Читать книгу Die besten 11 Western des Sommers 2021 - Pete Hackett - Страница 6

Heinz Squarra: ​Bellfort schickt Hilfe

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In Crisbee gehen die Uhren anders, denn der Gründer der Stadt, Douglas Crisbee, will weder eine Lehrerin, noch einen Marshal, noch die allgemein gültige Gesetze dulden. Für den US-Marshal Clark Howard und die neue Lehrerin Miss Miller ist es ein harter Weg, Recht und Ordnung in die Stadt zu bringen - ein Weg, der mit dem plötzlichen Tod enden kann. Niemand kann sagen, zu welchen Mitteln Crisbee noch greifen wird.



1

Mary Miller benutzte die Überlandpost. Eine der ständig rollenden Postkutschen, die unterwegs immer wieder die Gespanne wechselten, brachte sie in dreiunddreißig Stunden genau zweihundert Meilen nach Südwesten.

Langsam senkte sich der Abend über das weite, eintönige Land. Die Sonnenstrahlen wurden schräger und länger. Sprunghaft tanzten die Schatten der Kutsche über Sand und Steine. Ein leichter Wind kam auf, der durch das offenstehende Fenster drang. Aber er brachte den eingepferchten Menschen keine Kühlung. Er trieb vielmehr die Gluthitze der nackten Felsgiganten von den fernen Rocky Mountains heran.

Plötzlich wurde das ständige Schlagen und Stoßen der Kutsche, das die Fahrgäste durcheinander geschüttelt hatte, unterbrochen. Das Mahlen der Räder verebbte. Eine wohltuende Ruhe breitete sich aus, die nur von dem Schnauben der Pferde gestört wurde.

„Noch zwanzig Meilen bis Crisbee. Zehn Minuten Aufenthalt für einen Drink und ein neues Gespann!“, rief der Fahrer, indem er sich vom Bock beugte und in den Kasten hinter sich lugte.

Steif kletterten die Reisenden aus dem schwankenden Gefährt. Die Fahrt durch das Red-River-Valley war heiß gewesen.

„Darf ich Ihnen helfen, Madame?“, fragte ein junger Mann artig. Er saß Miss Miller seit Laredo gegenüber und versuchte die junge Frau mit gewürzten Geschichten zu unterhalten.

Mary Miller streckte ihm lächelnd, aber etwas abgespannt, wie es schien, ihre Hand entgegen.

„Natürlich, Mister Howard, warum nicht?“

Nebeneinander gingen sie auf das Stationsgebäude zu, das zugleich Gasthaus und Handelstore darstellte.

Seufzend befreite sich noch aus dem Türrahmen der Chaise eine dicke Farmersfrau, der ein Whiskyreisender folgte.

„Qualvoll, diese Post!“, sagte die Frau. Der Whiskyreisende nickte ergeben. Er zog ein riesiges, großkariertes Taschentuch aus seiner Hosentasche und wischte über seine Glatze.

Im Inneren der Station fanden sie ein kaltes Büfett vor, an dem belegte Brote, Kaffee, Tee und auch schärfere Sachen zu haben waren.

Clark Howard bestellte bei dem unansehnlichen Mädchen hinter dem Schanktisch einen Kaffee für Miss Miller und einen Whisky für sein eigenes Wohlergehen. Von einem Messingteller langte er einige Brote, die mit Wurst belegt waren.

Der Whiskyreisende setzte sich ans Ende der Tafel und zog den ganzen Teller zu sich hinüber.

„Sie gestatten doch“, grunzte er dazu mit einer Stimme, die jeden Widerspruch der anderen Gäste im Keime erstickte. Laut schmatzend begann er zu kauen. Er stürzte seinen Schnaps über die Zunge und schnippte das Glas über die Theke.

„Los, Kleine! Noch einen Whisky! Er taugt zwar nicht viel, aber ich muss mir den Staub dieses verdammten Landes aus der Kehle spülen!“

Das farblose Mädchen schenkte wortlos ein. Clark Howard glaubte plötzlich zu wissen, dass ihr Leben auf dieser einsamen Station bestimmt hart und bitter sein musste.

Dann blickte er Mary Miller an. Sie war blond und eine sportliche Erscheinung, die im Allgemeinen nicht ohne Eindruck auf die Männer blieb.

„Sie sind also die neue Lehrerin von Crisbee?“

„Ja.“

„Ich habe gehört, dass Crisbee eine harte, raue Stadt sein soll. Douglas Crisbee, dem die Stadt ihren Namen verdankt, soll ein Diktator sein, der von der Schule nichts wissen will. Schätze, Sie werden einen schweren Stand haben.“

Mary blickte den Mann von der Seite her an.

„Sind Sie nicht erstaunlich gut informiert, Mister Howard?“

Der Mann zuckte die Schultern.

„Was ich weiß, wissen viele Menschen in Südtexas. Der Richter von Crisbee, Hugh Förster, hat über die seltsamen Methoden des tonangebenden Ranchers Crisbee einen langen Bericht nach Bellford gesandt. Es dürfte sich also mit der Zeit herumgesprochen haben!“

Die Frau staunte.

„An wen wurde dieser Bericht geschickt?“

„An Colonel White!“, gab Clark Howard bereitwillig Auskunft.

„Und woher wollen Sie davon wissen?“

„Ich habe den Brief gelesen. Sie dürften es wirklich sehr schwer haben. Crisbee ist nicht gegen die Schule im Allgemeinen, sondern gegen den Unterricht unserer Zeit. Er ist ein alter Pionier, der die Comanchen vertrieben hat und die Stadt vor über dreißig Jahren gründete. Er kann nicht verstehen, dass sie heute nicht mehr seine Stadt sein soll.“

„Der Colonel hat Ihnen also den Brief zu lesen gegeben?“

Clark Howard lächelte über die Beharrlichkeit, mit welcher das Mädchen beim eigentlichen Thema blieb.

„Ja, er hat ihn mir gezeigt. Es war nichts als ein einziger Hilferuf des Richters.“

„Und was gedenkt der Colonel gegen diesen Machthunger eines einzelnen Ranchers zu unternehmen?“

Clark Howard wurde der Antwort enthoben. Der Postfahrer betrat die Gaststube und forderte die Reisenden auf, ihre Plätze in der Kutsche wieder einzunehmen, da er vor Mitternacht Crisbee erreichen wollte.

Clark Howard lächelte etwas verlegen. Umständlich massierte er sein markantes Kinn. Er begleitete Mary Miller an die Kutsche, half ihr beim Einsteigen und reichte der verdutzten Frau die Hand durch das Fenster.

„Bis später!“, sagte er und zog seinen Sattel vom Dach des Gefährts.

„Wollen Sie hierbleiben? In dieser Wildnis?“

Clark nickte.

„Ich habe die Absicht. Aber wir werden uns sicher wiedersehen, spätestens in zwei Tagen, wenn nicht schon morgen.“

Der Kutscher trat neben ihn. Langsam folgte noch ein anderer Mann, der Stationsvorsteher.

„Sie wollen hierbleiben?“

Clark nickte.

„Kann ich ein Pferd kaufen?“, fragte er den Stationsvorsteher leise.

Der Mann antwortete ebenso leise.

„Ja, einen Gaul können Sie kaufen.“

Der Kutscher stieg wieder auf seinen Bock, ließ ein anfeuerndes Schnalzen hören und knallte mit der Peitsche.

„Los!“, kam es donnernd aus seiner heiseren Kehle.

Der Fahrer gab die langen Zügel für die beiden Führungstiere frei. Holpernd und schwankend verschwand das Gefährt in der mit Bodenwellen bedeckten Landschaft. Langsam wurde es Nacht.

Clark Howard ging in den Stall der Poststation. Der Knecht, ein gutmütig aussehender untersetzter Mann, folgte ihm.

„Suchen Sie sich einen Gaul aus, Mister.“

Clark nickte, ging an den Boxen entlang und musterte die Tiere. Vor einem Braunen blieb er schließlich stehen.

„Was soll dieser hier kosten?“

Der Stallknecht besah sich das Pferd, rieb sich die Nase und meinte: „Achtzig Dollar, Mister, wenn Sie gleich bezahlen.“

Als Clark Howard das Pferd gesattelt hatte, führte er es aus dem Stall und schlang die Zügelenden um die Halfterstange vor der Station. Er lauschte in die Runde.

Aus der Ferne dröhnte noch das dumpfe Rollen der Kutsche, sie arbeitete sich eben einen steilen Pass hinauf, hinter dem Crisbee liegen sollte.

Clark Howard trat von dem Pferd weg und ging langsam in das Lokal zurück. Der Raum war leer, nur durch die angelehnte Küchentür drang gedämpft das Klappern von Schüsseln und anderen Gerätschaften. Er zog sich die Whiskyflasche über den Schanktisch und verabreichte sich selbst ein großes Glas des harten Getränkes.

Und dann stand das Mädchen plötzlich in der Türfüllung. Sie lächelte, was ihr Gesicht nur noch halb so hässlich erscheinen ließ, und kam näher. In der Hand hielt sie einen flachen Teller. Clarks Augen wurden groß. Ein Steak dampfte ihm entgegen.

„Sie werden noch Hunger haben“, sagte das Mädchen einfach und setzte den Teller auf die Theke. Clark Howard schwang sich auf einen der hohen Hocker und sah sie fragend an.

„Mein Vater hat mir gesagt, dass Sie dageblieben sind!“, fügte sie erklärend hinzu.

„Ach so“, Howard nickte.

Dann war er wieder allein. Er kaute und trank von dem warmen Whisky, seine Gedanken eilten seinem Weg voraus. Er musste unerkannt nach Crisbee kommen. Der hartgesottene Rancher würde inzwischen herausgefunden haben, dass Hugh Förster Colonel White berichtet hatte. Er würde sicher alle Hebel in Bewegung setzen, um den zu erwartenden US-Marshal abzufangen. Nach Clarks Meinung war die Postkutsche beschattet, sobald sie in die Stadt einfuhr. Crisbee würde innerhalb einer Stunde seine ganze Corona auf die Beine bringen und gegen ihn ansetzen können. Deshalb war Clark Howard ausgestiegen. Er brauchte wenigstens einen halben Tag, um sich unerkannt in der Stadt umsehen zu können.

Unbemerkt war der Stationsvorsteher neben ihn getreten.

„Wer war diese Dame?“, fragte er neugierig, indem er seinen Gast von unten heraus anblinzelte.

„Miss Miller, die neue Lehrerin von Crisbee!“

„Was ...?“ Der Mann vergaß seinen Mund zu schließen. „Crisbee bekommt wieder mal eine Lehrerin?“

Clark nickte ungerührt.

„Warum nicht?“

„Ich glaubte, es würde sich niemand mehr finden, nachdem Miss Drakon vor zwei Jahren so unsanft abgeschoben wurde.“ Der Mann lachte schallend. „Kennen Sie die Geschichte? Miss Drakon lehrte die Kinder Dinge, die nicht unmittelbar mit dem ABC zusammenhingen. Douglas Crisbee ließ die Dame daraufhin in eine Kutsche verfrachten und nach Laredo bringen. Dort stand sie vor der Wahl, freiwillig mit der Eisenbahn abzudampfen, oder von dem Muskelmann Ben Fraser in der Kutsche weiterbefördert zu werden. Sie entschied sich damals für die Eisenbahn.“

Clark schob seinen Teller zur Seite, wischte über den Mund und sah den Vorsteher an.

„Schätze, das wird sich mit Miss Miller nicht wiederholen.“

„Dann muss sie sich an das halten, was Douglas Crisbee ihr sagt!“

Howard schüttelte seinen Kopf.

„Nein, auch das wird nicht nötig sein. Sie kann in der Schule ruhig von der neuen Staatsordnung sprechen, genauso wie es Miss Drakon getan hat.“

„Wollen Sie ihren Schutz übernehmen?“

Clark nickte.

Der Stationsvorsteher musterte den Mann nun genauer.

„Dann hätten Sie aber in der Kutsche bleiben müssen, Mister.“

„Ich hatte meine Gründe, den Dampfer hier zu verlassen. Denke, das Pferd wird mich auch in die Stadt bringen können.“

Der Mann wunderte sich. Genaugenommen verstand er kein Wort mehr. Wenn der Gent nach Crisbee wollte, warum war er dann beim letzten Pferdewechsel ausgestiegen? In der Stadt konnte er doch bedeutend billiger ein Pferd erwerben?

Clark Howard sah keinen Grund, dem Mann eine lange Erklärung für sein Verhalten zu geben. Früh genug würde es sich herumsprechen, was es mit seinem seltsamen Benehmen auf sich hatte. Er drehte sich von seinem Hocker, warf ein Geldstück auf die Theke und marschierte sporenklirrend auf die Glastür zu.

„So long“, murmelte er, dann schwang die Tür hinter ihm zu.


2

Mary Miller bewies schon sehr bald, dass sie nicht gewillt war, sich in ihre Methoden hineinreden zu lassen.

James Crisbee, der um zehn Jahre jüngere Bruder des mächtigen Weidekönigs, musste diese traurige Erfahrung machen, als er ihr einen Kompromissvorschlag unterbreiten wollte.

„Wir bieten Ihnen zweitausend Dollar, Miss Miller, wenn Sie die Stadt umgehend wieder verlassen“, sagte er.

Die Frau lächelte. Es war ein Lächeln, das ihre Mundwinkel hart erscheinen ließ. Aber ehe sie etwas sagen konnte, hob James wieder die Hand.

„Bedenken Sie, zweitausend Dollar, dafür müssen Sie ein ganzes Jahr arbeiten!“

Mary Miller wischte die Worte mit einer Handbewegung aus der Luft.

„Sparen Sie Ihre Reden, Mister Crisbee! Das Gesetz ordnet an, dass jede Stadt ihre Schule haben muss. Wenn ich also abreise, wird in Kürze eine andere Lehrerin eintreffen.“

James Crisbee machte eine hilflose Bewegung.

„Gehen Sie jetzt!“, sagte die Frau und hielt die Tür des Schulraumes auf, der in einem Hinterzimmer des primitiven Stadthauses untergebracht war.

James Crisbee drehte seinen Hut ratlos über den Zeigefinger. Er verschwand.

Wenig später erschien Hugh Förster.

„Was wollte er?“

„Er bot mir eine Abstandssumme an!“

„Ah, das hab ich mir doch gedacht.“ Er stampfte in dem Schulzimmer auf und ab. „Wenn doch nur endlich eine Nachricht von Colonel White kommen würde. Ich hab ihn dringend um Hilfe gebeten. Es kann in der Stadt nicht mehr so weitergehen. Die Bürger wagen nicht einmal mehr den Kopf zu heben. Crisbee hat sie vollkommen unter dem Pantoffel!“

Mary Miller ging langsam zum Fenster.

„Er ist also brutal?“

Der Richter blieb stehen.

„Douglas ist ein alter Pionier, er hat dieses Tal für die weiße Rasse erschlossen, aber er betrachtet es als sein alleiniges Eigentum. Er duldet einfach nichts anderes als seine Stimme. Nun hat er noch so verschiedene Gesellen um sich versammelt, die stark über das Ziel hinausschießen. Ben Fraser zum Beispiel, ein übler Revolvermann. Vielleicht ist er sogar derjenige, dem Crisbee seine Macht noch immer verdankt. Der Kerl hat die Angewohnheit, erst zu ziehen und dann zu fragen. Oft konnten seine Gegner keine Antwort mehr geben. Sie waren tot!“

Mary Miller nickte. Sie blickte in das trostlose, zerfurchte Gesicht des alten Mannes, der wahrscheinlich der letzte war, der dem mächtigen Crisbee Widerstand entgegenstellte. Es war ein Mann, der den Kampf um das Gesetz mit der Verfassung ausfechten wollte und darüber alt geworden war. Wie viele Fragen mochten den Richter mit den eisgrauen Haaren bewegen, auf die er nur teilweise antworten konnte? Sicher gab es mehrere Dinge, die er zwar klar übersah, von denen er aber nicht wusste, wie er sie in richtige Bahnen lenken sollte.

Die Männer der Stadt zitterten vor Douglas Crisbee und vor seinem verlängerten Arm Ben Fraser. Er unterjochte die ganze Stadt, wollte die Lehrerin mit zweitausend Dollar aus der Umgebung locken, und tat auch sonst alles, um seine Macht wenn möglich noch zu vergrößern.

Die Frau glaubte plötzlich genau zu wissen, dass Hugh Förster einige Jahrzehnte lang versucht hatte, dem Rancher im Guten, durch bloßes Zureden, von seiner Idee abzubringen. Nun, wo anscheinend zu viel Blut geflossen war, hatte er die Polizeitruppe von Texas zu Hilfe gerufen.

An dieser Stelle fiel ihr der junge Mann wieder ein. Ruckartig hob sie den Kopf.

„Colonel White haben Sie um Hilfe gebeten?“

„Yeah!“

„Und wie, glauben Sie, soll diese Hilfe aussehen?“

Die Augen des Richters glänzten plötzlich.

„White ist ein alter Freund von mir. Wir haben immer für die gleiche Sache gekämpft, allerdings mit sehr verschiedenen Mitteln. – Ich hoffe zuversichtlich, dass er mir einen seiner Reiter schickt!“

Mary Millers Augen schlossen sich zu schmalen Schlitzen. Wie hatte doch Clark Howard gesagt, als er sich so plötzlich an der Kutsche von ihr verabschiedete? „Bis später“ und „wir werden uns sicher wiedersehen, spätestens in zwei Tagen, wenn nicht schon morgen!“ Er kannte Colonel White, kam aus Bellford und wusste auch sonst noch eine Menge Dinge, die als streng vertraulich behandelt wurden. Mary biss sich auf die Unterlippe. Clark Howard war ihr also nicht rein zufällig begegnet. Er musste sehr genau gewusst haben, mit welcher Kutsche der Überlandpost sie fahren würde. Woher aber konnte er diese Informationen haben? Doch nur von Hugh Förster, er allein wusste, wann Mary Miller ankommen würde.

„Haben Sie dem Colonel mitgeteilt, wann ich in die Stadt kommen werde?“

Der Richter nickte, er war keine Spur verlegen.

„Yes, das habe ich. Ich hoffte, White würde einen Mann zu Ihrem Schutz in der gleichen Chaise verstauen. Leider hat er es nicht getan.“ Der letzte Satz wurde von einem Seufzen begleitet.

„Warum brauche ich Schutz?“

„Es hat sich längst herumgesprochen, dass Sie ankommen. Crisbee war es zuzutrauen, dass er Sie unterwegs ab fangen lässt und wieder nach Laredo bringt.“

„Weiß dieser Mister Crisbee auch, dass Sie einen Marshal erwarten?“

Hugh Förster nickte kleinlaut.

„Ich habe ihm im Zorn damit gedroht. Seine Männer haben seitdem die Gegend, vor allem aber die Post, nicht mehr aus den Augen gelassen. Es war ein großer Fehler von mir!“

„Aha“, machte Mary und strahlte plötzlich. Nun war ihr klar, dass Howard der US-Marshal war und sich wahrscheinlich um diese Stunde bereits in Crisbee befand. Er musste vorausgesehen haben, dass die Poststation bewacht wurde. Vielleicht ritt er zu der gleichen Zeit, als vor dem Office das Entladen der Kutsche argwöhnisch beobachtet wurde, an einer ganz anderen Stelle zwischen die Häuser.

Mary Miller fühlte sich nun gar nicht mehr einsam. Mit doppelter Kraft wollte sie jetzt an ihre Aufgabe gehen. Die Kinder von Crisbee sollten rechnen und schreiben lernen, und sie würde sie zu aufgeschlossenen Menschen erziehen, die ihre Rechte in der demokratischen Staatsordnung kennen. Genau das sollten sie wissen, was Douglas Crisbee ihnen hartnäckig verweigerte.


3

Douglas Crisbee lehnte seine wuchtige, untersetzte Gestalt gegen den Stützpfeiler des Alkoven. Er beschattete die Augen mit der flachen Hand und blickte angestrengt nach der kleinen Staubwolke, die sich von der Stadt her näherte.

„Er kommt!“, sagte hinter ihm eine dunkle Stimme, die dem Vormann der Ranch gehörte.

Douglas Crisbee nickte mechanisch. Langsam ließ er die Hand sinken.

„Geh zu den anderen.“

Der Weidereiter drehte sich wortlos um und verschwand durch die luftige Halle. Die weichen Kokosmatten dämpften seine harten Schritte.

Douglas Crisbee stelzte steifbeinig die drei Stufen hinunter. Mit der Stiefelspitze schleuderte er einen Stein zur Seite, dann schob er seinen breitkrempigen Stetson in die Stirn und wartete.

Aus der Staubwolke schälte sich nun ein Reiter, der sich schnell als James Crisbee entpuppte. Er sprengte durch das primitive Ranchtor, von dessen oberen Pfosten zwei Buchstaben herabhingen, die aus Ästen gefertigt waren. DC besagten die Initialen.

James Crisbee zügelte sein Pferd. Sein Bruder sprang hinzu, um das Tier zu halten.

„Du bliebst lange, Bruder!“, stellte der Rancher fest. Abwägend betrachtete er James.

Der Jüngere nickte. Sein Gesicht war verkniffen. Er sagte nur ein einziges Wort: „Aussichtslos!“

Douglas Crisbee rief nach einem Cowboy, übergab diesem das Pferd und stolzierte in das Haus. Er ging direkt in das behagliche Wohnzimmer, warf sich in einen bequemen Ohrenstuhl und zog seine staubigen Stiefel von den Füßen. Missmutig feuerte er sie in eine Ecke.

„Berichte!“, sagte er knapp.

James räusperte sich verlegen, kratzte über seine Bartstoppeln, und versuchte ein Lächeln der Aufmunterung, was allerdings missglückte.

„Well, es gibt nicht viel zu sagen. Ich hab ihr zweitausend Bucks angeboten, wenn sie wieder verschwindet, und sie hat abgelehnt. Damned, es ist ein hochnäsiges Weib, aber sie muss eine ordentliche Portion Grips im Kopfe haben!“

Douglas Crisbee fluchte lästerlich.

„Sicher hast du dich wieder angestellt wie ein Bär. Schätze, ich muss Ben mal hinschicken!“

James marschierte im Zimmer auf und ab.

„Ben“, sagte er herablassend. „Er kann doch weder lesen noch schreiben. Denke, mit ihm wird sie sich gar nicht unterhalten.“

Douglas lachte dröhnend.

„Ben Fraser hat besondere Manieren. Er hat mir schon eine Lehrerin vom Halse geschafft, wir hatten zwei Jahre Ruhe.“

James schüttelte den Kopf.

„Diese Frau ist anders. Sie wird in Laredo bestimmt nicht in den Zug steigen, sondern den Sheriff benachrichtigen. Außerdem scheinst du den Marshal vergessen zu haben, den Hugh Förster erwartet!“

„Marshal.“ Douglas verzog seinen breiten Mund abfällig. „Er wird auch nur ein Mensch sein. Vielleicht zerbricht er schon, wenn er an Ben gerät!“

Er stand auf und lief in Strümpfen durch die Stube.

„Oder auch nicht!“, stellte James trocken fest. Er war am Fenster stehengeblieben, drehte sich nun um und blickte seinen älteren Bruder fest an.

„Was hast du eigentlich gegen die Schule? Du machst dir doch nur Unannehmlichkeiten. Wir haben hier alles, was wir brauchen; Geld, eine Menge Rinder, ein wunderbares Haus – einfach alles! Du kannst doch zufrieden sein. Außerdem hast du auch lesen und schreiben gelernt, warum willst du anderen dieses Recht streitig machen?“

Der Rancher warf sich wieder in seinen Sessel, verdrehte komisch die Augen und grunzte: „Wie oft muss ich dir das noch erklären? Ich bin nicht gegen die Schule, die Kinder sollen ruhig das ABC lernen, obwohl sie es nicht gebrauchen können, aber das muss nicht ausgerechnet so eine revolutionäre Person aus dem Osten besorgen. Wir haben es doch erlebt mit dieser Drakon. Was hat sie die Kinder und Erwachsenen gelehrt? He, nichts als Unfug von Demokratie, Selbstbestimmung und solche neumodischen Sachen, auf die unsere Männer auch prompt hereingefallen sind. Fast hätte es damals einen Bürgerkrieg in unserer Stadt gegeben, wenn wir die saubere Miss nicht eben noch rechtzeitig abgeschoben hätten. Nun ist es wieder soweit, verdammt, Förster ist nicht zu belehren.“

„Und wenn schon, uns geht doch nichts verloren!“, beharrte James eigensinnig.

Der Weidekönig wischte durch die Luft.

„Crisbee ist meine Stadt! Du warst noch sehr jung, Sonny, als wir dieses Tal erkämpft haben. Es hat außer uns kein Mensch überlebt. Die anderen sind alle viel später gekommen. Sie hatten ein kärgliches Bündel unter dem Arm, als wir schon eine große Herde auf dem Hof hatten. Sie benehmen sich auch danach, nur dieser Förster nicht, und ausgerechnet ihn hab ich zum Richter und Sheriff gemacht!“ Douglas Crisbee schlug sich an die Stirn, er verstand die ganze Welt und sich selbst nicht mehr.

„Nun willst du also deinen Bluthund auf die Fährte setzen?“

Die Augen des Ranchers zogen sich gefährlich zusammen. Böse funkelte er seinen Bruder an.

