Читать книгу Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane - Pete Hackett - Страница 16

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Bis zur Erschöpfung hatten sie sich geliebt und einander ausgekostet, ehe Francine in Graingers Armen einschlief. Auch Grainger war in einen traumlosen Schlaf gefallen. Erst jetzt spürte er wieder die Strapazen des langen Ritts, der hinter ihm lag.

Es war weit nach Mitternacht, als ihn ein Geräusch weckte. Der untrügliche Instinkt für Gefahr, der eigen ihm war, meldete sich sofort. Er war von einem Augenblick zum anderen hellwach.

Draußen auf der Straße ging irgendetwas vor sich, etwas, das ihn anging – er spürte es genau. Das Wiehern eines Pferdes drang an sein Gehör, das Scharren von Stiefelsohlen, ein leises Gemurmel.

Und dann – deutlich hörbar – Schritte. Jemand schien den Saloon zu betreten.

Grainger erhob sich und trat seitlich an das zur Straße gehende Fenster. Im fahlen Licht des Mondes sah er ein gutes Dutzend Reiter. Sie bildeten eine Art Phalanx mitten auf der nächtlichen Main Street. Einige hatten die Winchester-Gewehre aus den Sattelholstern gezogen. Hier und da hörte Grainger das typische, ratschende Geräusch eines Gewehres, wenn es durchgeladen wurde. Die meisten Gesichter waren nicht zu sehen, die Schatten der Hutkrempen bedeckten sie. Nur einen der Männer erkannte Grainger, als dieser den Kopf wandte, so dass ihm das Mondlicht ins Gesicht schien.

Der Einäugige! Der schwarzhaarige Kerl mit dem dreckigen Stetson, der am Abend zuvor oben an der Balustrade gestanden hatte, als er den Saloon betrat. Ihn dort unten auf der nächtlichen Straße zu entdecken, überraschte den Mann der U.S. Government Squad nicht besonders.

Grainger fiel auf, dass drei der Pferde ohne Reiter waren. Sie mussten den Männern gehören, deren Schritte er unten im Saloon gehört hatte. Hatten sie es auf ihn abgesehen? Natürlich auf ihn. Auf wen sonst?

Grainger zögerte nicht länger. Er streifte sich die Hose über und schallte sich das Holster mit den Remington um die Hüften, das noch an der Stelle auf dem Boden lag, wo es hingefallen war, als Francine ihn ausgezogen hatte.

„Grainger?“ Francine richtete sich im Bett auf. „Was ist los?“

„Keine Ahnung.“ Er schloss die Gürtelschnalle. „Da unten ist eine Meute vor dem ‚Night Corner’ Saloon aufmarschiert, die uns vermutlich kein Ständchen singen wollen.“ Er zog den Remington, ließ die Trommel heraus springen und füllte zwei leere Geschosskammern mit Patronen aus einem Gürtel. „Und ich wette, die sind auch nicht hier, um ihren Morgendrink zu nehmen.“

Francine schwieg. Vom Flur her waren jetzt Schritte zu hören. Und Stimmen. Sie flüsterten. In Graingers Kopf drehte sich ein Karussell von Gedanken und Gefühlen. Eine Schießerei in diesem Zimmer? Eine verirrte Kugel könnte Francine treffen...

Dann ging alles atemberaubend schnell: Jemand lud eine Winchester durch – das Geräusch war unverwechselbar – und im nächsten Moment wurde die Tür eingetreten. Der Riegel brach aus seiner morschen Halterung. Das Türblatt flog zur Seite, und ein Kerl mit hagerem Gesicht stand mit einer Winchester da. Graingers Hand war längst am Remington – doch er zog nicht, er wollte die Frau nicht in Gefahr bringen.

„Keine falsche Bewegung!“, knurrte der Kerl mit der Winchester. „Und hoch mit den Pfoten!“ Er machte einen Schritt nach vorn.

Ein zweiter Mann trat ein. Er trug einen langen grauen Mantel. In jeder Hand hielt er einen Revolver. „Gute Arbeit, Francine!“ Er taxierte die Frau mit einem gierigen Blick. Francine zog die Decke über ihre Brüste. Sie schluckte und wich Graingers erstauntem Blick aus.

„Macht es kurz“, forderte sie. „Aber schafft ihn vorher weg hier, tötet ihn woanders. Ich will’s nicht sehen. Und Ärger will ich auch keinen.“

„Keine Sorge!“, sagte der Kerl im grauen Mantel. Er wandte sich an Grainger. „Runter mit dem Waffengurt!“

Grainger schwieg. Aus verengten Augen musterte er die Männer. Er checkte die Situation ab und rechnete seine Chancen aus. Das Ergebnis war niederschmetternd. Der Mann mit der Winchester fing an von einem Fuß auf den anderen zu tänzeln.

