Читать книгу Die besten 11 Western des Sommers 2021 - Pete Hackett - Страница 14
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ОглавлениеAn diesem Abend kam noch ein weiterer Besucher zu Betsy Blue.
Mitch Fallon war ein übler Bursche. Zusammen mit seinen beiden Brüdern Orel und Cole und seinem Partner Steve Parker bildeten sie eine eigene Trappergruppe, die für die American Fur arbeitete. Im Allgemeinen ging man dieser Gruppe aus dem Wege, denn es waren streitsüchtige Burschen, die schnell mit Messer und Pistole bei der Hand waren. Man munkelte, dass mancher Weiße, mit dessen spurlosem Verschwinden man das Konto der Indianer belastete, von ihnen umgebracht worden war. Doch niemand sagte so etwas laut, es sei denn, er war gewillt, es mit diesen vier gefährlichen Burschen aufzunehmen.
Jeremy Shane war mit ihnen vor ein paar Jahren oben am Milk River aneinandergeraten, und es wäre zweifellos übel für ihn ausgegangen, wenn nicht just zu diesem Zeitpunkt einige Teton Sioux aufgetaucht wären, die den Fallon-Brüdern plötzlich ihre ganz eigenen Sorgen bereitet hatten.
Dieser Mitch Fallon nun war, lange nachdem Jeremy Shane gegangen war, in Betsy Blues Zimmer gekommen. Er hatte sich verächtlich lachend geweigert, ein Bad zu nehmen, und war mit der Brutalität eines Wilden über sie hergefallen und hatte sie genommen, so, wie es ihm passte.
Nun hockte Betsy bebend und schluchzend vor Zorn auf ihrem Bett mit den glänzenden Messingkugeln an Kopf und Fußende. Solch ein widerlicher Kerl war ihr in der ganzen Zeit, da sie diesem Gewerbe nachging, nicht begegnet. Wenn sie ein Mann gewesen wäre, so hätte sie ihn zu ihrem Zimmer hinaus und die Treppe hinunter geprügelt und nicht aufgehört, solange er noch auf den Füßen stehen könnte.
Er hatte sie geschlagen, als sie sich gegen ihn gewehrt hatte, und sie angeherrscht: »Was glaubst du wohl, zu was eine Hure da ist!«
Die dunkle Schwellung neben ihren Augen strahlte einen dumpfen Schmerz aus.
»Du bist mir noch das Geld schuldig«, sagte Betsy mit zitternder Stimme, als sie sich anzog.
Mitch Fallon aber lachte ihr kalt ins Gesicht und erwiderte: »Bezahlen soll ich auch noch dafür, dass ich mir nehmen musste, was du mir hättest freiwillig geben müssen?«
Der Zorn über ihre Ohnmacht drohte Betsy fast zu ersticken. Sie musste sich Tag für Tag erniedrigen, sich mit Kerlen abgeben, die ihr nichts bedeuteten und manchmal zuwider waren.
Und jedes Mal hoffte sie, ihrem Ziel ein Stück näher zu kommen, diesem Leben endlich den Rücken kehren und in der angenehmen eleganten Welt einer Stadt wie San Francisco neu beginnen zu können als eine Frau, vor der die Männer den Hut zogen. Und dann kam so ein aufgeblasener, stinkender Widerling und versuchte, sie um ihren sauer verdienten Lohn zu betrügen.
»Du wirst noch mehr Arbeit bekommen«, grinste Mitch Fallon hämisch. »Unten warten meine Brüder nur auf ein Zeichen von mir, um heraufzukommen. Vielleicht bezahlt dir einer von ihnen etwas, wenn du dich ein wenig freundlicher zeigst.«
Er nahm die Hose vom Stuhl und stieg hinein. Betsys Blick fiel auf den Colt Walker, der unter der schmutzigen Hose gelegen hatte.
Dort, wo sie herkam, hatte sie solche Waffen schon wiederholt gesehen, mit denen man mehrmals schießen konnte, ohne zwischendurch nachladen zu müssen. Und einmal hatte sie sogar beobachtet, wie jemand solch ein Ding benutzte.
Schnell beugte sie sich nach vorn, und fast automatisch griff ihre Hand danach. Sie richtete die schwere Waffe mit beiden Händen auf den Mann, der schlagartig in seiner Tätigkeit innehielt.
»Leg das Ding weg!«, befahl er drohend. Aber anstatt seiner Aufforderung nachzukommen spannte Betsy den Hahn.