„Wie nennst du ihn?“

„Merkwürdig, du weißt doch genau, wen ich meine. Die ganze Stadt nennt Ben so. Keiner der Männer steht auf deiner Seite, sie fürchten nur deine Stiefel, die sie eventuell zertreten könnten.“

„Fraser hatte noch nie meinen Befehl, zu töten!“

„Natürlich, aber du hattest die Macht, ihm die Zügel anzuziehen. Vielleicht wäre verschiedenes unterblieben!“

Douglas Crisbee stelzte zum kalten Kamin und stellte ein Bein auf die Feuerstelle. Er kaute an seinem Fingernagel und sann vor sich hin, wie er seine Stadt für sich erhalten konnte. Es wollte ihm kein Einfall kommen. James schien sich nicht die geringste Mühe zu geben, ihm auf die Sprünge zu helfen.

„Ich kann auch nicht verstehen, warum du Brown, unseren letzten Nachbarn, unbedingt aus dem Tal verdrängen willst. Er hat dir doch nichts getan!“, sagte James.

Der Rancher warf sich herum.

„Brown ist ein elender Parzellenbauer. Er hat kaum mehr als dreißig Rinder.“

„Hatten wir mehr, als wir in dieses Land kamen?“

„Du willst dich wohl langsam aus dem Lager schlagen, he? Bist du etwa eine Ratte, die den Untergang riecht?“ Douglas Crisbees Gesicht verzog sich hasserfüllt.

„Nein, ich bin keine Ratte, ich will dir nur helfen, den richtigen Weg zu finden, ehe es zu spät ist, du bist doch schon ein alter Mann!“

„Es ist meine Stadt!“, beharrte der Rancher. „Und daran wird niemand etwas ändern.“

James zuckte die Schultern. Langsam, beinahe schwerfällig ging er hinaus. Leise klirrten seine Sporen, als er durch die Hintertür auf den Hof schritt.

Douglas Crisbee sah seinen Bruder über den Hof gehen. Ruckartig wandte er sich ab und starrte auf den Rost im Kamin, er war angekohlt und von Harz vollkommen verklebt.

Der mächtige Rancher konnte sich nicht mit dem Gedanken befreunden, dass er eines Tages die Zügel über die Stadt verlieren würde. Dass er schon jetzt seine Macht Männern vom Schlage Ben Frasers verdankte, darauf kam er nicht.

Währenddessen marschierte James Crisbee über den Hof. Er schlenderte am Geräteschuppen vorbei und blieb bei den Cowboys stehen, die im Schatten des Bunkhauses saßen und Brandeisen reinigten. James nickte den Männern zu, langte seine Tabakdose aus der Hosentasche und drehte sich geschickt eine Zigarette.

„Übermorgen beginnt das Brennen“, sagte der Vormann. „Gibt einen mächtigen Auftrieb in diesem Jahr.“

James nickte.

„So an zweitausend Rinder“, fuhr der Vormann fort, während er mit seinem Bowiemesser in den Rillen des Brenneisens kratzte.

„Eine Menge Zeug“, sagte der junge Crisbee. Er musste plötzlich an Hugh Försters Idee denken, die Eisenbahn nach Crisbee zu bringen, die von seinem Bruder wie das Feuer bekämpft wurde. Wäre es nicht eine bedeutende Erleichterung der jetzigen Arbeit? Sicher! Aber Douglas war dagegen, er hatte eine starke Crew, die seine Rinder treiben konnte, so wie es von alters her üblich war.

„Unsere Boys werden alle Hände voll zu tun haben. Wir werden wieder mehr Staub als Whisky in die Kehle kriegen.“ Larry, der Vormann, lachte. „Werden Sie auch dabei sein?“

„Yeah, ich werde dabei sein“, sagte James. Er lehnte sich an die niedrige Fenz und steckte seine Zigarette in Brand.

,,Ben, komm zu mir!“ schallte plötzlich ein heiserer Ruf über den Ranchhof.

Ein mächtiger Koloss von einem Cowboy wischte über sein Gesicht und erhob sich gemächlich. Er grinste breit, zeigte ein steinbruchartiges Gebiss und sagte: „Der Alte will mir Vorschuss geben, damit ich morgen zum Fandango gehen kann.“

James Crisbee drehte sich um, schnippte seine Kippe über die Fenz und blickte über die glänzenden Felle der Rinder, die in dem Corral standen. Es waren die Tiere, die für den Trail

ausgesucht waren und gebrannt werden sollten.

Ben Fraser stiefelte über den Hof, verschwand im Ranchhaus.

Von der Küchenbaracke tönte der Gong, der die Männer zum Essen rief. Sie legten ihre Arbeitsgeräte beiseite und standen hastig auf. Einer nach dem anderen verschwanden sie im Bunkhaus und kamen wenig später mit klappernden Blechnäpfen wieder zum Vorschein.

„Werden Sie zum Fandango kommen, Mister Crisbee?“, fragte der Vormann.

James nickte.

„Sicher.“ Er stemmte sich vom Zaun ab und ging langsam zum Pferdecorral.


4

Clark Howard war noch vor dem Morgengrauen in die Stadt gekommen, und niemand hatte ihn bemerkt. Hinter den ärmlichen Hütten am Rande von Crisbee lag er versteckt und erwartete den Morgen. Dann war er in die Hauptstraße geritten, hatte sich den Saloon – es gab nur einen – angesehen und die ehrbaren Bürger der Stadt über dieses und jenes ausgeholt, was ihn brennend interessierte. Gegen Mittag endlich ritt er zum Richter, zeigte seinen Pass und machte somit seinen offiziellen Antrittsbesuch. Als er zwei Stunden später wieder auf sein Pferd stieg, wusste er so ungefähr alles, was mit Douglas Crisbee und der Stadt zusammenhing und für ihn von Bedeutung sein konnte. Er ritt zum „Wigwam“, wo er sich ein Zimmer bestellt hatte, ließ sich ein Abendessen zubereiten und verschwand im Obergeschoss.

Clark Howard packte seinen Mantelsack aus. Er streifte sich das graue Hemd der Staatenreiter über und steckte seinen Marshalstern an die Brusttasche. Langsam nahm er die Lampe vom Tisch und ging damit zum Spiegel. Er hielt sie dicht neben sein Gesicht und sah sich in der halb erblindeten Scheibe an. Es war ein hartes Gesicht, das ihm da entgegenschaute. Dann wandte er sich ab, stellte die Lampe wieder an ihren Platz und prüfte mit aller Genauigkeit die Trommeln seiner beiden schweren Colts. Er füllte die Schlaufen seines Kreuzgurtes mit Munition und drückte die Türklinke nach unten.

„Es kann wieder einmal losgehen, Clark Howard. Du stehst am Beginn einer neuen Aufgabe, Marshal!“, sagte er zu sich, dann ging er entschlossen die Stufen hinunter.

In dieser Sekunde hatte der Marshal die neue Spur aufgenommen. Nichts würde den eisenharten Burschen mit den freundlichen Augen, die kalt blicken konnten wie glitzernder Stahl, jetzt noch abhalten. Er würde nicht eher ruhen, als bis er in Crisbee das durchgeführt hatte, was er als seine Aufgabe ansah. Und seine Aufgabe bestand darin, in Crisbee das Recht der Staaten zu verkünden und dessen praktische Durchführung genau zu überwachen. Colonel White hatte diese Aufgabe fest umrissen. Er vertraute sie in Clark Howard einem Mann an, der zu den besten seiner Truppe zählte.

Marshal Howard erreichte die unterste Treppenstufe, ehe die Männer im Saloon ihn kommen sahen. Das Geraune und heisere Gemurmel erstarb in ihren durstigen Kehlen. Eine Gruppe Cowboys, die an der Bar lümmelten, blickte sich fragend um und machte lange Gesichter. Clark Howard schlug der Geruch von Alkohol, Schweiß und Pferden entgegen.

Betont langsam und gleichgültig ging der Marshal an einen Tisch und setzte sich. Zögernd drehten sich die Männer wieder ihren scharfen Getränken zu. Nur Bill Weller, der Wirt, vergaß, seinen Mund zuzuklappen.

Clark drehte sich mit ruhigen Fingern eine Zigarette und steckte sie in Brand, ohne die Gäste aus den Augen zu lassen. Er blies den Rauch über den Tisch und belächelte die Mühe des Keepers, der den Gesprächsfaden wiederzufinden bestrebt war. In der Küchentür erschien ein Saloonmädchen mit Howards Abendessen. Sie kam an den Tisch, lächelte schüchtern und setzte die Schüsseln ab.

„Guten Appetit, Marshal!“, sagte sie.

Clark nickte ihr zu und machte sich über das Abendessen her. Von der Bartheke löste sich eine schmierige Gestalt und versuchte, möglichst ungesehen den Saloon zu verlassen.

In diesem Moment wusste Clark, dass Crisbees Spitzel unterwegs war. Es konnte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis der steinreiche Rancher mit dem ausgeprägten Machtbestreben aufkreuzen würde.

Und Douglas Crisbee kam. Wutschnaubend betrat er den Schankraum und pflanzte sich breitbeinig mitten im Saloon auf. Er hakte die Daumen in die Armausschnitte seiner Weste und funkelte den Stern an.

Clark Howard, der inzwischen seinen Platz gewechselt hatte und an der Bar saß, wusste sofort, wen er vor sich hatte.

Die Männer rückten auseinander. Hinter dem Schanktisch ging Bill Weller in Deckung.

„Was wollen Sie in meiner Stadt, Marshal?“, presste der Rancher durch die Zähne.

Clark trank zunächst ruhig seinen Whisky aus, stellte das Glas behutsam auf die Theke und lächelte.

„Warum interessiert Sie das, Mister Crisbee? Sie sind doch Mister Crisbee, wenn ich nicht irre?“

Der Weidekönig schnaufte.

„Kennen Sie mich nicht?“ Er konnte sich nicht vorstellen, dass es noch Menschen gab, denen Douglas Crisbee kein Begriff war.

„Ich hatte noch nicht die Ehre“, sagte Clark noch immer höflich. Man merkte ihm keinerlei Gemütsbewegung an. Im Stillen musste er sich eingestehen, dass er sich in der Person dieses Mannes getäuscht hatte. Seiner Vorstellung nach musste Crisbee ein großer klotziger Mann sein, der das Gesicht eines Bullen trug und einen Stiernacken mit sich herumschleppte. Stattdessen sah er einen zwar breitschultrigen, aber untersetzten Patron vor sich, der die Unterlippe wie schmollend vorgeschoben hatte.

Clark Howard glaubte sicher, dass Crisbee nicht der Mann war, der zum Colt griff. Zumindest jetzt noch nicht.

Der Rancher trat einen Schritt näher.

„Was wollen Sie in meiner Stadt? Was haben Sie hier zu suchen?“

Der Marshal zuckte die Schultern. Seine Stimme wurde um eine Nuance schärfer als vorher.

„Ich möchte verhindern, dass Sie wieder auf die blödsinnige Idee kommen, eine Lehrerin abzuschieben, die die Kinder der Stadt etwas Brauchbares lehren will!“

Vorsichtig brachte Bill Weller seinen Kopf wieder über die Kante des Schanktisches. Als er merkte, dass anscheinend nicht geschossen würde, riskierte er, sich ganz zu erheben. Er nahm das Glas, das Clark Howard auf die Theke gestellt hatte, und wollte es füllen. Zufällig begegneten seine Augen einem Blick Douglas Crisbees – er war kalt und abschätzend. Schnell ließ der Wirt das Glas sinken, als habe er eine glühende Kohle zwischen seinen Fingern gehalten.

Aber auch der Marshal hatte das kalte Funkeln in den Augen des Ranchers gesehen.

„Geben Sie mir noch einen Drink, Weller!“, sagte er, ohne hinzusehen. Dann wandte er sich wieder an Douglas Crisbee.

„Noch etwas, Mister: Kommen Sie besser nicht auf den absurden Gedanken, mich aus der Stadt jagen zu wollen. Ich würde mich nicht scheuen, mit der ganzen Härte des Gesetzes gegen Sie vorzugehen, so wie Sie es dann verdient haben. Ich hoffe, Sie beherzigen diese Worte!“ Es kam eindringlich aus dem Munde des Marshals.

Doch Crisbee winkte verächtlich ab. Ein höhnisches Lachen entstellte seine Züge.

„Ich habe mehr als dreißig Cowboys. Die Jungens machen Hackfleisch aus Ihnen, wenn ich nur ein Kommando dazu gebe! Schätze, Sie tun gut daran, den Mund nicht zu voll zu nehmen. Verschwinden Sie aus meiner Stadt, diesen Rat gebe ich Ihnen, wenn es geht, etwas plötzlich!“ Damit drehte er sich auf dem Absatz um und stampfte wie eine Dampfwalze zur Tür des Saloons hinaus.

Clark Howard sah dem Mann versonnen nach. Eines stand nunmehr fest, sicher war er in dieser Stadt keine Minute mehr. Er musste damit rechnen, den Männern zu begegnen, denen Douglas Crisbee mit Hilfe seiner Dollars seine Macht verdankte.

„Wie ist es nun mit dem Whisky?“, fragte Clark den Keeper, indem er sich herumschwang und seine Ellenbogen auf die Theke stemmte. In seinem Gesicht stand ein geringschätziges Lächeln.

Weller hustete, wischte verlegen über seine Stirn und nickte eifrig.

„Natürlich, Marshal!“

Clark Howard blieb noch zwei volle Stunden an der Bar sitzen. Durch den großen Spiegel, der zwischen den Regalen hing, blickte er unverwandt auf die Tür. Aber es zeigte sich niemand mehr. Auch die Cowboys, die bei seinem Eintritt an der Theke standen, waren verschwunden. Mit der Zeit hatte er sogar ein Gespräch mit seinem Nachbar in Gang gebracht, der zögernd nähergerückt war.

Da verkündete der Wirt plötzlich, dass er sein Lokal nun schließen würde, weil am nächsten Tag das große Fest vor dem Brennen der Rinder stattfinden würde, das schon am Mittag beginnen sollte.

Clark warf ein goldenes Dollarstück auf den Schanktisch, nahm sein Wechselgeld in Empfang und drehte sich von dem Hocker. Langsam stieg er die knarrenden Stufen hinauf.

Vor seiner Zimmertür verhielt er lauschend den Schritt. Immer und überall musste er auf Überraschungen gefasst sein. Und jetzt fühlte er das seltsame Kribbeln den Rücken hochsteigen, welches mitunter als Sechster Sinn bezeichnet wird.

Vorsichtig, ohne den geringsten Laut, drückte er die Klinke nach unten. Clark hatte Glück, Weller schien das Schloss und die Angeln geschmiert zu haben. Ohne das geringste Geräusch schwang sie auf. Er starrte mit angehaltenem Atem in das tiefe Dunkel. Leise pendelte die Gardine. Clark konnte sich erinnern, die Fensterflügel offengelassen zu haben.

Er zog einen der schweren Colts aus dem Holster und trat gebückt über die Schwelle. Vorsichtig schloss er die Tür. Dann schlich er leicht geduckt zum Fenster, schob den Vorhang mit dem Colt zur Seite und blickte hinaus.

Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, stand ein einzelnes Haus, dessen flaches Dach von den dichten Zweigen eines Maulbeerbaumes überspannt wurde.

Es war schwer, in der Dunkelheit dieser Nacht zwischen den Ästen etwas erkennen zu wollen – aber der Marshal hatte das Gefühl, dass in den Zweigen eine Gefahr war. Und er wollte sich sofort Klarheit verschaffen.

Langsam schob Clark die Gardine vollkommen zur Seite. Dann ging er zum Tisch und holte die Petroleumlampe. Als er damit wieder am Fenster stand, drang heiseres Gejohle an seine Ohren.

Unter ihm kamen die letzten Gäste aus dem „Wigwam“. Einer von ihnen stimmte mit grölender Stimme einen alten Cowboysong an, stolperte plötzlich auf den Brettern des Fußweges, rollte die Stufen hinunter und landete ziemlich unsanft im Staub der Straße. Fluchend kam er wieder auf die Beine, klopfte seinen Anzug ab. Dann taumelte er in den breiten Lichtschein, welcher aus der Tür des Lokals fiel. Zwei andere Zecher packten ihn unter den Armen. Sie stimmten ein Lied an und verschwanden. An der nächsten Straßenecke blieben sie nochmals stehen, stritten über irgendeine Kleinigkeit und schienen sich endlich zu verabschieden.

Dann wurde es unheimlich ruhig.

Bill Weller hatte die Tür geschlossen und das Licht gelöscht: Wie weggewischt war der helle Streifen, der die Straße überspannt hatte.

Undurchdringlich war nun die Dunkelheit, drohend zeichnete sich das Haus auf der anderen Seite ab.

Clark Howard zog ein wackliges Büchergestell vor das Fenster und stellte die Lampe darauf. Dann bückte er sich unter das Fenster und langte Zündhölzer aus seiner Tasche. Ehe er den Docht ansteckte, drehte er sich so, dass er über das Fensterbrett sehen konnte. Der Lichtschein der Lampe konnte ihn so nicht treffen.

Was nun geschah, hatte der Marshal erwartet. Aus den Ästen des Maulbeerbaumes zischte ein langer rötlicher Feuerstrahl, den der Knall eines Schusses begleitete. Die Lampe vollführte einen Luftsprung, der erst von der niedrigen Decke des Zimmers gebremst wurde. Die Kugel drang in die Wand, die dem Fenster gegenüber lag.

Clark, der seinen Colt auf dem Fensterbrett aufgelegt hatte, zielte genau auf die Stelle, von der der rötliche Schein des Mündungsfeuers gekommen war. Der Schuss krachte, vermischte sich mit dem Schrei des Getroffenen. Es knackte in den Ästen, das Dach des Hauses ächzte dumpf, als falle ein schwerer Sack darauf. Dann hörte der Marshal einen leichten schnellen Schritt, der sich eilig entfernte.

Der heimtückische Schütze war also entkommen.

In der Hauptstraße rührte sich nichts. Entweder hatten die Bewohner die nächtliche Szene nicht gehört, oder sie wagten sich nicht auf die Straße.

Sorgfältig schloss der Marshal das Fenster. Obwohl er ziemlich sicher war, in dieser Nacht ruhig schlafen zu können, zog er nur die Stiefel aus und lockerte den breiten Kreuzgurt. Dann warf er sich auf das knarrende Bett. Seine ruhigen Atemzüge verrieten wenig später, dass er eingeschlafen war.


5

Richter Hugh Förster schob seine ovale Nickelbrille mit einer eigenwilligen Bewegung auf die Stirn. Er schüttelte den grauhaarigen Kopf und sah den Mann an, der an der Breitseite seinem Schreibtisches stand.

„Was sagen Sie dazu, Marshal? Es kann doch nicht möglich sein, dass die Bürger unserer Stadt so verbohrt sind, ihre Kinder nicht in die Schule schicken zu wollen?“

Clark Howard wippte auf den Zehenspitzen. Überlegend starrte er auf die Dielen des Fußbodens.

Die Bürger von Crisbee hatten wissen lassen, dass ihre Kinder die Schule nicht besuchen würden.

Für den Marshal gab es keinen Zweifel, hinter dieser Geschichte stand kein anderer als Douglas Crisbee. Langsam blickte er auf.

„Und Sie haben die Leute nicht gefragt, warum sie die Schule ablehnen?“

Hugh Förster schüttelte ergeben den Kopf.

„Warum? Mit der Wahrheit rücken sie doch nicht heraus!“

Clark ging zum Fenster und lehnte sich gegen das breite Rahmenholz. Er war überzeugt, die Männer und Frauen dieser Stadt umstimmen zu können, wenn er sich nur die nötige Mühe gab und Geduld mit ihnen hatte. Auf jeden Fall durfte er nichts übereilen. Douglas Crisbee, der alte Pionier, versuchte eben mit seltsamen Mitteln seine alte Machtstellung zu behaupten. Er war ein alter Kämpfer, wie es noch viele im weiten Westen gab. Ein harter, vernarrter Charakter, der sich nicht unterordnen konnte, der die Ziele der Gemeinschaft um keinen Preis anerkennen wollte. Clark wusste, dass er diesem Mann nur mit der gleichen Härte begegnen durfte.

Der Marshal drehte sich um, langte ein zerdrücktes Zigarettenpaket aus der Brusttasche seiner grauen Bluse und steckte eine der dünnen Rollen zwischen seine Lippen.

„Hat sich nicht ein einziger zu der Schule bekannt, Richter?“

Hugh Förster sah auf. Es war ein unendlich müder Blick, den er Howard zuwarf. Dann lachte er plötzlich rau auf.

„Doch, William Brown, ein kleiner Rancher, der zwischen Douglas Crisbees Weiden eine winzige Parzelle besitzt und mit seiner Familie ein kärgliches Dasein fristet. Ausgerechnet dieser Mann will seinen Sohn Henry – er ist schon dreizehn Jahre alt – zu Miss Miller in den Unterricht schicken.“

„Brown?“, fragte Clark.

„Yeah, er ist der letzte Mann, der außer Crisbee Rinder in diesem County besitzt. Es ist nur eine winzige Herde. Wer weiß, wie lange er noch da sein wird!“ Es klang sehr hoffnungslos. „Alle anderen hat Douglas Crisbee bereits vor längerer Zeit vertrieben. Sie durften froh sein, dass er ihnen die Arbeit vieler Jahre wenigstens bezahlt hat, wenn der Preis auch lächerlich war.“

In diesem Moment betrat Mary Miller das Arbeitszimmer des Richters. Sie blickte sich um, grüßte lächelnd und kam näher.

Clark ging auf sie zu und reichte ihr die Hand.

„Sie haben also Wort gehalten, Mister Howard!“, stellte sie fest. Dann schob sie einen Jungen in den Vordergrund, der hinter ihr durch die Tür gekommen war. „Das ist Henry Brown.“

„Oh, Henry“, der Marshal freute sich offensichtlich, dem Jungen so schnell zu begegnen.

„Mann, das ist ja ’n richtiger Marshal“, staunte Henry Brown, indem er lebhaft über seine Nase wischte. Genau musterte er den Mann vor sich.

„Ja, ein richtiger Marshal“, sagte Miller mit Betonung.

„Werden Sie Mister Fraser verhaften, Marshal?“, fragte der Junge neugierig.

„Fraser? – Ist das Crisbees Leibwächter?“, wandte sich Clark an den Richter.

„Hm, so ungefähr. Allerdings hat der Bursche bedeutend mehr Handlungsfreiheit, als sonst ein Leibwächter aufweisen kann.“

Clark Howard nickte versonnen.

„Ich hab schon von dem Burschen gehört, jetzt entsinne ich mich.“

„Ich werde Henry ein Stück bringen, kommen Sie mit, Marshal?“, fragte die Lehrerin. Dann lachte sie etwas gezwungen. „Er ist mein einziger Schüler.“

„Hat Ihr Unterricht schon begonnen?“

„Nein, erst nächste Woche.“

Clark rieb sich die Hände. Er sah den Jungen an und strich dann über dessen Haar.

„Bis dahin kann sich noch manches ändern, Miss Miller!“

Das Mädchen zuckte die Schultern. Ihre Hoffnung schien gering zu sein. Langsam drehte sie sich um und ging neben Henry Brown durch die Tür, die auf die Straße führte.

„Ich komme“, sagte der Marshal und reichte dem Richter die Hand. „Wir sehen uns ja heute noch, beim Fandango.“

Der Richter nickte mechanisch.

„Ich dachte, es würde Sie wundern, mich in der Stadt zu sehen?“, sagte der Marshal, als er neben Mary und Henry die Hauptstraße hinunterging.

Die Lehrerin schüttelte den Kopf.

„Ich wusste sehr schnell, was es mit Ihnen auf sich hatte; übrigens, Sie sind ein heller Kopf, Mister Howard. Sie müssen doch einen ganzen Tag in der Stadt gewesen sein, ohne dass Sie jemand erkannt hat?“

Clark nickte.

„Natürlich. Und wenn ich noch nicht alles gewusst hätte, was ich wissen wollte, dann würden die Gents heute noch auf den Marshal warten.“

„Gestern war Douglas Crisbees Bruder bei mir. Er bot mir zweitausend Dollar, wenn ich wieder abreisen würde“, berichtete das Mädchen.

Howard strich über sein Kinn. „Sie haben natürlich abgelehnt?“

Mary zuckte die Schulter. „Ich kann es mir noch überlegen.“

Beschwörend hob Clark die Hände.

„Fallen Sie mir bitte nicht in den Rücken! Es gibt in den nächsten Tagen eine Machtprobe in Crisbee. Wenn Sie jetzt die Waffen strecken, dann ist mein Kampf beinahe sinnlos geworden. Sie müssen bleiben!“

Mary Miller lächelte.

„Hab ich gesagt, dass ich gehen will?“ Nun lachte der Marshal erleichtert auf. Mit dieser Frau gemeinsam musste der Teufel persönlich zu bezwingen sein.

Dann standen sie vor einem Generalstore. In einem großen Schaufenster lagen Unmengen von Waffen und Jagdgeräten, die der Besitzer zum Verkauf anbot.

Henry starrte in eine bestimmte Ecke. Er war so vertieft, dass er seine Umwelt vergessen hatte.

„Kannst du schießen, Henry?“, fragte Clark.

Der Junge zuckte leicht zusammen. Verlegen drehte er sich um.

„Ja, mit so einer Winchester schon.“ Er deutete hinter sich. „Pa hat eine, wir haben schon oft Wildenten damit gejagt – und geschossen!“

Clark schüttelte den Kopf.

„Das hätte ich dir gar nicht zugetraut.“ Dann tippte er Henry auf die Brust und fragte: „Wie viel Rinder habt ihr eigentlich?“

Der Junge griff sich an die Stirn und biss sich auf die Zunge.

„Ich weiß es nicht genau, jedenfalls eine Herde. Berry und ich, wir können sie zusammenhalten. Einige davon sind schon schlachtreif, ich würde sie verkaufen, aber Pa meint, der Auftrieb würde sich nicht lohnen. Er will noch ein Jahr warten, dann sind es mehr.“ Der Junge reckte sich auf die Zehen und blitzte den Marshal an. Er war sehr stolz, es ziemlich genau gesagt zu haben.

