Читать книгу Die besten 11 Western des Sommers 2021 - Pete Hackett - Страница 19
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ОглавлениеDas alles war nun schon wieder eine Weile her, als er an diesem Morgen den Braunen sattelte und wegritt.
Mit der Pelzjagd war jetzt über die Sommermonate nicht viel los, aber er hatte es satt, immer nur von Mehl, Speck und Kaninchen zu leben. Und er hatte sich aufgemacht, damit er und Betsy Blue endlich wieder etwas Ordentliches zwischen die Zähne bekamen. Außerdem brauchte er Hirschhäute, damit seine Frau nicht immer in derselben alten Wolldecke herumlaufen musste, aus der sie sich unter Shanes Anleitung ein Kleidungsstück hergestellt hatte.
Jeremy Shane kannte die Stellen, wo die Hirsche am Morgen zum Fluss herunterkamen.
Als es hell wurde, war er bereits eine Stunde unterwegs, und er musste sich beeilen, um nicht zu spät zu kommen.
Nach einer weiteren Stunde ließ er das Pferd zurück, um seine Annäherung nicht zu verraten. Er nahm sein langes Gewehr mit und huschte lautlos auf seinen Mokassins davon.
Es gab nur wenig Bäume hier, dafür aber zahlreiche Felsklippen, die aus der grasbedeckten Erde ragten wie Knochenstümpfe aus dem Fleisch eines zerschmetterten Tierkadavers.
Gegenüber eines mit Buschwerk gesäumten Waldrandes hielt er an und hockte sich in der Deckung eines Felsklotzes hin.
Es waren bereits Hirsche dagewesen. Er sah selbst von seinem Standort aus die Abdrücke ihrer Hufschalen im weichen Boden des Uferstreifens. Geduldig wie ein Berglöwe wartete er.
Nach einiger Zeit traten sie drüben aus dem Wald. Ein ganzes Rudel mit drei Kälbern. Sie sicherten zuerst nach allen Seiten und zogen dann zum Ufer.
Jeremy Shane suchte sich einen jüngeren Bock aus, und während er das Gewehr in Schussposition brachte, zog er mit dem Daumen den Hahn nach hinten. Eine Hirschkuh verdeckte den Schuss auf den Bock.
Jeremy Shane wartete.
Die Kuh trottete zum Wasser. Der Bock hob den Kopf und hielt den Windfang in die Luft. Shane visierte das Blatt an und zog ab. Der Stein schlug Funken an der Batterie, und während das Pulver zündete, bewegte sich der Hirsch und scheute zurück. Der Donner des Schusses hallte weit über den Fluss, und Shane hörte die Kugel in den Körper des Bockes klatschen. Das Tier warf sich herum.
Das ganze Rudel preschte aufgescheucht vom Ufer weg und auf den schützenden Wald zu.
Fluchend kam Jeremy Shane hinter seinem Stein hoch und schaute den davonrennenden Hirschen nach. Das Tier, das er getroffen hatte, blieb etwas zurück und musste sich beim Laufen schwer anstrengen, aber es machte nicht schlapp und fiel auch nicht.
Verdammt, ihm wurde nichts geschenkt heute. Missmutig griff er zum Pulverhorn, das an seiner rechten Seite hing, und lud die Waffe wieder. Erst als er damit fertig war, verließ er den Platz, von dem aus er geschossen hatte, und lief zu der Fährte des Rudels hinüber.
Ganz deutlich sah er, dass der angeschossene Bock ziemlich stark schweißte. Die Blutspur folgte den Hufabdrücken bis zum Wald hin.
Wie weit würde er noch kommen, ehe er zusammenbrach und verendete? Eine Meile? Vielleicht auch zwei.
Jeremy Shane beschloss, sein Pferd zu holen und sich an die Verfolgung zu machen. Der Hirsch war zu schade, um ihn den Wölfen zu überlassen.
Die Fährte, der Shane folgte, war deutlich, und nach knapp einer Meile war der Hirsch in einer Bodensenke zusammengebrochen, deren jenseitigen Hang er nicht mehr geschafft hatte.
Aber das, was Shane veranlasste, abrupt sein Pferd anzuhalten und aus dem Sattel zu springen, war nicht der tote Hirsch, sondern der gewaltige Grizzly, der sich über ihn hergemacht hatte und beim Herannahen des Reiters unwillig brummend den zottigen Kopf wandte.
