Читать книгу Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane - Pete Hackett - Страница 35

27

Оглавление

Fast zur gleichen Zeit wachten sie auf. Grainger riss ein Schwefelholz an und entzündete eine Öllampe, die zu Winterblütes Ausrüstung gehörte. Während die Indianerin in ihre Kleider stieg, zog er seine Taschenuhr heraus und hielt sie in den Schein der Lampe. Kurz nach vier. Seine innere Uhr funktionierte selbst nach einer solchen Liebesnacht zuverlässig. Noch etwas mehr als drei Stunden bis Sonnenaufgang. Conroy und seine Männer würden sich exakt in diesen Minuten auf den Weg zum alten Fort machen.

Der Mann von der U.S. Government Squad stand auf und zog sich an. Schweigend verteilten sie das Dynamit. Sieben Stangen steckte Grainger sich in die Jackentaschen, in den Hosenbund und in die Stiefelschäfte. Den Großteil hievten sie auf den Rücken von Winterblütes Schecken.

Sie überprüften ihre Gewehre und Revolver und luden sie. Danach machten sie sich auf den Weg. Es war Vollmond, eine helle Nacht. Ein Vorteil oder ein Nachteil? Man würde sehen.

Den Waldhang hinunter verfolgten sie einen Wildpfad, der in die Lichtung vor dem Fort führte. Windblüte ging voran, denn fand sie auch bei Dunkelheit den Weg so sicher, wie bei Tageslicht. Grainger folgte ihr und führte ihr Pferd an den Zügeln hinter sich her.

Sie näherten sich dem Fort von der Ostseite, weil hier der Weg zwischen Waldrand und Palisade am kürzesten war. Zwischen den ersten Büschen der Rodung blieben sie stehen. Winterblüte übernahm die Zügel ihres Pferdes. Ihre Aufgabe war es, das Dynamit ans Tor des Forts zu schaffen, dort die Zündschnur auszulegen und beim vereinbarten Zeichen anzuzünden.

„Viel Glück, tapfere Squaw der Kiowa.“ Grainger umarmte sie zum Abschied und küsste sie auf den Mund.

„Viel Glück, Grainger.“ Sie machte sich von ihm los, sah ihm noch einmal ins Gesicht, und führte ihren Gaul dann ins Gebüsch. Rasch verlor sich die Silhouette ihrer und des Pferdes Gestalt zwischen den Hecken und Sträuchern.

Grainger wandte sich Hang abwärts. Er wollte zu der Ansammlung von Holzhäusern vor dem Tor des Forts. Dort waren nach Winterblütes Beobachtung die Huren untergebracht, und dort hatte am Abend ein reges Treiben geherrscht. Durch das Fernglas hatte die Indianerin am Abend einen blonden Mann mit einem Armeehut und einen älteren Gentlemen mit Zylinder und in Frack in einem der Häuser verschwinden sehen. Graingers Aufgabe war es, in diesen Häusern für Unruhe zu sorgen.

Er brauchte fast eine halbe Stunde, bis er die kleine, verlassene Siedlung vor den Toren des Forts erreichte. Im größten Haus brannte Licht hinter den Fenstern. Grainger beobachtete das Gebäude eine Zeitlang. Keine Spur von Wachen, nichts. Diese Mistkerle fühlten sich vollkommen sicher in dieser Einöde. Um so besser.

Grainger schlich zwischen die Häuser. An der Fassade des Gebäudes, in dem noch Licht brannte, schob er sich vorsichtig bis an eines der Fenster heran. Im Osten sah er einen milchigen Streifen im Nachthimmel über dem Horizont. Noch eine knappe Stunde bis Sonnenaufgang. Jetzt schliefen sie am tiefsten im Fort oder hier in den Häusern; falls sie schliefen. Er spähte in den Raum hinter den Fenstern.

Dort schliefen sie nicht.