Langsam gingen sie weiter. Clark stellte mehrmals fest, dass die Bewohner der Stadt sich unauffällig zurückzogen, wenn er in ihre Nähe kam. Sie schienen es also nicht für ratsam zu halten, seine Umgebung zu der ihren zu machen.

Am Mietstall blieb Henry stehen.

„Ich hab meinen Gaul hier.“ Er verschwand zwischen den Boxen und brachte wenig später einen Klepper heraus, dessen Rippen das Fell zu durchbohren drohten. „Kommen Sie uns mal besuchen, Marshal. Vielleicht mit der Lehrerin zusammen?“

Clark nickte zustimmend.

„Warum nicht? Aber es kann noch ein paar Tage dauern.“

Der Junge schwang sich in den Sattel, schnalzte mit der Zunge und trabte davon. Clark schüttelte den Kopf.

„Finden Sie nicht, dass er weit über seine Jahre hinaus ist?“

„Ja, sicher führen die Browns ein hartes Leben.“ Mary seufzte. Dann gingen sie zurück. Vor der großen Eiche, die vor der Plaza stand, blieb Clark stehen.

„Ich hab noch einiges zu erledigen. Sehen wir uns zum Fandango?“

Mary zuckte die Schultern.

„Meinen Sie, dass es angebracht ist, wenn ich zu diesem Fest erscheine?“

„Selbstverständlich. Es gehört gewissermaßen mit zu Ihren Pflichten. Außerdem wird es sehr unterhaltend sein. Eine Kapelle soll da sein, die zum Tanz spielen wird. Vor allem werden wir Gelegenheit haben, auch die Menschen kennenzulernen, die man sonst nicht im Gasthaus antrifft. Der Fandango ist eine Art Volksfest.“

„Dann komme ich selbstverständlich, Mister Howard“, versprach Mary. Sie reichte ihm die Hand und verschwand in Richter Hugh Försters Haus.

Clark Howard ging die Straße wieder hinunter. Durch die Hintertür gelangte er ins „Wigwam“. Er nahm seinen Zimmerschlüssel vom Brett und ging die schmale Treppe hoch. Er schloss auf, stieß die Tür zurück und warf seinen Stetson auf einen Haken, der aus der Wand ragte. Mit einem kurzen Rundblick versicherte er sich, dass während seiner Abwesenheit niemand im Zimmer gewesen war. Er warf sich auf das Bett und versuchte sich darüber klarzuwerden, welche Schritte er nun unternehmen musste. Crisbee ins Gewissen zu reden war sinnlos. Er würde gegen eine Mauer sprechen. Langsam setzte sich bei Clark die Überzeugung durch, dass seine Zeit noch nicht gekommen war. Er musste abwarten, was seine Feinde als nächstes unternehmen würden. Bestimmt holten sie schon recht bald zu einem Schlag aus.


6

Für Bill Weller war der Fandango das Geschäft des Jahres. Er hatte an der Breitseite seines Lokals ein riesiges kaltes Büfett errichten lassen, das von Speisen und Getränken dermaßen überladen war, dass sich die Platte leicht durchbog. Was es hier gab, ging auf Rechnung des Weidekönigs, der sich an diesem Tage noch nie knausrig gezeigt hatte.

Auf einem Podium, zwei Fuß hoch, saß die Kapelle. Sie bestand aus fünf Männern, die mit Hingabe ihre Instrumente bearbeiteten. Earl Loover, der Kapellmeister, gab mit einem Stock den Takt an und dienerte ununterbrochen nach dem Parkett hinunter, auf dem sich die Paare drehten. Alle zwei Minuten langte der feiste Tanzmeister ein geblümtes Taschentuch aus seinem Prinz-Albert-Gehrock und wischte sich damit aufgeregt über die nasse Stirn.

Dann schlug er wieder auf sein Notenpult, sagte die nächste Tanzfigur an und intonierte mit seinen großen Lackschuhen den Rhythmus.

Clark Howard lehnte nachlässig am Fenster, von wo aus er den ganzen Saal überblicken konnte. An dieser Stelle hätte er es notfalls einige Stunden ausgehalten. Vor ihm standen Krüge mit Punsch und Bowle. Dazwischen war eine Batterie Flaschen aufgebaut, dies waren die härteren Sachen.

Um den Marshal drängten sich Bürger der Stadt und Cowboys der Crisbee-Ranch, die der Platte reichlich zusprachen.

Es war ein toller Trubel im „Wigwam“, wie er nur einmal im Jahr sein konnte. Es war ein Fest, das die Männer die anderen Sorgen vergessen machte, die sie sonst in Atem hielten.

Douglas Crisbee saß mit seinem Bruder in einer Nische. Und was Clark Howard nicht für möglich gehalten hatte, bei dem Rancher hatte sich auch Hugh Förster niedergelassen, der Mann, der Crisbee seit Jahren zu einer demokratischen Einstellung zu bekehren suchte.

Der Rancher lächelte selbstgefällig in die Runde, nickte den Tänzern gönnerhaft zu und klatschte jedes Mal in die Hände, wenn die Musik aussetzte. Er gab sich wie ein Mann, der in diese Umgebung passte. Die zwischen seinen Lippen wippende Zigarre schien diesen Eindruck noch zu unterstreichen. Keiner konnte von sich sagen, dass er auch nur einmal so jovial mit Douglas Crisbee gesprochen hätte wie am Tage des Fandango.

„Tanzen Sie mit mir?“, fragte der Richter die Lehrerin mit einem verlegenen Lächeln.

Mary nickte. Sie war eben gekommen und hatte neben Hugh Förster Platz genommen. Langsam ging sie nun neben dem Richter zur Tanzfläche, legte ihren weißen Arm auf seine gebeugte Schulter und schon drehten sie sich unter den anderen Paaren.

„Ist Mister Howard nicht da?“

„Doch“, der Richter nickte bedächtig. „Er steht da drüben am Fenster.“

Mary Miller blickte sich um.

„Es wäre für ihn besser gewesen, heute nicht hierherzukommen. Wenn Ben Fraser aufkreuzt, kann es leicht Verdruss geben“, setzte der Richter hinzu.

„Warum? – Ich finde, Mister Howard ist ziemlich friedlich gestimmt!“

Hugh Förster lachte schallend, dass mehrere der Tänzer die Köpfe nach ihm drehten.

„Ich weiß sehr genau, dass Ben Fraser nur eine Gelegenheit sucht, um mit dem Marshal Streit zu suchen.“

„Wieso ausgerechnet Ben Fraser? Ich denke, er ist nur ein Cowboy?“

Hugh Försters Augen verdunkelten sich.

„Ben Fraser ist der stärkste und schnellste Mann in diesem County. In seiner Brust müssen drei Teufel wohnen, die ihn zu immer neuen Schandtaten anhalten. Crisbee duldet dieses Muskelpaket. Es festigt seine Machtstellung kolossal.“

Dann war der Tanz zu Ende. Hugh Förster ging mit der Lehrerin an den Tisch zurück. Er rief den Keeper, der wie ein Wiesel durch die Stuhlreihen rannte, und bestellte ein Glas Bowle für Miss Miller.

Douglas Crisbee beugte sich über den Tisch, beleckte seine Lippen und lächelte dünn.

„Haben Sie sich meinen Vorschlag überlegt?“, fragte er Mary.

„Es gibt für mich nichts zu überlegen, Mister Crisbee!“, kam es spitz zurück.

Der Rancher setzte sich ruckartig gerade.

„Ich dachte! Aber eines können Sie sich ruhig merken, Schule wird in meiner Stadt nicht gespielt!“, knurrte er mit erhobener Stimme.

„Davon bin ich noch nicht überzeugt, Mister Crisbee!“, sagte plötzlich eine scharfe Stimme neben dem Rancher.

Douglas Crisbee fuhr herum.

„Sind Sie immer noch in meiner Stadt?“

Clark Howard nickte.

„Es sieht so aus, Mister.“

„Ich hab Ihnen doch gesagt, dass Sie verschwinden sollen. Sind Sie taub?“

Clark Howard grinste.

„Ich werde auch verschwinden, aber erst dann, wenn ich es für richtig halte. Wenn ich mich noch genau entsinnen kann, dann haben Sie mir auch nicht gesagt, wann Sie dachten, dass ich gehen soll.“

Hilfesuchend sah Douglas Crisbee seinen Bruder James an. Aber dieser zuckte nur die Schultern und zog seine Mundwinkel nach unten. Es schien fast so, als freue er sich über die Ratlosigkeit seines Bruders.

Plötzlich erstarb der Jubel. Ein frischer Luftzug durchwehte das Lokal. Die Paare, die eben die Tanzfläche betreten wollten, wichen zur Seite. Auf der Bühne stand Earl Loover und fuhrwerkte in der Luft herum. Seine brüchige Stimme erstickte in einem Hustenanfall. Verstört blickte er nach der Tür, seine schmächtige Gestalt wirkte wie die eines verängstigten Kindes.

Clark Howard blickte durch eine breite Gasse, die sich blitzartig von ihm bis zur Tür gebildet hatte. Ein Koloss von Mann stand dort und starrte ihn an. Langsam begann sich der Muskelberg zu bewegen. Die Gäste des Fandango schoben sich enger zusammen.

Clark Howard wusste, dass es nur Ben Fraser sein konnte, der sich da gewichtig auf ihn zuschob.

„Das ist Marshal Howard, Ben“, sagte Douglas Crisbee mit seiner hämischen Stimme.

„Yeah, so ungefähr hab ich mir einen Marshal immer vorgestellt, Boss.“ Der Muskelmann grinste breit. Er blieb mitten im Saloon stehen, wippte in den Knien wie ein Preisboxer und schob seine unförmigen Daumen hinter den breiten Revolvergurt. „Ein richtiges Milchgesicht!“

Clark Howard war durch diese Beleidigung nicht aus der Ruhe zu bringen. Er musterte den Mann, der sein Gegner Nummer eins sein würde, sehr genau.

„Fertig?“, knurrte der ungeschlachte Bursche. Das eine Wort tropfte wie Sirup von seiner Zunge.

Der Marshal gab keine Antwort. Er wandte sich vielmehr an Douglas Crisbee und fragte: „Haben Sie noch ein paar solcher Kanonen in Hinterhand?“

Douglas Crisbee drehte sich auf seinem Stuhl wie ein Aal. Auf diese Frage wusste er offensichtlich keine passende Antwort.

„Mister Fraser ist nicht von meinem Bruder auf Sie gehetzt worden!“, versuchte James zu vermitteln.

„Ich will es auch nicht hoffen!“

Ben Fraser langte sein Rauchzeug aus der Hosentasche, lümmelte sich auf die Theke und begann sich gemächlich eine Zigarette zu drehen.

„Ich will das Fest nicht stören, Gents“, sagte er dann mit einer weiten, herablassenden Geste. Er brannte seine Zigarette an und drehte sich nach der Bühne.

„He, Earl, wo steckst du denn?“

„Hier, hier bin ich!“, meldete sich eine schüchterne Stimme, die unverkennbar Earl Loover gehörte. Er versuchte, ein Lächeln auf seine Lippen zu zwingen, aber es gelang nicht.

„Los, bearbeite deine verdammte Drahtkommode, die Herrschaften wollen tanzen!“

Aufgescheucht rannte das Männlein auf der Bühne hin und her. Er schimpfte auf seine Musiker, die sich hinter ihren provisorischen Notenpulten zu ducken suchten, und schwang den Taktstock. „Kommt, Mister Fraser will Musik“, röhrte er.

Ben Fraser setzte sich auf einen Barhocker und weidete sich an der Aufregung und dem Schrecken. Er winkte dem Keeper zu, hielt seine Pranke von Hand hinter sich, und ließ sich eine Whiskyflasche reichen. Es war Bill Wellers bester Whisky. Und Ben Fraser pflegte nur dann zu zahlen, wenn er genug Dollars hatte, was allerdings sehr selten vorkam. Aber darüber brauchte sich der Koloss keine Gedanken zu machen. Der Wirt würde es wahrscheinlich niemals wagen, Ben Fraser zu mahnen oder ihm den Kredit zu versagen.

Earl Loover schlug auf das Notenpult, räusperte sich und sagte die nächste Tanzfigur an. Dann setzte die Musik wieder ein.

Fraser lachte unartikuliert, schlug sich auf die Schenkel und machte eine Armbewegung, mit der er die Paare auf die Tanzfläche scheuchen wollte. Dann erhob er sich und schlenderte lässig an Douglas Crisbees Tisch.

„Du gestattest doch, Boss? Ich will mal kurz mit der Dame tanzen?“ Fraser machte eine Kopfbewegung nach Mary Miller hin, die bei seinen Worten vor Zorn über das ungehobelte Benehmen rot anlief.

„Ich tanze nicht mit Ihnen!“, sagte sie schroff, ehe Crisbee etwas auf Frasers Frage erwidern konnte.

„Was, sie tanzt nicht mit mir?“

Der Rancher zuckte die Schultern und zog die Brauen hoch. Clark Howard verschränkte die Arme über der Brust und grinste den Muskelmann mitten in das breitflächige Gesicht.

„War das nicht deutlich genug?“, fragte er den Riesen.

Fraser blies die Luft durch seine dicke Nase.

„Endlich hat das Baby auch mal den Schnabel aufgemacht. Komm herum, Sonny, ich werde dir das Maul stopfen, und zwar gründlich!“

Crisbee hob beschwörend die Hände.

„Heute ist Feiertag, Ben!“

„Na und?“ Fraser holte seine Flasche von der Theke, entkorkte sie und nahm einen Schluck. Ein einziger Blick auf seinen Boss stimmte ihn um. „Gut, ich gebe dir zwei Tage Zeit, aus der Stadt zu verschwinden. Wenn ich dich also übermorgen, um diese Stunde noch in Crisbee antreffen sollte, dann hast du hoffentlich deine Beerdigungskosten bei dem alten Trottel Förster hinterlegt!“ Ben Fraser wischte sich über das gedunsene Gesicht, massierte seinen Stiernacken und schob die Flasche in seine Hosentasche. Langsam drehte er sich um und ging auf die Tür zu. Ehe er verschwand, spuckte er einem Mann auf die Stiefelspitze. Ruckartig hob er den Schädel und forschte in den Zügen des Beleidigten, ob dieser etwa Einspruch erheben würde. Als dies nicht geschah, ging er hinaus.

Die Gäste hielten die Köpfe schief. Sie lauschten auf Ben Frasers schwere Schritte, die sich langsam auf den Brettern des Fußweges entfernten. Earl Loover schlug auf sein Pult, dass der Stock in Stücke ging. Dröhnend setzte die Kapelle mit einer Polka ein.

Douglas Crisbee schnaufte hörbar.

„Sie haben sich eine üble Suppe eingebrockt, finde ich.“

„Kommt das nicht Ihren Wünschen sehr nahe, was Fraser, dieser Muskelprotz, da von mir verlangt hat? Sie wollten mich doch auch aus Ihrer Stadt jagen.“

„Natürlich werden Sie gehen! Hier ist Ihr Leben in achtundvierzig Stunden keinen roten Cent mehr wert! Ich möchte nicht sehen, wie Sie hier auf der Nase liegen.“

Clark Howard betrachtete den Rancher abschätzend von der Seite.

„Ein toter Marshal würde Ihnen auch ne Menge Unannehmlichkeiten bereiten. Ich verrate Ihnen sicher kein Geheimnis, wenn ich darauf aufmerksam mache, dass Crisbee eine Garnison bekommt, wenn ich meinen Auftrag aus irgendwelchen Gründen nicht durchführen kann!“ Clark legte seinen Worten besondere Betonung bei. „Ich hoffe, Sie wissen, was das für Sie bedeuten kann, Mister Crisbee!“

Der Rancher lächelte ungläubig.

„Reiten Sie wieder nach Hause und sagen Sie Ihrem Colonel: In Crisbee bestimme ich, Douglas Crisbee!“

Clark zuckte die Schultern. Der Blick, den er dem Rancher zuwarf, war mitleidig.

„Schade, fast hätte ich geglaubt, man könnte mit Ihnen reden wie mit einem normalen Menschen. Aber wir werden auch anders zurechtkommen, Mister. Und zwar ohne Sie!“ Er drehte sich um und wollte den Saloon verlassen.

„Warten Sie, Mister Howard!“, rief Mary Miller. „Ich komme mit.“

Als sie auf die Straße traten, lächelte Clark schon wieder.

„Sie schweben in Gefahr, Clark. Wollen Sie nicht doch besser die Stadt verlassen?“, fragte die Lehrerin zaghaft.

Der Marshal steckte die Hände in die Taschen.

„Dann hätte ich doch gar nicht erst zu kommen brauchen.“ Er blieb plötzlich stehen. „Hatten Sie Clark zu mir gesagt?“

Mary errötete.

„Ja“, sagte sie zögernd.

Clark Howard brannte sich eine Zigarette an. Er musste sich umdrehen, weil der Wind sein Streichholz auszublasen drohte. Zufällig gewahrte er dadurch einen Mann, der eben in dieser Sekunde im Saloon verschwand. Clark sah noch den breiten Verband, der unter dem hochgekrempelten Hemdsärmel sichtbar war.

„Was haben Sie?“, fragte Mary betroffen, als sie die Veränderung in seinen Zügen sah.

Clark winkte ab.

„Nichts, wirklich nichts von Bedeutung.“


7

Am nächsten Tage begannen die Cowboys der Crisbee-Ranch mit dem Brennen der Rinder. Larry, der drahtige Vormann, hantierte mit den Brenneisen, die ihm ein anderer Cowboy zureichte. Ben Fraser packte die Tiere bei den Hörnern und zwang sie mit hartem Griff in die Knie. Er besaß unheimliche Kräfte. Nur die Kraft des wilden Schmerzes, den das Brennen verursachte, vermochte seine Fäuste zu lockern. Vorher waren die Rinder ihm ausgeliefert. Das Lasso, welches ein zweiter Mann hielt, hing zumeist locker durch, Ben Fraser konnte einen Stier halten.

„Den nächsten!“, sagte er eben. Er ließ los, sprang zur Seite und ließ das eben gebrannte Tier hinter seinem Rücken vorbeischießen. Sofort packte er den nächsten Bullen, zwang ihn nieder. Larry setzte das glühende Eisen an. Es stank nach verbranntem Fell und Fleisch. Dann warf er das Eisen hinter sich, wo es sofort wieder von einem Weidereiter aufgehoben und in das Feuer gesteckt wurde. Larry hielt schon wieder ein frisches Brenneisen in der Hand. Ben Fraser hielt den Kopf eines Bullen. Es ging alles wie am Schnürchen.

Douglas Crisbee nickte zufrieden, als er im Näherkommen sehen konnte, wie seine Männer arbeiteten.

„Wir können morgen auf den Trail gehen!“, sagte er zu seinem Bruder, der neben ihm ritt. Sie kamen eben von der Koppel, wo sie die Pferde für die Remuda zusammengestellt hatten, die den Trieb begleiten sollten. Eine Remuda war so wichtig wie die Rinder selbst. Die Treibmannschaft musste ständig frische, ausgeruhte Pferde zur Verfügung haben, wenn sie die Herde zusammenhalten wollte. Douglas Crisbee verfügte über sehr gute Pferde, sie waren das Ansehen wert.

James nickte.

„Es sind auch nur noch wenige Tiere, die gebrannt werden müssen“, stellte er sachlich fest.

Dann hielten sie an.

Ben Fraser stand umständlich auf. Er wischte über seine breite Stirn und spuckte ins Gras.

„Ich verdurste, Boss!“

Douglas Crisbee lachte, griff in die Satteltasche und warf Fraser eine Flasche zu, die dieser geschickt auffing.

„Du hast hart gearbeitet, Ben!“, lobte der Rancher den Koloss.

James Crisbee, der die Herde überflogen hatte, stutzte plötzlich. Er sprang aus dem Sattel und ging auf ein Tier zu. Es war ein kräftiger Bulle, der einen Fensterflügel als Brandzeichen trug. – Es war das Zeichen William Browns.

„Was ist denn das hier?“

Fraser setzte die Flasche ab. Er rülpste laut und drehte sich um. Ein dumpfes Lachen stieg aus seiner Kehle.

„Die Böcke sind uns zugelaufen!“

„Wie viel?“, fragte James Crisbee kurz.

„Fünf Stück, lächerlich!“, grunzte der Muskelmann, indem er seinen Mund abwischte. Dann ging er auf die Fenz zu und schwang sich mit einem Satz auf den Lattenzaun.

James Crisbee blickte seinen Bruder an.

„Das will mir gar nicht gefallen, Douglas!“

Der Rancher zuckte die Schultern.

„Brown wird sich die Rinder wieder abholen, wenn er sie nicht gestohlen hat.“

„Wieso soll er sie gestohlen haben, sie tragen doch seinen Brand?“

„Also wird er sie auch holen.“ Damit war das Thema für ihn beendet. Er wandte sich an Larry, den Vormann, und fragte: „Wie viel habt ihr noch?“

„Höchstens noch dreißig Rinder, Boss. Die meisten der Tiere waren schon gebrannt.“

„Dann können wir also morgen auf den Trail gehen?“

„Yeah.“

Douglas Crisbee war zufrieden.

„Ich hab aber morgen etwas anderes vor“, sagte Ben Fraser.

Der Weidekönig massierte sein Kinn. Einen Moment überlegte er.

„Du wirst in der Stadt bleiben und für Ordnung sorgen, bis wir wieder da sind!“, bestimmte er dann.

Fraser rieb sich die Hände.

„Well, das nenne ich einen Auftrag. Ich werde in meine alte Hütte ziehen, dann hab ich alles im Auge.“ Er lachte böse auf.

Douglas Crisbee drehte sein Pferd und wollte davonreiten, als sein Bruder ihn zurückhielt.

„Was noch?“, fragte er ungeduldig.

James zeigte mit der ausgestreckten Hand auf eine kleine Staubwolke, die sich zusehends vergrößerte.

„Schätze, wir kriegen Besuch.“

Douglas setzte sich im Sattel gerade. Er beschattete seine Augen mit der Hand und starrte auf den winzigen Punkt, der sich langsam näher heranschob.

„Das ist Brown“, sagte James nach fünf Minuten. Er drehte sich um und blickte Fraser an. Der Muskelmann kniff die Augen zusammen. Aufgeregt massierte er seine Revolverhand.

„Was will der Hohlkopf?“

„Das werden wir gleich erfahren!“, stellte James mit seltsam harter Stimme fest.

Larry legte sein Eisen zur Seite. Interessiert kam er an die Fenz und stemmte einen Stiefel auf das unterste Brett.

„Sicher will er uns einen guten Ritt wünschen.“ Er lachte, es klang sehr krampfhaft.

Dann war der Reiter heran. Er zog die Zügel an und kam genau vor der wartenden Gruppe zum Stehen.

Douglas Crisbee fuchtelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum. Er wollte die Staubwolke auseinandertreiben, die, aufgewühlt von den Hufen des schnaufenden Pferdes, seinen Kopf umwehte.

„Was willst du, Brown?“, fragte er barsch.

Der Reiter zog seinen staubbedeckten Stetson vom Kopf, schlug ihn auf dem Schenkel ab und stülpte ihn wieder auf das widerspenstige Haar.

„Aus meinem Corral sind fünf Rinder gestohlen worden!“

„Gestohlen?“ Douglas Crisbee zog die Augenbrauen hoch.

„Ja, gestohlen. Oder bildest du dir ein, die Tiere hätten die Fenz selbst niedergerissen? Das können nur ein paar halbwilde Rustler gewesen sein!“

Ben Fraser stieß einen zischenden Laut aus der Kehle, James drängte sein Pferd zurück.

„Was sagt der Hungerwurm?“, grunzte der Koloss. Er rieb noch immer seine Hand.

Douglas Crisbee duckte sich zusammen.

„Höre, Brown, was ich dir sage. Verschwinde schnellstens aus diesem County, wenn dir dein Leben lieb ist. Ich kann es nicht ausstehen, wenn einer dumme Anspielungen macht. Du meinst doch, meine Reiter hätten deine Rinder gestohlen, he?“

William Brown zeigte nicht die Spur Angst.

„Wenn ich mich in deinem Corral umsehen kann, dann werden wir schnell feststellen, ob die Tiere hier sind oder nicht.“

„Jag ihn fort, Boss!“, schrie Fraser plötzlich.

„Hast du gehört?“, fragte der Rancher grinsend. „Schätze, hier ist für dich ungesundes Klima.“

Brown stellte sich in die Steigbügel.

„Ihr habt also die Rinder hier!“, stellte er fest.

„Uuuh, wenn ich diesen verdammten Wurm sehe, kriege ich Bauchschmerzen!“, grunzte Fraser und krümmte sich zusammen. Seine Hand schwebte über dem Griff des schweren Colts, der angsteinflößend an seiner Hüfte hing.

Und William Brown tat dem gefährlichen Revolvermann den Gefallen. Er beging den größten Fehler seines Lebens – er griff zum Colt.

Auf diesen Augenblick hatte Ben Fraser nur gewartet. Während er mit einer Bewegung sein Eisen aus dem Holster riss, zogen sich seine Augen zusammen. Es war ein gefährliches Glitzern, das aus seinen Pupillen strahlte.

Und dann krachte sein Schuss! William Brown ließ die schon halb erhobene Waffe fallen und griff sich an die Brust. Er fluchte heiser und rutschte im Sattel nach vorn. Halt suchend fuhr seine Hand durch die Luft, dann fiel er vom Pferd.

Ben Fraser blies den Rauch aus der Mündung seines Colts. Unter gesenkten Lidern blitzten seine Augen in die Runde.

„Es war Notwehr!“, bemerkte er zu Douglas Crisbee gewandt.