»Du wirst jetzt augenblicklich verschwinden«, sagte sie trotzig. »Diese Waffe wird wohl ihre fünfzehn Dollar wert sein. Also hau ab!«
Ein Zug von kalter Bosheit kam in Fallons Gesicht.
»Du bist wohl übergeschnappt, du dreckige, kleine Hure. Diese Waffe ist mindestens doppelt so viel wert.«
»Hast du >dreckig< gesagt, du stinkender Köter?«, fragte Betsy mit schmalen Lippen.
»Jetzt habe ich aber genug«, fauchte Fallon, schnappte seinen Gurt vom Stuhl und schlug Betsy das harte Leder seitlich ins Gesicht. Der Schlag ließ helle Funken vor ihren Augen aufsprühen. Sie zuckte zurück, und die Waffe in ihren Händen ging dabei los. Der Donner war ohrenbetäubend, und sie riss erschrocken die Augen auf.
Hinter der Wolke beißenden Pulverrauches sah sie Mitch Fallon mit weit aufgerissenen Augen rückwärts taumeln. Er hatte die Hände auf seinen Magen gepresst und schrie: »Du Miststück, du gottverdammtes, elendes ...« Er fiel hin, und sein Geschrei wurde zu einem jammervollen Stöhnen, mit dem er sich auf dem Boden herumwälzte. Blut erschien auf seinen zuckenden Lippen.
Vor Schreck war Betsy aufgesprungen. Sie hielt noch immer den rauchenden Revolver in den Händen, als wäre es der einzige Halt, an dem sie sich festklammern konnte. Mit weit aufgerissenem Mund starrte sie wie gebannt auf den sterbenden Mann hinunter, und der Gestank von verbranntem Schwefel und Salpeter erfüllte das kleine Zimmer.
Schritte trampelten die Treppe herauf, irgendwo wurde eine Tür zugeschlagen. Mitch Fallons Brüder, von denen er gesprochen hatte! Dieser Gedanke fuhr wie ein Blitz durch ihr Gehirn, und sie war durch eine zu harte Schule gegangen, um sich jetzt im Zustand des Entsetzens ihrem Schicksal zu ergeben wie eine zum Tode Verurteilte. Wenn diese Männer sie hier erwischten und von der Art ihres Bruders waren, dann würde man sie totschlagen wie einen tollwütigen Straßenköter. Denn mehr war sie in den Augen solcher Kerle nicht wert.
Kaum dass dieser Gedanke von ihr Besitz ergriffen hatte, war sie bereits an der Tür, riss sie auf und stürmte halbnackt in ihrer zerrissenen Unterwäsche auf den schummrigen Gang hinaus.
»Das war Mitch’s Revolver, oder ich will verdammt sein ...«, hörte sie jemand durch die heraufpolternden Schritte rufen. Die Männer, die aus dem Hotelschankraum heraufdrängten, kamen gerade oben an.
Betsy feuerte, ohne zu zögern einen Schuss in diese Richtung ab, und die Gestalten wichen erschrocken zurück. Jemand fiel fluchend die Stufen wieder hinunter. Eine Pistole brüllte durch den engen Gang, und die Kugel schabte an der Wand entlang. Nur eine schnelle Flucht konnte Betsy noch retten. Aber wohin?
Sie stieß die Tür auf und rannte so schnell sie konnte die Außentreppe hinunter.
Die Straße war dunkel. Trüber Lampenschein fiel vereinzelt aus den Schankhütten, vermischt mit brodelndem Stimmengewirr, Gläserklirren, Grölen, Lachen. Ab und zu dröhnte ein Schuss durch diese Geräuschkulisse. Dass geschossen wurde, war hier nichts Besonderes.
In der Dunkelheit am Fuß der Treppe blieb Betsy einen Augenblick lang stehen. Die Verfolger waren noch nicht oberhalb von ihr aufgetaucht. Entweder kümmerten sie sich erst um ihren Bruder oder sie wagten sich nicht so ohne weiteres zur Tür hinaus. Sie wussten, dass Betsy eine Waffe besaß und schießen würde.
Aber was sollte sie jetzt tun? Was für eine Chance hatte sie noch? Sie war nur eine Dirne, die jemanden umgebracht hatte. Niemand war dabei gewesen. Man würde es so darstellen, wie man es haben wollte. Keinen Pardon würde es für sie geben, wenn man sie erst einmal hatte. Und niemand an diesem gottverdammten Ort würde ihr helfen.