In einem Raum, der wie ein Schankraum eines Saloons aussah, saßen drei Männer um einen großen runden Tisch. Whiskyflaschen und halbvolle Gläser standen vor ihnen, und auf dem Tisch tanzte eine Frau, die weiter nichts als ein Miederhöschen, einen Patronengurt mit zwei Revolvern und einen Stetson trug. Die Männer lachten, klatschten in die Hände und grapschten nach den Beinen der Frau.

Einer hatte langes blondes Haar und einen blonden Kinnbart. Er trug einen Hut der US-Kavallerie. Ein anderer, älterer sah bis auf seinen Stoppelbart aus wie ein Gentleman: Zylinder, Frack, Seidenhemd, und so weiter. Dan McMurdo. Grainger zweifelte nicht daran – die Erscheinung des Mannes passte auf alle Personenbeschreibungen, die er kannte.

Durch eine offene Tür konnte Grainger in ein Nebenzimmer blicken. Er sah einen Tisch und mindestens sechs Männer, die an ihm Karten spielten. Zwei leicht bekleidete Mädchen strichen um den Tisch herum.

Grainger ging in die Hocke, huschte von Fenster zu Fenster und verschaffte sich einen Überblick. Zehn Minuten später wusste er, dass er es mit elf Männern und drei Mädchen zu tun hatte. Die Männer waren nicht mehr nüchtern, auch die Pokerspieler nicht. Die Mädchen zählten nicht.

Unter dem Fenster, hinter dem sie pokerten, hockte er an die Hauswand gelehnt und wartete. Der milchige Streifen über dem östlichen Horizont wuchs und wuchs. Die Nacht wich der Dämmerung. Warum gab Winterblüte das vereinbarte Zeichen nicht? Grainger wurde nervös. Er fischte seine Taschenuhr aus der Weste: Zwanzig nach fünf. Höchste Zeit für den Angriff.

Ein paar Minuten später schrie vom Fort her der Waldkauz. Der Waldkauz hieß Winterblüte. Sie war soweit. Grainger zog eine Dynamitstange aus seinem Stiefelschaft, riss ein Schwefelholz an, und hielt es an die Zündschnur. Er stand auf. Mit dem Ellenbogen schlug er die Fensterscheibe zum Spielzimmer ein. „N’Abend.“ Er warf die Dynamitstange hinein. „Schönen Gruß von Mrs. Dunworth.“

Er ging unter dem Fenster in die Hocke. Die Druckwelle schleuderte das Fenster aus dem Rahmen, der Detonationslärm hallte durch das Morgengrauen. Grainger entzündete die Zündschnur der nächsten Dynamitstange. Er warf den Sprengstoff vor den Eingang des Hauses, sprang auf und rannte über die Straße

Keine Sekunde zu früh warf er sich dort auf den Bürgersteig. Aus den Augenwinkeln sah er noch, wie zwei Männer aus dem ehemaligen Saloon stürmten. Einer rannte auf die Straße, der andere stand seltsam starr und blickte auf die Dynamitstange zu seinen Füßen.

Dann die Explosion. Der Mann auf der Straße wurde in den Staub geschleudert, der vor dem Eingang von den Trümmern des Bürgersteigs und der Fassade bedeckt. Der auf der Straße sprang auf und legte seinen Revolver auf Grainger an. Doch Graingers Remington spuckte schon die erste Kugel dieses neuen Tages aus. Der Revolvermann auf der Straße brach zusammen.

Grainger steckte die Waffe zurück ins Holster. Gegenüber brannte der Eingangsbereich des alten Saloons. Der Mann von der U.S. Government Squad zog zwei Dynamitstangen aus der Jacke und legte sie auf die Brüstung des Bürgersteigs. Drüben öffnete sich ein Fenster. Nacheinander sprangen drei Mädchen und vier Männer heraus. Unter ihnen McMurdo und der Blonde mit dem Armeehut. Sie entdeckten ihn nicht sofort.

