Читать книгу Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane - Pete Hackett - Страница 44

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Die Tote lag in eine Decke gehüllt in dem Grab. Gespenstisch huschten die Schatten der Anwesenden über sie hinweg und schienen noch einmal Leben in ihr wecken zu wollen.

Tanja sprach mit gefalteten Händen und sehr ernstem Gesicht ein Gebet. Niemand achtete darauf, dass es eigentlich gedacht war, Kinder in den Schlaf zu wiegen und nicht Toten zu versprechen, der Himmel und die Erlösungen von allen Qualen der Welt stünde nun vor ihnen.

Als sie schwieg, blickte Hull sie ein paar Sekunden schweigend an. Dann fragte er barsch: »Wär‘s das?«

Tanja trat zur Seite.

»Los, Leute!« Hull ergriff einen der Spaten, Tyman und Lacon nahmen die anderen und schaufelten die Erde in das Grab.

Chet hielt den schwankenden Jungen fest, dem Tränen über die Wangen rannen, der aber keinen Laut von sich gab.

»Hier, mach auch mal was!« Lacon warf Rizzos den Spaten zu. »Stehst nur herum und hältst Maulaffen feil!«

»Du auch, Mister.« Chet bekam von Tyman den anderen Spaten in die Hand gedrückt. Nur der Stationsagent schaufelte wacker weiter, wahrscheinlich heilfroh, dass nun alles ein Ende haben sollte, dass Joe verschwand und er hier wieder allein schalten und walten konnte. Als billige Arbeitskraft hätte er den Jungen schon gebrauchen können. Aber dass dies ausgerechnet ein Mischling sein sollte, nein, das gefiel Errol Hull gar nicht. Lieber wollte er seine Arbeit allein erledigen.

Als sie das Grab geschlossen hatten, schlug Hull den kleinen Hügel mit dem Rücken des Spatens fest. Tanja umarmte Joe und blieb mit ihm noch stehen.

Die anderen brachten die Werkzeuge in den Schuppen. Hull blies die Sturmlaterne aus und hängte sie an einen langen rostigen Nagel.

Tyman wartete vor der Tür, die Hand auf dem Coltkolben und den Blick auf die Remise gerichtet. Tanja und der Junge tauchten immer noch nicht auf.

»Die kommen schon«, murmelte Lacon.

»Wir müssen damit rechnen, dass er abhauen will.«

»Erst, wenn er es weiß, Raoul.«

Chet, Rizzos und der Postagent liefen zum Haupthaus hinüber.

»Und die haben wir auch gegen uns, verdammt!«, schimpfte Lacon leise.

»Was wir tun, ist rechtlich in Ordnung, auch wenn es vielen Leuten nicht gefällt. Wir schaffen ihn irgendwie fort. Am besten gefesselt. Der Wirt muss uns einen Gaul leihen.«

»Am besten, der Kleine wäre stockblau.«

»Vielleicht kriegen wir ihn dazu, den Zaster zu verölen.« Tyman grinste scharf.

Tanja und Joe Wood tauchten bei der Remise im fahlen Mondschein auf.

Die beiden Kerle beobachteten das ungleiche Paar und zogen sich dabei in den Schatten des Schuppens zurück. Sie warteten, bis auch diese beiden im Haupthaus waren, dann liefen sie über den Hof.

Tyman blieb wieder stehen und hielt Lacon fest. Da die Tür noch offen stand, konnten sie die beiden Bullhead-Reiter, Joe und das Mädchen am Tresen sehen, den Wirt dahinter.

»Und wenn wir bis morgen warten?«, fragte Tyman leise. »Dann sind die beiden weg.«

»Gute Idee. Aber die werden uns jetzt mit Fragen löchern, Raoul. Wird wohl schwer halten, nichts zu sagen. Und wie gesagt, wir sind mit dem Gesetz im Einklang.«

Sie gingen mit gemischten Gefühlen weiter und betraten das Stationshaus. Die Blicke der Anwesenden richteten sich auf sie.

»Ich brauche das Geld nicht mehr, Mister. Vielen Dank, dass Sie mir helfen wollten.« Joes Worte klangen, als hätten die anderen Hilfestellung bei der Formulierung geboten.

»Du hast gekriegt, was dir zusteht, mein Junge.« Lacon kratzte sich an der Wange.

»Mir zusteht?«, fragte Joe verwirrt.

Lacon hob die Schultern an. »Das Handgeld. Kriegt doch jeder, wenn er sich verpflichtet, Soldat zu werden.«

McCoy lief es eiskalt über den Rücken, obwohl er gar nicht betroffen war.

