran, dass die Vögel vielleicht nur deshalb das Lamm angegriffen hatten, weil sie Sally nichts anhaben konnten, mochte sie gar nicht denken.
Inzwischen war der Reiter heran und zügelte sein Pferd.
"Guten Tag, Ma'am", sagte eine feste, sehr sicher wirkende Stimme. Sally löste sich von dem Anblick des Lamms und blickte in das Gesicht eines Mannes, der wie das Musterbild eines englischen Landadligen aussah. Sein Alter mochte irgendwo zwischen dreißig und vierzig liegen. Es war einfach unmöglich, es genau zu schätzen. Er trug einen dunklen und sehr schmalen Oberlippenbart. Seine Augen waren braun und wirkten sehr aufmerksam. Das Jackett und die Mütze, die er auf dem Kopf trug, waren aus grobem Tweedstoff. Er stieg aus dem Sattel und die elegante Art und Weise wie er das machte, verriet den geübten Reiter. Er deutete auf das Lamm. "Sie sehen ja ganz bleich aus, aber seien Sie nicht zu sehr erschreckt, Ma'am..."
"Was?" Sally stutzte und glaubte schon sich verhört zu haben.
Der Reiter nickte freundlich. Er sah noch einmal kurz zu dem Lamm hin und meinte dann: "Das waren die Vögel, nicht wahr?"
"Ja."
"Das ist leider nicht der erste Fall hier in der Gegend. Aus unerfindlichen Gründen sammeln sich die Krähen zu Schwärmen und greifen Lämmer und andere kleine Tiere an, manchmal sogar Kälber. Sie machen das ganz planmäßig. Zuerst haben sie es auf die Augen abgesehen. Und wenn das betreffende Tier dann blind und hilflos ist, haben sie leichtes Spiel und können auch Tiere töten, die ihnen eigentlich an Kraft weit überlegen sind... Zum Schluss höhlen sie das Opfer von innen aus. Sie fressen alles, nur das Fell und die Knochen bleiben zurück." Er zuckte die Achseln. "Ich besitze einige Ländereien hier in der Gegend und es hat auch von meinen Tieren welche erwischt." Plötzlich entspannte sich sein Gesichtsausdruck wieder, der einen etwas grimmigen Zug bekommen hatte. Er reichte Sally die Hand.
"Entschuldigen Sie, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe. Ich bin Sir Ashley Wyndham..."
"Sally Rogers", erwiderte Sally. Die Sache mit den Vögeln saß ihr noch in den Knochen. "Wenn Sie hier in der Gegend wohnen, dann kennen Sie sicher auch Carson Manor."
"Sicher. Das ist hier ganz in der Nähe... Sind Sie eine Verwandte von Mrs Carson?"
Sally schüttelte den Kopf.
"Nein. Ich bin Antiquarin und soll ihre Bibliothek katalogisieren."
"Ah, ja...", murmelte Sir Ashley Wyndham in einem Tonfall, der entweder signalisierte, dass er Bescheid wusste, oder dafür sprach, dass ihn dieses Thema nicht sonderlich interessierte.
Sally war sich da nicht sicher.
"Leider hat mein Wagen mitten in dieser Öde den Geist aufgegeben und der Abschleppdienst lässt auf sich warten. Und dann kamen plötzlich die Krähen..."
Sir Ashley tätschelte seinem Pferd den Hals. "Ja, das mit den Vögeln ist tatsächlich ein Rätsel. Ich habe mich eingehend erkundigt, bei allen meinen Pächtern, bei den Schäfern... Selbst die Erfahrenen unter ihnen, die zum Teil schon mehr als dreißig Jahre ihre Arbeit machen und ansonsten über jeden Grashalm eine erstaunliche Geschichte zu erzählen wissen, haben so etwas noch nicht erlebt.Ich weiß, dass das absurd klingt, aber es scheint, als ob eine geheimnisvolle Macht sie lenkt. Aber ich beginne jetzt Unsinn zu reden..." Sir Ashley strich sich das Revers seines Tweed-Jacketts glatt und zuckte dann die Achseln. "Vielleicht sollte man mal eine großangelegte Jagd auf diese Vögel veranstalten, um wenigstens ihre Anzahl etwas zu reduzieren..." Er reichte ihr dann die Zügel seines Apfelschimmels und meinte: "Hier, halten Sie mal das Pferd, ich sehe mir in der Zwischenzeit Ihren Wagen an..."
Sally hob die Augenbrauen.
"Ein Lord, der Autos reparieren kann?", meinte Sally und wirkte dabei schon wieder etwas gelöster.
Sir Ashley hob die dunklen Augenbrauen, die gerade wie ein Strich gezogen waren.
"Sagen Sie bloß, Sie halten mich für jemanden, der zwei linke Hände hat!"
"Nun..."
"Bevor Sie irgendetwas sagen, bedenken Sie eines: erfolgloser als Sie werde ich wohl kaum sein können, meinen Sie nicht auch?" Ein Lächeln ging unwillkürlich über ihr Gesicht. Sir Ashley lächelte ebenfalls, aber Sally kam dies eher wie eine Art Maske vor. Sein Gesicht blieb undurchdringlich, und es schien so, als wäre Sir Ashley jemand, der sehr viel Wert darauf legte, dass ihm niemand zu tief hinter die Kulissen sehen konnte.