Der Rancher drehte sich im Sattel. Wie immer, wenn er ratlos war, schob er seine Unterlippe nach vorn.

„Bringt ihn in die Stadt. Der Schreiner soll das Weitere erledigen.“ Er gab Larry ein Zeichen.

„Okay“, murmelte der Vormann gepresst.

James Crisbee räusperte sich geräuschvoll, bedachte seinen Bruder mit einem grimmigen Blick und ritt auf das Ranchhaus zu. Der Rancher folgte langsam.

Fraser lachte. Er schob seinen Colt ins Holster und spuckte in die Hände.

„Machen wir weiter?“, fragte er die Cowboys. Er tat so, als habe er mit Brown nur eine kurze Unterhaltung geführt.

Larry holte eine Decke und wickelte die leblose Gestalt hinein. Dann band er das Bündel auf dem Sattel des zitternden Braunen fest, schwang sich auf sein eigenes Pferd und setzte sich wortlos in Bewegung.

Der Vormann ritt in die Stadt.


8

James Crisbee blickte seinen Bruder herausfordernd an.

„Nun bist du den letzten deiner Nachbarn auf eine verteufelt einfache Art losgeworden!“, stellte er grimmig fest. Sie standen sich in der Halle gegenüber und musterten sich mit wenig freundlichen Blicken.

„Du weißt so gut wie ich, dass es Notwehr war!“

James winkte verächtlich ab.

„Die Rinder befinden sich jedenfalls auf unserer Weide. Brown hat also nicht gelogen. Außerdem traue ich Fraser zu, dass er die Tiere wirklich geraubt hat. Leicht möglich, dass es eine Schnapslaune von ihm gewesen ist.“

Der Rancher hieb durch die Luft.

„Es hat ihm niemand befohlen, nach dem Colt zu greifen“, beharrte er eigensinnig.

James schritt auf und ab.

„Brown hinterlässt eine Frau und einen halbwüchsigen Sohn. Was gedenkst du für die beiden zu tun, Douglas, was?“

Crisbee zückte die Schultern.

„Ich werde ihnen eine anständige Abstandssumme zahlen, dann werden sie ihren Schmerz bald vergessen haben. Vergiss nicht, dass nicht ich es war, der zur Kanone gegriffen hat! Ben ist doch kein Säugling mehr, der eine Amme braucht. Obendrein müsste auch Brown gewusst haben, wie gefährlich es ist, mit Ben anzubinden!“

„Natürlich!“, räumte James ein. Dann ging er hinaus.

Douglas kraulte sein Haar und stierte versonnen vor sich hin. Das plötzliche Ende seines verhassten Nachbarn kam ihm alles andere als gelegen. Gerade jetzt, wo sich der Marshal in der Stadt befand, konnte aus der Geschichte leicht etwas gemacht werden, was ihm, Douglas Crisbee, ungelegen kommen würde. Wenn er auch unmittelbar nichts mit der Sache zu tun hatte, so wollte ihm diese doch gar nicht gefallen. Er hatte sich vorgestellt, Brown eines Tages in die Knie zwingen zu können. Er hatte sehen wollen, wie der Siedler halb verhungert mit den Seinen aus dem Tal gezogen wäre. Das wäre für den steinreichen Weidekönig ein Triumph gewesen. Er hätte sich damit selbst bewiesen, dass er noch immer der alte, unnachsichtige Kämpfer mit dem harten Herzen war. Jetzt hatte er nur ein Gefühl der Bitterkeit auf der Zunge. Und noch etwas stellte der Rancher plötzlich fest. Ben Fraser machte nicht mehr, was er, der Rancher, wollte, sondern er gehorchte nur noch seinem eigenen niedrigen Instinkt.

Dieser Umstand gab Douglas Crisbee mehr zu denken, als er wahrhaben wollte. Konnte es sein, dass Ben Fraser eines Tages mehr sein wollte als nur ein Cowboy und ein gefürchteter Revolvermann? Würde er vielleicht in absehbarer Zeit mit Forderungen aufwarten, die er eventuell mit Drohungen untermalte?

Der Rancher schauderte zusammen. Ihm war bei diesem Gedanken wenig wohl zumute.


9

Langsam ließ der behäbige Schmied seinen schweren Hammer sinken. Das glühende Felgenband eines leichten Buggyrades wurde kalt. Er beschattete die Augen mit der Hand und stieß einen zischenden Laut aus der Kehle.

Auch Oliver Dane, der drahtige Posthalter, der gegenüber der Schmiede aus seinem Fenster lugte, riss erstaunt die Augen auf.

„Jetzt haben sie Brown erwischt“, murmelte er mit belegter Stimme. An dem Pferd glaubte er das Bündel zu erkennen, welches in die Decke gewickelt war.

Der Vormann hielt seinen Kopf tief auf die Brust gesenkt. Locker hielt er die Zügel von Browns Pferd zwischen den Fingern. Hinter ihm ritten zwei Weidereiter. Sie waren Larry gefolgt.

Vor dem Haus des Schreiners hielten die Männer an. Sie bildeten einen kleinen Halbkreis um den toten Siedler und starrten auf den staubigen Boden. Keiner von ihnen sagte ein Wort.

Dick Shaugnessy blickte von seiner Hobelbank auf. Er grunzte, nahm seine Stummelpfeife aus dem Mund und kam zögernd über die Schwelle seines Hauses.

„Was wollt ihr?“, fragte er.

Larry wischte mit dem Halstuch über sein schweißiges Gesicht. Er sah seine Kameraden an, drehte sich dann schwerfällig um.

„Du sollst eine Kiste für William Brown machen, Shaugnessy. Der Alte schickt uns.“

Der Schreiner lehnte sich an den Türpfosten und schob seine kurze Pfeife wieder zwischen die gelblichen Zähne. Missmutig kratzte er in seinem Bartgestrüpp.

„So, der Alte schickt euch?“

Larry nickte lebhaft.

„Well, Brown kam auf die Ranch geritten und behauptete, man habe ihm Rinder gestohlen. Es gab einen Streit zwischen ihm und Ben, in dessen Verlauf er nach dem Eisen griff. Ben war

etwas schneller.“ Larry spuckte auf die Erde, die Szene ekelte ihn an. Er fragte sich, warum ausgerechnet er den Toten in die Stadt bringen musste. Wäre das nicht viel eher Ben Frasers Aufgabe gewesen?

„Es soll also Notwehr gewesen sein?“, erkundigte sich Shaugnessy.

Larry nickte. „Es war auch Notwehr, nichts anderes!“, sagte er hart.

In dieser Minute näherten sich zwei weitere Männer der Gruppe, sie kamen von zwei verschiedenen Seiten.

Von oben her näherte sich Clark Howard, auf dessen Stirn eine tiefe Falte sichtbar war. Von der anderen Seite kam ein schmächtiger Bursche mit pechschwarzen Haaren, an dessen dünnen Hüften zwei schwere Colts baumelten, die den Gurt förmlich nach unten zogen. Die Augen dieses Mannes schillerten, sie strahlten ein grünliches, hinterhältiges Licht aus. Um seinen rechten Unterarm spannte sich ein breiter Verband.

Clark Howard trat auf den Fußweg, er stellte sich neben Dick Shaugnessy und sah den Mann an, der jetzt neben Browns Pferd stehengeblieben war. Dann drehte er sich Larry zu.

„Wen bringt ihr da?“

Der Vormann zog seinen Stetson über die Augen. Widerwillig gab er seine Geschichte noch einmal zum Besten.

Der schmächtige, schwarze Bursche kicherte unterdrückt.

„Wer bist du?“, fuhr Clark den Mann an.

„Ich, ich bin Jim Cott!“ Er lachte noch immer leise und glucksend.

Clark Howard drehte sich zum Schreiner um und blickte diesen fragend an. Aber Shaugnessy wandte sich ab.

Augenscheinlich wollte er keine Auskünfte erteilen.

„So, Jim Cott. Mir ist, als würden wir uns kennen“, stellte der Marshal versonnen fest. Er tastete die Gestalt mit den Augen ab. An der Binde über Cotts Arm blieb der Blick hängen.

„Was hast du denn da gemacht, Bursche?“

Jim grinste hinterhältig. Er suchte seinen Arm hinter dem Rücken zu verbergen.

„Ich bin vom Baum gefallen.“

Clark Howard starrte den Burschen fassungslos an.

„Wann?“

Jim Cott reckte den Kopf in die Höhe. Er streckte die linke Hand vor und spreizte zählend die Finger.

„Vielleicht vor drei Tagen oder so ähnlich“, sagte er dann. Dabei wich er schrittweise zurück. Als er ungefähr zehn Yards entfernt war, drehte er sich blitzschnell um und rannte davon.

Clark Howard schüttelte mit dem Kopf.

„Ist der Kerl hier nicht richtig?“, fragte er mit einer bezeichnenden Geste nach dem Kopf.

„Cott ist Ben Frasers Freund und Vertrauter!“, sagte der Schreiner, sonst nichts.

Der Marshal war im Bilde. Er trat nun auf die Straße und löste das leblose Bündel aus dem Sattel. Larry sprang ab und half tragen.

„Dieser Brown war also der letzte Nachbar von Douglas Crisbee?“, fragte der Marshal, als sie den Toten niedergelegt hatten.

„Ja, aber ich schwöre Ihnen, der Boss hat mit dieser verdammten Sauerei nichts zu tun!“

Clark ging langsam zur Tür.

„Ist das so sicher?“

„Yeah, ganz sicher. Es war nur Ben Frasers Mache. Crisbee war selbst wie vom Donner gerührt. Natürlich konnte er Brown auch nicht riechen, aber er hat eine andere Art als Ben. Er greift nicht nach der Kanone!“

Clark nickte böse.

„Du meinst, er besitzt Geld in rauen Mengen, er kann die Männer dieses Landes aushungern, wie?“

Larry fuhr zurück. Der scharfe Ton gegen seinen Boss wollte ihm gar nicht gefallen. Er ging schweigend hinaus, schwang sich auf seinen Gaul und gab seinen Kameraden ein Zeichen. Wortlos zogen sie ihre Pferde herum und preschten in wilder Karriere die Hauptstraße hinunter.

Der Schreiner ging wieder an seine Hobelbank. Er tat so, als wäre der Marshal auch bereits gegangen.

Clark Howard hingegen zündete sich gemächlich eine Zigarette an.

„Vor wem habt ihr eigentlich mehr Angst, vor Fraser oder vor Crisbee?“ Er lächelte Dick Shaugnessy dünn an.

Der Schreiner ließ den Hobel sinken, mit dem er eben ein Brett bearbeitet hatte.

„Ich bin schon fast zwanzig Jahre in dieser Stadt. Ich habe schon manchen Sarg gebaut, der nicht zu sein brauchte, wenn die Männer etwas weniger großmäulig gewesen wären. Vielleicht ist es ihre Aufgabe, in Wespennester zu stechen, das können Sie auch machen, wie Sie lustig sind. Ich jedenfalls habe eine Familie zu ernähren, und dazu muss ich leben. Und wenn Sie nicht morgen mit der Postkutsche verschwinden, die am Nachmittag geht, dann werden Sie der nächste sein, für den ich eine Kiste baue. Hoffentlich haben Sie genug Pulver, Fraser pflegt nämlich die Bestattungskosten für seine Feinde nicht zu übernehmen.“

Clark nickte. Er schnippte die Asche von seiner Zigarette und sah den Mann prüfend an.

„Sie sind aber auch der Meinung, dass sich in Crisbee einiges ändern müsste, oder nicht?“

Dick Shaugnessy zuckte die Schultern.

„Was nützt mir und meiner Familie die Änderung, wenn ich bei dieser Heldentat möglicherweise ins Gras beiße? – Nichts, gar nichts.“

Clark Howard ging hinaus. Dick Shaugnessy hatte ihm nichts Neues verraten. Er brachte nur zum Ausdruck, was jeder Mann in Crisbee dachte. Die braven Bürger duckten sich vor der mächtigen Faust Ben Frasers, die wie eine Pranke des Satans in ihrem Genick saß. Da zu allem Elend noch Douglas Crisbee scheinbar hinter dem Muskelmann stand, wagten sie den Kopf überhaupt nicht mehr zu heben. Für sie war die bestehende Ordnung unantastbar.

Ehrliche Wut gegen diese Willkür wagte sich gar nicht in ihre Gedankengänge einzuschleichen. Sie empfanden aufrichtiges Mitleid mit dem neuen Opfer, zuckten aber resigniert die Schultern. Einstimmig waren sie der Meinung, dass William Brown selbst an seinem Unglück schuld war, weil er sich verleiten ließ, zum Colt zu greifen.

Clark Howard wusste sehr genau, was er von den Männern dieser Stadt zu halten hatte. Nur eine verwegene Tat, die größer und mächtiger war als alles, was Ben Fraser jemals vollbracht hatte, konnte die tiefe Lethargie zerreißen, die die Männer gefangen hielt. Vielleicht würden sie sich dann auf ihre Kraft besinnen und Douglas Crisbees Machtgebäude in den Fugen erzittern lassen.


10

In der Nacht war ein wolkenbruchartiger Regen niedergegangen. Aber als am Morgen die Rinder für den Trail zusammengetrieben wurden, da erstrahlte der weite Himmel in einem leuchtenden Blau. Selbst die winzigste Wolke schien von einem mächtigen Scheuerbesen vom Horizont gekehrt worden zu sein.

Douglas Crisbee rieb sich die Handflächen aneinander.

„Wenn dieses Wetter anhält, sind wir in zehn Tagen in Laredo“, sagte er gutgelaunt zu seinem Bruder.

James nickte langsam, ging aber nicht auf das Thema ein. Er schlenderte zum Küchenwagen hinüber, der den Trail begleiten sollte.

Vor der rollenden Kombüse standen einige Weidereiter. Zobel, King, Fred, Buster und Larry, der Vormann, unterhielten sich miteinander. Aus Blechtassen tranken sie Kaffee, den der Koch gebraut hatte.

James blieb stehen.

„Habt ihr Browns Rinder zurückgetrieben?“, erkundigte er sich.

Larry blickte sich um, wischte über seinen Mund und schüttete den Kaffeerest ins feuchte Gras.

„Yeah, es war eine Sauarbeit“, stellte er zähneknirschend fest, während er James gerade in die Augen sah. „Mir wollen solche Geschichten gar nicht gefallen!“

James nickte.

„Mir auch nicht“, sagte er lakonisch, dann ging er weiter.

Larry zuckte die Schulter, drehte sich wieder um und gab den Männern ein Zeichen. Zwanzig Weidereiter stellten sich daraufhin rechts und links vom Corral auf. Sie saßen auf ihren Pferden, die unruhig tänzelten und wiehernde Schnaubtöne in die klare Luft bliesen. In den Händen hielten die Cowboys lange Bullpeitschen.

Dann öffnete Ben Fraser die Fenz. Die Rinder stürmten ins Freie.

Die Luft erdröhnte vom Stampfen unzähliger Hufe. Staubwolken hüllten die Tiere und Cowboys ein. Das Blöken der Rinder ging im lauten, scharfen Knallen der langen Peitschen unter, die nun von den Weidereitern geschwungen wurden.

Die Cowboys umritten im scharfen Galopp die Herde, drängten die Rinder zusammen. James holte mit dem Rest der Mannschaft die Pferde-Remuda von der Koppel. Gleichzeitig setzte sich der schwere Küchenwagen holpernd in Bewegung. Filippo, der gelbhäutige Koch, hockte auf dem schwankenden Bock und fuhrwerkte mit einem Stock in der Luft herum. Es sah so aus, als wolle er die Gäule antreiben.

„Los, ihr müden Böcke, Bewegung, wenn ich bitten darf!“, schrie er mit heiserer Stimme.

Unberührt von all der Aufregung stand Ben Fraser noch immer an der Fenz. Er rieb sich den Staub mit einer müden, leicht gekünstelten Bewegung aus den Augen und lachte plötzlich unmotiviert. Dann ging er zu seinem Pferd und zog sich am Sattelhorn in die Höhe.


11

Ben Fraser erreichte die Stadt gegen Mittag. Er lenkte seinen Braunen auf eine windschiefe halbverfallene Hütte zu, die er sein Eigentum nannte. Das morsche Gebäude stand am Ende der Straße, die von Crisbee nach Laredo führte und von der Postkutsche benutzt wurde.

Er sprang ab, nahm den Sattel vom Rücken des Pferdes und band die Zügelenden um einen niedrigen Ast der alten Buche, die die Hütte halb verdeckte. Gebückt ging er in die Hütte. Sie bestand nur aus einem Raum.

In einer Ecke, die mit Gerümpel aller Art angefüllt war, erhob sich eine schmächtige, verwahrloste Gestalt.

,,N Tag, Ben!“, murmelte der finstere, abgerissene Geselle und dienerte eifrig.

Ben Fraser zog erstaunt die Brauen hoch.

„Was willst du, Jim?“

Jim Cott grinste verschlagen, reckte sich auf die Zehen und fuhr mit seiner unwahrscheinlich schmutzigen Hand durch die schwarzen Haare. Sein vorstehender Unterkiefer biss auf die Oberlippe. Wie ein Hund schlich er um Fraser herum und verdrehte die unsteten Augen.

„Ich habe Durst, Ben!“

Fraser lachte höhnisch. Er hob den Sattel und ließ ihn Jim Cott auf den Kopf fallen. Der schmierige Geselle ging ächzend zu Boden.

„Was sollen diese Scherze?“, stöhnte er, als seine Füße wieder festen. Halt gefunden hatten.

„Idiot!“, knurrte Fraser und versetzte dem Individuum einen Fußtritt, der es in die Ecke beförderte, aus welcher es vorher gekrochen war. Es krachte furchtbar, Holz splitterte. Der Bursche stieß einen spitzen, gellenden Schrei aus seiner trockenen Kehle. Mühsam versuchte er sich aus den Trümmern des Stuhles zu befreien. Das uralte Möbelstück hatte dem plötzlichen Ansturm nicht standgehalten.

Auf Ben Frasers breitflächigem Gesicht erschien ein feistes, zufriedenes Lächeln. Er nahm eine alte, rostige Blechschüssel und ging aus der Hütte. Aus dem Fass vor der Tür schöpfte er Wasser. Dann stellte er das undichte Gefäß auf den wackligen Tisch und streifte sein Hemd ab.

Aus Jim Cotts Kopf wich die dumpfe Benommenheit. Sein Schädel war gegen die Wand gerannt wie ein Wagen gegen einen Prellbock. Er schüttelte sich noch einmal gewaltig, massierte stöhnend die Beule, die zwischen seinen verfilzten Haaren schnell anschwoll, und schien langsam wieder fit zu werden. Dann kroch er in sich zusammen. Mit einem Ausdruck von Neid hingen seine Augen an den Muskeln, mit denen sein Lehrmeister bepackt war. Es gab keine Frage, Ben Fraser imponierte ihm mächtig. Der derbe Fußtritt bedeutete für ihn nichts weiter als eine Geste besonderer Kameradschaft, die Jim bei seinen späteren Schülern auch anzubringen gedachte.

„Hast du nicht einen Whisky für mich, Ben? Nur einen ganz kleinen?“ Seine klauenhaften Finger zeigten die Größe an, in welcher er sich den Schnaps gedacht hatte.

Ben Fraser tauchte seinen Kopf prustend in die Schüssel. Er winkte mit der Hand hinter sich, worauf Jim ihm das Hemd zureichte, an welchem sich Fraser abtrocknete.

„Geh doch zu Weller, er hat mehr Whisky, als du trinken kannst.“

Cott machte ein verlegenes Gesicht und trat von einem Bein auf das andere.

„Gib mir einen Dollar, Amigo. Ich tue dir bei passender Gelegenheit einen Gefallen dafür!“, versprach er als Gegenleistung.

Fraser zog sein nasses Hemd über und drehte sich um.

„Du hast noch immer kein Geschick, dir selbst ein paar Bucks zu verdienen, wie?“

Jim Cott zuckte die Schultern.

„Mir scheint, ich bin ungeeignet zum schweren Jungen“, stellte er fest, indem sich seine Mundwinkel nach unten zogen.

Ben Fraser lachte höhnisch.

„Aber es hat gelangt, um einen nächtlichen Schuss auf den Marshal abzugeben!“

Der schmächtige Bursche sah sich blitzschnell um, er wollte sich versichern, dass niemand diese Worte gehört hatte.

„Sprich bitte nicht davon, es hatte mir niemand befohlen.“ Bettelnd hingen seine unsteten Augen an Ben Fraser.

Der Muskelmann winkte lässig ab.

„Keine Angst, der Kerl verschwindet heute – so oder so! Wenn er die Post um vier Uhr nicht nimmt, dann fressen ihn diese Nacht die Geier.“

Jim Cott betrachtete nachdenklich seinen verbundenen Arm. Dann bedachte er Ben Fraser mit einem Seitenblick, der sehr abwägend war. Anscheinend war der schmierige Geselle von den Worten seines Meisters nicht besonders überzeugt.

Ben Fraser griff in die Hosentasche und brachte einen halben Dollar zum Vorschein, bei dessen Anblick sich Cotts Augen weiteten.

„Hier“, sagte er und warf dem Schmächtigen das Geldstück zu, „du gehst jetzt ins Wigwam, beobachtest den Mann. Er wird bestimmt bei Bill Weller sitzen.“

Jim nickte mechanisch. Er wog das Geldstück in der Hand und errechnete bereits den Gegenwert in Whisky.

„Wie lange?“

„Bis die Post fährt. Dann kommst du her und sagst mir, ob er in der Chaise sitzt oder sich noch in der Stadt herumtreibt, verstanden?“

Jim fuhr mit der Zunge über seine rissigen Lippen. Er nickte eifrig.

„Okay, Ben!“

„Hau ab!“

Jim Cott drehte sich um und rannte schnell aus der Tür. Krampfhaft hielt er den halben Dollar zwischen seinen Fingern. Da er kein Pferd hatte, lief er so schnell er eben konnte, den Sandweg hinunter. Seine Angst, dass Ben Fraser sich die Sache anders überlegen und ihn zurückrufen könnte, war nicht zu verkennen.

Aber Ben Fraser dachte gar nicht daran, den Gesellen aufzuhalten. So billig konnte er den Marshal wahrscheinlich kein zweites Mal beschatten lassen. Und Jim Cott würde seine Aufgabe ernst nehmen, dessen war der Koloss sicher.

Ben Fraser reckte seine mächtige Gestalt schlaftrunken und gähnte müde. Er warf sich auf ein altes Sofa, aus dem die Stahlfedern stießen. Eine kleine Staubwolke hüllte seinen massiven Körper einen Moment ein. Als sie sich langsam wieder setzte, schlief er bereits.


12

Als Jim Cott keuchend vor dem „Wigwam“ angelangt war, musste er stehenbleiben und zunächst einmal tief Luft holen. Vorsorglich drehte er sich noch einmal um, aber seine Sorge war grundlos.

Nichts war hinter ihm zu sehen. Es bestand also keine Gefahr, dass der Muskelmann ihn nachträglich aus dem Lokal holen würde.

Nun blickte sich Jim Cott auch auf der breiten Hauptstraße genauer um. Was er sah, war für diese Nachmittagsstunde höchst ungewöhnlich. – Nicht ein einziger Passant ließ sich sehen, dabei war die Zeit der Siesta bereits vorbei.

Langsam ging er die zwei hölzernen Stufen zur überdachten Veranda hoch und stieß die Tür des

Saloons mit dem Stiefel zurück.

Sporenklirrend stieg er über die Schwelle.

Der Schankraum lag so verlassen wie die Halfterstange. Der Keeper lümmelte an einem Regal,

hielt die Arme über der Brust verschränkt und hatte den Kopf so schief gelegt, dass er abzubrechen drohte. Es schien, als schliefe Mann hinter der Theke.

Jim Cott blickte sich suchend um. Hinter seinem Rücken pendelte die Schwingtür langsam aus, die Angeln kreischten.

Dann blitzten seine Augen auf. In einer dunklen Ecke saßen zwei Menschen um einen kleinen runden Tisch, die sich angeregt unterhielten. Es waren ein Mann und eine Frau. Die Frau war die Lehrerin, Mary Miller, und der Mann – Marshal Clark Howard. Ihre Stimmen klangen gedämpft an das Ohr des Schmächtigen, aber er konnte nicht verstehen, worüber sie sprachen.

Jim Cott schlenderte an die Theke, zog sich einen der hohen Hocker mit der Stiefelspitze heran und turnte hinauf. Krachend landete seine Faust auf der blanken Messingplatte. Der Keeper fuhr erschrocken zusammen.

„Bist du nun munter, Bill?“, krähte Jim und verzog sein Gesicht zu einer Grimasse.

Bill Weller rieb sich die Augen und schlurfte näher.

„Was willst du?“, fragte er barsch.

Jim wischte über seine Lippen.

„Du könntest etwas freundlicher zu deinen Gästen sein“, rügte der Schmächtige, dann bestellte er einen großen Whisky.

Der Wirt besah sich den Mann nachdenklich. Jim Cott war dafür bekannt, nie Geld in der Tasche zu haben.

„Hast du denn Pulver?“

„Natürlich, selbstverständlich!“, meinte Jim mit einer großspurigen Geste. Er griff in die Tasche, langte seinen halben Dollar heraus und klimperte damit auf der Schankplatte herum.

Der Wirt nickte. Er griff unter die Theke und brachte eine angebrochene Flasche zum Vorschein. Widerwillig schenkte er ein Glas voll und schob es Jim Cott in die Hand.

Der Schmächtige grunzte zufrieden, hielt seinen Whisky gegen das Licht und stülpte ihn in seine immer durstige Kehle.

