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Es ging auf den Abend zu. Die mörderische Hitze ließ langsam nach. Schwankend liefen die drei Pferde in die Stadt hinein. Joe, der seit dem Morgen im Sattel sitzen durfte, lag auf dem Pferdehals.

»Wir müssen den Pferden Ruhe gönnen«, sagte Tyman mit kratziger Stimme. »Die zwei Stunden am Creek haben nicht gereicht.«

»Nach Colorado Springs kann es nicht mehr weit sein«, erwiderte Lacon. »Wir kamen gut voran.«

Die beiden Kerle beobachteten die vierzehn Holzhütten, aus denen sich die kleine Präriestadt am Rande der Berge zusammensetzte. Es sah ärmlich aus in dem Nest. Und es schienen selten Fremde hierher zu kommen, denn die Bewohner beäugten die Reiter neugierig.

»Die haben einen Gefangenen dabei, Pa!«, rief ein Junge.

»Wo denn?«

»Der in der Mitte! Sieh doch hin. Seine Hände sind gefesselt!«

»Der Junge hat recht!«, sagte eine keifende Frauenstimme. »Ob es Marshals sind?«

»Eher Kopfgeldjäger«, sagte eine andere Frau im Halbdunkel hinter einem offenstehenden Fenster.

Die beiden großen Reiter blickten mit finsterer Miene auf den von Radrinnen zerfurchten Weg vor den Pferden und übersahen die Bewohner. Vor dem Saloon hielten sie an und stiegen ab. Joe wurde von Heston Lacon am Arm gepackt und vom Pferd gerissen. Er stürzte in den Straßenstaub, bekam einen Tritt, weil er dem Kerl ans Bein schlug und wurde anschließend von Tyman hochgezogen.

»Mach uns keinen Ärger, Niggerjunge.« Tyman stieß Wood vor sich die beiden Stufen zur Veranda hinauf, folgte ihm auf dem Fuß und schob ihn in die Kneipe.

Es war ein finsterer Laden, der Errol Hulls Poststation verblüffend ähnelte, nur dass sich die Gästezimmer nicht in einem hinteren Trakt, sondern im Obergeschoss befanden. Auf der einen Seite gab es einen langen Tresen mit Regalen dahinter an der Wand, ähnlich schlecht gefüllt wie bei Hull. Auf der anderen Seite standen ein paar Tische mit Stühlen darum, und an der Wand hing eine riesige US Flagge, fadenscheinig, rissig und total verstaubt.

Niemand schien sich im Haus zu befinden. Die Küchentür stand offen. Auf dem Tisch lag ein geräucherter Schinken, den eine summende Fliegentraube umschwärmte.

Tyman stieß den taumelnden Jungen auf einen Stuhl. »Hallo, ist hier niemand?«

»Was ist denn los?« Im Obergeschoss tauchte ein rundlicher Mann auf.

»Hier sind Gäste, Mister. Leute, die übernachten würden, wenn es möglich ist.«

Der Mann kam die Treppe herunter und musterte die Fremden. Als er die Fesseln an Joes Händen sah, zogen sich seine Augen zusammen.

»Wir sind nach Colorado Springs unterwegs«, erklärte Lacon. »Mit diesem jungen Mann, der Soldat werden möchte.«

»Soldat?« Der Wirt blickte immer noch auf die Fesseln. »Komisch.«

Lacon überhörte es. »Haben Sie ein Zimmer für uns?«

»Eins?«

»Ja, wir brauchen nur eins. Aber es muss groß genug sein.«

»Und wir würden endlich was trinken!«, knurrte Tyman. »Das hier ist doch der Saloon?«

Der Wirt trollte sich hinter den Tresen. »Whisky mit Sodawasser?«

»Ja.«

»Der Kleine auch?«

»Natürlich. Wir wollen ihn doch lebend bei seiner Einheit abliefern, zum Teufel!«

»Komisch«, brummte der Salooner wieder, während er drei Gläser füllte. »So sollen die Rekruten früher in den Dörfern Europas eingefangen worden sein. Hat mein Vater immer wieder erzählt. Sein Bruder wurde beim Dreschen ...«

»Ihre Familiengeschichte interessiert uns nicht«, unterbrach Tyman den rundlichen Mann barsch.