»Das könnte dir so passen, du Halunke«, knurrte Shane und spannte das Schloss seiner Waffe. »Schlag dir deine Beute gefälligst selber.«
Aber der Bär machte keine Miene, von dem Hirschkadaver abzulassen. Er wandte sich vielmehr diesem Störenfried zu, der sich da in so unverfrorener Weise näherte und ihm die Beute streitig zu machen suchte, und richtete sich mit drohendem Gebrumm zu imponierender Größe auf seine Hinterpfoten auf.
Wie du willst, dachte Shane, so kann ich dich auch besser treffen, und hob das Gewehr. Der Grizzly war nur noch fünf Schritte entfernt, und Shane erschrak höllisch, als der Feuerstein gegen die Batterie schlug und nicht zündete.
Der Bär kam näher.
Shane zerbiss einen hastigen Fluch und versuchte es noch einmal, aber mit dem gleichen Erfolg. Vielleicht hatte er beim Laden der Waffe Fett an Feuerstein oder Batterie gebracht, sodass er jetzt keine Funken schlug.
Es gab keine Zeit zu weiteren Überlegungen. Shane ließ das Gewehr fallen und riss die Pistole heraus. Feuer und Rauch bleckten dem gewaltigen Tier entgegen, und die Kugel drang nahezu ohne Wirkung in den massigen Körper. Der Grizzly brüllte laut und drohend.
Verdammt, dachte Shane verzweifelt, hätte ich lieber Betsys neumodischen Revolver mitgenommen als dieses Ding. Aber er hatte diese Waffe zu ihrem Schutz bei ihr zurückgelassen.
Ein fürchterlicher Prankenhieb traf Shane an Schulter und Hals und fegte ihn von den Beinen wie ein Bündel Stroh. Die Pistole fiel ihm dabei aus der Hand, und er tastete benommen nach dem großen Green-River-Messer. Er wusste, dass es idiotisch war, aber es war nun mal die einzige Waffe, die ihm geblieben war, um sich zu wehren. Und ans Aufgeben denken? Nein, aus dieser Art von Holz war er nicht gemacht.
So riss er also sein Messer aus der Scheide und trachtete danach, den Boden unter die Füße statt unter den Hintern zu bekommen, wobei er natürlich versuchen musste, diesen mörderischen Tatzen aus dem Wege zu gehen.
Ziemlich viel auf einmal, und er schaffte es auch nicht ganz. Der Grizzly war, trotz seiner gewaltigen Masse, sehr behände, und so rissen ihm die scharfen Krallen das Leder seiner Bekleidung von der Schulter. Er stolperte erneut, und ehe er sich’s versah, befand er sich zwischen diesen riesigen, mit dickem Fell umhüllten Gliedmaßen, das dumpf knurrende Maul mit seinem heißen Atem direkt über ihm.
Aus!, dachte er verzweifelt und stieß sein Messer mit unheimlicher Wucht irgendwo in diesen zottigen Körper. Irgendwann und irgendwie muss ein Mann ja mal enden. Aber, zum Teufel, musste es gerade jetzt sein, wo er eine Frau wie Betsy zu Hause hatte?
Shane versuchte erst gar nicht, das Messer wieder herauszuziehen. Zu einem zweiten Stoß blieb ihm ohnehin keine Zeit, ehe diese scheußlichen Pranken ihn zerquetschten wie eine Pflaume oder Hackfleisch aus ihm machten.
Aber da spürte er, wie noch etwas anderes in diesen aufbrüllenden Muskelkoloss hineinschlug, und er hörte dabei zwei kurz hintereinander abgefeuerte Schüsse, deren Detonationen ihm so verheißungsvoll in den Ohren klangen wie wohl bei frommen Menschen das Geläute von Kirchenglocken.
Während sich der große Körper unter den Einschlägen der Kugeln versteifte, presste Jeremy Shane die Luft aus seinem eigenen heraus und ließ sich instinktiv nach unten sacken. Er entkam so dieser tödlichen Umklammerung und rollte sich hastig von dem noch im Fallen um sich schlagenden Tier weg.
Irgendjemand hatte da geschossen und ihm das Leben gerettet. Langsam sickerte diese Erkenntnis in sein Bewusstsein.