Читать книгу Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane - Pete Hackett - Страница 18

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Noch vor Morgengrauen verließ Grainger Liberal. Allerdings dachte er nicht im Traum daran, vor McMurdos Bande zu flüchten. Stattdessen ritt Richtung Süden auf die Grenze zwischen Kansas und dem Oklahoma-Territorium zu. Der Mann der U.S. Government Squad hatte exzellente Karten bei sich, Karten aus Beständen der US Army. Pioniere und Kartographen des dritten Kavallerieregiments hatten sie angefertigt.

Grainger gehörte lange genug der U.S. Government Squad an: Er machte nicht den Fehler die üblichen Trails der Cowboys oder die Route der Postkutschen nach Texas zu nehmen. Er ritt über abseitige Pfade, die nur teilweise auf den Karten eingezeichnet waren. Gegen Abend erreichte er den Oberlauf des Cimarron und kampierte an einer von Findlingen geschützten Stelle mitten in einer Gruppe knorriger und durch Blitzschlag verkrüppelter Bäume.

Die Stunden bis zum Sonnenaufgang waren lausig kalt. Doch Grainger verzichtete darauf, ein Feuer zu entzünden. Die Meute, die versucht hatte, ihn im Night Corner zu ermorden, hatte er zwar in die Flucht geschlagen und einigen der Kerle ein oder zwei Kugeln verpasst. Aber wusste er denn, wie viele Revolvermänner McMurdo in dieser Gegend mobilisieren konnte, wenn es darauf ankam? Wenn es ähnliche Männer wie dieser Reilly waren, dann würden sie sich unerbittlich an seine Fersen heften, wenn sie erst einmal seine Spur gefunden hatten.

Er rollte sich in seine Decken, sah dem Himmel beim Dunkelwerden zu und dachte nach. Wenn etwas dran war an den Berichten und Gerüchten, die er bisher über Dan McMurdo und seine Bande gehört hatte, konnte er die Machtfülle des Bandenchefs gar nicht hoch genug einschätzen. Das gesetzlose Oklahoma-Territorium diente ihm dabei als sicherer Rückzugsraum. Aber nicht mehr lange - Grainger hatte sich geschworen, das zu ändern. Er war fest entschlossen McMurdo in seinem mysteriösen Hauptquartier aufspüren und dafür sorgen, dass er die Gegend nicht länger terrorisierte; und er war entschlossen, Maxwells Schicksal aufzuklären.

Deshalb war er hier.

Er konnte lange nicht einschlafen, denn die Ereignisse der vergangenen Nacht gingen ihm im Kopf herum. Francine, die Mistkerle, die plötzlich ihr Zimmer stürmten, und der Einäugige, dieser Reilly vor allem. Himmel noch mal! Wenn er nicht auf Hut war, würden diese Höllenhunde ihn umlegen. So, wie sie wahrscheinlich auch Maxwell umgelegt hatten.

Gegen Morgen fand er endlich ein wenig Schlaf, zwei oder drei Stunden. Dann weckte ihn die Sonne. Er packte seine Sachen, überquerte den Cimarron, und folgte seinem Lauf nach Südosten.

Er nahm einen Umweg in Kauf, um eine Postkutschenroute zu umreiten. Musste ja nicht sein, dass er McMurdos Leuten direkt in die Arme lief. Auch im Indianerterritorium gab es inzwischen Telegraphenstationen, und Grainger musste davon ausgehen, dass McMurdo selbst dann sehr schnell von der Schießerei im Night Corner erfuhr, wenn er schneller ritt, als sein in die Flucht geschlagenen Gegner.

Und einen Mann, der es mit einem Dutzend seiner Revolvermänner aufgenommen hatte, den konnte McMurdo unmöglich am Leben lassen – es sei denn, so ein Mann ließ sich dazu überreden, die Seiten zu wechseln.

Bei Tageslicht verwendete Grainger viel Zeit darauf, seine Spuren zu verwischen. Siedlungen und Farmen mied er. Schließlich war es sehr wahrscheinlich, dass die meisten von ihnen auf irgendeine Weise Teil von McMurdos Informationsnetz waren. Bruckner hatte ja berichtet, wie die Rancher und Farmer vor dem langen Arm des Bandenführers zitterten, der regelmäßig Schutzgelder von ihnen erpresste.