„Noch einen!“, befahl er und schnippte Weller das Glas zu. „Dein Teufelszeug ist warm. Schätze, es wäre nicht übel, wenn du endlich einen Konkurrenten in Crisbee hättest, vielleicht würde es dem Wert deiner lausigen Getränke dienlich sein!“, schimpfte er.

Bill Weller räusperte sich und blickte nach der Ecke. Er sagte nichts zu Jim Cott. Er hielt es für weit unter seiner Würde, mit dem Burschen überhaupt ein Wort zu sprechen, zu dem er nicht verpflichtet war. Am liebsten hätte er ihn durch einen Fußtritt an die frische Luft befördert. Der Bursche war hinterhältig und hatte verdammt lange Finger, aber es war nicht ratsam, mit ihm anzubinden, weil Ben Fraser, der Revolvermann von Crisbee, ihn ständig deckte. Und Ben Fraser wollte Bill Weller sich wirklich nicht auf den Hals laden. Nein – das wäre das Dümmste, was er tun konnte. Der Muskelmann würde wie ein wild gewordener Elefant durch sein Lokal stampfen und nichts als Trümmer zurücklassen.

Als der Wirt mit seinen Gedanken soweit gekommen war, beeilte er sich, Jim Cotts Glas schnell wieder zu füllen.

„Ich dachte schon, du wolltest mir nichts mehr geben“, meinte der Bursche anzüglich.

Bill Weller wischte mit einem Lappen über die Messingplatte und tat, als verstehe er nichts. Jim griff in seine Tasche, brachte zerknülltes Zigarettenpapier zum Vorschein und drehte sich aus vertrockneten Tabakkrumen eine dünne Zigarette. Sein abgebrochenes Streichholz rieb er an der Holstertasche seines Revolvers an. Dann blies er die muffig riechenden Rauchwolken über die Theke, direkt in das Gesicht des Wirtes, welches sich säuerlich verzog. Angewidert musste Bill Weller husten.

Clark Howard hatte den schmächtigen, schmierigen Burschen nur kurz gemustert, dann wandte er sich Mary Miller wieder zu, die ihn bewegen wollte, die Stadt mit der nächsten Post zu verlassen.

„Es hat doch keinen Sinn, Clark, die ganze Stadt liegt Douglas Crisbee zu Füßen. Jetzt wo er nicht da ist, hat Fraser freie Hand und kann tun und lassen, was er will. Kein Mensch wird Ihnen in Crisbee zu Hilfe kommen!“, sagte sie beschwörend.

Clark nickte.

„Und Sie?“

Mary zuckte resigniert die Schultern.

„Mein alter Mut ist auch schon leicht eingeknickt.“ Sie lachte gezwungen und zerknitterte einen Pappuntersetzer. „Aber mich kann Crisbee bestenfalls aus der Stadt jagen wie einen Hund, weiter nichts. Wesentlich schlimmer steht die Sache bei Ihnen. Fraser soll ein übler Schießer sein, mit dem nicht gut Kirschen essen ist.“

Clark Howard lachte auf.

„Wer hat Ihnen denn diese Weisheit verraten?“

„Hugh Förster, wenn Ihnen das ein Begriff ist.“

Der Marshal schüttelte den Kopf.

„Ich werde aus dieser Stadt nicht mehr klug. Sehen Sie, erst bestellt mich der Richter in die Stadt, oder besser gesagt, er verlangt von Colonel White Schutz gegen Crisbee, den mächtigen Rancher. Dann komme ich und soll gewissermaßen diesen Schutz darstellen und hier für Demokratie sorgen, da gibt man mir beim ersten Zusammenstoß den Rat, wieder zu verschwinden. Was soll ich davon halten, Mary?“

„Ich hab mich mit Hugh Förster sehr eingehend über dieses Thema unterhalten, Clark. Der Richter sagt, er habe geglaubt, dass Douglas Crisbee weich werden würde, wenn er einen Marshal in der Stadt sieht. Nun hat sich aber alles anders entwickelt. Statt an Crisbee sind Sie an Ben Fraser geraten. Hugh Förster sagt, der Kerl habe wenigstens fünf Männer aus der Stadt auf dem Gewissen, allerdings hatten seine Feinde immer die Colts in den Händen, er hat also immer in Notwehr gemordet, wie es so schön heißt. Und es sollen nicht die schlechtesten Schützen gewesen sein!“

„Sie meinen also, selbst wenn ich ein guter Schütze bin, habe ich keine Chance?“, fragte Clark Howard langsam.

Mary senkte die Augen.

„Clark, gehen Sie doch“, kam es flehend über ihre Lippen.

„Nein, selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht. Ich habe den Befehl, Recht und Ordnung in diese Stadt zu bringen, und ich werde diesen Befehl ausführen!“, sagte er rau und hart.

Die Lehrerin schüttelte den Kopf.

„Und wenn Sie nun darüber sterben, Clark? Was wird dann?“

„Dann wird ein anderer Marshal kommen, ein besserer als ich!“

„Ein anderer“, sagte Mary lang gezogen.

„Ja, vielleicht würde der Colonel sogar die Streife vorbeischicken. Sie bricht ohnehin diese Woche ins Indianergebiet auf. Es handelte sich um zwanzig Mann.“

„Die haben natürlich mehr Aussicht, lebend aus der Stadt zu kommen als Sie“, sagte die Lehrerin lakonisch. Dann nahm sie ihre Kaffeetasse und trank den letzten Rest des kalt gewordenen Getränks mit einem Schluck aus. „Sie gehen also nicht?“

Clark schüttelte langsam, aber bestimmt den Kopf.

„Nein!“ Er nahm die Whiskyflasche vom Tisch und schenkte sein Glas voll. Ihm war keine Aufregung anzumerken, seine Hand war so ruhig wie seine Stimme.

Mary stand auf, strich ihr Kleid zurecht und reichte Clark die Hand.

„Dann leben Sie wohl, Marshal. Hoffentlich verschafft Ihnen dieser Eigensinn wenigstens einen Sonderplatz im Himmel.“

Clark stand auf, ergriff ihre Hand und schaute in ihre Augen, sie waren leicht gerötet.

„Mary, Sie reden, als wäre ich schon tot. Fraser ist doch auch nur ein Mensch. Er ist noch nicht mal ein überführter Verbrecher, wie Sie selbst sagten, soll er immer in Notwehr geschossen haben.“

„Aber er trachtet Ihnen nach dem Leben, er wird Sie nach der Waffe greifen lassen und doch als erster schießen!“

Clark Howard konnte sich nicht genug wundern. Diese tapfere Frau war erst vor wenigen Tagen aus dem Osten gekommen. Mutig war sie James Crisbee entgegengetreten, als er das Friedensangebot seines Bruders unterbreitete. Und nun hatte sie Angst, Angst um ihn, Clark Howard, den sie durch einen improvisierten Zufall in der Postkutsche kennengelernt hatte. Er ließ ihre Hand los.

„Haben Sie Vertrauen, Mary, ich“, er brach plötzlich mitten im Satz ab und wischte über seine Stirn. Ihm war zu Bewusstsein gekommen, wie sinnlos seine Worte waren.

Aber Mary Miller nickte.

„Immerhin kann ich Ihre Beweggründe verstehen. Ich gehöre eben nicht in dieses Männerland, wo Meinungsverschiedenheiten mit heißem Blei ausgetragen werden.“

Der Marshal schob sie langsam auf den Ausgang zu.

„Warten Sie ab, Mary. Wenn Ben Fraser diesen Kampf, den er selbst vom Zaune gebrochen hat, nicht als Held übersteht, dann wird diese Stadt aufatmen. Allein das dürfte den Einsatz wert sein.“

„Und wo findet dieses Duell statt?“

„Ich werde vor dem Haus des Richters warten. Aber vielleicht ist Fraser schon die Lust vergangen. Immerhin will er mit dem Gesetz anbinden, und das hat er bisher geflissentlich vermieden.“

Mary ging mit müden Schritten.

„Vielleicht nur aus Mangel an Gelegenheit“, sagte sie über die Schulter.

Dann sah Clark Howard die Frau hinter dem Stamm der Kastanie verschwinden.

Er ging wieder in den Saloon zurück und setzte sich an die Theke. Zwischen ihm und Jim Cott standen drei leere Hocker. Der Schmächtige war eben damit beschäftigt, seinen dritten Whisky zu prüfen und anschließend hinter sein Gebiss zu kippen. Er stöhnte wollüstig, beleckte seine Lippen mit der Zunge, sah den Marshal an.

„Na, wie geht’s, Marshal?“

Clark Howard gab keine Antwort.

Er bestellte sich einen Drink, stemmte seine Ellenbogen auf die Schankplatte. Zum ersten Mal sah er sich den Burschen genauer an. Genauer als am Vortage, wo sie vor dem Haus des Schreiners gestanden hatten und Jim die Geschichte von seinem Baumsturz glaubhaft machen wollte. Gleichzeitig fiel ihm ein, dass Jim Cott auch derjenige gewesen war, welcher sich verstohlen aus dem Saloon geschlichen hatte, als er, Clark Howard, im Wigwam seinen Einzug als Marshal hielt. An diesem Kerl war also verschiedenes faul!

„Du bist mir schon mehrmals unangenehm aufgefallen, Cott!“, sagte Clark langsam und betont.

„Ich?“ Jim lachte gezwungen.

Der Wirt zog sich schnell hinter seine Regale zurück. Er fühlte förmlich, wie die Luft dick wurde.

„Ja, du!“

Der Schmächtige schüttelte den Kopf. Er hatte den ersten Schrecken überwunden.

„Schätze, deine Augen lassen dich im Stich!“, gab er zurück.

„Und wo hast du nun wirklich diese schöne Manschette her?“ Clark zeigte auf den schmutzigen Verband um Jims Arm, den dieser eben zu verdecken suchte. Es gelang ihm allerdings nicht, weil der Ärmel seiner verschlissenen Jacke zu kurz war.

„Das geht dich einen Dreck an!“, schrie er und ging einen Schritt von der Theke.

„Ich verstehe gar nicht, wieso dich diese Frage so aufregt?“, meinte Clark kopfschüttelnd. Er wusste nun genau, dass der Schmächtige etwas zu verbergen hatte.

„Gib mir noch einen Whisky, Weller – verdammt, wo ist denn der Giftmischer geblieben?“, lärmte Jim Cott. Krampfhaft versuchte er von diesem gefährlichen Thema abzulenken.

Der Wirt kam aus der Küche, in die er sich zurückgezogen hatte. Er blinzelte über die Theke.

„Bist du schon betrunken?“, fragte er Jim Cott erstaunt. Es wunderte ihn, dass dieser hinterhältige Ganove so unsicher war und auf seinen Beinen hin und her schwankte. „Das kenn ich doch gar nicht bei dir?“

Jim Cott nahm das Glas und schoss den Inhalt in seine Kehle.

„Ä-ähh, das hat mir gut getan. Noch einen.“

Bill Weller schenkte wieder ein.

„Wenn du nur den halben Dollar hast, dann war es der letzte. Macht schon zehn Cent mehr!“

Clark Howard lächelte dünn.

Jim Cott trank auch diesen Schnaps schnell aus, warf sein Geldstück nun endgültig auf die Messingplatte und rannte zur Tür.

Als er die Straße überquerte, schirrte Oliver Dane eben die Pferde an die Postkutsche.

Der Wirt räusperte sich, er sah Clark Howard von der Seite an.

„Das war Jim Cott, er ist Ben Frasers Freund.“

Clark grinste.

„Und jetzt bringt er also seinem Freund die Nachricht, dass ich immer noch in der Stadt bin und anscheinend auch nicht die Absicht habe, diese zu verlassen.“ Er sagte es sehr trocken.

Bill Weller hustete.

„Sie können gut kombinieren, wundert mich eigentlich.“

Clark trommelte mit den Fingerspitzen auf die peinlich saubere Platte.

„Sie meinen, weil ich so dumm bin, hier auf mein irdisches Ende zu warten, nicht wahr?“

„Yeah, genau!“

Von der Straße drangen jetzt die Zurufe des Posthalters herein, der die Pferde in die Gespanne drängte.

„Sie haben noch immer Zeit, Marshal“, sagte der Wirt, während er seine Nase massierte.

„Ja, noch genau dreißig Minuten.“

„Wenn Sie die Post nehmen wollen, nur noch zwanzig!“, stellte der Wirt richtig.

„Sie wissen hoffentlich, dass ich nicht diese Absicht habe, Mister Weller?“

Der Keeper beugte sich über die Theke.

„Brown war auch ein guter Schütze. Der Schreiner hat eine massive Kiste für ihn bauen müssen, wissen Sie das?“

Clark nickte.

„Ja, ich weiß. Leider lässt sich dagegen nichts tun, er hat zuerst gezogen.“

„Wenn Sie gegen Fraser wirklich eine Chance hätten, würden Sie ihn erschießen?“, fragte der Wirt, er war äußerst gespannt.

Der Marshal schüttelte den Kopf.

„Nein, nur wenn er mich dazu zwingt.“

„Was, Sie wollen ihn leben lassen, auch wenn Sie ihn endlich töten könnten?“ Das verstand Bill Weller nicht.

Clark beugte sich über die Theke.

„Fraser wird mir nicht entgehen. Aber vielleicht kann er mir etwas über seinen Boss verraten. Ich will genau wissen, welche Aufträge Douglas Crisbee ihm gegeben hat.“

Weller winkte ab.

„Crisbee ist kein schlechter Mensch. Er ist hart und eigensinnig, aber nicht ungerecht. Nur muss man seine Macht respektieren, und das tun wir!“

„Sie finden es also ganz in Ordnung, was sich hier abspielt?“

Der Wirt wand sich wie ein Aal.

„Das eigentlich auch wieder nicht“, gab er zu. „Aber Douglas Crisbee ist ein alter Pionier, er hat diese …“

Clark Howard unterbrach den Wirt durch eine schneidende Handbewegung.

„Diese Musik hab ich schon sehr oft zu hören bekommen“, er lachte rau. „Es wird Zeit, dass ihr eine andere Platte auflegt!“ Damit rutschte er von seinem Hocker und bezahlte die Zeche.

Einen Moment war er im Zweifel, ob das, was er hier vorhatte, den Einsatz wert war. Aber in der nächsten Sekunde dachte er an Colonel White und seinen Befehl. Als er Bill Weller wieder anblickte, war er ziemlich sicher, dass dessen Worte nur der allgemeinen Angst entsprungen sein konnten, die alle Männer der Stadt wie eine Panik umgab.

Clark stülpte seinen Stetson auf die Haare, gab ihm noch einen Schwung nach hinten und tippte grüßend an die Krempe.

„So long, Mister Weller!“

Der Wirt nickte.

„Ade, Marshal“, er seufzte und schlurfte in seine Küche. Er wollte aus dem Fenster sehen und weiter beobachten, was nun geschehen würde.


13

Als Jim Cott Ben Frasers Hütte wieder erreichte, schlief der Riese noch. Vorsichtig ging er näher und rüttelte an der Schulter des Muskelmannes.

„Ben, wach auf!“

Ben Fraser grunzte verschlafen und warf sich auf die andere Seite. Dröhnend schallten seine Schnarchtöne gegen die Wand, dass es Jim Cott so vorkam, als erzittere das Moos in den Fugen.

„Ben, wach doch auf!“, versuchte er es noch einmal, diesmal wesentlich lauter.

Nach weiteren fünf Minuten erwachte der Koloss. Er blinzelte schlaftrunken um sich, erhob sich augenreibend und stieß einen unflätigen Fluch durch die Zähne.

„Er sitzt drüben bei Weller, Ben. Ich weiß nicht recht – er hat die Kanonen so tief hängen, und überhaupt, Angst scheint er nicht zu haben.“

Ben Fraser stand auf.

„Fährt er mit der Post?“

Jim schüttelte den Kopf.

„Es sieht nicht so aus. Aber wenn du jetzt hinübergehst, er sitzt schräg an der Theke, durch einen sicheren Schuss kannst du ihn von der Hintertür aus abschießen!“ Er lachte grölend, als habe er einen besonders guten Einfall gehabt.

Ben Fraser aber fuhr auf dem Absatz herum. Der Fußtritt, den er diesmal Cott versetzte, war keine kameradschaftliche Geste, das merkte der schmierige Bursche sehr genau. Er flog in hohem Bogen auf das alte Sofa. Sein Hemd verfing sich in einer der alten Stahlfedern und ging in Stücke.

„Ich meinte doch nur – “

„Du bist ein ganz schmutziger Wicht! Hast du schon mal gesehen, dass ich einen Feind in den Rücken schieße, he?“

Jim Cott wimmerte furchtbar. Seine Angst war in dieser Minute grenzenlos.

„Ich wollte doch nur – “

Ben Frasers ausgestreckte Hand zeigte auf die Tür. Es war eine unmissverständliche Geste.

Jim Cott schlich mit eingezogenem Kopf an ihm vorbei. An der Schwelle ereilte ihn noch ein Schlag an den Hinterkopf, der seinen Körper in den Staub schickte.

„Verschwinde!“, bellte der Muskelmann und warf die windschiefe Tür zu, so dass die Angeln gequält stöhnten.

Langsam ging er zum Tisch, schob die Waschschüssel einfach auf die festgestampfte Erde und setzte sich auf einen Baumstumpf von drei Fuß Höhe, der ihm als Stuhl diente. Dann zog er seinen schweren Colt aus dem Holster, klappte die Trommel nach außen und erneuerte die Patronen in den Kammern. Ben Fraser wollte jede Möglichkeit ausschalten, die für ihn eine Niederlage bedeuten konnte.


14

Hinter Clark Howard pendelte die Schwingtür des Wigwams aus. Witternd blickte er sich in der Gegend um.

Die Straße lag leer und verlassen vor ihm.

Clark ging den Brettergehsteig entlang. Leise und melodisch klirrten seine Sporen. Als er das Ende des Fußweges erreichte, stieg er die Stufen hinunter.

Nichts rührte sich. Nur hier und da wackelte eine Gardine. Dort – das wusste der US-Marshal genau – saßen die Männer der Stadt hinter den Fenstern ihrer Häuser und warteten. Sie hielten sich aus dem Spiel.

Clark wurde sich plötzlich bewusst, wie verlassen er war. Er spürte eine tiefe Einsamkeit, die bitter in seiner Kehle aufstieg.

Dann überquerte er die Straße, ging auf das Postoffice zu, vor dem das reisefertige Gespann stand, auf welches Oliver Dane eben die letzten Säcke und Kisten lud. In der Kutsche saß nicht ein einziger Passagier.

Der Postagent blieb stehen, als er den Marshal über die Straße kommen sah. Mürrisch sah er Clark entgegen.

„In zwei Minuten fährt die Kutsche ab, Marshal.“

Clark lehnte sich an den Türpfosten und drehte sich eine Zigarette. Als er sie in Brand gesteckt hatte, nickte er Dane zu.

„Well, dann hab ich noch zwölf Minuten Zeit.“

„Zwei Minuten!“

„Sie irren, Mister Dane – ich hab selbst ein Pferd. Und Ben Fraser gab mir zehn Minuten länger, ich kann mir also die Sache noch überlegen, selbst wenn die Kutsche schon unterwegs ist.“

Oliver Dane grunzte unverständlich, dann ging er ins Haus und rief den Kutscher.

„Du kannst abdampfen, Ken. Der Marshal kommt also nicht mit!“, sagte er zu dem Fahrer.

Der Mann nickte, überflog die an der Tür lehnende Gestalt und stieg auf den Bock. Die Peitsche knallte – es klang, als schlage in Crisbee eine Glocke an. Dann begannen die Räder zu mahlen. Langsam entfernte sich die Kutsche.

Der Postagent räusperte sich.

„Ich würde Ihnen gern helfen, vielleicht auch noch viele andere, aber wir haben alle Frau und Kinder zu versorgen und ...“

Clark winkte ab. Fast konnte er die Beweggründe des Mannes verstehen.

„Schon gut“, murmelte er bitter.

Oliver Dane klappte den Mund auf, wollte noch etwas sagen, aber der Marshal hatte sich schon abgewandt, er stiefelte langsam die Straße weiter hinunter.

Clark kam am Mietstall vorbei, wo er die Pferde in den Boxen stehen sah. Dann überquerte er wieder die Straße und ging direkt auf das Stadthaus zu.

In der Tür stand Richter Hugh Förster.

„Damned, Marshal, ich hab Ihnen Unannehmlichkeiten bereitet“, meinte er zerknirscht.

Clark lächelte, in seinem Mund blitzten die weißen Zähne.

„Wieso?“, fragte er knapp.

„Ich war immer der Meinung, es würde auf Douglas Crisbee Eindruck machen, wenn ein Marshal herkommt. Ich glaubte, er würde sich auf seine Ranch verkriechen und seinen Revolverschwinger zurückpfeifen. Aber – “ Er vollendete den Satz nicht.

Clark nickte.

„Jetzt wissen Sie wenigstens genau, dass Sie sich in diesem Punkt geirrt haben. Ich bin der Meinung, dass es Crisbee sehr gelegen kam, dass die Auseinandersetzung zwischen seinem Revolvermann und mir ausgerechnet während seiner Abwesenheit stattfinden soll. Es kann ihm später niemand Vorwürfe machen.“

Der Richter musterte seine Stiefelspitzen sehr eingehend. Es sah fast so aus, als traue er sich nicht in die Augen des Marshals zu blicken. Er war noch immer der Meinung, den Rancher zu einer anderen Einstellung bekehren zu können. Clark Howard wusste es, ohne dass Hugh Förster auch nur den Mund öffnete.

Langsam ging der Marshal an Förster vorbei. Er öffnete das Arbeitszimmer des Richters und blieb wie angewurzelt auf der Schwelle stehen.

„Mary?“

„Ja“, die Lehrerin erhob sich und kam näher. Vor Clark blieb sie stehen.

„Was wollen Sie jetzt tun?“

Der Marshal warf die Kippe seiner Zigarette in den Aschenbecher und blies den Rauch zur Decke.

„Genau das, was mein Feind von mir erwartet, wenn er mich nicht für einen ausgemachten Feigling hält!“ Damit ging er an Mary Miller vorbei und nahm einen Stuhl in die Hand, der neben dem Schreibtisch gestanden hatte. Langsam ging er zur Tür hinaus.

Mary wischte sich über die Stirn und seufzte. Dann schritt sie zum Fenster und blickte auf die menschenleere Straße.

Clark stellte den Stuhl unter die Buche vor dem Stadthaus. Er lüftete seinen Stetson leicht an und setzte sich. Von dieser Stelle aus konnte er bis hinauf zum „Wigwam“ sehen und noch ein Stück weiter nach dem Ende der Stadt zu, wo Frasers jämmerliche Hütte irgendwo sein musste.

Es fehlten noch genau drei Minuten an der von dem Muskelmann festgesetzten Zeit, zu welcher Clark Howard die Stadt Crisbee verlassen haben sollte.

Nichts rührte sich. Nur hier und da wackelten die Gardinen an den Fenstern, es war das einzige Zeichen, dass die Bewohner in ihren Häusern sein mussten und nicht die Stadt verlassen hatten, wie es aussah.

Der Richter ging in sein Arbeitszimmer. Er sah Mary mit einem langen dunklen Blick an, dem nichts zu entnehmen war. Müde stampfte er auf und ab. Die Dielen knarrten.

Mary lehnte sich auf die Barriere, stützte den Kopf in die Arme.

„Ich halte das nicht mehr aus!“, schrie sie plötzlich und schluchzte.

Hugh Förster legte seine klobige Hand auf ihre zuckende Schulter.

Seine Augen irrten zur Uhr, deren Ticken überdeutlich den Raum erfüllte. Dann lief er wieder hin und her, blieb endlich vor dem Fenster stehen. Mit spitzen Fingern zog er eine Zigarre aus seiner Rocktasche.

Plötzlich brach Mary Millers Schluchzen ruckartig ab.

Der Richter fuhr auf dem Absatz herum. Er sah das Gesicht der Lehrerin, das sehr blass und eingefallen wirkte. Sie starrte die Uhr unverwandt an.

„Jetzt!“, sagte Förster dumpf.

Als er wieder ans Fenster trat, sah er einen Reiter, der sich – noch sehr weit entfernt – näherte. Es war kein anderer als Ben Fraser. Clark saß seelenruhig auf seinem Stuhl und – er rauchte!

Hugh Förster schüttelte nur noch den Kopf. Er war so aufgeregt, dass er schon ein ebenso großes Stück seiner Zigarre zerkaut wie in Asche verwandelt hatte.

Ben Fraser ritt auf seinem Braunen bis vor den Saloon. Dort stieg er sehr langsam ab und verknüpfte sorgfältig die Zügelenden um die Halfterstange. Dann schob er seinen verbeulten Hut aus der Stirn und sah sich auf der Straße genau um. Dieses Bild gefiel ihm. Die Männer von Crisbee taten haargenau das, was er von ihnen erwartete – sie hielten sich aus der Sache heraus. Sie steckten feige hinter den Fenstern ihrer Häuser und warteten.

Grinsend massierte er seine Revolverhand. Dann stiefelte er los, nicht ohne ständig Blicke nach links und rechts zu werfen, die alles andere als ängstlich waren.

Clark Howard hatte den Muskelmann genau beobachtet. Was ihn verwunderte, war die Tatsache, dass Ben Fraser zu diesem Kampf mit nur einem Revolver erschien. Allerdings war dieser eine Kanone von Colt.

Als Ben Fraser nun näherkam, schnippte der Marshal seinen Zigarettenrest zur Seite und setzte sich etwas gerader. Er hatte seinen Platz so gewählt, dass die Lehne des Stuhles seinen linken Arm stützte, während sein Rücken und der rechte Arm frei waren.

Fünfzehn Schritt vor dem Marshal blieb Ben Fraser stehen. Er schob seinen Stetson noch weiter nach hinten und grinste herausfordernd.

