Читать книгу Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane - Pete Hackett - Страница 17

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Die Schwingtüren des Night Corner Saloons flogen auseinander. Grainger und Naismith traten ins Freie. Auf dem Bürgersteig blieben sie stehen. Am Horizont über den Dächern zog bereits die Morgendämmerung herauf. Der Mann der U.S. Government Squad hielt sich dicht hinter Naismith. Einen der Colts, den er Naismith abgenommen hatte, hielt er unter dem weiten Mantel in der Faust.

„Na endlich!“, rief der Einäugige von weitem. „Wird auch Zeit!“ Niemand aus der Reiterphalanx schöpfte Verdacht. Das Halbdunkel des Morgengrauens war auf Graingers Seite, für die Männer – es waren mindestens neun – traten zwei ihrer Komplicen auf die Main Street, und sonst niemand. „Dachte schon, ihr habt euch über die Whiskyvorräte im Barschrank hergemacht.“ Ein paar der Reiter lachten heiser.

Der Einäugige trieb sein Pferd an, es trabte ein paar Schritte Richtung Saloon. „Wo ist Billy?“, fragte er.

Grainger drückte Naismith den Colt in den Rücken. „Billy kommt gleich!“, behauptete der. Grainger drückte fester. Und Naismith sagte auch den Rest des Spruches auf, den er ihm eingeschärft hatte: „Der Fremde ist tot“, sagte er. „Wir haben etwas bei Kerl gefunden, das du dir mal ansehen solltest, Reilly!“

„Was soll das sein?“

Naismith antwortete nicht gleich, und Grainger bohrte mit dem Lauf seines Remingtons in seinem Nierenbecken herum. „Na ja, ein paar Unterlagen. Da ist so ein Brief dabei, wo ein paar Namen draufstehen, auch deiner und der vom Boss. Komm einfach mal hoch, und guck dir’s an. Billy ist noch oben!“

Jed Reilly zögerte. Das fahle Licht des Mondes ließ sein einäugiges Gesicht bleich erscheinen. Tautropfen glitzerten auf seinem schwarzen Schnurrbart. Endlich stieg er vom Gaul, gab die Zügel einem seiner Männer und kam auf Grainger und Naismith zu. „Was soll das?“, blaffte er. „Warum bringt ihr das Zeug nicht einfach herunter? Hat Francine, dieses Flittchen, nun etwas aus dem Kerl herauskitzeln können oder nicht? Mehr will ich nicht wissen.“ Er stieg auf den Bürgersteig. „Scheißpapiere...!“

Grainger wartete, bis Jed Reilly auf vier Schritte herangekommen war. Dann stieß er Naismith zur Seite und richtete seinen Revolver auf den Einäugigen. „Keine Bewegung!“, zischte er.

Reilly erstarrte. Reflexartig schlug er seinen Mantel zur Seite und wollte zum Revolver greifen. Grainger drückte ab, die Kugel durchschlug Reillys Mantel unter der Achsel. Der Einäugige stand reglos wie ein toter Baum. Er starrte Graingers rauchenden Colt an, und endlich hob er die Hände.

Aus den Augenwinkeln sah Grainger den Mann in der Fellweste sich vom Boden hochstemmen. „Liegenbleiben!“ Auf der Straße beruhigten die Männer ihre vom Schuss aufgeschreckten Pferde. Keiner hatte zu seiner Waffe gegriffen.

„Verschwindet!“, forderte Grainger. „Dieser Gentleman hier wird nicht mit euch reiten!“

Reilly stöhnte auf. „Verfluchter Mist...“ Jetzt erst begriff er, wen er wirklich vor sich hatte. „Das ist doch nicht möglich!“, murmelte er. Er starrte Grainger an, als wäre der ein exotisches Tier.

„Es ist möglich, Reilly“, sagte Grainger seelenruhig. „Du arbeitest für McMurdo? Komm rein, wir plaudern ein bisschen...“ Plötzlich eine Bewegung bei den Reitern. Einer der Männer hob seinen Revolver. Blutrot zuckte das Mündungsfeuer aus dem Eisen. Als wäre der Schuss ein Fanal, ballerten auch die anderen plötzlich los. Ein wahrer Bleihagel pfiff in Graingers Richtung. Grainger ließ sich fallen wo er stand.