»Aber ...« Joe schien im Halse steckenzubleiben, was er sagen wollte.

Tyman zog den gefalteten Bogen aus der Innentasche der schwarzen Jacke, hielt ihn an einer Ecke und schüttelte ihn so, dass er sich entfaltete. »Das ist der Vertrag, mein Junge. Deine Verpflichtung. Du wirst wohl zu den schwarzen Soldaten in Texas kommen. Freue dich darauf! Es ist eine große Ehre, den blauen Rock der US Armee tragen zu dürfen!«

»Aber Sie haben mir das Geld doch geliehen und mich einen Schuldschein unterschreiben lassen«, murmelte Joe, der niemanden und alle meinte.

»Schuldschein?« Tyman schüttelte den Kopf. »Das muss ein Irrtum sein. Können Sie lesen. Mister?« Er hielt Chet den Vertrag hin. »Sehen Sie sich an, was es ist!«

McCoy trat näher. Der Bogen war eng bedruckt und bei dem diffusen Licht in der Station nur schwer zu lesen. Tyman drehte den Vertrag um. »Bitte, er hat unterschrieben und ausgesagt, achtzehn Jahre alt zu sein. Der Vertrag ist damit rechtmäßig zustande gekommen.« Tyman faltete ihn und steckte ihn ein.

Chet trat zurück. »Hast du unterschrieben, Joe? Ist das deine Schrift?«

»Ja. Aber sie haben gesagt, es wäre ein Schuldschein. Und außerdem, es war so dunkel, da hätten auch Sie nichts lesen können, Mister McCoy!«

»Du hast freiwillig unterschrieben. Ohne jeden Zwang. Du wolltest die Bucks!« Lacon griff nach dem Coltkolben.

»Er hat gesagt, es wäre ein Schuldschein!«, schrie Joe.

»Du lügst«, behauptete Tyman. »Wir sind zwei gegen dich und werden vor jedem US Gericht bezeugen, dass wir dir einen Vertrag vorgeschlagen haben. Einen sehr ehrenhaften Vertrag für dich!«

Peinliche Stille trat ein. Hinter Chets Stirn jagten sich die Gedanken, aber er sah kaum noch einen Ausweg für den Jungen, den sie in seiner Notlage so vollständig aufs Kreuz legten.

»Ihr seid Schweine«, sagte das Mädchen.

»Warum haben Sie denn nichts von den Kerlen erzählt?«, herrschte Rizzos Tanja an.

»Ich hatte doch keinen blassen Schimmer, dass die Armeewerber sind. Denkt, ihr denn, mit so was hätte ich mich in die gleiche Postkutsche gesetzt?«

»Riecht man das nicht, wenn man ihnen so nahe ist?«, fragte Chet gedehnt. »Das muss doch stinken.«

Tyman grinste herablassend. Solche Beleidigungen schienen von ihm abzutropfen wie Regenwasser.

»Betrink dich von dem Zaster ordentlich«, schlug Lacon vor. »Es ist für die nächste Zeit sicher die letzte Gelegenheit, Joe, mein Freund. Und morgen früh reiten wir nach Colorado Springs.«

»Ich bin nicht euer Freund, ihr Hundesöhne!«, entfuhr es dem jungen Mann. Er warf sich Lacon entgegen und wollte ihm ins Gesicht schlagen. Doch der bullige Kerl wehrte die Faust beinahe lässig ab und schmetterte Joe einen Haken ans Kinn, der Wood förmlich abhob, schweben ließ und Rizzos entgegenwarf.

»So nicht!« Der Ranchschmied schob Joe Wood gegen den Tresen und wollte seinerseits zum Angriff übergehen. Doch bevor er den ersten Schritt tun konnte, riss Lacon den Colt aus dem Halfter. Noch im Hochschwingen der Waffe spannte er den Hammer.

»Noch einen Schritt, und du fährst in die Hölle, Cowboy!«

»Sie wollen uns doch nicht etwa daran hindern, einen staatlichen Auftrag durchzuführen?«, fragte Tyman.

»Ihr seid im Irrtum, wenn ihr euch einbildet, so Eindruck bei uns schinden zu können«, erwiderte Chet.

»Für uns sind Armeewerber so was ähnliches wie Kopfgeldjäger«, setzte Rizzos hinzu.