Der Tag verging ohne besondere Ereignisse. Bei Einbruch der Dunkelheit war er noch gut fünf Meilen von der Grenze zum Oklahoma-Gebiet entfernt; falls die Karten stimmten, aber davon ging er aus. Er suchte sich einen Lagerplatz und wählte eine geschützte Mulde zwischen mehreren, teils von Büschen und Bäumen bewachsenen Anhöhe. Ein idealer Platz, für ein Feuer, das man nicht über viele Meilen hinweg sah. Als das Holz herunter gebrannt war, stellte Grainger einen Topf mit Wasser in die Glut, und brühte sich einen Kaffee auf. Dazu aß er Maisbrei und gepökeltes Fleisch.

Nach dem Essen studierte er im Schein des Feuers die Karten. Wenn es stimmte, dass McMurdo in einem von der Army verlassenen Fort residierte – und Grainger sah keinen Grund daran zu zweifeln – dann kam dafür vor allem Fort Roscoe in Frage. Das Fort und ein verlassener Ort gleichen Namens lagen etwa anderthalb Tagesritte südlich der Grenze im Indianergebiet, gar nicht weit entfernt vom Kiowa Creek.

Das passte zu Bruckners Information, nach der Timmy Maxwell dem ehemaligen Town-Marshal von Liberal erzählt hatte, dass er zum Kiowa Creek wollte. Die anderen aufgegebenen Forts in Oklahoma eigneten sich vielleicht als Schlupfwinkel, waren aber als Ausgangsbasis für Vorstöße über die Grenze nach Kansas einfach zu weit entfernt.

Das Geräusch von donnerndem Hufschlag ließ Grainger aufhorchen. Er faltete die Karten zusammen und verstaute sie in den Satteltaschen. Mit gezogenem Revolver schlich er bis zum Rand der Mulde hinauf und spähte in die Dämmerung. Reiter. Viele Reiter. Von allen Seiten kamen sie näher. Insgesamt etwa zwanzig Mann. Um das Feuer zu löschen und sich zu verstecken, war es zu spät.

Schnell waren die Reiter heran. Sie umringten das Lager, und kein Mann, der nicht ein Gewehr oder einen Revolver in den Händen hielt. Grainger hielt es für klüger die Hand wieder vom Coltgriff zu nehmen.

Ein hochgewachsener Mann mit grauem Haar trieb sein Pferd bis auf zehn Schritte an Grainger heran. Der Anführer der Reitergruppe vermutlich. Unter seiner braunen Jacke ragte ein Revolvergriff hervor. Er hielt einen zwölfschüssigen Winchester-Karabiner in der Hand, lud ihn durch, und machte Anstalten den Lauf auf Grainger zu richten.

„Gemach, gemach, Gentlemen!“ Grainger machte eine beschwichtigende Geste. Auch die anderen Männer schienen bestens bewaffnet zu sein. Mit Karabiner der Marke Winchester 73, wenn Grainger das richtig sah. Jedenfalls glaubte er trotz des Dämmerlichts da und dort die Carbine-Form oder den 16-schüssigen Rifle zu erkennen. Der eine oder andere Farmer hatte auch ein Sharp-Gewehre.

„Guten Abend, erst einmal“, sagte Grainger vorsichtig. Der Reihe nach blickte er die Männer an. Der Feuerschein aus der Mulde erhellte ihre Gesichter. Harte Gesichter, aus einigen Zügen sprachen Hass und Wut. „Was kann ich für Sie tun?“ Wenn es hart auf hart kam, hatte er keine Chance. Selbst wenn er mit jedem der sechs Schüsse in seinem Remington traf, blieben noch genug Gegner übrig, um den Kampf todsicher zu verlieren. „Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir ans Feuer, Gentlemen, ich hab noch eine Flasche Whisky in der Mochila.“

Keiner der Männer reagierte. Der Anführer stieg vom Pferd. Der Lauf seiner Winchester blieb auch jetzt auf Grainger gerichtet. „Das könnte einer der Kerle sein, was, Mister Conroy?“, fragte ihn einer der anderen Männer.

