Читать книгу Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane - Pete Hackett - Страница 9
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Winterblüte wand sich aus den Armen ihres schlafenden Geliebten. Auf allen Vieren krabbelte sie zum Ausgang des Tippis, löste die Plane und schlug sie zurück. Vor einigen Tippis stieg bereits Rauch auf. Ein paar Kinder spielten mit einem jungen Hund. Vor dem Totempfahl hockte Schwarzer Büffel, der Medizinmann, und starrte ins Gras.
Aus den Nachbarzelten drang Gemurmel. Ein paar Frauen sammelten sich, um zum Fluss zu gehen. Sie trugen Tonkrüge auf den Schultern. Winterblüte erkannte ihre Mutter und ihre Schwestern. „Wartet auf mich...!“
Sie kroch zurück zu ihrem Geliebten, warf sich über ihn, und küsste seinen Hals; solange, bis er wach war. „Ich bin so froh, dass du wieder gesund bist, Timmy.“ Der Weiße schlug die Augen auf und lächelte wehmütig.
Winterblüte schnappte sich den größten der Tonkrüge und eine alte Lederdecke. „Ich gehe zum Fluss und hole Wasser. Holz bringe ich auch mit...“
Timmy Maxwell richtete sich auf. Er war nackt unter dem Fell, eine Narbe zog sich von seinem Nacken über seine Schulter. Seltsam, wie er schaute, irgendwie traurig. „Der Frühling kommt, Winterblüte. Es wird von Tag zu Tag wärmer. Morgen werde ich weiterziehen. Ich habe einen Auftrag.“
Seine Worte raubten ihr schier den Atem. Doch sie ließ es sich nicht anmerken, schluckte und sagte trotzig: „Ich wusste immer, dass du gehen wirst, wenn deine Wunden verheilt sind. Du musst die Banditen suchen, auch das weiß ich. Aber jetzt sind wir Mann und Frau, und wohin du gehst werde auch ich hingehen.“
Sprach’s, wandte sich ab und huschte aus dem Zelt. Sie wischte sich ein paar Tränen aus den Augen, und lief dann an den Tippis ihres Stammes vorbei zum Fluss hinunter.
Dort hatten sich bereits an die zwanzig Frauen des Stammes eingefunden. Einige fischten, andere wuschen Decken, Kleider oder sich selbst, wieder andere füllten ihre Krüge mit Wasser. Ein, zwei Speerwürfe entfernt, am Waldrand, schritten einige Mütter mit ihren Kindern durch Gras und Gestrüpp und suchten Reisig zusammen.
Schwarzer Büffel, der Schamane, sprang plötzlich auf. Winterblüte sah es aus den Augenwinkeln, während sie am Ufer kniete und den Krug in den eiskalten Fluten versenkte. Er drehte sich nach links, drehte sich nach rechts und ruderte mit den Armen.
Und dann fiel der erste Schuss, und eines der Kinder am Waldrand schrie auf. Winterblüte sah, dass der Knabe sich über seine tote Mutter warf. Zehn oder zwölf Reiter galoppierten auf Pferden aus dem Wald, auf schweren, grau gescheckten Pferden, wie die Blauröcke des Großen Vaters in Washington sie benutzten. Es waren Weiße, kein Zweifel, und sie brachten den Tod.
Mündungsfeuer blitzten, links und rechts von Winterblüte stürzten die Frauen schreiend ins Gras oder in den eisigen Fluss. Sie sprang auf und schaffte es wie durch ein Wunder bis zwischen die Zelte. Krieger rannten ihr entgegen, luden Gewehre, oder legten Pfeile in die Sehnen. Einem Sohn des Häuptlings zerschmetterte eine Kugel die Stirn. Die Wucht des Geschosses schleuderte ihm den Kopf in den Nacken, er riss die Arme hoch und schlug rücklings im Gras auf.
Winterblüte warf sich neben ihn und griff sich sein Gewehr. Während der Sterbende neben ihr nach Luft schnappte und sich in seinen letzten Atemzügen aufbäumte, blickte sie hinter sich: Sieben oder acht Reiter hatten bereits das diesseitige Ufer erreicht. Die Zügelriemen zwischen den Zähnen schossen sie aus Gewehren auf die heranstürmenden Krieger. Mindestens fünfzehn Reiter galoppierten hinter ihnen durch den seichten Fluss. Fast alle trugen dunkle Hüte und lange graue Mäntel, und hatten Tücher vor Mund und Nase gebunden. Und alle schossen aus Gewehren und Revolvern um sich. Einige zielten auf flüchtende Frauen und Halbwüchsige, sogar Kinder sah Winterblüte getroffen zu Boden sinken. Eine kalte Faust drückte ihr das Herz zusammen.