„Well, du willst also nicht freiwillig das Feld räumen. Auch gut, dann gibt es in wenigen Sekunden einen Idioten weniger in eurer Truppe!“ Er zog seinen Mund breit und lachte so laut, dass Richter Förster hinter seinem Fenster annahm, es könne in der ganzen Stadt gehört werden.

Clark betrachtete den Mann aus zusammengezogenen Lidern. In seinen Augen glomm ein kaltes entschlossenes Licht. Er machte sich nicht die Mühe, Ben Fraser eine Antwort zu geben, er beobachtete nur die Augen seines Feindes, er wartete auf den Moment, wo sie aufglimmen würden, was bei Männern seines Schlages gewöhnlich um den Bruchteil einer Sekunde früher geschah als das Hinunterzucken der Hand nach dem Griff des Colts.

„Wenn du noch einen Wunsch hast, dann musst du jetzt damit herausrücken!“, knurrte der Muskelmann böse. Langsam wurde er wütend, weil der andere keine Antwort gab.

Clark gähnte.

„Du hältst dich verdammt lange bei der Vorrede auf!“, sagte er plötzlich, um den Burschen zu reizen.

Ben Fraser fuhr zusammen. Es war eine Bewegung, wie sie ein Tiger macht, wenn er zum Sprung ansetzt, in der gleichen Sekunde zogen sich seine Augen gefährlich zusammen – nur einen winzigen Moment, kaum wahrnehmbar. Dann zog er blank, es ging so schnell, so geschmeidig, dass diese vielen Bewegungen zu einer einzigen verschmolzen. Ben Fraser war wirklich ein Ass unter den Revolverhelden des Westens, er war sehr schnell.

Aber Clark Howard hatte nur auf das Funkeln der Augen gewartet. Dann sauste seine Hand nach unten, landete klatschend auf dem hölzernen Kolben des 45ers und riss die Waffe mit einer Geschwindigkeit heraus, die schon an Artistik grenzte. Sein Schuss peitschte durch die ausgestorbene Straße, als Ben Fraser gerade mit dem Daumen den Hammer nach hinten zog, während er den Colt erst in halber Höhe hatte.

Ein wilder Schrei zerriss die rollende Detonation des Schusses, die noch zwischen den Häusern hin und her geworfen wurde.

Ben Fraser presste seine linke Hand auf die rechte. Zwischen seinen verkrampften Fingern quoll Blut hindurch, das in den Staub tropfte und dort in der Erde verschwand, wo der unbrauchbar gewordene Colt lag.

Clark schob seinen Revolver ins Holster.

„Mit dieser Hand wirst du nie wieder auf einen Menschen schießen, Fraser, sie ist vollkommen erledigt!“ Der Marshal stand auf. „Und wenn es mir noch gelingt, dir ein Verbrechen nachzuweisen, dann sprechen wir uns vor dem Richter wieder.“

Ben Fraser betrachtete den Mann, als habe er ihn noch nie in seinem Leben gesehen. Dann warf er sich plötzlich herum und rannte davon. Er dachte nicht mehr an sein Pferd, er lief glatt vorbei, geradewegs auf seine Hütte zu.

„Miss Miller, sehen Sie nur, er läuft wie ein Hase“, schrie der Richter begeistert.

Mary schluchzte nur noch lauter auf. Seit der Schuss gefallen war, traute sie sich nicht den Kopf zu heben.

„Miss Miller – Fraser ist erledigt!“, rief Hugh Förster noch einmal.

„Wer?“

„Fraser, sehen Sie doch!“

Mary rannte zum Fenster. Sie sah eben noch den Revolvermann in einer Staubwolke verschwinden, während Clark Howard mit seinem Stuhl in der Haustür verschwand.

„Ich weiß nicht, ob es ratsam war, einen Burschen wie …“, setzte der Richter an, als Clark neben ihm stand. Er wurde von einer schneidenden Handbewegung unterbrochen.

„Er wird niemandem mehr etwas tun. Wenn er nicht gleich zum Doc geht, dann wird ihm der ganze Arm abgenommen werden müssen. Außerdem ist es möglich, dass Fraser eventuell gegen Crisbee aussagt, wenn es etwas auszusagen gibt!“

Hugh Förster schüttelte den Kopf.

„Crisbee hat keine Verbrechen begangen. Natürlich wäre es nicht zu seinem Nachteil, wenn er gelegentlich einmal zurechtgestutzt würde.“

Clark ging zum Fenster.

„Abwarten“, sagte er nur, dann blickte er auf die Straße, wo nun die Bürger zusammenliefen.

„Gehen wir hinaus, jetzt ist der richtige Moment, um ein ordnungsgemäßes Stadtparlament mit Bürgermeister und allem Drum und Dran zu gründen!“

Förster kratzte seine eisgrauen Haare.

„Ausgezeichnete Idee!“, lobte er.

Mary lächelte dem Marshal überglücklich zu.

Dann gingen sie hinaus.

Clark Howard stieg auf einen Stuhl und sprach zu den Bewohnern der Stadt, die beschämt die Köpfe gesenkt hielten.


15

Es ging alles sehr schnell. Die Niederlage Ben Frasers hatte das Eis gebrochen. Nach einer Stunde hatte die Stadt Crisbee einen Bürgermeister, drei Stadtväter und – einen Sheriff! Richter Hugh Förster wurde mit Jubel in seinem Amt bestätigt.

Mary Miller wurde bestürmt, den Unterricht in der Schule so schnell wie möglich aufzunehmen. Alle Kinder und eine Menge Erwachsener waren gemeldet.

Hugh Förster sah Clark Howard an. Seine Augen glänzten, es war der größte Augenblick seines Lebens.

Die Menge hob den US-Marshal auf einen Tisch und machte Miene, ihn durch die Stadt zu tragen.

Aber Clark Howard erstickte dieses Beginnen im Keime. Er hob die Hand und strich damit durch die Luft.

„Hört mich an, Männer!“

Der neue Sheriff blies die Backen auf.

„Ruhe, der Marshal will zu uns sprechen, Ruhe!“

Es wurde still.

„Männer von Crisbee! Ich kann eure Freude durchaus verstehen, ich teile sie auch. Aber wir haben jetzt eine sehr wichtige Aufgabe, wir müssen die gewonnene Freiheit nun auch zu verteidigen bereit sein. Macht euch darauf gefasst, um diese Freiheit einen bitteren Kampf führen zu müssen, den ihr sicher für euch entscheiden werdet, wenn ihr entschlossen genug dazu seid. Spätestens morgen früh wird Douglas Crisbee – wenn ich ihn richtig einschätze – hier auftauchen und einen Höllenspektakel loslassen. Wir wollen uns wappnen, ihn gebührend zu empfangen. Wenn ihr stark und einig seid, dann könnt ihr ihn zwingen, die neue Ordnung anzuerkennen. Stellt Posten um die Stadt und verwehrt ihm den Eintritt!“

„Hoch!“, schrien die Menschen und wollten wieder den Tisch aufheben.

Clark Howard suchte eben nach einer Lücke, durch welche er entweichen konnte, als etwas geschah, das er nicht einkalkuliert hatte.

Vom Ende der Stadt her peitschte der Knall eines Gewehrschusses über die Häuser.

Die Männer warfen sich auf den Absätzen herum und hielten den Atem an.

„Was ist das?“, fragte einer verwundert.

Der Marshal zog die Augen zusammen, stieg vom Tisch und ging durch die Gasse, die sich gebildet hatte.


16

Während sich die Menschen der Stadt vor dem Stadthaus drängten, rumpelte hinter ihnen ein schwerer Prärieschoner in die Hauptstraße und hielt vor dem Haus des Schreiners. Vom Bock stieg Henry Brown, der sich verstohlen über die geröteten Augen wischte. Er ging in das Haus.

„Was willst du?“, fragte der Meister und nahm seine Stummelpfeife aus dem Mund.

„Ich will meinen Vater holen!“, sagte Henry. Seine Stimme klang entschlossen.

Der Schreiner musterte den Jungen lange, nickte schließlich.

„Du hast Glück, dass ich hier bin. Die anderen stehen alle am Stadthaus und feiern den Marshal, er hat Ben Fraser die Revolverhand zerschossen.“

Henry Brown nickte abwesend. Es schien, als habe er gar nicht gehört, was der Tischler da erzählte. In seinen Augen stand eine tiefe Trostlosigkeit, hinter der aber noch etwas funkelte, harte Entschlossenheit. Seltsam mutete dem Meister dieser Blick des Knaben an. Er wusste damit nichts anzufangen. Ihm war nur eines klar, Henry gehörte zu den Jungen, die durch harte entbehrungsreiche Arbeit frühzeitig zum Manne gereift waren, die schon als halbe Kinder einen festen Willen besaßen.

„Also deinen Vater willst du holen?“, versicherte er sich noch einmal, dann stampfte er hinaus auf den Holzplatz und rief laut nach seinem Gesellen.

Fünf Minuten später stand der Sarg William Browns auf dem Wagen. Der Schreiner strich Henry über das Haar und murmelte etwas, was wohl Trost sein sollte. Der Junge stieg auf den Bock, machte die Zügel los und drehte den Wagen auf der Straße um.

Der Meister ging kopfschüttelnd in sein Haus zurück.

Henry fuhr die Straße hinauf. Um das, was vor dem Stadthaus geschah, kümmerte er sich überhaupt nicht. Es interessierte ihn nicht. In seinem Inneren brannte nur ein wilder verzweifelter Schmerz, es war die Trauer um den Vater.

Er hatte vieles von ihm gelernt. Nicht nur das Schießen mit dem Winchestergewehr, auch der Wurf mit dem Lasso, die Aufzucht der Rinder und vieles andere.

Geerbt hatte er nicht viel. Nur ein kleines umschrittenes Anwesen, eine Handvoll Rinder und eine Menge Arbeit. Aber noch etwas hatte er von seinem Vater, es war der Mut und nicht zuletzt die Entschlossenheit des alten Brown, die sich auf den Sohn übertragen hatte.

Henry hielt seinen Wagen am Ende der Stadt an. Er stand auf und hob den Wagenkastendeckel hoch. Ohne zu zögern zog er seines Vaters Gewehr aus der dunklen Versenkung. Er repetierte den Karabiner und stieg ab. Mit entschlossenen Schritten ging er auf Ben Frasers Hütte zu, von der sein Wagen nur zwanzig Schritt entfernt stand.

Der Riese stand gebrochen im Inneren und starrte seine zerschossene Hand an. In der anderen Ecke lehnte Jim Cott und kaute mit seinem vorstehenden Unterkiefer auf der Oberlippe. Der Schmächtige wagte kein Wort zu sagen. Ängstlich duckte er sich bei jedem Geräusch zusammen. In seinen unsteten Augen stand deutlich das Unbehagen und die tiefe Ratlosigkeit, die auch Ben Fraser erfasst hatte.

Plötzlich verdunkelte sich der Eingang. Lang fiel ein schmaler Schatten in die Hütte.

Henry Brown stand in der Tür, seine Augen flackerten. Langsam hob er den Karabiner, der ganz ruhig zwischen seinen Fingern lag.

Dann krachte der Schuss, der auch den Marshal alarmiert hatte.

Ben Fraser fuhr erst in dieser Sekunde herum. Es war schon zu spät. Seine ineinander verkrampften Hände fassten nach dem Herzen, der Schrei erstarb auf seinen Lippen. Dann rutschte er haltlos in sich zusammen.

Jim Cotts Augen verdrehten sich. Ungläubig starrte er auf den Jungen, der sich eben umdrehte und die Hütte verließ, still und ruhig, so wie er gekommen war.

Als Henry Brown auf dem Bock seines Wagens saß und die Zügel mit einer schier automatischen Bewegung zusammenlegte und leicht auf den Hals des Pferdes fallen ließ, da hätte er bereits die Männer hören können, die aufgeregt die Straße heraufgerannt kamen, aber er achtete nicht darauf. Henry hatte nur den einen Wunsch, den Vater jetzt so schnell wie möglich nach Hause zu bringen.

Jim Cott überwand den ersten Schreck sehr schnell. Er sah die Einwohner der Stadt, allen voran den Marshal, auf die Hütte zukommen. Es gab für ihn nicht viel zu überlegen. Er schlich sich durch die Tür und wartete hinter der Hütte, bis der letzte Mann im Inneren verschwunden war. Dann machte er sich davon.

Der Schmächtige rannte den Weg hinunter, löste mit fliegenden Fingern die Zügelenden von Frasers Pferd vom Haltebalken und schwang sich in den Sattel. Er setzte seine Absätze so hart in die Weichen des Tieres, dass dieses schrill wiehernd mit ihm davongaloppierte.

Der Marshal sah noch die wehende Staubfahne, die, von den eiligen Hufen aufgewirbelt, in der Luft hing.

„Das war Jim Cott!“, sagte der Schreiner, der nun ebenfalls vor Frasers Hütte stand. „Wo wird er hin wollen?“

Clark Howard legte die Stirn in sorgenschwere Falten.

„Wohin könnte er schon wollen? Überlegen Sie doch, nur zu Douglas Crisbee!“

Der Meister nickte.

„Natürlich, er bringt einen ganzen Hut voll Neuigkeiten. Schätze, Crisbee wird ihn gut bezahlen, wenn er ihn nicht vor Wut halb totschlägt.“

Clark strich über sein Kinn.

„Denke, das wird er nicht tun“, widersprach er.

Hugh Förster kam aus der Hütte und blieb neben dem Marshal stehen.

„Was nun?“

Clark zuckte die Schultern. Wenn er Henry Brown auch für einen Jungen hielt, der über seine Jahre verständig war, so hätte er etwas Derartiges nicht erwartet. Natürlich würde der Richter nicht auf die absurde Idee kommen, den Jungen für diesen Racheakt zur Verantwortung ziehen zu wollen, aber es musste Henry mit aller Deutlichkeit klargemacht werden, dass es so nicht ging, wie er sich die Sache vorgestellt und schließlich sogar ausgeführt hatte. In welche Gefahr Henry sich begeben hatte, das war ihm sicher überhaupt nicht zu Bewusstsein gekommen. Nur dem Umstand, dass Fraser vollkommen gebrochen war, hatte er es aller Wahrscheinlichkeit nach zu verdanken, dass er sein Gewehr anschlagen konnte. Sicher hätte Ben Fraser den Jungen zu jeder anderen Zeit kaltlächelnd die Büchse heben lassen, und ihm dann sein Blei gegeben. Im Endeffekt wäre er schuldlos gewesen, so wie immer.

„Wie lange wird ein schneller Reiter brauchen, um Crisbees Herde einzuholen?“, fragte Clark Howard plötzlich.

Der Richter hob die Brauen.

„Sechs Stunden!“, sagte eine Stimme hinter Clark, sehr bestimmt.

Der Marshal fuhr auf dem Absatz herum. Es war Oliver Dane, der mit einem verlegenen Lächeln hinter ihm stand.

„So, sechs Stunden?“

„Yes, Marshal.“

Clark nickte.

„Dann tun wir gut daran, Douglas Crisbee mit seiner Mannschaft für morgen früh zu erwarten!“

Oliver Dane nickte eifrig. Wie bei allen Männern der Stadt, war auch bei ihm der Sinnesumschwung sehr plötzlich gekommen. Nun, wo sie sahen, dass selbst ein Junge wie Henry Brown dem Revolvermann mutig entgegengetreten war, blickten sie sich beschämt an. Jetzt wollten sie sich wenigstens bei der letzten Entscheidung als ganze Männer zeigen.

Sie liefen nach ihren Häusern und versammelten sich schon eine halbe Stunde später erneut vor dem Stadthaus. Hugh Förster sprach beschwichtigend auf die Bewohner Crisbees ein. Nichts lag ihm mehr am Herzen, als ein Blutbad zu vermeiden.


17

Auf der flachen Kuppe eines Hügels hielt Douglas Crisbee seinen Hengst an. Er wartete, bis die Herde heran war, und drehte sich dann um.

„He, Larry, komm her!“, rief er dem Vormann zu und winkte mit der Hand.

Der Vormann ritt näher, nickte seinem Boss zu und fragte: „Was gibt’s?“

„In diesem Becken werden wir die Nacht verbringen, okay“, sein Arm beschrieb einen weiten Bogen.

Der Vormann nickte. Er blickte in den spärlich mit Präriegras bewachsenen Talkessel, in dessen Mitte ein winziger, halb ausgetrockneter See in der Sonne funkelte.

„Ein sehr guter Platz, Boss!“, stellte er zufrieden fest. Dann warf er sich herum und winkte seinen Weidereitern zu. Die Cowboys trieben die Rinder in einer langen Kette zwischen die Hügel und umritten die Herde so lange, bis die Tiere ziemlich gleichmäßig um den kleinen See verteilt waren.

Als die Nacht hereinbrach, lagen die Rinder und Kälber im Gras. Die Ersatzpferde standen unter einem Gebüsch, ihre Zügel waren aneinandergebunden. Rund um den Talkessel brannten Lagerfeuer, an denen die Cowboys saßen und mit schläfrigen Blicken ihrem Nachtmahl zusprachen. James Crisbee teilte mit Larry die Wachen ein.

Douglas Crisbee, der Boss, hockte auf einem umgekippten Eimer vor einem großen Feuer. Er kaute an einer Rehkeule und trank aus der Whiskyflasche, die neben seinem verstaubten Stiefel stand.

„Wollen Sie noch etwas, Boss?“, fragte der Koch, der in einem großen Topf rührte.

Der Rancher schüttelte den Kopf, warf den Rest der Keule ins Feuer, dass es aufsprühte.

„Nein.“

Der Koch winkte einen Cowboy heran und schleppte mit ihm den Kessel zum nächsten Feuer.

James Crisbee kam, er setzte sich neben seinen Bruder.

„Wir würden eine Menge Arbeit sparen, wenn wir die Eisenbahn in der Stadt hätten, außerdem wäre jedes Rind an die zwanzig Kilo mehr wert.“

Der Rancher zog verächtlich die Mundwinkel nach unten.

„Aus dir wird niemals ein richtiger Züchter, James. Du liebst zu sehr die Bequemlichkeit.“

Der Jüngere zuckte die Schultern. Er langte hinter sich und schöpfte seine Blechtasse voll Kaffee.

„Es ist schade, dass unsere Ansichten weit auseinandergehen“, stellte er bitter fest. Dann stieß er einige Holzscheite ins Feuer, dass es hell aufloderte, und schob sich seinen Sattel zurecht. „Gute Nacht“, murmelte er und wälzte sich auf die andere Seite.

Douglas Crisbee wischte über seinen Mund und zog eine Zigarre aus der Tasche. Dann stand er auf und machte einen Rundgang durch das Lager.

Nach einer Stunde herrschte fast vollkommene Stille. Die Feuer waren niedriger geworden. Nur ab und zu warfen die Posten Holz in die Flammen, um sie nicht vollends ausgehen zu lassen. Die Cowboys lagen auf der heißen Erde, die Köpfe auf den Sätteln, und schliefen. Nur selten meldete sich ein Tier mit tiefem Blöcken. Die Pferde blieben vollkommen ruhig.

Nach dem zweiten Wechsel hörte Kid, der am Südhang lag, das Schlagen schneller Hufe. Er richtete sich halb auf und lauschte in die Nacht. Kein Zweifel, der Reiter schien es eilig zu haben, und er hielt direkt auf das Lager zu.

Schnell kroch der Weidereiter zu Larry und schüttelte diesen an der Schulter.

„Wach auf, Vormann“, presste er unterdrückt durch die Zähne.

Larry gähnte, rieb sich die Augen und musste sich zunächst einige Sekunden besinnen. Dann richtete er sich steil auf.

„Was gibt’s?“

Kid deutete über die Schulter.

„Ein Reiter“, sagte er.

Nun hörte auch der Vormann den Hufschlag. Er sprang auf und lief aus dem Lichtschein des Feuers. Abwartend verhielt er auf halber Höhe des Hügels. Nach seiner Berechnung musste der Mann an dieser Stelle vorbeikommen.

Drei Minuten später tauchte er auf. Der Vormann rief den Reiter an, worauf dieser sofort die Zügel anzog. Das erste, was Larry erkannte, war Ben Frasers Pferd. Das nächste machte ihn augenblicklich hellwach.

„Cott, was willst du hier?“, fragte er langgezogen. Er konnte den Schmächtigen nicht ausstehen.

Jim Cott stieg etwas schwerfällig aus dem Sattel.

„Damned, in Crisbee ist etwas Schreckliches passiert. Wo ist der Boss?“

Wortlos drehte sich der Vormann um und schritt vor Cott her. Neben dem Küchenwagen blieb er stehen und rief Douglas Crisbee leise an, der neben seinem Bruder auf der Erde lag und mit seinem Mantelsack zugedeckt war.

James Crisbee war sofort munter. Er setzte sich auf und betrachtete den Schmächtigen.

„Was willst du hier, Cott?“

„Ich bringe eine Nachricht, Mister Crisbee, eine entsetzliche Nachricht – Ben Fraser ist ermordet worden!“, sprudelte Jim hervor, indem er seinen verbeulten Hut zwischen den Fingern noch mehr aus der Form brachte.

James legte sich wieder zurück. .

„Ich finde das wenig entsetzlich!“, stellte er ruhig fest.

„So, findest du?“ Damit fuhr der Rancher aus seinem Mantelsack. Er hatte die Worte Cotts mitgehört.

James nickte.

„Yeah, finde ich.“

Douglas Crisbee stieß Holz ins Feuer, deutete Jim Cott, sich niederzulassen, und nahm einen Schluck aus der Flasche, bei dem sich die Augen des Schmächtigen verdrehten.

„Hier“, sagte der Rancher, dem der Blick nicht entgangen war, und hielt ihm die Flasche hin.

Jim nahm einen Schluck, grunzte wohlgefällig und nahm noch einen. Dann warf er die leere Flasche hinter sich und sah sich suchend um.

„Berichte!“, forderte Douglas Crisbee ihn knapp auf.

Jim wischte über den Mund, suchte einen Moment nach passenden Worten und erzählte schließlich, was sich innerhalb dieses einen Nachmittags in der Stadt alles zugetragen hatte.

Douglas Crisbee stieß Flüche und Verwünschungen aus, die für den Marshal alles andere als schmeichelhaft waren. Er raufte sich die Haare, nannte Ben Fraser einen ausgewachsenen Idioten und sah, als Cott geendet hatte, die Cowboys herausfordernd an, die in einem engen Kreis um das Feuer standen. Es waren zehn Mann, die durch den Hufschlag oder das anschließende Geschrei munter geworden waren.

„Habt ihr alles gehört?“

Die Weidereiter nickten.

„Yes, Boss, wir haben alles verstanden, was der da“, der Sprecher zeigte auf Jim Cott, „gesagt hat.“

Douglas Crisbee nickte grimmig.

„Dann sattelt eure Pferde, weckt die anderen Boys und macht euch für einen heißen Ritt fertig. Das wäre doch gelacht, wenn ich mit diesen Burschen nicht mehr klarkommen würde.“ Er stieß ein heiseres Lachen aus der Kehle.

Die Cowboys entfernten sich. Von der nächtlichen Sonderaufgabe waren sie alles andere als begeistert.

Als die Brüder wieder allein waren, drehte sich der Rancher langsam um.

„Du bleibst hier und achtest mit zehn Männern auf die Tiere. Den Rest nehme ich mit!“

James Crisbee erhob sich, rollte seine Decke zusammen und schnallte den Revolvergurt enger. Er schüttelte den Kopf.

„Du irrst, ich reite selbstverständlich mit in die Stadt!“, sagte er sehr bestimmt.

„Wer bestimmt das?“, fuhr ihn der Rancher hart an.

James lächelte.

„Schätze, ich.“

„Du bleibst hier!“ Die Stimme des Ranchers drohte überzukippen.

Aber sein Bruder blieb fest.

„Nein! Ich könnte dich gar nicht allein mit der Mannschaft reiten lassen. Du bist im Stande, sie alle zu Banditen zu machen – und das werde ich verhindern“, Er richtete sich hoch auf. „Stell dir doch vor: In Crisbee sitzt ein US-Marshal, unter dessen Leitung eine richtige Stadtverwaltung gegründet worden ist. Jetzt willst du hinreiten und den ganzen Laden mit deiner Mannschaft zusammenreiten. Was ist das? Das ist ein glattes Verbrechen!“

Douglas Crisbee lachte schallend.

„Und das willst du Wicht verhindern, he? Dass ich nicht lache!“

James zuckte die Schultern.

„Immerhin wundert es mich, dass du zugibst, ein Verbrechen begehen zu wollen“, stellte er sachlich fest. Er nahm seinen Sattel auf und entfernte sich in Richtung der Buschgruppe, unter welcher die Pferde standen.

Douglas Crisbee hieb wütend durch die Luft. In dieser Sekunde hasste er seinen Bruder mehr als den Marshal, der die ganze Geschichte eingefädelt hatte.

Larry kam heran, kaute auf der Lippe und blickte seinen Boss von unten herauf an.

„Wir sind fertig“, meldete er.

„Gut, hol meinen Gaul!“

Nach zehn Minuten standen die ausgewählten zwanzig Mann um ihren Boss und hielten ihre Pferde an den Zügeln.

Douglas Crisbee erklärte mit kurzen, abgehakten Worten, was in „seiner Stadt“ vorgefallen war. „Und jetzt“, so schloss er seine Rede, „werden wir hinreiten und den Verein auflösen.“ Damit schwang er sich auf seinen Wallach, den ihm Larry als frisches Pferd gebracht hatte, und stürmte vor der Mannschaft her.

Zurück blieben zehn Männer, die die Herde und die Remuda so lange in diesem Kessel halten sollten, bis die Mannschaft wieder zurück sei.