»Schade.« Der Wirt schob die Gläser über den Tresen. »Ich dachte, das wäre schon lange Geschichte geworden, Mister.«

»Gibt es hier einen Arzt?«, fragte Joe plötzlich. »Mister Hull hat behauptet, der nächste Arzt wäre erst in Colorado Springs zu erreichen.«

»Damit hat er nicht gelogen«, sagte der Salooner. »Wir hier haben keinen Doc.«

Joe ließ den Kopf wieder sinken.

»Hat das Nest einen Namen?«, fragte Tyman. »Am Stadtrand konnte ich kein Schild sehen.«

»Sie sind in Howard Junction, Mister. Hat sich noch niemand gefunden, der Schilder bezahlen wollte, und umsonst stellt der Schreiner nichts her. Wir vermissen sie auch nicht. Übrigens, einen Stadtrat oder einen Marshal gibt es hier auch nicht. Es sind ja nur die paar Häuser, die um die Poststation errichtet wurden.«

»Für den Postagenten Hull existiert die Stadt auch nicht«, erwiderte Tyman.

Gleichmütig zuckle der Wirt mit den Schultern. »Von mir aus.«

Lacon brachte Joe ein Glas an den Tisch und kehrte zum Tresen zurück.

Draußen tauchte ein kleiner Mann in verschlissener Kleidung auf. Er blieb auf der Veranda, blickte nur über die Schwingflügel und fragte, ob sie die Pferde nicht im Stall einstellen wollten.

Tyman ging auf die Tür zu. »Sie können die Pferde füttern und tränken und von mir aus auch einstellen, aber wir wollen sehr früh weiter.«

»Mich können Sie jederzeit wecken, Mister. Ich schlafe im Stall.«

»Und hier?« Tyman bewegte Daumen und Zeigefinger gegeneinander.

»Einen Dollar für alle drei.«

»Sie sind verrückt.« Tyman wandte sich ab und kehrte an den Tresen zurück.

»Also weil Sie es sind, einen halben Dollar!« Der Stallmann verdrehte die Augen.

Alle blickten auf den Mann vor der Tür, nur Joe nicht. Er beobachtete Tyman und Lacon, die ihm den Rücken zukehrten. Wenn er aufsprang, konnte er mit einem Schritt Lacon erreichen. Doch ob es auch gelang, den Colt mit gefesselten Händen aus der Halfter zu reißen, hielt Wood für zweifelhaft.

»Also in Ordnung, Mister, für einen halben Dollar.«

Tyman ging weiter und gab eine Münze hinaus.

Lacon wandte sich um.

Joes Schultern sanken nach vorn. Vielleicht wäre es eine Chance gewesen. Aber er hatte zu lange gezögert.

Der Stallmann wandte sich ab. Wood hörte, wie der Mann die Pferde wegführte. Tyman kehrte an den Tresen zurück. Die beiden Männer tranken ihr Gläser auf einen Zug leer. Lacon blickte über die Schulter.

»Keinen Durst, Kleiner? Trink, sonst vertrocknest du. Wäre doch ein Jammer, wenn wir eine Mumie in Colorado Springs abliefern!« Lacon wandte sich dem Keeper zu und grinste ihn an.

»Ich finde diese alten Methoden gar nicht lustig«, sagte der rundliche Mann. »Und ich dachte, wir hätten hier eine Verfassung, die so was verbietet.«

»Ich glaube, der hat was gegen uns, Raoul.«

»Scheint mir auch so«, entgegnete Tyman schleppend.

Joe trank, stellte das Glas ab und zog die zusammengeschnürten Hände zurück. Die Aufmerksamkeit der beiden anderen galt jetzt dem Wirt. Sie kehrten Joe die Rücken zu. Aber in der Regalwand befand sich ein großer halb vergilbter Spiegel, in dem sie ihr Opfer immer noch sehen konnten.

Trotzdem spannte sich seine Haltung.

»Gestern war eine Militärstreife hier«, sagte der Wirt, der die Gläser erneut füllte.

»Gestern?«, fragte Tyman schnell. »Wer war das?«

»Ein gewisser Lieutenant Harris mit einer Eskadron.«

»Ach, der junge Spund«, sagte Tyman abfällig.