Sie zögerte plötzlich in ihren sich jagenden Gedanken. Einen gab es vielleicht, der verrückt genug war, einem wegen Mordes verfolgten Straßenmädchen zu helfen und selbst dabei Kopf und Kragen zu riskieren. Sie erinnerte sich mit einem Mal an das Angebot jenes merkwürdig verrückten Mannes aus der Wildnis.
Zum Teufel mit San Francisco und all ihren Plänen, wenn sie erst tot war, dann blieben sie für immer begraben.
Sie lief über den dunklen Weg auf jene Schankhütte zu, in die sie Crazy Bear Shane am Mittag hatte hineingehen sehen. Einige Trapper drehten sich verwundert nach ihr um. Einer machte eine schmutzige Bemerkung über sie, aber sie achtete nicht darauf. Hoffnungsvoll spähte sie durch die Fensteröffnung in das rauchgeschwängerte und nach Whisky riechende Innere. Rauhe Gestalten lärmten und tranken dort, wobei sie unglaubliche Geschichten zum Besten gaben. Aber von jenem Mann, den die Indianer Crazy Bear nannten, konnte sie nichts entdecken.
Mutlosigkeit überkam sie. Selbst als Straßendirne konnte sie doch in ihrem Aufzug nicht da hineingehen und nach ihm fragen. Außerdem würde hinterher jeder gleich wissen, wo sie zu finden war. Vielleicht war er aber auch längst schon in seine Berge zurückgekehrt, und all ihr Suchen würde umsonst sein.
Gerade als sie weglaufen wollte, kam ein bereits ziemlich angetrunken der Pelzjäger heraus und blieb leicht schwankend stehen.
Betsy fasste, sich ein Herz. »Ist Mr. Shane nicht da drin?«
Der Mann wandte den Kopf und stierte sie an, als müsse er sich erst klar darüber werden, ob das, was er sah, der Wirklichkeit entsprach oder ein Produkt seiner alkoholvernebelten Phantasie war.
»Mr. Shane?«, fragte er mit schwerer Zunge und lachte dümmlich vor sich hin. »Du meinst wohl Crazy Bear Shane, mein Kind? Was willst du denn ausgerechnet von dem? Als ich ihn das letzte Mal sah, war er so betrunken, dass er nicht mehr aufrecht stehen konnte. Er kann dir also nicht mehr viel nützen, mein Herz. Da bist du doch mit mir viel besser dran.« Er versuchte, seinen Arm um sie zu legen, griff aber ins Leere, da Betsy ihm auswich, und hatte einige Mühe, sein Gleichgewicht zurückzuerlangen.
Auf dem oberen Absatz der Treppe, die Betsy Blue eben erst heruntergekommen war, entstand in diesem Augenblick Tumult. Gestalten drängten poltern heraus, und jemand schoss ziellos in die Dunkelheit hinein.
»Es ist aber sehr wichtig, ich muss ihn finden«, sagte Betsy schnell und rüttelte den Mann an der Schulter.
»Verdammt«, murmelte dieser trunken, »was ist da drüben wieder los? Besoffene Kerle, wie?«
Betsy rüttelte ihn heftiger.
»Eh? Ach ja, Crazy Shane.« Der Mann rülpste laut und stierte in ihr Gesicht. »Du bist doch Betsy Blue, nicht wahr?«
»Du wolltest mir sagen, wo Crazy Bear Shane ist!«
Der Mann versuchte vergeblich, das helle Gesicht vor sich deutlicher zu erkennen.
»Shane ..., ja. Also ein paar von diesen stinkenden Pelzläusen haben ihn vor Stunden schon hinausgeschleppt, da war er ziemlich fertig. Weiß nicht, wo sie ihn gelassen haben. Aber da drüben am Ufer muss irgendwo sein Kanu liegen. Ich denke mir, man hat ihn dort hineingeworfen.«
Der Lärm auf der anderen Seite zog seine Aufmerksamkeit wieder kurz auf sich. Aber gleich drehte er sein betrunkenes Gesicht wieder zu Betsy herum. »Vielleicht haben sie das Kanu auch verfehlt, und er ist ins Wasser gefallen.« Er lachte bei dieser Vorstellung und fuhr fort: »Dann ist er allerdings längst ersoffen, und seine Leiche schwimmt schon irgendwo im Missouri, hahahaha ...«
Betsy Blue war schon ein paar Schritte weit in der angegebenen Richtung, als sie die trunkene Stimme grölen hörte.
»He, ihr da drüben! Wohl verrückt geworden? Verdammt, hat man denn an diesem Ort nirgendwo seine Ruhe?«
Die Pistole des Mannes donnerte laut über die Straße.