Das Leben von Reilly und Naismith schien den Schützen keine Prise Kautabak wert zu sein – beide Männer sanken im Kugelhagel getroffen zu Boden. Grainger rollte sich vom Bürgersteig auf die Straße, riss den Revolver hoch und feuerte mehrfach und kurz hintereinander. Wieder und wieder drückte er ab. Zwei Männer aus der Meute holte er aus dem Sattel, ein dritter schrie auf. Er schien verletzt zu sein, hielt sich aber noch im Sattel, während sein Pferd davon stob.

Der Mann von der U.S. Government Squad ging unter dem Bürgersteig in Deckung. Über ihm schlugen die Kugeln im Holz ein. Er füllte die Trommeln beider Revolver, kroch aus der Deckung und sprang über die Brüstung, an der sonst die Pferde festgemacht wurden, und rannte schießend zur Einmündung der nächsten Gasse. Er zielte dorthin, wo er Mündungsfeuer aufblitzen sah. Rechts und links von ihm schlugen die Geschosse ein und ließen das Holz splittern.

Die Dunkelheit war jetzt Graingers zuverlässigste Verbündete. Er kauerte sich an die Hausfassade in der Schattenzone, wo kein Mondlicht hingelangte. So war er für seine Gegner kaum sichtbar. Er selbst dagegen sah die Umrisse der Reiter deutlich im Mondlicht.

Grainger feuerte noch zwei Mal aus dem Revolver, den er Naismith abgenommen hatte. Als die Trommel leer war, warf er ihn in die Dunkelheit und zog seinen Remington. Er sprang auf, rannte Richtung Saloon und stürzte durch die Schwungtürflügel hinein. Neben dem Eingang ging er in Deckung. Ein wahrer Geschosshagel schlug in die Türblätter ein. Teilweise pfiffen die Kugeln durch die dünnen Bretter hindurch, aus denen der Night Corner errichtet worden war.

Grainger streifte den schweren, stinkenden Mantel ab. In geduckter Haltung schlich er zum Fenster, schlug es mit dem Lauf seines Remington ein und schoss hinaus in die Nacht.

Wütendes Gegenfeuer war die Antwort. Pferde wieherten, Scheiben klirrten. Im Mondlicht sah er, wie einige der Tiere hoch stiegen und auf den Hinterbeine tänzelten. Ihre Reiter konnten sie kaum noch unter Kontrolle halten.

Mündungsblitze blitzte in der Dunkelheit auf, und Grainger musste sich ducken. Eine Fensterscheibe zersplitterte. Das Bleigewitter sorgte dafür, dass auf der zur Main Street ausgerichteten Seite des Saloons nicht ein Stück Glas mehr in den Fensterrahmen saß.

Grainger hörte Schritte. Winchestergewehre wurden durchgeladen. Grainger fuhr herum. Drei der Kerle stürmten in den Saloon. Einer von ihnen richtete die Waffe in seine Richtung. Grainger drückte vor ihm ab, seine Kugel traf den Kerl im Bauch. Er klappte zusammen wie ein Taschenmesser. Der zweite schoss dreimal, in Graingers Richtung, ohne zu treffen. Der dritte brauchte viel zu lange, um den Lauf seiner Winchester hochzureißen.

Grainger ließ ihnen keine Zeit, Grainger ließ seinen Remington sprechen.

Nacheinander stürzten einige Männer getroffen zu Boden. Draußen schrie einer einen Befehl, der nach Rückzug klang, und tatsächlich suchte der Rest der Bande das Weite. Der Hufschlag ihrer galoppierenden Pferde war noch eine Weile zu hören.

Grainger hoffte, dass er ein paar von ihnen wenigstens angeschossen hatte. Wäre es anders, hätten die Burschen sich nicht aus dem Staub gemacht. Er verschnaufte und wartete eine Weile, bis der Hufschlag endlich verklungen war. Er ahnte, dass dies nur eine kleine Atempause für ihn bedeuten würde.

Er steckte den Remington zurück in sein Holster, hob den Kopf – und blickte in die Mündung einer abgesägten Schrotflinte. Das spärliche Mondlicht, das durch die zerschossenen Fenster hereinfiel, beleuchtete den Mann nur zum Teil, aber Grainger erkannte ihn an seiner Kleidung und seinem Fettbauch. Der Salooner.

„Was war hier los?“, fragte der Wirt. Er senkte die Waffe nur ein wenig. „Wer zum Teufel hat meine Fenster zerschossen?“

„Ein paar Typen, die mich umlegen wollten“, sagte Grainger. „Ziemlich unangenehme Typen, musste ganz schön kämpfen um meine Haut.“

„Die Schießerei hat sämtliche Gäste aus dem Schlaf geholt“, erwiderte der Salooner. „Wahrscheinlich die ganze Stadt. „Er riss ein Streichholz an und entzündete eine Öllampe. Oben hinter der Balustrade standen sieben oder acht Leute und blickten schweigend in den Saloon herab.