»Er ist achtundzwanzig, Mister. So jung finde ich das gar nicht.«

»Dem hätten wir das Kerlchen abliefern können.« Lacon blickte über die Schulter. »Harris hätte ihn mit nach Colorado Springs nehmen müssen.Wohin sind die Soldaten, Mister?«

»Nach Norden. Die waren doch bestellt. Hier berichtete ein Farmer aus der Gegend von herumstreifenden Indianern. Eine ganze Bande soll da unterwegs sein. Nach denen müssen die Soldaten suchen. Das ist schließlich ihr Job in der Wildnis.«

»Eben. Und dafür werden immer wieder Soldaten gebraucht, Mister. Auch für Ihre Sicherheit!«

»Und die kriegt man nur mit gefesselten Händen, was? Das wollten Sie mir doch eben erklären, Mister?«

»Die muss man nehmen, wie man sie kriegen kann«, verbesserte Lacon. »Wenn es nicht anders geht, eben so. Der Kleine hat das Handgeld genommen, wollte dann nicht mehr.«

»Was leider häufig passiert«, setzte Tyman hinzu.

»Die lügen!«, schimpfte Joe. »Sie sagten, sie wollten mir das Geld leihen! Weil ich den Doc holen wollte. Für meine Mutter. Die Indianer ha ...«

»Halts Maul!«, herrschte Tyman ihn an.

»Er unterschrieb den Vertrag und basta«, brummte Lacon.

»Konnte er wenigstens lesen, was er unterschrieb?« Der Wirt verzog das Gesicht.

»Verdammt, wollen wir mit dem unsere Arbeit diskutieren?« Tymans Augen funkelten wild. »Machen Sie uns was zu essen, Mister, bereiten Sie das Zimmer vor und antworten Sie, wenn wir Fragen an Sie richten.«

»Mir verbietet ihr nicht die Klappe«, gab der Wirt unbeeindruckt zurück. »Ihr nicht. Und auf euer Geld bin ich nicht angewiesen, damit das klar ist.«

»Dann machen Sie uns jetzt was zu essen.«

»Ich habe nur dicke Bohnen mit Speck.«

»Ja, ist in Ordnung.«

Der Mann ging in die Küche. Tyman wandte sich um, lehnte den Ellenbogen auf den Tresen und griff nach seinem Glas. Er blickte auf Wood.

Die Dunkelheit im Saloon nahm langsam zu. Aber Lacon brannte die Petroleumlampe über dem Tresen an und schraubte den Docht so hoch, dass schwarzer Ruß aus dem Zylinder stieg und die Helligkeit den halben Saloon einigermaßen übersichtlich erschienen ließ.

»Wie lange dauert es mit dem Essen?«

»Eine kleine halbe Stunde, Mister. Ich richte gleich das Zimmer. Nach dem Essen können Sie unmittelbar hinaufgehen.«

Ein Mann tauchte vor der Schwingtür auf.

Der Wirt kam aus der Küche. »Al, du hast auch noch Platz am Tresen.«

»Vielleicht später«, brummte der Mann auf der Veranda und ging weiter.

Finster schaute der Wirt seine ungebetenen Gäste an. »Ihr verderbt mir nur das Geschäft.«

»Der hat eine Art, da kann einem das Messer von allein aus der Tasche springen«, murmelte Lacon. »Warum hören wir uns das eigentlich immer noch an?«

»Weil wir was essen und ein paar Stunden schlafen wollen.«

Der Wirt kehrte in die Küche zurück. Er brauchte keine halbe Stunde, bis er die Bohnensuppe brachte, Teller zu Joe auf den Tisch stellte und Löffel daneben legte.

»Ich bin gespannt, ob du auch so essen sollst, mein Junge.« Kopfschüttelnd schlurfte der Mann in die Küche zurück.

Tyman warf Lacon einen fragenden Blick zu, und der zuckte mit den Schultern. Joe griff mit den gefesselten Händen zum Löffel, weil er mächtigen Hunger hatte.

»Warte!« Tyman zog ein Messer aus der Tasche, drückte auf einen Silberknopf im Heft, woraufhin die Klinge herausfuhr. Er schnitt dem jungen Wood die Fesseln durch, als würden sie nicht mehr gebraucht, schob das Messer zusammen und steckte es ein.

An der Tür erschien wieder ein Mann, als Tyman und Lacon sich gerade setzten. Doch der Stadtbewohner ging abermals weiter.

»Warum kommen die denn nicht herein?«, maulte Lacon.

»Vielleicht, weil sie Angst haben, auch gefesselt zu werden«, sagte der Wirt grinsend.

Heißhungrig löffelte Joe die Suppe in sich hinein und war lange vor den beiden anderen fertig.

