Читать книгу Die besten 11 Western des Sommers 2021 - Pete Hackett - Страница 11
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ОглавлениеAm frühen Morgen schon hatte Jeremy Shane das leichte Rindenkanu beladen. Als er vom Ufer abstieß, rief Snow ihm nach: »Pass auf das Boot auf; der Fluss hat tückische Stellen. Und lass dich nicht von den Weibern ausnehmen?«
Crazy Shane winkte mit dem Ruder, ohne sich umzuschauen. Vor ihm stapelten sich die Bündel seiner Felle und drückten das leichte Boot tief ins Wasser. Seine lange Pennsylvania Rifle lag griffbereit neben ihm auf dem Boden, und er beobachtete aufmerksam die Ufer, die rasch an ihm vorbeiglitten, da er mit der Strömung flussabwärts fuhr.
Als Jeremy Crazy Shane am nächsten Tag Fort Benton erreichte, stellte er fest, dass die Handelsniederlassung seit seinem letzten Hiersein beträchtlich angewachsen war. Sogar so etwas wie eine Straße war entstanden mit einem aus Brettern und Balken erbauten Hotel, Saloons und Verkaufshütten, in denen es Dinge gab, die Shane noch nie gesehen hatte. Der Lärm und die vielen Menschen verwirrten ihn, und er wäre am liebsten wieder in sein Kanu gestiegen und den Fluss hinaufgerudert. Aber die Neugier, die Jedediah Snow in ihm geweckt hatte, war stärker. Und so begab er sich zum Fluss zurück, nachdem er seine Felle zu einem befriedigenden Preis an die American Für verkauft hatte, und bestaunte den großen Flussdampfer, der ruhig wie ein schlafender Riese am Ufer lag und sich durch das hektische Treiben ringsum nicht im mindesten stören ließ.
Chippewa stand in großen Buchstaben am Bug. Auf der vorderen Hälfte hoben sich zwei nebeneinanderstehende Schornsteine wie gigantische Totempfähle in den Himmel, und am Heck ragte ein großes Schaufelrad zu zwei Dritteln aus dem Wasser.
»Heh, Crazy Bear!«, hörte Shane hinter sich eine tiefe Stimme, und jemand schlug ihm auf die Schulter, dass er das Gefühl hatte, ein Grizzly hätte ihn mit seiner Tatze erwischt. »Da will ich doch gleich verdammt sein!«
Shane drehte sich um und sah sich einem seltsamen Paar gegenüber. Der eine, der eine abgeschabte und speckige Büffellederjacke trug, war ein Riese mit breiten Schultern und gewaltigen Händen, die. ein Übermaß an Kraft verrieten. Der andere war von eher kleiner und hagerer Statur, hatte ein spitzes Mäusegesicht und kleine, flinke Augen.
»Hallo, Big Brady«, entfuhr es Shane, »alter Blutsäufer, willst du mir die Knochen zerschlagen?«
Brady ließ ein dröhnendes Lachen hören. »Wieso hast du eigentlich deine Haare noch? Ich hörte, dich hätten letzten Sommer schon die Blackfeet erwischt.«
»Alles Gerüchte, wie du siehst.« Shane ließ sein langes Gewehr in die Armbeuge gleiten. »Aber wen hast du denn da bei dir?«
»Das ist Pelletier, er ist Francocanadier. Wir waren mit ’ner Gruppe am Yellowstone unterwegs.«
»Bist du schon lange hier?«, fragte Shane.
Brady spie einen Strahl Tabaksaft auf den Boden. »Lange genug, um wieder zu verschwinden. Dieser Ort wird immer größer und lauter. Ich will doch gleich verdammt sein, wenn ich so viel Menschen schon jemals auf einen Haufen gesehen habe.« Er wies mit einer Bewegung seines massigen Schädels auf das Dampfboot. »Und diese verdammten Dinger bringen ’ne Menge Spitzbuben her, die dir das Fell über die Ohren ziehen, bevor du dich herumgedreht hast. Ich bin froh, wenn ich erst wieder da draußen bin, wo du noch den Wind hören kannst, der durch die Berge streicht, und wo es nicht nach Unrat und Abfällen stinkt.«
»Du hast wohl recht, Bruder«, schnaufte Shane. »Als ich vorhin hier ankam, dachte ich, die Hölle wäre los. Wenn die so weiter machen, bauen sie ihre verdammten Häuser noch bis in die Berge hinein, und ihr Gestank wird die Bäume absterben lassen und der Lärm das Wild verjagen. Aber jetzt lass uns erst mal was zur Brust nehmen. Mir ist schon vom vielen Reden die Kehle ganz trocken, schätze ich.«
Sie drehten der Anlegestelle gemeinsam den Rücken und wandten sich der Straße mit ihrem quirligen Treiben zu.
»Was machen die Biber oben am Flathead?«, fragte Brady, während er neben ihm herlief.