Douglas Crisbee hatte durchblicken lassen, dass er am Abend die Kleinigkeit sicherlich erledigt hätte. Der Trail würde also nur einen Aufenthalt von höchstens einem Tag erfahren.

Kid, der sich unter den Zurückgebliebenen befand, nickte.

„Immerhin ist der Marshal nicht von Pappe, wenn er mit Ben fertig geworden ist. Schätze, dass er vor unserem Boss auch nicht viel Respekt zeigen wird.“

„Yeah“, sagte Murry und warf die Kelle in den Kaffeetopf. „Kann unter Umständen eine heiße Geschichte werden. Well, vielleicht sind wir mit der Wache noch am besten beraten!“

Die Weidereiter waren sich schnell einig, nicht schlecht bei der Aufteilung abgeschnitten zu haben. Sie teilten sich in die Wachen, die nunmehr etwas eingeschränkt wurden, und rollten sich wieder in ihre Decken. Kid und ein weiterer Cowboy stiegen auf ihre Pferde und umritten die ruhenden Tiere. Auf diese Art war es ihnen möglich, auch zu zweit während der Nacht genaue Kontrolle über die Tiere zu behalten.

Kid zog plötzlich die Zügel straff und blickte seinen Kameraden von der Seite an.

„Findest du nicht, dass unser Boss etwas über das Ziel hinausschießt, Neff?“, fragte er überlegend.

Der Weidereiter zuckte die Schultern.

„Kommt drauf an, was sein Ziel ist“, meinte er lakonisch und setzte seinen Weg fort.

Kid trabte hinter ihm her. Er lächelte säuerlich, was der andere freilich nicht sehen konnte.

„Hast du mich wirklich nicht verstanden?“

Nun hielt auch Neff an.

„Weißt du, Kid, ich stehe auf Douglas Crisbees Lohnliste. Ich habe nicht die Absicht, gegen einen großen Hund zu bellen, den ich nicht beißen kann. Bis jetzt ist hier alles glattgegangen. Solange ich mich erinnern kann, hab ich die Kanone nur zum Aufmuntern der Rinder gebraucht, wenn sie einmal gar nicht mehr weiter wollten. Aber meine Ansicht könnte sich unter Umständen ändern, wenn es anders würde. Daran glaube ich aber wiederum nicht, weil da noch ein gewisser James Crisbee ist!“

Kid hörte sich die lange Rede seines sonst so schweigsamen Gefährten genau an. Er wunderte sich nicht schlecht, weil er von Neff nicht erwartet hatte, dass er sich solche Gedanken machte. Nun aber musste er zustimmend seinen Kopf bewegen.

„Du hast Recht, James ist ein ganzer Kerl – und seine Ansichten sind wirklich sehr gut.“

„Und er wird bestimmt auch eines Tages die Leitung der Ranch übernehmen. Wenigstens wenn sein Bruder Douglas in seinem alten Fahrwasser weitersteuert!“, prophezeite Neff. Dann setzte er sein Pferd wieder in Bewegung, Kid folgte ihm.

Am Feuer hielten sie an und weckten die Ablösung. Dann sattelten sie ihre Pferde ab und legten sich schlafen.


18

Dick Shaugnessy und Oliver Dane hatten es sich nicht nehmen lassen, während dieser Nacht den Eingang der Stadt zu bewachen.

„Wenn Crisbee kommt, was der Marshal erwartet, dann muss er von dieser Seite kommen!“, sagte der Posthalter gerade, während er verschlafen über seine geröteten Augen wischte.

Der Schreiner nickte.

„Möchte nur wissen, was aus dieser Sache noch wird. So wie ich Crisbee kenne, wird er nicht klein beigeben“, sagte er bestimmt.

„Daran glaube ich leider auch nicht!“, sagte plötzlich eine Stimme hinter den Männern.

Wie auf Kommando fuhren die beiden Wachtposten herum. Keiner von ihnen hatte den Marshal bemerkt, der sich da bis auf wenige Schritte genähert hatte.

„Wo kommen Sie her, Marshal?“, fragte der Schreiner atemlos.

„Ich wollte nur sehen, ob noch alles in Ordnung ist“, entgegnete Clark Howard ruhig. „Wir müssen eines um jeden Preis verhindern, und zwar dass Douglas Crisbee mit seinen Männern überhaupt in die Stadt kommt. Vor der Stadt bleibt die Truppe stehen.“

„Hmm, und wenn sie uns nun diesen Gefallen nicht tun?“ Oliver Dane schien ernstliche Zweifel zu hegen.

„Wir sind nur zwei Mann, Marshal“, gab auch der Schreiner zu bedenken.

Clark Howard lächelte unbestimmt.

„Allein könnt ihr sie auch nicht aufhalten. Wir brauchen wenigstens zwanzig Männer an dieser Stelle, dreißig weitere rund um die Stadt.“

„Ja aber ...?“ Dick Shaugnessy schüttelte verwundert den Kopf.

„Dane, Sie haben doch selbst gesagt, dass ein Reiter sechs Stunden braucht, um die Herde Crisbees zu erreichen, die Mannschaft braucht also immerhin die gleiche Zeit, um nach der Stadt zu kommen. Wir brauchen also vor dem Morgen nichts zu befürchten. “

Oliver Dane nickte.

„Natürlich, sie können in dieser Nacht noch gar nicht kommen.“

„Warum stehen wir dann hier herum?“, wunderte sich der Schreiner. „Gehen wir doch in unsere Betten und kommen wieder, wenn die Sonne scheint!“

Clark schüttelte den Kopf.

„Nein, wir müssen immer wachsam bleiben. Was wir annehmen, ist doch nur eine Folgerung, die an sich richtig ist, von der wir aber nicht wissen, ob sie auch stimmt.“

Oliver Dane nickte eifrig, obwohl er nicht ein Wort verstanden hatte.

Clark Howard nickte den Männern zu und entfernte sich wieder. Er stieg auf sein Pferd und ritt zum Stadthaus. Zu seiner größten Verwunderung brannte in Hugh Försters Arbeitszimmer noch Licht, obwohl es lange nach Mitternacht war. Er stieg ab und ging hinein.

Was der Richter dem Marshal während der nächsten halben Stunde erzählte, war nichts anderes als ein fortlaufender Versuch, das Verhalten Douglas Crisbees zu entschuldigen.

„Wenn es zu einem Kampf kommt, dann müssen Sie immer bedenken, dass der Rancher Crisbee als seine Stadt betrachtet, es ist also kein Verbrechen im Sinne unseres Gesetzes“, sagte er abschließend.

Clark massierte sein Kinn.

„Und wenn im Verlaufe dieses Kampfes Menschen getötet werden, was ja immerhin möglich ist, ist es dann immer noch kein Verbrechen?“, fragte er scharf.

Hugh Förster war seine Mission sichtlich unbehaglich. Er drehte sich auf seinem Stuhl hin und her und wusste weder ein noch aus.

„Marshal, wir haben doch in der Stadt alles das erreicht, was ich mein Leben lang angestrebt habe. Wollen wir doch damit zufrieden sein.“

Der Marshal ging ans Fenster und lehnte den Kopf gegen die kalte Scheibe.

„Damit sind wir auch zufrieden! Fragt sich nur, ob Crisbee es auch ist?“

„Ich werde noch mal mit ihm sprechen!“, sagte Hugh Förster entschieden. „Nun muss er doch endlich einsehen, dass er nicht mehr weiter kommt.“

„Hoffen wir, dass Sie Recht behalten, Mister Förster. Ich wünsche es Ihnen jedenfalls.“


19

Drei Pferdelängen vor seiner Mannschaft preschte Douglas Crisbee auf die Stadt zu. Als er die Häuser sehen konnte, versuchte er aus dem abgetriebenen Wallach noch mehr herauszuholen. Es war nicht möglich. Die Beine des Tieres konnten nicht mehr schneller werden, nur der Schaum an den Flanken verstärkte sich, der dem Rancher ins Gesicht wehte.

Und dann weiteten sich die Augen des Ranchers vor Staunen, sein Gesicht, lief rot an, er zog die Zügel zurück, dass der Kopf seines Pferdes in die Höhe gerissen wurde.

Vor der Stadt, etwa in Höhe von Ben Frasers Hütte, standen mindestens zwanzig Männer, die sich mit schussbereiten Gewehren über die Straße verteilt hatten.

Douglas Crisbee wartete, bis sein Bruder James neben ihm sein Pferd parierte.

„Was sagst du dazu, James?“, fragte er dumpf.

James Crisbee lächelte dünn.

„Schätze, das stand zu erwarten.“

Der Rancher drehte sich zu ihm um.

„Es wundert mich, dass du nicht mit fliegenden Fahnen die Stellung wechselst!“, schrie er zornbebend, während sich seine Hand auf den schweren Colt an seiner Hüfte senkte.

„Ich würde das ohne Weiteres tun, wenn ich nicht immer noch Hoffnung hätte, dass du deine irrsinnige Ansicht endlich ablegst. Jedenfalls werde ich ganz bestimmt keinen Kampf mit den Männern da drüben beginnen, wie es doch sicher deine Absicht ist!“

Douglas Crisbee nickte.

„Ganz recht, genau das ist meine Absicht!“ Er spuckte sich in die Hände und drehte sich zu seiner Mannschaft um.

„Wir machen zunächst das einfachste, was es gibt, wir umstellen die ganze Stadt! Es darf keine Maus entkommen, versteht ihr?“

Die Weidereiter nickten. Douglas Crisbee nahm persönlich die Einteilung vor.

Dann ritt er auf die Männer am Eingang der Stadt zu und befahl ihnen, den Weg freizugeben.

Der Schmied schälte sich aus der abwartenden Gruppe und rief zurück: „Was wollen Sie, Crisbee?“

„Was geht dich das an?“, schnauzte der Rancher. Er wagte aber vorerst nicht, sein Pferd in Gang zu setzen. Zu drohend waren die Mienen der Männer. Manchem Gesicht glaubte Douglas Crisbee ablesen zu können, dass die Augen des Betreffenden seine Gestalt gern über Kimme und Korn anvisieren würden.

„Was habt ihr lausigen Gesellen mit Ben Fraser gemacht?“

Der Schmied räusperte sich.

„Meinen Sie etwa den Marshal, Crisbee?“, fragte er mit schief gelegtem Kopf.

„Ach, Marshal, in Crisbee bin ich der Marshal, versteht ihr!“

Die Männer lachten. Douglas Crisbee zog unwillkürlich den Kopf ein, er war noch nie ausgelacht worden, zumindest noch nicht öffentlich.

In diesem Augenblick erschien Clark Howard. Er ritt durch die Kette der Männer, die ihm Platz machten, und blieb zehn Schritt vor dem Rancher stehen.

„Nun, Crisbee, ich denke, Sie befinden sich auf einem Trail?“

Douglas Crisbee spuckte über den Hals seines Pferdes.

„Sie wussten doch genau, dass ich herkommen würde, um dieses Kaspertheater aufzulösen!“, schimpfte er mit hochrotem Kopf.

Clark lächelte, es war ein hartes Lächeln.

„Dann konnten Sie sich den Weg sparen, Crisbee. Wie Sie sehen, haben wir Ihr Kaspertheater bereits aufgelöst. Die Stadt verfügt jetzt über ein ordnungsgemäßes Parlament. Es ist ein Sheriff und auch ein Bürgermeister gewählt worden!“

Verächtlich winkte der Rancher ab.

„Wenn ich meinen Boys einen Wink gebe, verwandeln sie die Häuser in einen Trümmerhaufen!“, versetzte er großspurig.

„Davon bin ich allerdings nicht überzeugt, Crisbee. Aber wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf, dann den, diesen Unfug zu unterlassen. Es würde mir nichts ausmachen, Sie vor ein Gericht zu stellen!“

Douglas Crisbee zog den Mund breit und tippte mit dem Zeigefinger an seine Stirn.

„Am Ende bilden Sie sich noch ein, dass ich dieses Marionettentheater anerkenne, wie?“

„Allerdings, das erwarte ich von Ihnen, Crisbee. Wenn Sie das nicht wollen, dann ist es besser, wenn Sie schnellstens von der Bildfläche verschwinden. Vielleicht finden Sie weiter westlich, etwa im Llano Estacado eine Stelle, an der Sie mit Ihren Manieren noch eine Weile glücklich leben können, genau sagen kann ich dies allerdings nicht.“

Clark Howard drehte sich mit Gemütsruhe eine Zigarette und setzte sie in Brand, ohne den Rancher aus den Augen zu lassen. Er bemerkte, wie Douglas Crisbee unsicher wurde. Einen Moment schien es so, als überlege der Weidekönig, ob er nicht einen Kompromissvorschlag anbringen könne. Dann aber änderte sich das Spiel seiner Mienen schlagartig. Er spuckte nochmals in den Sand, schlug mit der flachen Hand auf den Hals seines Pferdes und zog gleichzeitig die Zügel an.

Der Wallach wieherte, stieg auf die Hinterhand und drehte sich auf der Stelle um,

„Wie Sie wollen, Marshal!“, rief der Rancher über die Schulter, dann verschwand er in einer dichten Staubwolke.

Clark Howard verstärkte die Wachen, wies sie an, scharf zu schießen, wenn ein Überfall einsetzen würde, und verteilte Sonderposten, die auf die Dächer der am nächsten gelegenen Häuser stiegen, von wo aus sie weit in die Prärie hinaussehen konnten. Dann ritt er zum Stadthaus und teilte Hugh Förster mit, dass Douglas Crisbee nicht gewillt war, das Gesetz anzuerkennen.

Der Richter schlug sich vor den Kopf und bedachte den Rancher mit tausend Namen, von denen einer schlechter war als der andere. Es nützte alles nichts, er wollte um jeden Preis noch einen letzten Versuch unternehmen. Er konnte den alten Pionier noch immer nicht fallenlassen.

„Und was hat James Crisbee dazu gesagt?“, fragte er plötzlich mit einem Schimmer neuer Hoffnung in den Augen. „Ja, James, sein Bruder!“

Clark zuckte die Schultern.

„Er stand ein Stück hinter dem Rancher und schien gar nicht zuzuhören.“

Hugh Förster fluchte grimmig.

„Und gerade von ihm hatte ich immer erwartet und gehofft, dass er meinen Plänen eher zustimmen würde als Douglas, der verbohrte Narr.“

„Dann sind Sie jetzt um eine Erfahrung reicher!“, lächelte Clark.

Förster schüttelte den Kopf, es sah fast unwillig aus.

„Kann sein, er traut sich auch nicht gegen seinen Bruder aufzutrumpfen? Douglas hat die Ranch gegründet und ist auch der Besitzer, soviel ich weiß, gibt es zwischen ihnen keinen schriftlichen Vertrag.“

„Dann ist also James von der Gnade seines Bruders abhängig?“, fragte Clark Howard, der verwundert die Brauen hochgezogen hatte.

Hugh Förster nickte seufzend.

„So ist es.“ Er erhob sich schwerfällig, nahm seinen alten Revolvergurt – den er wahrscheinlich seit mindestens zwanzig Jahren nicht mehr getragen hatte – aus dem Schrank und zog den verstaubten Colt – ein uraltes Modell – aus dem Holster. Umständlich öffnete er die Kammer.

„Hmm“, machte er nach einiger Zeit des Betrachtens. „Haben Sie nicht ein paar Geschosse für mich?“ Er sah Clark Howard von unten herauf an.

Der Marshal konnte ein leichtes Lächeln nicht unterdrücken.

„Nein, Richter, das Kaliber bekommen Sie, wenn überhaupt noch, dann nur antiquarisch!“

Hugh Förster blickte den Sprecher verdutzt an. Clark erkannte aus diesem Blick, dass der Richter sich mindestens solange nicht um Waffen gekümmert haben musste, wie der Colt im Schrank gelegen hatte.

„Unsere Kanonen haben heutzutage Zündhütchen, Ihr Apparat hingegen ist noch für Zündstifte eingerichtet“, erklärte er.

„Aha!“, machte der Richter und nickte mit dem Kopf, er hatte kein Wort verstanden.

Plötzlich kam Mary Miller in Hugh Försters Arbeitszimmer. Sie blieb mit allen Anzeichen größerer Aufregung an der Tür stehen und sah die Männer an, die sich so ruhig unterhielten, als befände sich nicht die ganze Stadt auf den Barrikaden.

Clark drehte sich um.

„Mary!“, rief er erfreut und wollte auf sie zugehen. Doch dann blieb er stehen. „Was ist?“

Mary Miller vollführte eine fahrige Bewegung, als wolle sie die Luft zerschneiden.

„Crisbees Leute haben die ganze Stadt umstellt!“, sprudelte sie heraus.

Clark Howard nickte.

„Es ist nicht ausgeschlossen, dass er den Versuch unternimmt, uns auszuhungern. Innerhalb einer Woche sind wir erledigt, wenn wir diesen Ring nicht sprengen können oder Hilfe von außen bekommen.“

Hugh Förster stiefelte mit schweren Tritten durch das Zimmer. Vor dem Schrank blieb er stehen und warf den alten Colt wieder hinein.

„Und was gedenken Sie dagegen zu unternehmen? Ich meine, haben Sie einen bestimmten Plan, der uns Hilfe verschaffen könnte?“

Clark schüttelte den Kopf.

„Wir werden zunächst einmal abwarten. Ich habe genau wie Sie noch immer den Wunsch, die Sache auf humane Art beizulegen, wenn möglich ohne Opfer! Aber ich werde sofort Schießbefehl erteilen, wenn wir anders keine Chance mehr haben sollten. Schätze, dann gibt es verdammt schnell Luft für unsere Männer.“

Hugh Förster zog die Stirn in Falten. Obwohl er diesen Plan selbst als den einzig richtigen betrachtete, wollte ihm dieser gar nicht gefallen. Mehr denn je befand er sich im Zwiespalt mit seinen Gefühlen.

„Sagen Sie, Mister Förster“, meinte Clark plötzlich, der den Richter genau beobachtet hatte, „tut es Ihnen eigentlich leid, Colonel White verständigt und die Lehrerin bestellt zu haben?“

Hugh Förster fuhr auf, als habe ihn eine Biene gestochen.

„Nein!“, sagte er so spontan, dass es nichts anderes als die Wahrheit sein konnte. „Ich habe mich nur in der Person meines Gegenspielers sehr verschätzt!“, setzte er langsam hinzu.

Es schien, als kamen die Worte nur widerwillig über seine Lippen.

Clark nickte mit zusammengepressten Lippen.

„Das freut mich für Sie, Richter!“, sagte er nach einer Weile sehr langsam.

Plötzlich klopfte es ans Fenster.

Draußen stand Oliver Dane, er schien sehr aufgeregt zu sein.

Clark Howard öffnete und steckte den Kopf hinaus.

„Was gibt’s, Dane?“, fragte er kurz. Gleichzeitig überflogen seine Augen die Männer, die sich hinter Oliver Dane aufgebaut hatten und mit knorrigen Händen die Schäfte ihrer Gewehre umspannt hielten.

Der Posthalter rieb sein Kinn, versuchte ein Lächeln und blickte zu Boden.

„Es ist ... es ist wegen Crisbee, seine Mannschaft hat die Stadt umstellt!“

Clark nickte.

„Yeah, Miss Miller sagte es bereits, sie hat es von ihrem Fenster aus beobachtet. Aber das ist doch kein Grund zur Unruhe, oder?“

Dane zuckte die Schultern und sah hinter sich auf die abwartende Gruppe.

„Ich weiß nicht, die Leute befürchten, uns könnten die Lebensmittel ausgehen, wenn wir hier nicht mehr heraus können. Unsere Stadt ist auf eine Belagerung nicht eingerichtet!“

Der Marshal winkte begütigend ab.

„So schlimm kann es ja nun wieder nicht sein. Ihr wollt mir doch nicht erzählen, dass ihr laufend Nahrungsmittel aus einem anderen County bezieht?“

„Doch!“ Oliver Dane nickte eifrig mit dem Kopf.

„Wir haben hier keinen fruchtbaren Boden, außerdem war Brown der einzige, dem ein Fetzen Land gehörte, und Crisbee betreibt nur Viehzucht. Wir haben also in der Stadt rein gar nichts. Jede dritte Woche kommt eine Frachtwagenkolonne von Laredo und bringt uns die Sachen. Morgen ist sie fällig.“

Hugh Förster trat hinter Clark und blickte über dessen Schultern auf die Plaza hinaus.

„Es ist wirklich so, Vorräte können die Leute bei diesem Wetter nicht aufstapeln. Es reicht immer von einer Sendung zur nächsten.“

„Hat denn niemand Vieh in der Stadt, was man schlachten könnte?“

„Doch, aber davon werden auch nicht alle satt. Selbst dann nicht, wenn es nur für eine Mahlzeit sein soll!“, meinte der Postagent, der Clarks Frage gehört hatte.

„Gut!“, entschied Clark Howard nun. „Zunächst warten wir ab, ob Crisbee die Frachtwagen in die Stadt lässt oder nicht. Dann werden wir weitersehen. Verhungern wird bestimmt keiner, ich verspreche es euch! Vorläufig werden wir die Häuser umstellen und auf Crisbees Mannschaft achten. Geschossen wird nur, wenn die Meute anfängt oder gar versucht, die Stadt zu stürmen, okay?“

Die Männer nickten.

„Well, Marshal!“, riefen sie, dann zogen sie ab, um ihre Plätze einzunehmen.


20

Am nächsten Vormittag hatte sich die Lage noch nicht verändert. Die Ranchmannschaft stand um die Stadt. Es war den Gesichtern der Männer abzulesen, dass sie dieser Beschäftigung wenig Geschmack abgewannen.

Aber sie fügten sich den Anweisungen, sie bewachten Crisbee.

Der Rancher lehnte mit dem Rücken am Rad eines Planwagens, den zwei Cowboys am Vortage von der Ranch geholt hatten, über das Feuer hinweg betrachtete er abwägend seinen Bruder, der sich zu dieser Sache noch nicht wieder geäußert hatte. Dann hustete er trocken und drehte sich schwerfällig etwas zur Seite. Er stutzte, hinter einer Buschgruppe tauchte plötzlich die alte gebeugte Gestalt des Richters auf.

„Was will denn der Trottel noch hier?“, polterte Douglas Crisbee.

James zuckte die Schultern, in seinem Gesicht zeigte sich ein Grinsen.

„Vielleicht will er dir noch eine Chance geben, du weißt doch, er wollte immer Frieden mit dir.“

Hugh Förster kam langsam heran.

„Morning!“, sagte er und blickte suchend um sich nach einer Sitzgelegenheit.

James Crisbee erwiderte den Gruß freundlich, nickte dem Richter zu und zeigte auf einen Baumstumpf.

„Bitte, Mister Förster!“

Der Richter räusperte sich, ließ sich umständlich nieder.

„Was ich sagen wollte, Douglas …“, begann er, wurde aber von einer schroffen Handbewegung des Ranchers unterbrochen.

„Spuck aus, halt dich nicht so lange bei der Vorrede auf!“

James lächelte. „Mein Bruder ist sehr aufgeregt, der Marshal will ihm gar nicht bekommen!“, sagte er schmunzelnd.

Douglas Crisbee wurde bleich. Am liebsten hätte er seinen Colt aus dem Holster gerissen und auf James angelegt. Mühsam bezwang er sich und wandte sich nochmals an den Richter.

„Na los, auf was wartest du noch?“

Hugh Förster duckte sich, als habe er einen Schlag in den Nacken erhalten. Ungläubig blickte er Douglas Crisbee an.

„Ich dachte schon, du wärst langsam zur Vernunft gekommen, Douglas, aber ich sehe leider, dass ich mich getäuscht habe!“ Ruckartig stand er auf, drehte sich ohne ein weiteres Wort um und stelzte davon.

Der Rancher spuckte in das Feuer und erhob sich steifbeinig.

Brazo, ein junger Bursche aus Arkansas, holte das Pferd des Ranchers und hielt seinem Boss den Steigbügel. Dann ritt der Rancher los, um seine Posten zu kontrollieren.

Gegen Mittag zeigte eine wehende Staubwolke die Frachtwagenkolonne an.

Douglas Crisbee beschattete die Augen mit der flachen Hand und blickte gespannt nach Südwesten. Langsam breitete sich ein Grinsen auf seinen Zügen aus.

„Die kommen uns gerade recht“ sagte er zufrieden. Dann wandte er sich an einige Cowboys, die wachfrei hatten und schläfrig vor sich hin dösten.

„Los, Jungs, die Wagen kaufen wir uns!“

Die Weidereiter standen auf, stiegen auf ihre Pferde und folgten dem Boss.

Douglas Crisbee ritt dicht an die Kolonne heran, erfasste die Zügel des ersten Gespanns und forderte den Fahrer auf, vom Bock zu steigen.

Der bärtige Fuhrmann schüttelte erstaunt den Kopf und fuchtelte mit der langen Peitsche in der Luft, herum.

„Möchte verdammt wissen, warum ich hier absteigen sollte, wir sind weder in der Stadt, wo wir hinwollen, noch sonst an einem Schnapsladen, wo ich einen Drink nehmen könnte.“

„Absteigen hab ich gesagt!“, schrie Crisbee zornbebend. „Wird’s bald?“

Der Kutscher schien noch immer nicht zu verstehen. Er tippte vielmehr an seine Stirn, knallte dann mit der Peitsche und schnalzte laut mit der Zunge, so dass sich die Pferde ruckartig in Gang setzten.

Die Cowboys sprangen auf den Planwagen zu und wollten den Kutscher vom Bock ziehen. Dieser aber setzte sich mit der Peitsche heftig zur Wehr.

Es entstand ein kurzes Ringen, dann hatten sie den Wagenführer auf der Erde. Der sah plötzlich Douglas Crisbee.