„Hast du ihn gefragt, was er mit Maxwell zu schaffen hat?“, fragte der im grauen Mantel.

Francine nickte. „Er behauptet, dass er ihm Geld schulden würde. Aber davon glaube ich kein Wort! Ich glaube eher, dass die beiden Komplizen sind... Vielleicht Pinkerton-Agenten oder so etwas! Ich schätze, dass jemand sie geschickt hat, dem Mister McMurdo ernsthaft zugesetzt hat. Vielleicht die Betreiber der Postkutschenlinie, oder einer der Rancher, deren Herden er sich auf dem Weg nach Norden unter den Nagel gerissen hat...“

Jetzt sah sie Grainger offen ins Gesicht. „Schade“, sagte sie. „Wir hätten noch eine ganze Menge zusammen erleben können!“

Der Mann im grauen Mantel legte einen seiner Revolver auf Grainger an. „Was ist jetzt? Warum ist der Gurt noch nicht unten? Mach schon, sonst überlege ich mir’s anders, und blas gleich hier um...!“

„Tu’s bitte nicht, Jimmy“, sagte Francine. Grainger blieb gar nichts anderes übrig, als alles auf eine Karte zu setzen. Blitzschnell duckte er sich, sprang aufs Bett und riss zugleich seinen Remington aus dem Holster. Mit der Handkante der Linken zog er den Hahn zurück, während er sich über Francine hinweg abrollte und auf der anderen Seite des Bettes in Deckung ging. Der Schuss explodierte im nächtlichen Zimmer.

Auch aus den Waffen des Mantelträgers blitzte Mündungsfeuer, doch Graingers Kugel traf ihn an der Schulter, so dass er verriss, und seine Kugeln über Francine in der Wand einschlugen. Die Wucht des Geschosses aus Graingers Remington riss ihn zurück, und seine Schüsse fuhren in die Decke – und einer traf Francine. Ihr Körper bäumte sich auf, sank zurück in die Kissen und erschlaffte. Ihre Augen wurden starr.

Grainger feuerte erneut. Der Kerl mit der Winchester taumelte gegen die Wand, er drückte ab, während er zu Boden sank. Die Kugel zerschlug den Spiegel über dem Waschtisch. Einen Atemzug später lagen beide Angreifer reglos ab Boden.

Grainger steckte den Remington unter die Decke der toten Tänzerin. Mit einer Mischung aus Bedauern und Bitterkeit betrachtete er die Tote, während er die Trommel mit Patronen füllte und den Hahn des Remington spannte. Die Decke dämpfte die metallenen Geräusche.

Drei Gäule hatten leere Sättel gehabt, einer der Kerle musste also noch irgendwo im Haus herumschnüffeln. Grainger stand auf. Über die Leichen hinweg schlich er Richtung Tür.

Er hörte Schritte. Jemand stieg die Treppe hoch. Er hörte wie Türen geöffnet wurden, er hörte Stimmen. „Keine Panik, Ladies und Gentlemen“, sagte eine dunkle Männerstimme. „Alles im Lot, schließen sie wieder ab, kuscheln sie noch ein bisschen, okay?“ Schritte näherten sich auf dem Gang. Grainger hörte die Geräusche sich schließender Türen und von Schlüsseln, die sich in Schlössern drehen. „Alles erledigt, Jungs?“, rief die Männerstimme.

Grainger sprang hinaus auf den Korridor. Ein Mann in Fellweste und Stetson erstarrte dort zur Salzsäule. Er trug zwei Revolver, die steckten mit dem Griff nach vorn in Army-Holstern, deren Verschlusslaschen abgeschnitten waren. Er schnitt eine reichlich verblüffte Miene. Alles hatte er wohl erwartet, nur nicht, Grainger noch lebend zu sehen.

„Hast gedacht, ich bin längst über den Jordan gegangen, was?“ Grainger zielte auf seine Brust. „Hast gedacht, die Scheißkerle hätten längst kurzen Prozess mit mir gemacht, was?“

Die Hände des Kerls mit den Army-Holstern waren instinktiv in die Nähe der Revolvergurte geschnellt. Doch er war klug genug zu begreifen, dass er keine Chance hatte. „Finger weg von den Schießeisen und Hände hoch!“, befahl Grainger.

„Du machst einen Riesenfehler!“, sagte der Kerl heiser. Er hob beide Hände bis über den Kopf.