»Kann nicht klagen«, brummte Shane zurück.
Dann blieb er plötzlich stehen und starrte eine junge Frau an, die aus einem der Verkaufsschuppen kam und über die Straße ging. Sie war noch fast ein Mädchen, und ihr goldblondes Haar, dessen Fülle sie im Nacken zusammengerafft hatte, von wo aus es in neckisch tanzenden Locken über Schultern und Rücken fiel, glänzte in der Sonne. Jeremy Shane konnte sich nicht erinnern, jemals so blonde Haare gesehen zu haben. Sie kam so dicht an ihm vorbei, dass er den eigenartig fremden Duft riechen konnte, der sie umgab. Er gefiel ihm nicht besonders, denn er war so fremd und ungewöhnlich, dass man sich wohl erst daran gewöhnen musste; aber er betörte ihn irgendwie, so wie Brandy, der seine Sinne leicht machte.
Das Mädchen bemerkte seinen verwunderten Blick und verhielt kurz den Schritt vor ihm. Mit ihren blauen Augen, die beinahe so groß wie Abalone-Muscheln waren, lächelte sie einladend zu ihm hoch, und Shane merkte, wie ihm das Blut stockte. Sie war so nahe bei ihm, dass er in dem großzügigen Ausschnitt ihres himmelblauen Kleides die zarte, weiße Haut ihres Brustansatzes sehen konnte.
Ehe Shane schlucken konnte, war sie schon wieder weg, und er starrte ihr nach, wie sie zum Missouri-Hotel hinüberging.
»Allmächtiger!«, stöhnte Shane.
Das enge Kleid ließ jede Form ihrer herrlichen Figur erkennen, und sie bewegte sich in einer Weise, die dem Mann aus den einsamen und wilden Bergen den Hals strohtrocken machte.
Big Brady stieß ihn unsanft an. »Nun glotz nicht so. Das war Betsy Blue«, erklärte er beiläufig. »Blue, wegen ihrer ungewöhnlich blauen Augen. Damit zieht sie den armen Hunden das Geld aus der Tasche. Sie kostet fünfzehn Dollar, aber du kannst für zehn welche haben, die genauso gut sind.«
Natürlich glaubte Shane ihm das nicht. Das, was er soeben gesehen hatte, konnte es nicht ein zweites Mal geben.
Er sah nicht, wie Betsy Blue eine Außentreppe erklomm und durch eine Tür im oberen Stockwerk des Hotels verschwand, dann trottete er den anderen beiden nach.
Rauch und Whiskydunst schlugen ihnen aus einer windschiefen Schankhütte entgegen und machten den Duft von eben zur fernen, unwirklichen Erinnerung. Der Whisky steigerte die Erregung noch, die von Shane Besitz ergriffen hatte. Das Bild ihres halb entblößten Busens schwebte wie ein halb durchsichtiger Schleier vor sei ’nen Augen, wohin er auch schaute.
»Hallo, Crazy Bear Shane!«, brüllte eine trunkene Stimme von irgendwoher. »Was machen die Squaws bei den Flatheads? Sind sie immer noch so wild?«
Shane nickte nur, ohne den Rufer zu beachten.
»Die sind jetzt unten durch bei ihm«, röhrte Big Brady heiser. »Er hat soeben Betsy Blue gesehen.«
Dröhnendes Gelächter umbrandete ihn wie eine Meereswoge.
»Pass auf«, grölte jemand, »bei der kannst du mehr als nur den Skalp los werden.«
Das raue Lachen schwoll zu einem Sturm an. Shane goss den dritten Whisky in sich hinein und schrie: »Macht eure dreckigen Mäuler zu, verdammt noch mal!«
»Zum Teufel, vergiss sie wieder«, grunzte Big Brady dicht neben ihm. »Du wirst bei ihr nur dein Geld los, und in der Wildnis taugen doch nur Squaws etwas. Vor Jahren hatte ich eine von den Crows weiter im Süden, als ich in den Wind River Bergen war. Die war zehn Betsys wert. Ein bisschen fett, zugegeben, aber das ist gut für die kalten Winternächte, sage ich dir.«
Die Heiterkeit der anderen, die auf seine Kosten ging, reizte Jeremy Shane. Er riss fluchend seine Pistole aus dem Gürtel und feuerte so dicht über die Köpfe, dass einige von ihnen meinten, den Luftzug der Kugel zu spüren.
»Ich schieße euch Idioten die Köpfe von den Schultern, wenn ihr nicht eure gottverdammten Schnapslöcher zumacht! « brüllte er wie ein verwundeter Grizzlybär und verließ das Lokal. Der Alkohol machte ihn unternehmenslustig, und wenn Betsy Blue das Doppelte kostete, verdammt noch mal, er wollte sie haben!
Hinter ihm blieb Tumult zurück.
»Der war schon immer ein bisschen verrückt«, knurrte Big Brady und wandte sich wieder seinem Glas zu.