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Sie lag in einem schäbigen Bett auf einer noch schäbigeren, durchlöcherten Decke. Das Zimmer war ein finsterer Verschlag mit einem winzigen Fenster, in dem außer dem Bett nur eine alte, offene Kiste und ein Drahtständer mit einer Waschschüssel darin standen.

Natalia Wood musste einmal eine Schönheit gewesen sein Die Reste davon waren in ihrem dunklen, ovalen Gesicht mit den großen schwarzen Augen noch zu erkennen. Aber nun hatten es starke Schmerzen gezeichnet, die Wangen fielen ein, die Haut besaß einen grauen Schimmer, und um die Augen hatten sie schwarze Ringe gebildet.

Chet McCoy trat so leise wie möglich auf, aber das Knarren der dünnen Dielen verriet seine Anwesenheit, bevor die Kranke ihn sah. Ihr Gesicht wandte sich zur Seite.

»Wer ... wer sind Sie?«, stieß sie mühsam hervor.

Chet nannte seinen Namen, blieb neben dem schäbigen Bett stehen und beugte sich zu ihr hinunter. »Ihr Sohn möchte, dass ich ...«

»Mir ist nicht zu helfen!«, unterbrach sie ihn. »Es sei denn ...«

»Was?«

»Sind Sie ein Arzt?«

»Nein.«

Der jähe Hoffnungsschimmer verschwand wieder aus ihren großen, dunklen Augen. Plötzlich musste sie husten, und ein dünner Blutfaden rann aus ihrem Mund und am Kinn entlang.

Draußen waren die schlurfenden Schritte des Stationers zu hören und dann auch Rizzos unverkennbar derber Tritt. Angeln einer Tür kreischten.

»So, hier ist das Zimmer für Sie und Ihren Partner«, sagte der Postagent. »Die Steaks sind in zwanzig Minuten fertig.«

Die schlurfenden Schritte entfernten sich.

Die Verletzte stöhnte leise und qualvoll, und ihr Blick veranlasste den Vormann zurückzutreten. Er erkannte das Flehen in den Pupillen: sie wollte, dass er sie allein ließ.

»Entschuldigen Sie, Madam«, murmelte er und verließ rückwärts gehend das Zimmer.

Rizzos stand ein Stück weiter vorn im finsteren Gang auf der Schwelle einer offenstehenden Tür. Chet ging zu ihm und schaute in den Raum, der auch nicht viel besser als das Krankenzimmer aussah, jedoch über ein größeres Fenster verfügte, so dass reichlich Licht einfloss. Die rohen Bretterwände waren stellenweise mit alten Zeitungen beklebt worden. Der schlechte Kleister löste sich jedoch an vielen Stellen auf und Ecken hingen umgeknickt nach unten. Es gab einen Schrank im Raum, Nägel als zusätzliche Kleiderhaken in der Wand, je ein einfaches Bett mit Strohsack rechts und links des Fensters und eine Waschgelegenheit ähnlich der bei Natalia Wood.

»Schön hässlich«, sagte Rizzos. »Aber wir werden die Nacht überleben. Was ist denn mit ihr?«

Chet schüttelte den Kopf.

»Was? Aussichtslos?«

Ja. Lungenbluten. Und bestimmt auch Blutvergiftung. Da nützt auch ein Doc nichts mehr.« Chet schob sich an Rizzos vorbei, lief durch den Flur und betrat den Stationsraum.

»Na, haben Sie sich die Niggerin angesehen?« Der Keeper wischte mit einem großen Leder die Theke ab.

»Wenn Sie gleich einen Arzt gerufen hätten, wäre der Frau vielleicht zu helfen gewesen.«

»Einen Arzt?« Hull tippte sich an die Stirn. »Wissen Sie überhaupt, wo der nächste Arzt wohnt? Ich will es Ihnen verraten: In Colorado Springs, satte fünfzig Meilen von hier entfernt. Der wäre sicher gar nicht gekommen, weil sie dort auch nur den einen haben und bestimmt keine ganze Woche auf ihn verzichten wollen.«

»Ja, kann sein«, gab Chet zu.

»Das ist ganz bestimmt so, verdammt. Wegen einer Niggerin soll ein Doc hundert Meilen weit reiten oder mit der Kutsche fahren. So was Verrücktes hab ich noch nie gehört, Mister.«

McCoy ging hinaus und zum Schuppen hinüber.

Joe sägte wieder Holz für den Winter.

Chet blieb stehen und lehnte die Schulter gegen den Türrahmen.

Joe hielt inne, lehnte die Säge an den Bock und kam auf McCoy zu. »Können Sie Ihr helfen?«

Chet stellte sich wieder gerade. »Es ist ...« Er brach ab, weil ihm die Worte fehlten, Joe zu erklären, was der wissen sollte, um darauf vorbereitet zu sein.

»Sie wollen sagen, sie stirbt, nicht wahr?«, stieß der junge Mann scharf hervor.

»Ja, Joe.«

»Das ist nicht wahr.« Joe packte den Vormann am Hemd und wollte ihn schütteln.

Chet befreite sich sanft und doch mit Gewalt und schob Joe zurück. »Du solltest dich damit abfinden. Ich weiß, das ist schwer. Aber es ist auch unvermeidlich.«

»Ich müsste nur einen Arzt bezahlen können. Der würde ihr schon helfen.«

»Es ist zu spät, Joe. Tut mir leid.« Chet senkte den Kopf, drehte sich um und lief über den Hof.

»Ich müsste nur Geld haben und einen Doc holen können, der würde ihr schon helfen!« rief der junge Mann ihm nach.

Chet wusste, dass es kaum jemand zuwege bringen konnte, Joe anderen Sinnes werden zu lassen, was ihm leid tat.

Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane

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