Lacon bedrohte ihn immer noch mit dem Colt. »Unter diesen Umständen sollten wir am besten gleich verschwinden, Raoul. Mister Hull, wir erwarten Hilfe von Ihnen! Los, verdammt, nehmen Sie schon Ihr Gewehr zur Hand!«

»Was geht mich das an?«, schnaubte der Postagent.

»Sie leben hier draußen unter dem Schutz der Armee, zur Hölle!«, brüllte Tyman scheinbar aufgebracht. »Diesen Schutz brauchen Sie wie das tägliche Brot. Ich werde dem Colonel melden, dass Sie sich weigerten, uns bei der Durchführung einer dienstlichen Aufgabe zu helfen.«

»Seid ihr denn auch Soldaten?«, staunte der Stationer.

»Quatsch, die sind so was ähnliches wie Kopfgeldjäger!«, schimpfte Tanja. »Das hat Rizzos doch eben schon gesagt.Verdammt, mit so was war ich zwei Tage lang unterwegs. Ist das zu fassen?«

»Was ist nun, Mister Hull?«, schrie Tyman.

Da griff der Postagent seufzend unter den Tresen, brachte das abgesägte Schrotgewehr zum Vorschein, bedrohte die Leute vor der Theke und spannte die beiden außenliegenden Hämmer der mörderischen Waffe mit den dollargroßen Mündungslöchern. »Tut mir leid. Ich mische mich in so was grundsätzlich nicht gern ein. Aber Staatsbürgerpflichten muss jeder erfüllen.«

»Ach nee«, murmelte Chet.

Tyman hatte ebenfalls den Revolver gezogen und winkte Joe Wood damit.

Die Situation wirkte aufs Äußerste gespannt. Wenn Hull aus irgendeinem Grund abdrückte, würden sie außer Lacon vermutlich alle getroffen. Und das aus kürzester Entfernung.

»Joe, hierher!«, befahl Tyman, weil der Junge sich noch immer nicht vom Fleck bewegte.

»Ich gehe nicht mit euch!« Joe schob sich weiter rückwärts.

»Verdammt, ich schieße!« Lacon geriet ins Schwitzen.

»Auf mich?«, fragte Rizzos grinsend, obwohl ihm flau in der Magengegend war.

»Auf dich!«

»Was kann ich denn dafür, wenn er nicht mit euch Halunken gehen will, he?«

»Ich schieße!«, drohte Lacon noch einmal.

»Das wäre eiskalter, berechneter, gemeiner Mord«, sagte Tanja. »Und dafür würden sie dich hängen, Heston!«

Chet schob sich so unauffällig wie möglich einen Schritt weiter zur Seite. Irgendwie musste er versuchen, die Lage zu verändern.

»Bleiben Sie stehen!«, befahl der Wirt, dem Schweißbäche über das zerhackte Gesicht rannen.

Dafür schob Joe sich weiter, wirbelte jäh herum und rannte durch die Station.

Chets Hand schwebte über den Revolverkolben. Falls Lacon wirklich abdrückte, würde er die Waffe ziehen und ihn töten, das stand für ihn in diesen Sekunden fest.

Aber Lacon feuerte nicht.

»Bleib stehen, du Bastard!«, brüllte Tyman.

Joe warf sich gegen die Hintertür.

»Ich hole ihn. Bleib hier. Heston! Hull, helfen Sie Lacon!« Tyman lief aus dem Stationshaus.

Dem Stationer liefen Schweißbäche bis zum Kinn. Die ersten Tropfen fielen auf sein Hemd.

»Können wir denn wirklich nichts tun?«, fragte Tanja. »Die stecken den Jungen in eine Uniform und zu den Schwarzen, und irgendwo wird er dann verheizt!«

»Hebt die Hände!«, kommandierte Lacon. »Los, Pfoten über die Köpfe!«

Sie mussten gehorchen, weil der Stationer sie ebenfalls noch bedrohte. Auch Tanja hob die Hände.

»So was habe ich noch nie erlebt«, sagte das Mädchen.

»Alles kommt irgendwann zum ersten Mal auf den Menschen zu.« Rizzos wollte näher an Lacon heran, aber der fuchtelte wild mit der Waffe hemm,

»Stehenbleiben, verdammter Kuhfladentreter!«

»Dir begegne ich noch mal!«, drohte Rizzos. »Und wenn ich zehn Jahre nach dir suchen muss!«

Das Peitschen eines Schusses hallte in die Station.

Tanja zuckte zusammen und wollte sich bekreuzigen.

»Pfoten oben lassen!«, herrschte Hull sie an.

Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane

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