Der Grauhaarige nickte. „Schon möglich“, sagte er. „Die Beschreibung passt jedenfalls.“

„Beschreibung? Sorry, Gentlemen, ich weiß leider nicht, wovon Sie reden!“ Grainger versuchte sich den Anschein von Gelassenheit zu geben.

„Schnallen Sie Ihren Revolver ab!“, herrschte ihn der Grauhaarige an.

„Wie käme ich dazu, Mr. Conroy? Ich habe kein Gesetzt der Vereinigten Staaten gebrochen, ich habe niemandem ...“

„Tun Sie es besser, sonst knallen wir Sie einfach ohne Prozess über den Haufen!“, mischte sich einer der anderen Kerle ein. „Je weniger von deiner Sorte über Gottes schöne Erde laufen, um so besser.“

„Hängen wir ihn doch einfach auf“, sagte ein anderer. „Man sollte keinem Scheißkerl von der McMurdo-Bande einen Prozess gönnen!“

„Korrekt, Jimmy!“, rief der nächste. „Aber wozu extra einen Strick knüpfen, Mister Conroy? Der Bastard hat eine Kugel zwischen die Augen verdient!“ Grainger wurde ernsthaft nervös.

„Möglicherweise könnten wir ja noch aus ihm herausquetschen, wo seine Komplizen zu finden sind!“, schlug ein weißhaariger Mann vor.

„Maul halten!“, rief jetzt Conroy. „Wir nehmen ihn mit zur Dunworth-Ranch. ...“

„Wozu denn die Umstände?“, fuhr einer jüngeren Männer dazwischen. „Eine Kugel, und fertig!“

„Dann würden wir uns ja mit diesen Mördern auf die gleiche Stufe stellen“, sagte Conroy. „Nein, nein!“ Energisch schüttelte er den Kopf. „Debbie Dunworth wird uns sagen können, ob dieser Mann zu den Bastarden gehört, die sie misshandelt haben, und die einen ihrer Cowboys über den Haufen geschossen haben! Ich will keinen Unschuldigen über die Klinge springen lassen.“

„Hören Sie, Gentlemen“, sagte Grainger. „Ich bin keiner von McMurdos Bluthunden!“, verteidigte sich Grainger. „Ganz im Gegenteil. Ich hatte gestern erst eine Schießerei mit seinen Leuten.“

„An Ihrer Stelle würde ich das jetzt auch sagen, Mister...“

„Grainger. Mein Name ist Grainger.“

„Also, Grainger, Finger weg von deinem Revolver!“ Conroy kam zu ihm, rammte ihm den Lauf seiner Winchester ins Brustbein und bedeutete ihm mit einer Kopfbewegung, dass es jetzt Zeit war, den Waffengurt abzuschnallen. „Meine Jungs hier warten nämlich nur auf meine Erlaubnis, aus Ihnen ein Sieb zu machen!“

Grainger sah ein, dass Gegenwehr keinen Sinn hatte. Diese Männer hier ritten gemeinsam, um sich gegen den Terror zu wehren, den McMurdo und seine Bande ausübte. Insgeheim bewunderte er ihren Mut. Allerdings glaubte er nicht, dass dieser zusammengewürfelte Haufen aus Cowboys, braven Familienvätern und rechtschaffenen Farmern etwas gegen die abgebrühten Killer McMurdos ausrichten konnte.

„Okay, ich komme mit Ihnen“, sagte Grainger. „Spätestens, wenn wir dieser Debbie Dunworth gegenüberstehen, werden Sie sich bei mir entschuldigen müssen, Mister Conroy.“ Vorsichtig schnallte er sich den Gurt mit dem Remington von den Hüften, rollte ihn zusammen und warf ihn Conroy zu. Dieser fing ihn. „Passen Sie gut auf meinen Colt auf!“, forderte der Mann von der U.S. Government Squad. Einer der Männer stieg vom Pferd, stapfte in die Mulde hinunter und zog Graingers Winchester aus dem Sattelholster. „Und sind sie vorsichtig mit meinem Gewehr. Die habe ich mir sozusagen nur geliehen.“

„Und von wem?“, wollte Conroy wissen.

„Von einem guten Freund.“ Dass er von der Regierung in Washington sprach, band er dem Rancher selbstverständlich nicht auf die Nase. Ein Agent der U.S. Government Squad gab seine Identität nur im äußersten Notfall preis.

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