Читать книгу Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane - Pete Hackett - Страница 10

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Die Dämmerung brach bereits an, als Grainger die Main Street von Liberal erreichte. Vorbei an Pferdegespannen, plaudernden Passanten und Müttern, die ihre Kinder zum Abendbrot in die Häuser riefen, ritt er sie fast bis zum Ende – bis zu jenem Saloon, den Henry Bruckner erwähnt hatte: Bis zum Night Corner.

In Städten wie Liberal war jedes zweite Haus ein Saloon. Diese wilden Rinderstädte lebten von umherziehenden Cowboys, die auf ihren Viehtrecks den Weg über das Oklahoma-Territory nahmen. Von Texas aus wurden die großen Herden bis hinauf nach Abilene getrieben, wo die Bahn auf sie wartete, um sie in den Osten zu verfrachten.

Irgendwann, das wusste Grainger, sollte die Bahn auch bis Liberal geführt werden. Das war zumindest geplant.

Vor dem Night Corner Saloon stieg Grainger vom Pferd. Eine kühle Abendbrise fegte über die Main Street und kugelte einen wurzellosen Busch vor sich her. Der Mann von der U.S. Government Squad band den Gaul am Hitchrack fest, wo bereits eine ganze Reihe von Pferden nebeneinander stand. Manche stammten von den umliegenden Ranches und Farmen, das erkannte Grainger an den Brandzeichen. Er schob den Hut in den Nacken, stieg auf den Bürgersteig und trat durch die Schwingtüren ins Innere des Saloons.

Ein Betrunkener wankte ihm entgegen. Der Mann der U.S. Government Squad wich im aus. Lallend verschwand der Torkelnde nach draußen. Hinter ihm pendelten die Schwingtüren hin und her.

Im Inneren des Saloons herrschte ausgelassene Stimmung. Ein Pianist klimperte auf einem verstimmten Klavier. Grainger fragte sich unwillkürlich, wie es jemand geschafft hatte, ein Piano an diesen Ort am Ende der Welt zu transportieren.

Aus einer Ecke war zänkisches Stimmengewirr zu hören. Eine Freitreppe führte ins Obergeschoss. Dort befanden sich vermutlich die Separees der Saloon Girls, die jetzt noch am langen Schanktisch saßen und sich um die Gäste kümmerten. Ihre tief ausgeschnittenen Kleider offenbarten mehr als sie verhüllten. Lautes Lachen übertönte das Piano-Geklimper.

Ein Cowboy kam auf Grainger zu. Er trug Chaps und eine Lederweste. Auffallend war, dass sein Holster auf der linken Seite seines Waffengurts hing. Er hatte den Arm um ein Saloon Girl gelegt und rempelte den großen Neuankömmling.

„Kannst du nicht aufpassen?“, knurrte der Cowboy. Schon lag seine Hand am Griff des Peacemakers, der aus dem tiefgeschnallten Holster ragte.

„Entschuldigung, Mister!“, sagte Grainger gelassen.

„Wenn du Streit willst, kannst du Streit kriegen!“, knurrte der Cowboy. Weder war Grainger auf einen Kampf erpicht, noch konnte er es jetzt gebrauchen, allzu viel Aufsehen zu erregen.

„Keinen Streit, Mister“, sagte Grainger. „Vielleicht ein anderes Mal, okay?“

„Dann glotz die Lady hier an meiner Seite nicht so gierig an!“ Der Kerl ließ die Frau los. Blitzschnell holte er aus und schlug zu. Doch noch schneller wich Grainger aus, und der Schlag ging ins Leere. Der Cowboy stolperte ein paar Schritte durch den Saloon. Er hatte eindeutig ein paar Whisky über den Durst getrunken. Sein Gesicht wurde dunkelrot. Er stützte sich am Schanktisch ab, fuhr herum und griff zum Revolver.

Kaum zur Hälfte konnte er das Eisen aus dem Holster ziehen, als er erstarrte, denn Grainger hielt seinen Colt Remington längst in der Rechten und zielte auf seine Brust. „Stecken lassen“, sagte er unmissverständlich.

Es war vollkommen ruhig geworden im Night Corner Saloon. Man hätte in diesem Augenblick eine Stecknadel fallen hören können.

„Lass es gut sein, Buddy!“, wandte sich einer der anderen Männer an den streitsüchtigen Cowboy. „Der Kerl ist selbst dann noch schneller als du, wenn du nüchtern bist!“

Der Mann namens Buddy presste die Lippen zu einem farblosen Strich zusammen und runzelte die Stirn. Quälend lange Sekunden verstrichen. Grainger hoffte, dass der Kerl nachdachte. Und tatsächlich ließ er endlich den Colt zurück ins Holster gleiten.