Der Wirt stieg die Treppe hinauf, kehrte schon nach drei Minuten zurück und sagte, sie könnten das Zimmer beziehen, und er habe die Tür offengelassen.

Draußen war es inzwischen stockdunkel geworden.

Joe schob den Stuhl etwas zurück. Die zerschnittenen Fesseln waren auf den Boden gefallen und lagen neben seinem linken Fuß.

Lacon schob den Teller zurück und trank sein Glas leer. »Genehmigen wir uns noch einen?«

»Einverstanden. Aber nur noch einen.« Tyman schob sein Glas und das von Joe nach der anderen Seite.

Lacon nahm alle drei Gläser und ging zum Tresen.

Joe saß sprungbereit auf dem Stuhl. Er musste seine Lage verändern, bevor sie ihn wieder fesseln und in das Zimmer schleifen wollten. Sie würden ihm kaum wieder so nahe kommen wie jetzt, und er würde mit gefesselten Händen auch nicht geschickt genug sein, sich wirklich befreien zu können.

Aber Tyman beobachtete ihn wachsam, als könnte er Gedanken lesen.

Lacon bekam die Gläser gefüllt und brachte sie an den Tisch. Er trat dabei zwischen Joe und seinen Kumpan, und das war sie, die Chance, nach der Joe Wood so verzweifelt suchte.

Er sprang auf, riss Lacon den Colt aus dem Halfter und befand sich mit einem flinken Satz hinter den beiden.

Doch Lacon wirbelte herum.

»Stehenbleiben!«, kommandierte Joe, der die schwere Waffe auf den Mann richtete.

Lacon erkannte den Ernst der Drohung nicht, oder er unterschätzte Joes eisernen Willen, die Lage zu verändern, ganz einfach. Er warf sich vorwärts, direkt dem Bellen der Waffe und der Mündungsflamme entgegen. Das Blei bohrte sich in seinen Körper. Lacon taumelte gegen den Pfosten, wollte sich festhalten und besaß nicht mehr die Kraft dazu.

Das Krachen rüttelte an den Wänden. Eine immer größer werdende Pulverdampfwolke zog zur Lampe hinüber.

Lacon rutschte am Pfosten weiter zusammen, ließ los und fiel auf den Rücken. Das Lampenlicht traf sein starres Gesicht. Aus den Augen verschwand der Glanz.

Joes Revolver zielte bereits auf Tyman, der zwar aufgesprungen war, dem der Stuhl umkippte, der aber noch dort verharrte, wo er saß.

»Hände hoch!«

Tyman gehorchte.

Der Keeper räusperte sich.

Joe zog sich weiter zurück und erreichte die Ecke des Schanktischs. »Gehen Sie hinaus! Der Stallmann soll mein Pferd bringen. Und sagen Sie den Leuten, Sie sollten in ihren Häusern bleiben.Gehen Sie!«

»Joe, du hast einen Vertrag unterschrieben!«, erinnerte Tyman.

Der Keeper zögerte.

»Und einen Mord begangen!«, brüllte Tyman.

Joe zitterte, so stark war seine innere Erregung.

Tyman bewegte sich weiter herum, schien auf ihn zukommen zu wollen.

»Bleib stehen, oder ich knalle dich ab!«, stieß Joe hervor. Schweiß rann ihm in Strömen über das Gesicht. »Worauf warten Sie, Mister?«

Der Mann schob sich am Regal entlang.

Joe trat an die Wand zurück, damit der Mann vor ihm und nicht hinter ihm vorbei musste. Der Wirt erreichte die Tür und schob beide Flügel auf. Draußen standen Leute, die von ihren Häusern herbeieilten, aber sie blieben auf der anderen Straßenseite.

»Sie sollen verschwinden!«

»Was ist passiert?«, fragte jemand.

»Geht nach Hause. Los, haut ab, sonst gibt es ein Blutbad. Ein Mann ist schon tot!«

»Der Stallmann soll mein Pferd bringen!« befahl Joe.

»Jewy, du sollst das Pferd des jungen Burschen satteln und herüberbringen!«

»Tyman, schnallen Sie den Patronengurt ab!«, verlangte Joe. »Ganz vorsichtig. Nur mit der linken Hand!«

Tyman war kein Narr. Er sah dem jungen Wood an, dass die geringste Bewegung, die er missdeutete, zu einem neuen Schuss führen würde. Und der wäre keine Warnung, sondern würde ihn töten. Auf die kurze Distanz konnte der junge Bursche noch nicht einmal daneben schießen.