Vom etwa hundertfünfzig Meter entfernten Tor zum Fort wurden Rufe laut. Vom Wald her näherte sich Hufschlag vieler Pferde. In der Lichtung zwischen den Umrissen der Büsche entdeckte Grainger die Silhouetten vieler Reiter.

Conroy und seine Männer!

Das Tor zum Fort wurde geöffnet. Jemand brüllte einen Befehl. Eine gewaltige Explosion folgte. In ihrem Lichtblitz sah Grainger Menschen, Pferde, Geröll und Rundhölzer der Palisade durch die Luft wirbeln. Und gleich darauf die nächste Explosion an einer anderen Stelle des Forts, und dann noch eine, und eine vierte und fünfte. Für Augenblicke fühlte Grainger sich auf ein Schlachtfeld versetzt, das unter Artilleriefeuer erbebte. Das Hurra-Geschrei von Conroys Männern ging im Detonationslärm unter.

Die Männer und die Mädchen auf der anderen Straßenseite standen wie angefroren und starrten in das Feuer bei den Palisaden. Taghell war es plötzlich. „Das Spiel ist aus, McMurdo!“, rief Grainger. „Nehmen Sie die Hände hoch, Gentlemen!“

Einer der Kerle zog seinen Colt, ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken. Grainger zog schneller. Der Schuss peitschte über die Straße, der Mann drehte sich einmal um sich selbst und schlug lang hin. Die Mädchen vor dem alten Saloon schrien auf.

„Mein Name ist Grainger!“ Der Mann von der U.S. Government Squad trat an das Geländer des Bürgersteigs. „Machen Sie sich keine Illusionen, Gentlemen – Sie sind so gut wie tot, oder meine Gefangenen! Entscheiden Sie sich!“ Im brennenden Fort brüllten Männer. Vor dem Tor peitschten Schüsse durch die Morgendämmerung.

Die drei Männer auf der anderen Straßenseite stiegen vom Bürgersteig auf die Straße. „Was soll das, Mister!“, schnauzte McMurdo. Ganz sicher stand er nicht mehr auf den Beinen. Mehr Sorgen bereitete Grainger der Blonde mit dem Armeehut. Geschmeidig wie ein Berglöwe bewegte sich der Mann auf die Straßenmitte zu. „Wie reden Sie mit mir? Wissen Sie nicht, wen Sie vor sich haben?“

„Den Boss einer Mörderbande. Die Mörderbande wird soeben aufgerieben.“ Mit einer Kopfbewegung deutete Grainger Richtung Fort. Feuerschein erhellte den Himmel über den Palisaden. Der Schusslärm und das Gebrüll nahm kein Ende. „Ihr Boss und seine rechte Hand sind meine Gefangenen oder tot.“

„Sind Sie ein US-Marshal?“, rief der Blonde mit dem Armeehut.

„Meine Gefangenen oder tot. Entscheiden Sie sich.“

„Zeigen Sie ihren Stern her!“, forderte McMurdo.

„Entscheiden Sie sich endlich.“ Grainger riss ein Streichholz an seinem Gurt an und ging zu den Dynamitstangen auf der Bürgersteigbrüstung. Der dritte Mann zwischen McMurdo und dem Blonden zog, Grainger war schneller. Der Schuss verletzte den Mann an der Schulter. Er stöhnte auf, ließ die Waffe fallen und ging in die Hocke. Hufschlag vom Fort näherte sich.

„Verdammt, Grainger!“ McMurdo wurde nervös, er brüllte. „Ich biete Ihnen tausend Dollar! Jetzt sofort, bar auf die Hand!“

Grainger steckte eine der Zündschnüre an und warf die Dynamitstange über die Straße auf das Flachdach des Saloons. Die Mädchen schrien auf und rannten auf die Straße. Die Nackte mit dem Patronengurt über dem Miederhöschen zog beide Colts. Schreiend ballerte sie ungezielt in die Wolken. Voller Panik lief sie über die Straße, kaum konnte sie die Revolver halten. Sie stolperte über einen der Toten und landete im Staub.

