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Wenig später hatte Sally Rogers Carson Manor erreicht. Es war wirklich ein imposanter Landsitz. Den Hauptteil bildete ein großes, zweigeschossiges Landhaus in klassischem Stil. Darüber hinaus gab es noch ein paar Nebengebäude. Die ursprünglichen Erbauer hatten diese sicherlich als Stallungen und als Wohnräume für das Personal gedacht, aber heute dienten sie wohl in erster Linie als Garagen. Als Sally vorfuhr und den Wagen abstellte, kam ihr ein hochgewachsener, aber bereits etwas in die Jahre gekommener Mann entgegen, der seiner Kleidung und seinem Auftreten nach eine Art Butler war.

"Guten Tag, mein Name ist Sally Rogers. Ich komme von Jackson & Graves in Southampton."

"Ja, ich weiß Bescheid", sagte der Butler. "Darf ich Ihr Gepäck nehmen?"

"Gerne. Viel ist es nicht."

Sally gab ihm ihren Handkoffer. Da sie viel reisen musste, hatte sie es sich angewöhnt mit wenig Gepäck auszukommen. Das war einfach praktischer.

"Wir hatten uns schon etwas Sorgen um Sie gemacht", sagte der Butler, während er vor ihr herging.

Sally berichtete knapp von ihrer Reifenpanne. Die Sache mit den Vögeln erwähnte sie nicht. Warum auch?

"Sie werden sicher die nächsten Tage über Nacht bleiben - so wurde mir gesagt."

"Ja", bestätigte Sally.

"Ich habe ein Zimmer für Sie hergerichtet und hoffe, dass alles nach Ihrem Geschmack ist."

"Danke, das wird es sicher."

"Mrs Carson hat im Moment Besuch, wird Sie aber gleich empfangen, Miss Rogers." Der Butler führte sie ins Obergeschoss. Das Zimmer, das er für sie hergerichtet hatte, erschien ihr riesig. Die Möbel wirkten gediegen und kostbar. Manche davon hätten sich sicher gut in einem Antiquitätengeschäft wie Jackson & Graves gemacht... Wenig später führte der Butler sie in eine Art Salon und bat sie, in einem der zierlich wirkenden Sessel doch Platz zu nehmen.

"Sie trinken doch eine Tasse mit, nicht wahr?"

"Gerne." Sie deutete auf das überdimensionale Portrait-Gemälde, das eine der Wände dieses Salons beherrschte.

Es stellte einen Mann in Reiterkleidung dar, vielleicht Mitte vierzig und mit kantigem, energisch wirkendem Gesicht.

"Wer ist das?", fragte Sally

"Das ist Arthur Carson", erklärte der Butler.

Und Sally entfuhr unwillkürlich ein "Oh."

"Er verstarb bei einem Reitunfall und obwohl das bereits recht lange her ist, leidet Mrs Carson noch immer darunter. Wenn sie plötzliche Stimmungsschwankungen bemerken sollten, dann seien Sie nachsichtig, Miss Rogers."

"Natürlich."

Dann verschwand der Butler.

Die Tür zum Salon blieb dabei halb geöffnet. Knarrend wurde der Spalt durch einen Luftzug noch etwas größer.

Sally erhob sich, um die Tür zu schließen, aber sie hatte sie kaum erreicht, da hörte sie aus dem Flur Stimmen und Schritte.

"Ich danke Ihnen, Mister Heyward", hörte sie eine Frauenstimme sagen. "Es beruhigt mich doch sehr, zu wissen, dass Arthur mit allem einverstanden ist..."

"Sie tun das richtige, Mrs Carson...", sagte eine Männerstimme, die hart und metallisch klang.

"Mister Heyward, Sie wissen ja gar nicht, was es für mich bedeutet, dass Sie eine Verbindung herstellen konnten..."

"Sie war nur sehr kurz, Mrs Carson. Kurz und instabil. Ich weiß nicht, ob wir es noch einmal schaffen..."

"Tun Sie alles, was in Ihrer Macht steht, Mister Heyward!"

"Das wird nicht einfach sein und vielleicht auch etwas Zeit brauchen..."

"Ganz gleich, was es auch kosten mag! Ich bin bereit, dafür alles zu geben! Alles!"

"Ich weiß."

"Ich wüsste nicht, was ich ohne Sie tun würde, Mister Heyward... Sie können sich nicht vorstellen, in welche düsteren Täler der Verzweiflung ich für lange Zeiten gestürzt bin..."

Es war sicherlich nicht Sallys Absicht gewesen zu lauschen.

An sich war sie stets peinlich darauf bedacht, die Privatsphäre anderer zu beachten. Aber das, was da an ihre Ohren drang, war einfach so merkwürdig, dass sie nicht anders konnte, als zuzuhören.

Offenbar ging es um Arthur Carson, einen Toten, von dem gesprochen wurde, als würde er noch leben.

Sally atmete tief durch.

Närrin!, schalt sie sich selbst. Du siehst schon Gespenster.

Vermutlich gibt es irgendeinen lebenden Verwandten gleichen Namens...

Dann drang erneut die metallisch klingende Stimme jenes Mannes in ihr Bewusstsein, der Heyward hieß.

"So sehr ich Ihre Freude über die Verbindung zum Geist Ihres toten Mannes auch teile, Mrs Carson: Ich mache mir Sorgen um Sie. Und nicht nur um Sie!"

"Ich weiß, Mister Heyward!"

"Sie müssen lernen, mit dieser grausamen Kraft umzugehen, die Ihre Gedanken besitzen! Sonst ist es nur eine Frage der Zeit, wann wieder ein Unglück geschieht. Und es wird niemanden geben, der dann etwas dagegen tun kann! Auch Sie nicht!"

"Ich habe das Gefühl, das meine Kräfte stärker und stärker werden...", sagte Mrs Carson in gedämpftem Tonfall.

"Ich weiß", sagte Heyward. "Das ist in solchen Fällen oft der Fall..."

"Die Vögel..."

"Die Vögel sind kaum mehr als ein Vorspiel von dem, was noch geschehen kann!"

"Mr Heyward, ich bin so verzweifelt... Ich komme gegen diese Mächte nicht an!"

"Gemeinsam werden wir einen Weg finden, Mrs Carson. Das verspreche ich Ihnen!"

Heyward verabschiedete sich dann.

Wenig später war zu hören, wie draußen ein Wagen angelassen wurde und wegfuhr.

Krimi Paket 10 Thriller: Mord ist kein Vergnügen

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