»Wann kommt denn der Stallmann nun?«, fragte der erregte Salooner draußen.

Im Saloon bewegte Tyman langsam die linke Hand zum Patronengurt hinunter, die rechte hielt er noch erhoben. Joe beobachtete die Bewegungen mit Argusaugen.

»Wie viele Pferde soll ich satteln?«, rief der Stallmann über die Straße

»Ach, ist der heute wieder schwer von Begriff!«, jammerte der Wirt. »Ein Pferd, du Trottel! Beeile dich doch endlich ein bisschen!«

»Wir wollen wissen, was los ist!«, schimpfte eine aufgebrachte Frau.

»Es wurde jemand erschossen. Einer der Männer, die den gefesselten Jungen brachten. Hängt da ja nicht die Nase hinein, das würde euch nicht bekommen, Leute!«

Endlich hatte Tyman die Schnalle offen. Sein Patronengurt polterte mit dem Colt im Halfter auf die Dielen.

»Hierher damit!«, bestimmte Joe. »Los, Mister Tyman, gib ihm einen Tritt!«

Der Mann gehorchte wieder. Patronengurt und Colt rutschten an dem Toten vorbei und landeten Joe vor den Füßen. Er beugte sich hinunter, zog den Revolver aus dem Halfter und richtete sich wieder auf. Er hielt den Colt nach oben, löste die Sperre und schüttelte die Waffe, bis die Trommel aus dem Rahmen schwang und die Patronen auf den Boden fielen. Joe räumte die schimmernden Messinghülsen mit dem Fuß beiseite und warf die Waffe in die Küche.

»Na endlich!«, rief der Keeper draußen. »Bring den Gaul herüber und geh zu den anderen!«

Joe hörte die Hufe auf den Boden schlagen. Das Pferd schnaubte leise.

»Weiß jemand, was hier eigentlich gespielt wird?«, fragte der Stallmann.

»Nur, was der Wirt sagte«, antwortete die keifende Frauenstimme. »Aber damit lässt sich ja nichts anfangen.«

Der Salooner trat rückwärts ein. »So, jetzt steht das Pferd draußen. Denken Sie daran, dass die Leute hier nichts mit den beiden zu tun haben, junger Mann. Wir kennen die nicht.«

»Haben Sie ein Gewehr unter dem Tresen?«

»Ein ... Ach so. Ja, ich habe da eins.«

»Holen Sie es. Vorsichtig! Kolben nach oben.«

Der Mann zwängte sich vorbei und zog eine Winchester unter der Theke hervor.

»Ist sie geladen?«

»Selbstverständlich.«

»Her damit!« Joe winkte mit der linken Hand und bekam das Gewehr. Sein Blick wanderte zu Tyman zurück, den er keinen Moment völlig aus den Augen ließ. »Umdrehen!«

Tyman zog den Kopf ein. Er sah grau aus und hatte ebenfalls Schweiß auf dem Gesicht stehen, der nicht mehr von der Tageshitze herrühren konnte.

»Umdrehen!«, brüllte Joe.

Da drehte sich der Mann herum.

»Jetzt zur Treppe! Vorwärts, Tyman, die Treppe hinauf!«

Der Mann ging mit hölzernen Bewegungen vorwärts, erreichte die Treppe fast schon im Dunkel und blieb stehen.

»Nach oben, Tyman!«

Er stieg die Treppe hinauf.

Mit dem Revolver in der einen und dem Gewehr in der anderen Hand zog sich Joe zur Tür zurück und schob sich hinaus. Er warf sich förmlich herum, sprang auf die Straße hinunter und in den Sattel, schob das Gewehr in den Scabbard und raffte den Zügel auf. Er trieb das Pferd an, schlug ihm die Faust gegen den Hals und schrie: »Lauf, lauf, lauf!«

Das Tier streckte sich, trug Joe durch helle Lichtbahnen und tiefe Dunkelheit an der Menschenmenge vorbei. Das Trommeln der Rufe ließ andere Geräusche untergehen.

Joe sprengte aus der kleinen Stadt hinaus. Er befand sich nach Westen unterwegs, dahin, woher er als Gefangener kam. Aber das war Zufall. Das Pferd hatte in dieser Richtung gestanden.

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