„Den Riesenfehler habt ihr gemacht“, blaffte Grainger. „Euer Fehler, zu glauben, dass ihr mich einfach so über den Haufen schießen könnt! Da hättet ihr früher aufstehen müssen.“

„Hör mal zu, Fremder...“

„Du hörst mir zu!“, schnitt Grainger ihm das Wort ab. „Ich will wissen, wer die Kerle sind, die da draußen auf der Straße warten und und sich ins Fäustchen lachen, weil sie, dass ihr mich erledigt habt!“

Der Mann schluckte.

„Ich hab dich was gefragt, Mann!“ Grainger hob den Remington.

„Ich..., wir...“ Der Kerl wollte gar nicht mehr aufhören zu schlucken. „Wir arbeiten für Dan McMurdo!“, gab er endlich zu. Er starrte in die Remington-Mündung als würde er das Angesicht des Herrn darin erblicken. „Und wenn du schlau bist, dann versuchst du zu verschwinden! McMurdos Arm ist ziemlich lang...“

„Wie heißt du?“

„Adam Naismith. Bist du ein US-Marshall oder so etwas?“

„Ich stelle die Fragen!“

„Schon gut!“

„Wer ist der Kerl mit der Augenklappe?“, fragte Grainger.

„Jed Reilly, Mister McMurdos rechte Hand. Er sorgt hier in Liberal und Umgebung für Ordnung...“

„Für Ordnung, was du nicht sagst.“ Grainger grinste bitter. „Wo hat McMurdo sein Hauptquartier?“

„Keine Ahnung!“

Grainger trat näher an ihn heran, streckte den Arm mit dem Remington aus, zielte auf das Herz des Mannes.

„Schon gut, schon gut!“, flüsterte Naismith. „Ich weiß es nicht, ehrlich nicht. Jed Reilly hat mich angeheuert, von ihm kriege ich die Dollars für meinen Job! Alles andere interessiert mich nicht. Bis jetzt sind wir allerdings immer hier in der Gegend geblieben. Wahrscheinlich bin ich einfach noch nicht lange genug dabei, um mal zum Hauptquartier geschickt zu werden...“

„Aber ich nehme an, dass du mitbekommen hast, was die anderen so darüber reden!“

„Schon, ja, doch...“ Wieder schluckte er.

„Spuck’s endlich aus, verdammt!“, zischte Grainger.

Der Kerl zuckte zusammen. „Okay, okay – angeblich liegt das Hauptquartier in einem der Forts im Indianergebiet. Du weißt doch, die alten Forts, die von der Army bei Ausbruch des Bürgerkrieges verlassen wurden.“

Grainger trat auf den Kerl zu und zog ihm nacheinander die Colts aus den Army-Holstern. Einen steckte er hinter seinen Gürtel, den anderen schleuderte er den Korridor entlang, sodass er über die glatt polierten Holzbohlen rutschte und fast bis zum anderen Ende rutschte.

„Was hast du jetzt vor?“, flüsterte Naismith. „Wenn du mich erschießen willst, dann bring es hinter dich!“

„Ich habe nicht vor, dich einfach über den Haufen zu knallen“, erwiderte Grainger. „Vielleicht sollte ich mich lieber mit Jed Reilly unterhalten, was meinst du?“

„Was hast du vor, Mann?“

„Lass dich überraschen. Und jetzt komm her!“

Mit dem Remington in der Hand dirigierte Grainger den Mann, der sich Naismith nannte, vor die Tür von Francines Zimmer. Jetzt erst konnte der Kerl die Leichen seiner beiden Kumpanen sehen. „Verdammt...“ Er schluckte.

Grainger deutete auf den Kerl mit dem grauen Mantel. „Zieh dem dort den Mantel aus!“

„Wieso?“

„Tu einfach, was ich sage!“ Naismith zuckte die Achseln und gehorchte. „Und falls du mit dem Gedanken spielen solltest, dir eine Waffe des Toten zu greifen, denk an den Colt in meiner Hand.“ Grainger bohrte ihm den Lauf des Remington in die Nieren. „Damit war ich schneller, als diese beiden Nasen, und sie hatten drei Waffen, okay?“

„Okay, okay...“ Naismith wirkte ziemlich kleinlaut. Ohne weiteren Kommentar bückte er sich nach dem Toten und zog ihm den Mantel aus. „Und was jetzt?“

„Gib ihn mir“, befahl Grainger. Naismith faltete den Mantel zusammen und warf ihn Grainger zu. Der Mann von der U.S. Government Squad fing ihn und streifte ihn sich über. „Den Hut auch!“

Naismith gab ihm den Hut. „Mach keinen Blödsinn, Mann!“ Er begann zu ahnen, was Grainger vorhatte. „Das ist eine Nummer zu heiß, hörst du?“

„Halt’s Maul.“ Grainger zog sich den Stetson tief in die Stirn. „Du gehst voran, Naismith!“

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