Sie blickte neben sich. Die gebrochenen Augen des Häuptlingssohnes starrten ins Leere. Zwei Krieger knieten wenige Schritte vor ihr auf den Boden und legten ihre Spencer-Gewehre auf die Angreifer an. Kugeln heulten heran und vorbei, Erdfontänen spritzten hoch, einer der Krieger brach getroffen zusammen. Das Gewehr in der Linken robbte Winterblüte nach rechts aus der Schussbahn. Hufschlag näherte sich, irgendwo schrie eine Frau, irgendwo wimmerte ein Kind.
Winterblüte hechtete in den Eingang eines Tippis. Im Halbdunkeln sah sie ein halbwüchsiges Mädchen zwischen Fellbündeln kauern. Mit dem linken Arm drückte sie einen kleinen Jungen gegen ihre Brust, in ihrer rechten Faust blitzte eine Klinge auf. Die Plane fiel vor den Tippieingang, das Mädchen und ihr Bruder verschmolzen mit den Fellbündeln zu einem einzigen Schatten.
Winterblüte legte das Gewehr an. Mit dem Lauf schob sie die Plane vor dem Eingang ein Stück zur Seite. Zwanzig Schritte entfernt preschten weiße Männer auf scheckigen Grauschimmeln vorbei. Die Schöße ihrer langen Mäntel flatterten hinter ihnen. Überall Geschrei, überall Schusslärm, und der Hufschlag der Angreifer klang wie die Trommeln einer Totenfeier. Winterblüte drückte ab.
Einer der Reiter sackte in sich zusammen und stürzte aus dem Sattel. Der hinter ihm riss an seinem Zügel, so heftig dass sein Pferd hochstieg. Er hatte blonde Brauen, und Winterblüte konnte sehen, wie er hinter dem blauen Mundtuch den Mund öffnete. Mit einem Revolver zielte er auf sie und schrie wütend. Der Schuss durchschlug die Tippiwand. Hinter Winterblüte begann der kleine Junge zu weinen.
Sie zielte kurz und drückte ab. Das Pferd des Angreifers knickte ein, er stürzte aus dem Sattel und rollte sich ab. Das blaue Tuch war ihm von Mund und Nase gerutscht, sein Hut lag neben ihm im Gras; ein blauer Hut, wie ihn die Soldaten der Weißen trugen. Winterblüte sah das blonde Langhaar des Mannes und seinen blonden Kinnbart und blonde Koteletten. Zwei seiner Komplizen hielten ihre Pferde bei ihm an. Mit schmerzverzerrtem Gesicht deutete er in Winterblütes Richtung. Augenblicklich feuerten die anderen beiden aus Revolvern auf das Tippi.
„Köpfe runter“, zischte Winterblüte und warf sich flach auf den Boden. Sie hörte die Kugeln die Tippiwand durchschlagen, sie hörte das Pfeifen der über sie hinweg rasenden Geschosse und sie hörte das Gebrüll von Männerstimmen. Das Gewehr auf den Tippieingang gerichtet erwartete sie die Angreifer.
Niemand stürmte ins Tippi.
Draußen jedoch brüllten Männer, und der Schusslärm verstärkte sich noch. Und da – war das nicht die Stimme ihres Liebsten? Winterblüte richtete sich auf. Kerzengerade saß sie und lauschte. Timmys Stimme, eindeutig Timmys Stimme!
Auf den Knien rutschte sie bis zur Eingangsplane. Mit dem Gewehrlauf schob sie das Leder gerade soweit zur Seite, dass sie durch den Spalt nach draußen spähen konnte. Timmy stand zehn oder fünfzehn Schritte entfernt zwischen den Tippies. Nur mit einer Hose bekleidet feuerte er aus einem Gewehr und einem Revolver auf weiße Männer, die hinter den Tippis oder im hohen Gras in Deckung gegangen waren.
Einer von ihnen brüllte Befehle und schoss aus zwei Revolvern auf Timmy. „Macht ihn fertig!“, brüllte er. „Blast ihm das Leben aus seinem verdammten Schädel...!“ Der Mann hatte einen langen, schwarzen Schnurrbart und trug eine schwarze Klappe über dem linken Auge.
Winterblüte stockte der Atem. Mindestens sieben oder acht Angreifer hatten sich auf Timmy eingeschossen. Und plötzlich sah sie, wie der Blonde mit dem Armeehut, zwischen zwei Tippis aus der Deckung sprang und sein Gewehr auf Timmy anlegte...