Der Wirt blinzelte Grainger an, seine Miene hätte skeptischer nicht sein können. „Ich weiß nicht, welche Rolle Sie wirklich in dieser Sache spielen“, bekannte er. „Wahrscheinlich sollte ich Sie dem Gericht übergeben!“

„Dazu haben Sie kein Recht“, erwiderte Grainger. „Sie sind nicht der gewählte Town-Marshal von Liberal! Außerdem sollten Sie mal darüber nachdenken, dass ein Einzelner wie ich wohl kaum auf die Idee kommen würde, so eine Meute von Höllenhunden anzugreifen!“

„Da ist was dran, verdammich.“ Der Salooner ließ endlich seine Flinte sinken, ging zu einem der Toten und drehte ihn auf den Rücken. „Das ist ein einer von...“

„...McMurdos Leuten“, vollendete Grainger den Satz.

Der Wirt starrte Grainger entgeistert an. „Ich weiß nicht, ob Sie eine Ahnung haben, mit wem Sie sich da eingelassen haben.“

„Erklären Sie es mir, dann weiß ich’s.“

„Dan McMurdo hat sich irgendwo im Indianergebiet verkrochen. Der Teufel weiß, wo genau. Jedenfalls hat er im gesamten Süden von Kansas seine Leute. In diesem Landstrich geschieht nichts, was McMurdo nicht vorher abgesegnet hat, das können Sie mir glauben, Grainger! Und wer ihn stört, der wird schlicht und ergreifend über den Haufen geschossen! Das können Sie mir auch glauben.“

In größter Ruhe drückte Grainger Patronen aus seinem Gurt, um seinen Remington nachzuladen. „Das haben Sie mit mir jedenfalls nicht geschafft!“

„Heute haben Sie es nicht geschafft.“ Der Wirt drehte den nächsten Toten herum. „Heute ist es Ihnen gelungen, am Leben zu bleiben, Grainger! Aber morgen oder übermorgen kann dieses Spiel mit dem Feuer ganz anders ausgehen.“

„Schon klar“, sagte Grainger. Er ließ gefüllte Revolvertrommel einrasten und steckte die Waffe mit einer eleganten Bewegung zurück ins Holster. „Haben Sie gewusst, dass Francine mich in eine Falle locken sollte?“ Er sah dem Salooner ins Gesicht.

„Nein“, behauptete der. Vielleicht war das sogar die Wahrheit. Grainger hielt den Wirt des Night Corners für wie einen Mann, der es vorzog, einfach wegzuschauen, wenn in seiner Nähe amerikanische Gesetzt gebrochen wurden. Möglicherweise hatte man sich diese Haltung in der ganzen Stadt angewöhnt und in den Orten der Umgebung gleich dazu. Nur so können Männer wie McMurdo sich im Sattel halten, dachte der Mann von der U.S. Government Squad.

„Was war mit Maxwell?“ Schnell und laut schoss er die Frage ab.

„Wer soll das sein?“

„Tun Sie nicht so. Er ist hier mit Francine gesehen worden!“

„Kann ich mir jeden Gast merken, der durch die Schwingtüren tritt?“

„Diesen haben Sie sich ganz sicher gemerkt!“, sagte Grainger. „Er war ein Mann, der auffiel.“

Der Salooner nickte. „In dieser Gegend gab es bisher leider niemanden, der stark genug gewesen wäre, um McMurdo und seiner Meute die Stirn zu bieten!“

„Und das galt auch für Maxwell?“

„Er hat eine Menge Fragen gestellt und überall herumgeschnüffelt. Da war sein Schicksal schon besiegelt. Genau wie Ihres, Grainger!“ Er deutete in Richtung der Schwingtüren. „Verschwinden Sie so schnell Sie können aus der Stadt. Sie haben dieser Bande einmal Paroli bieten können, aber die Kerle werden zurückkehren und Sie bis ans Ende der Welt jagen! So etwas lassen die nicht auf sich sitzen!“

Grainger grinste bitter. „Kann es sein, dass Sie denken bei dieser Warnung mehr an sich selbst denken, als an mich?“

„Jeder muss sehen, wie er überlebt!“, brummte der Salooner. „Und wo kein Gesetz gilt, ist das nicht leicht!“

Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane

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