Dann ein Lichtblitz auf dem Dach des Saloons, ein Knall, und Bretter und Dreck regnete auf die Straße. McMurdo und der Blonde hatten sich längst auf die Bäuche geworfen. Der Blonde zielte mit seinem Colt auf Grainger. Der ging in die Knie und schoss. Die Kugel des Blonden schlug hinter ihm in der Hausfassade ein. Graingers Kugel riss dem Blonden den Revolver aus der Hand. Das Mädchen schrie.

Reiter preschten heran, sie kamen vom Fort. Grainger sprang auf und schnappte sich die nächste Dynamitstange. Er entzündete ein Schwefelholz und stutzte – es waren Conroys Leute, die da heranpreschten, er erkannte Frank und Jimmy. Und an der Spitze der Gruppe ritt Winterblüte auf ihrem Schecken. Grainger warf das brennende Streichholz weg.

Winterblüte ließ ihr Pferd über dem Blonden hochsteigen. „Bleib weg von ihm!“, brüllte Grainger. Doch die Indianerin sprang vom Pferd und stürzte sich auf den Blonden. Der war viel zu überrascht, um rechtzeitig zu reagieren. Ehe er wusste, wie ihm geschah, wälzte er sich mit blutendem Hals im Staub.

Fluchend und seinen Remington im Anschlag rannte Grainger zu McMurdo. Der machte nicht einmal mehr den Versuch, sich zu wehren. Widerstandslos ließ er sich entwaffnen und mit seinem Binder fesseln.

Grainger riss ihn vom Boden hoch und stieß ihn vor sich her zu den Reitern. Conroy hielt eben sein Pferd an und sprang aus dem Sattel. Winterblüte stand mit versteinerter Miene über dem Blonden. Der lag in seinem Blut und röchelte nur noch.

„Wir haben mehr als zwanzig Gefangene gemacht“, sagte Conroy. „Die meisten der Höllenhunde sind tot. Nur drei oder vier konnten fliehen.“

„Wie viele von Ihnen hat es erwischt?“, fragte Grainger.

„Einen“, sagte Conroy heiser. „Sieben Männer sind verletzt.“ Er wandte sich an die Indianerin. „Wir haben Ihnen sehr zu danken, Winterblüte. Ohne Sie wäre die Sache hier ziemlich übel ausgegangen.“

Winterblüte antwortete nicht. Aus schmalen Augen betrachtete sie den Blonden. Er war tot. Sie drehte sich um, ging zu ihrem Pferd und schwang sich auf seinen Rücken. Der Gaul trabte los. Neben dem Mann von der U.S. Government Squad hielt sie das Pferd noch einmal an. „Leb wohl, Grainger.“

„Leb wohl, Winterblüte.“ Ein letzter Blick noch, dann ritt sie davon.

Die Männer sahen ihr nach. Minuten später verschmolz ihre Gestalt zwischen den Büschen der Lichtung mit der Dämmerung. „Was für ein Weib“, sagte Frank.

„Was für ein Weib“, flüsterte Grainger.

„Wie gehen wir vor?“ Conroy baute sich vor dem stummen McMurdo auf. „Schicken wir Boten nach Kansas oder bringen wir diesen Abschaum und seine Mörder persönlich über die Grenze?“

„Ihre Leute sollen sich ausruhen und die Verletzten versorgen“, sagte Grainger. „Um die Mittagszeit reiten wir mit den Gefangenen nach Kansas rüber.“

„Also gut.“ Conroy wandte sich von McMurdo ab und kam zu Grainger. „Hören Sie, Mr. Grainger. Ich will Ihnen danken, auch im Namen der Männer. Ohne Sie...“

Grainger winkte ab. „Schon gut.“

ENDE

Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane

Подняться наверх