„Hund!“, knirschte er und hob die geballte Faust. In dieser Sekunde traf den tapferen Mann ein Schlag auf den Hinterkopf, welchen Jim Cott mit dem Kolben seines Gewehres ausführte. Der Kutscher röchelte dumpf und fiel um.

Jim Cott setzte das Gewehr ab und zuckte die Schultern.

„Er hätte Sie wahrscheinlich umgebracht, Boss“, knurrte er finster.

Douglas Crisbee nickte. Seine Augen irrten unruhig hin und her, es schien, als hege er Zweifel an der Richtigkeit seiner Handlung. Dann gab er einem der Weidereiter ein Zeichen, woraufhin dieser sich zu dem Mann niederbeugte, der kein Lebenszeichen mehr von sich gab.

„Er schläft, Boss, wird in den nächsten zwei Stunden auch nicht aufwachen!“

„Sonst nichts, ich meine ...“

Der Weidereiter schüttelte den Kopf.

„Nein, er ist sonst noch okay.“

Douglas Crisbee war mit dieser Auskunft vollkommen zufrieden.

„Bringt ihn zum Wagen. Vorläufig kann er da bleiben.“

Dann wandte sich der Rancher an die nachfolgenden Gespanne, deren Kutscher bereits von seinen Männern umringt wurden. Die Fuhrmänner hielten die Hände über die Köpfe, womit sie zeigen wollten, dass sie sich in ihr Schicksal ergaben. Der Rancher befahl ihnen abzusteigen, die Leitpferde zu führen und die Wagenkolonne in einiger Entfernung zu einer Wagenburg zusammenzufahren. Seine Männer wies er an, diesen seinen Befehl zu überwachen. Dann ritt er zu seinem Lager zurück und schmunzelte seinem Bruder ins Gesicht, der nur noch den Kopf schüttelte.

„Ich verstehe dich nicht mehr, Douglas!“

Der Rancher lachte rau auf.

„Jetzt wird es für die Herren da drüben ernst.“ Er nickte mit dem Kopf in Richtung der Stadt. „Ihre Lebensmittel dürften spätestens in drei Tagen vollkommen erschöpft sein. Schätze, dann kommen sie von selbst und bitten den alten Crisbee um Nachsicht mit ihren hohlen Schädeln.“

James Crisbee zeigte ein schwaches, nachsichtiges Lächeln. Er langte sein Rauchzeug aus der Tasche und drehte sich eine Zigarette.

„Mir scheint bald, du hörst das Gras wachsen“, sagte er spöttisch. Dann setzte er seinen Glimmstängel in Brand, erhob sich. „Eines kann ich dir auf jeden Fall versichern, mit Hugh Förster hast du deinen letzten Freund verloren. Er wäre der einzige gewesen, der dir aus dieser verfahrenen Geschichte noch heraus geholfen hätte!“, setzte er hinzu, dann ging er zu den Pferden.

Douglas Crisbee kratzte sich am Kopf und legte seine breite Stirn in schwere Falten. Was er am wenigsten verstand, dass sein Bruder zu den Pferden ging und nicht vielmehr ins Lager der gegnerischen Partei überwechselte, zu der er sich ja bekannt hatte.

Der Rancher ging um den Planwagen herum und beugte sich zu dem Fuhrmann nieder, den Jim Cott mit festen Stricken an Händen und Füßen gebunden hatte. Als er den Kopf wieder hob, geriet der schwarze Cott zufällig in sein Blickfeld. Er lehnte lässig an der Deichsel des Wagens und bohrte angelegentlich in seiner Nase. Douglas Crisbees Kopf ruckte vor wie ein angreifender Geierschädel.

„Was machst du hier?“, zischte er den hinterhältigen Burschen an.

Jim Cott zuckte die Schultern. Er veränderte seine Stellung nicht im geringsten.

„Aufpassen“, sagte er lakonisch und grinste dem Rancher frech ins Gesicht, was diesen noch mehr in Wut versetzte.

„Los, geh an deinen Posten, Idiot!“ Der Rancher machte einen drohenden Schritt auf den Schmächtigen zu. Befehlend streckte er den Arm aus.

Jim Cott zuckte die Schultern, drehte sich schwerfällig von der Deichsel weg und ging mit wiegenden Schritten in der angegebenen Richtung davon. Er zeigte nicht ein bisschen Eile, ging vielmehr betont langsam und schleifte den Karabiner aus Ben Frasers Sattelschuh hinter sich her.

Douglas Crisbee flüchte grimmig. Sehr schnell stellte er fest, dass auch dieser Anpfiff sein innerliches Gleichgewicht nicht wiederhergestellt hatte. Missmutig ging er wieder zum Feuer und setzte sich nieder. Er stierte in die Flammen und schien angestrengt zu überlegen.


21

Jim Cott schlenderte lässig an der Postenkette entlang. Bei Brazo, dem Jungen aus Arkansas, blieb er stehen.

„Ich finde diese Sache einfach lächerlich“, knurrte er, den Burschen anblickend. „Warum lässt der Alte die Buden da drüben nicht einfach ausräuchern?“

Brazo zuckte die Schultern, sagte aber nichts. Er hatte sich noch nicht die Mühe gemacht, über das Für und Wider nachzudenken, für ihn war richtig, was der Boss sagte.

Jim Cott stemmte seine Arme auf den Karabiner und blinzelte dem Jungen von der Seite zu.

„Wie denkst du, wollen wir das Feuerwerk mal in Gang setzen?“

„Wie meinst du das?“

„Hmm, ganz einfach“, Jim Cott lachte hämisch. „Ich lasse einen Schuss los, weiter nichts.“

Brazo legte die Stirn in Falten. Er konnte sich nicht vorstellen, dass auf diese Art ein ganzes Feuerwerk losgehen sollte, wie der Schmächtige gesagt hatte. Der Blick, den er Jim Cott zuwarf, deutete an, dass er an dessen Verstand zu zweifeln schien.

„Du spinnst wohl, wie?“

Jim winkte ab.

„Ich wette mit dir, dass nach meinem Schuss eine tolle Schießerei beginnt. Hältst du diese Wette?“

Brazo brauchte nicht zu überlegen.

„Klarer Fall!“, sagte er.

„Gut, wir machen um zehn Dollar. Wenn nach meinem Schuss die Knallerei anfängt, dann habe ich gewonnen, wenn nicht, dann bekommst du von mir zehn Dollar, okay?“

Brazo nickte.

„Well, diese Wette halte ich ...“ Er machte eine Pause, blickte Jim Cott abwägend von der Seite an und fragte schließlich zögernd: „Hast du überhaupt noch zehn Dollar?“

Der Schmächtige grinste überlegen – er schüttelte langsam den Kopf.

„Nein!“, bekannte er offen, was den Jungen ungeheuer verblüffte. „Wofür, ich gewinne doch diese Wette todsicher!“

Brazo blieb der Mund offen stehen. Er kam aber nicht mehr dazu, Einspruch zu erheben, weil Jim Cott bereits seine Winchester gehoben hatte.

„Kennst du den Kerl da drüben?“

Brazo beschattete die Augen mit der flachen Hand und blickte aufgeregt hinüber.

„Schätze es ist Bill Weller?“

„Genau, ich kann den schmierigen Lumpen schon lange nicht riechen. Er denkt, sein verdammter Schnapsladen ist eine Welt für sich, in der er machen kann, was er lustig ist. Mit mir hat er es arg getrieben, aber nun hat sich das Blatt gewendet!“ Jim Cott spuckte sich in die rechte Hand, stellte das Visier auf einhundert Yards und stemmte den linken Arm auf eine Fenzstange, die an dieser Stelle, scheinbar vollkommen zwecklos, in der Erde steckte.

„Was hast du vor?“, schrie Brazo mit bebender Stimme. Seine Augen flackerten.

Jim grinste höhnisch.

„Ich werde diesem Gent da drüben ein Loch in die Weste fabrizieren, an dem er stirbt!“, sagte er brutal.

„Bist du verrückt!? Du wolltest doch nur einen Schuss abgeben?“

„Na ja, mehr will ich doch auch nicht tun. Oder bildest du dir ein, ich treffe nicht auf Anhieb?“

Brazo fuhrwerkte mit den Armen in der Luft herum.

„Der Boss hat befohlen, nicht zu schießen!“, schrie er außer sich. Er machte einen Schritt auf Jim Cott zu und wollte nach dem Lauf der Büchse greifen.

„Lass die Finger von diesem Schießprügel!“, zischte der Schmächtige. „Du willst wohl kneifen, wie? Hast du Angst, zehn Dollar zu verlieren, um die du gewettet hast?“ Gleichzeitig drehte er sein Gewehr blitzartig und rammte dem Jungen aus Arkansas den Kolben so schwer gegen die Brust, dass er taumelnd zu Boden ging, während ein tiefes Stöhnen aus seiner Kehle drang.

„Feigling!“, bellte Jim noch und spuckte verächtlich nach der sich windenden Gestalt. „Halt die Ohren offen, in einer Minute sind deine Dollars im Eimer!“

Brazo sagte nichts mehr.

Jim Cott drehte sich sehr bedächtig der Stadt zu und legte seinen Arm wieder auf die Fenzstange. Sehr sorgfältig visierte er Bill Weller an, der nichtsahnend auf der anderen Seite stand und sein Gewehr in der Armbeuge hielt, während er seinen Stetson halb über die Augen gezogen hatte.

Dumpf krachte der Schuss. Weit rollte die Detonation in die Ebene hinaus.

Bill Weller stieß einen markerschütternden Schrei aus, griff sich nach der Brust und brach zusammen. Sofort liefen Männer zusammen, die in der Nähe gestanden hatten. Sie fluchten grimmig, drehten den Gastwirt auf den Rücken.und starrten in seine gebrochenen Augen.

„Tot“, sagte Oliver Dane, der am nächsten stand. Er warf sich herum und hob seine Büchse. In seinen Augen stand eine wilde Wut, die nun zum Ausbruch drängte.

Dann begann die Schießerei, die Jim Cott vorausgesagt hatte. Der zündende Funke war von seiner Hand an das Pulverfass gelegt worden.

Aber der hinterhältige Verbrecher kam nicht mehr in den Genuss des Geldes, welches er so leicht gewonnen hatte.

Marshal Clark Howard hatte die Szene von einer erhöhten Stelle aus beobachtet, das Vorhaben des schmierigen Gesellen aber zu spät erkannt. Jetzt warf er ruckartig seine Waffe hoch und krümmte den Zeigefinger.

Jim Cott stieß einen spitzen Schrei aus, es war der letzte seines Lebens.

Dann peitschten die Schüsse wild und ungezielt hin und her.

Douglas Crisbee sprang auf den Bock des Planwagens und schrie seinen Männern Befehle zu. Drohend schwang er die Faust gegen die Stadt.

„Stürmt den verdammten Laden, wir werden sie ausheben!“

Die Cowboys drängten widerwillig vor. Sie befanden sich in einer Lage, mit der keiner von ihnen etwas anzufangen wusste.

Am Rande der Stadt liefen alle Männer zusammen. Sie duckten sich hinter vorspringende Ecken oder warfen sich hinter Büsche, von wo aus ihre Kugeln die Feinde wie ein Bleiregen überfiel.

Schnell flutete die Welle der Angreifer in ihre Ausgangsstellung zurück. Douglas Crisbee fluchte in sich hinein, als er sah, wie seine Weidereiter das Feld räumten. Er sprang vom Bock des Wagens direkt in den Sattel des Wallachs und sprengte auf seine Männer zu.

„Los, ihr verdammten Angsthasen. Wir werden doch mit den verstaubten Stadtfräcken fertig werden!“, donnerte er und schwenkte seine Büchse über dem Kopf. Erneut griffen die Männer an.

Clark Howard schickte einen Teil seiner Leute auf die andere Seite der Stadt, um dort ebenfalls die Posten zu verstärken. Mit dem Rest verschanzte er sich, so gut es ging.

Douglas Crisbee gelang es, mit seiner Mannschaft bis zu den Büschen vorzudringen, die die Stadt auf dieser Seite begrenzten. Sie gingen in Deckung und zogen nunmehr ihre Colts, die bis zu den besetzten Häusern trugen.

Klatschend fuhren die Geschosse in das Holz, jaulten durch die Zimmer der Hütten. Kalk und Mörtel rieselte, Fensterscheiben zerbarsten.

Douglas Crisbee schien es darauf anzulegen, mit diesem Kugelregen die Festung sturmreif zu schießen und die Männer in den Häusern zu zerbrechen.

Clark Howard sah es den fahlen Gesichtern der Männer an, sie hätten den Kampf am liebsten eingestellt. Er zählte höchstens sechs oder sieben Mann, die treu und verbissen zur Sache standen.

Neben ihm lag Oliver Dane, der eben einen rinnenden Blutstreifen, der von einem Streifschuss herrührte, aus dem Gesicht wischte. Der Posthalter knirschte mit den Zähnen und lud schwitzend seinen Colt nach. Für ihn gab es nun kein Aufgeben mehr. Er lag hier neben dem Marshal Seite an Seite, mit dem Gesetz. Sie konnten nur siegen oder sterben, einen anderen Weg sah der Postagent nicht mehr.

„Ich hätte nie gedacht, dass dieser alte Narr so brutal sein kann!“, stieß er durch die Zähne, ohne den Mann neben sich anzusehen.

Clark nickte.

„Er hat nun keine Chance mehr!“

Ein Querschläger surrte durch den Raum. Die Männer warfen sich flach hin. Dann knieten sie sich unter das Fenster, legten ihre Colts auf und feuerten in die Büsche, aus denen dichte Pulverdampfwolken aufstiegen.

Als Clark Howard sich umblickte, stand Mary Miller plötzlich in der Tür.

„Hinlegen!“, schrie er und blickte sie wie einen Geist an. „Was wollen denn Frauen hier?“

„Clark, ich ...“ Sie brach ab, legte den Kopf in die Hände.

„Achtung, sie stürmen!“, brüllte Oliver Dane in dieser Sekunde. Der Marshal warf sich herum.

„Bleib liegen!“, rief er Mary Miller noch über die Schulter zu, dann krachten ihre Colts wieder, spuckten das heiße Blei auf die Mannschaft der Ranch, die aus den Büschen drängte.

„Hier ist nicht mehr viel für uns drin!“, stellte der Posthalter trocken fest. Er wies mit der Hand aus einem Seitenfenster, wo auf der Straße rennende Gestalten zu erkennen waren, die panikartig ihre Häuser zu erreichen suchten.

Clark nickte, wischte über seine schweißige Stirn. Er versuchte ein schwaches Lächeln, aber es wurde nur eine Grimasse.

„Es ist zu viel für sie, sie sind nicht an so harte Sachen gewöhnt.“

Oliver Dane schoss schon wieder. Auch aus dem Nebenhaus dröhnten noch Kugeln, die verrieten, dass dort noch mehrere Männer kämpften.

Inzwischen hatte der Rancher die Hauptmacht seiner Mannschaft auf dieser Seite zusammengezogen. Wie ein wilder Tiger stand er hinter ihnen und schwenkte die Waffen.

„Lade unsere Waffen!“, sagte Clark zu dem Mädchen und warf ihr seinen Gurt zu, der mit Patronen gespickt war.

Mary nickte. Ihr Gesicht war von glühender Röte überzogen. Sie fing den Colt auf, löste mit fliegenden Fingern den kleinen Ladestock und stieß die leeren Hülsen aus den Kammern.

Clark drehte sich um. In dieser Sekunde sah er Douglas Crisbee groß und klotzig zwischen zwei Büschen stehen. In seinen Händen funkelten die Waffen, die er drohend erhoben hatte. In den Augen des Ranchers stand ein irrsinniges Leuchten. Gerade stieß er einen furchtbaren Fluch aus, beugte sich etwas zur Seite und wollte seinen Vormann Larry mit dem Fuß anstoßen, der sich auf der Erde wälzte und seinen Arm hielt.

Oliver Dane fegte dem Rancher mit einem Schuss den Stetson vom Kopfe. Douglas Crisbee ließ von Larry ab, zog seine Augen zusammen und schickte seinen wahren Kugelregen in das Fenster.

Clark hob mit zusammengepressten Zähnen seinen Colt. Jetzt hatte er den Mann vor dem Lauf, der all das Unglück verschuldete, welches die Stadt heimgesucht hatte. Geschickt hatte er sich immer hinter anderen Männern zu decken gewusst. Ben Fraser, der skrupellose Revolvermann und Killer war sein verlängerter Arm gewesen, der alles selbsttätig ausführte. Nun, in der letzten Phase dieses Kampfes, zeigte der Satan sein wirkliches, brutales Gesicht.

In diesem Moment zogen an Clark all die Szenen vorüber, die seit seinem Eintreffen in der Stadt abgerollt waren. Er sah den gebeugten, alten Richter vor sich, der ein Leben lang versucht hatte, auf Douglas Crisbee friedlich einzuwirken. Er dachte an William Brown, der sterben musste, und an den Mörder Ben Fraser, der einige Kleinigkeiten übersehen hatte. Schließlich noch an Jim Cott, den hinterhältigen Burschen mit der schmutzigen Binde um den Arm, und an den heimtückischen Anschlag in der ersten Nacht, den er nun wahrscheinlich nicht mehr aufklären konnte, weil die Männer tot waren.

Es gab für den Marshal keine Rücksicht. Angesichts der Gefahr wäre sie auch vollkommen fehl am Platze gewesen. Er streckte seinen Arm vor, winkelte die Hand etwas ab und zog den Stecher durch.

Douglas Crisbees Schrei vermischte sich mit der Detonation. Er wankte vorwärts, strauchelte und brach plötzlich in die Knie. Noch immer drangen heisere Befehle über seine blutleeren Lippen, die seine Männer anfeuern sollten, die Stadt zu stürmen.


22

Zu dieser Stunde ritt zehn Meilen westlich die Dragonerstreife der zweiten Schwadron aus Bellfort durch das Red-River-Valley. Es waren genau zwanzig Soldaten, die mit über dreißig Pferden nach dem Indianergebiet unterwegs waren. Es war die Streife, von welcher Clark Howard zu Mary Miller am Tage seiner Auseinandersetzung mit Ben Fraser gesprochen hatte.

Marc Brender, der Sergeant, der an der Spitze des Zuges neben dem Leutnant ritt, verhielt plötzlich seinen Rappen und blickte seinen Vorgesetzten fragend an.

„Höre ich nicht Schüsse, Sir?“

Der Lieutenant nickte, hielt nun ebenfalls seinen Falben an und gab den Soldaten ein Zeichen, worauf die ganze Kolonne stehenblieb.

„Es scheint aus dieser winzigen Stadt zu kommen, in welcher Marshal Howard sein muss. Er ist vom Sonderkommando der Staatenreiter!“, fügte er erklärend hinzu.

„Aha, eine windige Geschichte also“, stellte der Sergeant fest. „Dann tun wir vielleicht gut, ihm einen Besuch abzustatten.“

Der Lieutenant hörte noch einen Augenblick auf das unvermindert anhaltende Schießen, strich über den Hals seines Pferdes und sah Marc Brender an.

„Kann sein, dass er sich über diesen Besuch sehr freut“, stellte er lakonisch fest. Dann strich er mit der Hand durch die Luft, beugte sich über den Hals des Falben und sprengte mit seiner Truppe auf den Pass zu, der Crisbee vom Red-River-Valley trennte.

Nur zwei Meilen von der Senke entfernt, sprengten die Soldaten an Douglas Crisbees riesiger Herde vorbei. Keiner der Männer merkte etwas davon.

Näher und näher kam das Dröhnen der Schüsse, die weit zu hören waren. Rollend drangen die dumpfen Detonationen an die Ohren der Soldaten, die sich über die Hälse ihrer Pferde gebeugt hatten und wie der Wind über die Prärie fegten. Hinter ihnen stand eine lange Staubwolke in der Luft, die den Weg bezeichnete, den sie gekommen waren.

Dann hatten sie den Pass hinter sich, gaben den Pferden nun vollkommen die Zügel frei und konnten schon nach einer knappen Stunde die Häuser sehen, auf welche sie zuhielten.

Lieutenant Tim Ballard formierte seine Schar zu einer breiten Kette und setzte von der Flanke her zur Attacke an. Schon als er die huschenden Gestalten hinter den Mesquitebüschen gesehen hatte und die Mündungsfeuer wahrnahm, die aus den bedrängten Häusern flammten, wusste er, was hier gespielt wurde. Er zögerte keine Sekunde.


23

Der Hornist ließ ein helles Angriffssignal erschallen. Die Erde erdröhnte unter den stampfenden Hufen.

„Die Streife kommt!“, rief Clark Howard.

Plötzlich fiel kein einziger Schuss mehr.

Der Marshal sprang mit einem Satz aus dem Fenster, ging an dem gefallenen Bill Weller vorbei und blieb vor Douglas Crisbee stehen, der ihn mit unterlaufenen glasigen Augen anstarrte.

„Well, Crisbee, Ihr Spiel ist zu Ende!“, sagte Clark knapp.

Der Rancher richtete sich mühsam etwas auf. Hasserfüllt blitzten seine Augen den Marshal an. Sein Gesicht war das eines von Tode Gezeichneten.

„Der Teufel – soll euch Lumpen – holen!“, kam es schwach und abgehackt aus dem Munde des einstmals so mächtigen Mannes. Dann fiel er zurück, stöhnte dumpf und ließ den Kopf zur Seite rollen.

Neben Marshal Clark Howard salutierte Lieutenant Ballard.

„Ich wollte Ihnen gern helfen, Marshal. Aber wie ich sehe, sind wir leider ein wenig zu spät gekommen.“

Clark lächelte dankbar.

„Wir hatten wenig Chancen, aber mit Crisbees Verwundung ist der Angriff auseinandergefallen. Seine Boys haben nur das getan, was sie als ihre Pflicht betrachteten.“

Der Lieutenant nickte verstehend.

„Aha!“, machte er.

Dann gingen die beiden Männer nebeneinander zu den Soldaten, die die Weidereiter umringt hatten.

Von der Wagenburg der Frachtwagenkolonne näherten sich die Fuhrleute, unter ihnen befand sich auch James Crisbee.

Clark Howard ging dicht auf den Bruder des ehemaligen Ranchers zu. Er zog den Colt aus dessen Holster und blickte in den Lauf.

„Sie haben nicht geschossen!“, stellte er fest.

James schüttelte stumm den Kopf.

Der Fuhrmann an seiner Seite räusperte sich.

„Er hat mir die verdammten Stricke zerschnitten, die der schmierige Kerl um meine Handgelenke gewickelt hatte.“

Clark Howard wandte sich an den Lieutenant.

„Geben Sie die Cowboys frei, Lieutenant Ballard. Und Sie, Mister Crisbee“, er drehte sich zur Seite, „reiten zu ihrer Herde und kümmern sich darum, dass Ihre Ranch in Zukunft zum Nutzen der Stadt arbeitet! Haben wir uns verstanden?“

James senkte den Kopf. Er war tief beschämt über seine eigene Mutlosigkeit.

„Well“, murmelte er tonlos. Dann kniete er bei seinem Bruder nieder.

Der Rancher erkannte James mit einem letzten Rest an Klarheit.

„Scher dich – zu den anderen – Halunken!“, bellte er.

James hob beschwörend die Hand.

„Douglas, nimm dir den Frieden mit hinüber!“, sagte er leise.

Der Rancher hatte die Augen geschlossen. Plötzlich bäumte sich sein Körper auf.

„Ihr Lumpen, ihr Schufte!“, brüllte er wild. Der Körper fiel zurück, noch einmal öffneten sich die Augen und stierten glasig drohend in die Runde. Aus dem Mund des Mannes kam ein scharfer Luftstrom.

James Crisbee drückte die Augendeckel seines Bruders nieder. Er war tot. Er starb an der Kugel, die der Marshal fast in letzter Sekunde auf ihn abfeuerte. Es war zu einer Zeit, zu der Douglas Crisbee von einer Zurückgewinnung seiner Macht in der Stadt nur noch einen winzigen Schritt entfernt war. Als die meisten Männer bereits das Weite gesucht hatten.

Die Soldaten senkten ihre Repetiergewehre. Mit zu Boden gerichteten Augen marschierten die Weidereiter zu ihren Pferden.

James Crisbee nahm seinen toten Bruder auf die Schulter. Er entfernte sich, ohne ein weiteres Wort zu sagen.


24

Die Soldaten blieben auf Einladung des Bürgermeisters über Nacht in der Stadt. Am Abend fand auf der Plaza ein Fest statt. Es war kein Freudenfest, keine Siegesfeier, es war mehr ein stilles Gelöbnis, die nunmehr mit Blut erkämpfte Freiheit zu bewahren.

Der Richter sprach mit bewegten Worten zu den Bürgern der Stadt. Er dankte den Mutigsten unter ihnen, lobte die Tatkraft und Entschlossenheit des Marshals und vergaß auch die Lehrerin nicht gebührend zu würdigen. Mit klaren Sätzen charakterisierte er die Person Douglas Crisbees, wie er sagte, sei Mitleid mit diesem vollkommen fehl am Platze.

Mary Miller lehnte an der Schulter Clark Howards und blickte zu ihm auf.

„Nun wirst du die Stadt wieder verlassen“, stellte sie mit müder Stimme und traurigen Augen fest.

Clark strich über ihren Kopf.

„Mary, Bellfort liegt nicht aus der Welt. Es ist in einem Tag zu erreichen. Ich werde bestimmt wieder hierherkommen. Und wenn du die Schule erst richtig in Schwung hast, dann dürfte es leicht sein, einen geeigneten Nachfolger für dich zu finden, der deinen Posten übernehmen kann. Du siedelst dann in unsere Soldatenstadt über und wirst meine Frau.“

Mary lächelte.

Sie war glücklich.

ENDE

Die besten 11 Western des Sommers 2021

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