„Nichts für ungut. Nehmen Sie ‚nen Drink auf meine Kosten“, bot Grainger an und steckte seinen Remington ebenfalls zurück an den Ort der Waffenruhe. Aber dem Kerl schien danach nicht der Sinn zu stehen. Fluchend zog er mit seinem Girl davon. Die beiden gingen die Freitreppe hinauf, die ins Obergeschoss führte.

Grainger bemerkte einen Mann mit einem langen, schwarzen Schnurrbart, der oben an der Balustrade stand und zu ihm herunterblickte. Ein Auge war mit einer Filzklappe bedeckt. Er trug einen verdreckten Stetson, dazu einen knöchellangen Saddle Coat. Seine Hände ruhten auf den Kolben seiner beiden Revolvern. Als der Einäugige Graingers Blick bemerkte, grinste er breit. Dann drehte er sich um und verschwand.

Grainger ging an den Schanktisch und wandte sich an den Saloon Keeper. „Whisky.“Er legte eine Münze auf den Tisch.

Der Wirt füllte ein Glas und stellte es vor Grainger auf den Tresen. „Sie sind ziemlich schnell mit dem Eisen, Mister“, meinte er. Er war in den Fünfzigern und sehr groß und breitschultrig. Eine schmierige Schürze straffte sich über seinem gewölbten Bauch. „Respekt – ich habe noch nicht viele Männer gesehen, die so gut mit dem Revolver umgehen konnten!“

„Dieser Buddy war betrunken. Kein Wunder, zog er so langsam.“ Grainger leerte das Glas in einem Zug.

„Machen Sie sich nicht kleiner, als Sie sind, Mister....“

„Grainger. Mein Name ist Grainger.“

„Glauben Sie mir, ich habe einen Blick dafür.“ Der Salooner beugte sich vor und fuhr in gedämpftem Tonfall fort: „Wir haben im Moment keinen Town Marshal in Liberal.“

„Das tut mir Leid“, sagte Grainger.

„Vielleicht haben Sie ja Lust, den Posten zu übernehmen?“ Der hünenhafte Wirt zog die Brauen hoch. „Die Voraussetzungen scheinen Sie ja zu erfüllen.“

„Keinen Town-Marshal?“ Grainger musterte den Mann hinter der Theke. Der Salooner schenkte ihm unaufgefordert nach. „Was ist denn mit dem letzten Amtsträger geschehen?“

„Hat sich aus dem Staub gemacht, nachdem diese verfluchte Bande aus dem Oklahoma-Territorium seine Deputies erschossen hat. Die Oklahoma-Wölfe sorgen in unserer Gegend schon seit Monaten für Unruhe, und er wollte einfach nicht der nächste sein!“

„Oklahoma-Wölfe?“

„Der letzte Town-Marshal hat sie so genannt, vielleicht weil sie immer im Rudel angreifen.“

„So, so.“ Grainger spielte mit seinem Glas. „Und jetzt hat er die Flinte ins Korn geworfen. Sieht ja nach einem gefährlichen Job aus.“

„Der Stadtrat hat das Gehalt auf 120 Dollar im Monat festgesetzt. Das ist das Doppelte, was der Town-Marshal von Dodge bekommt!“

„Offenbar noch nicht genug“, sagte Grainger. Er trank sein Glas zum zweiten Mal aus und stellte es mit der Öffnung nach unten ab. „Sieht nicht so aus, als ob der Job was für mich wäre.“

„Schade.“

„Vielleicht können Sie mir aber in einer anderen Sache weiterhelfen...“

„Kommt drauf an.“ Der Saloon Keeper lehnte sich über den Tresen. „Lassen Sie hören, Grainger.“

„Erstens brauche ich eine ordentliche Mahlzeit, eine, die ein bisschen vorhält...“

„Kein Problem.“

„...und zweitens suche ich eine gewisse Francine. Angeblich soll sie hier arbeiten.“

„Stimmt.“ Der Salooner blickte nach rechts. Mit einer Kopfbewegung deutete er zur Treppe. Grainger folgte seinem Blick und sah eine rothaarige Schönheit mit einem tief ausgeschnittenen Kleid die Stufen herunterstelzen. „Wenn man vom Teufel spricht“, grinste der Wirt. Er sprach plötzlich leise und mit verschwörerischem Unterton. „Da kommt Francine...“

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