Читать книгу Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane - Pete Hackett - Страница 56

Оглавление

15


Als sie das weite Tal in den Bergen erreichten, wurde es dunkel. Die Poststation sahen sie erst in der Nacht. Der Hufschlag der vielen Pferde konnte nicht überhört worden sein. Im Haus war es dunkel.

Sie zügelten die Pferde am Rand des Hofes.

»Hier ist Lieutenant Harris mit einer Eskadron aus Colorado Springs!«, rief der Offizier. »Mister Hull, treten Sie heraus!«

Im Haus schien etwas umzustürzen, dann flog die Haustür auf. Der Postagent stürzte förmlich ins Freie und hastete über den Hof.

Ein Schuss krachte. Die Kugel zerfetzte eine Fensterscheibe und pfiff über den Schuppen.

Die Soldaten sprangen aus den Sätteln. Gewehre wurden repetiert.

»Der ist total übergeschnappt!«, brüllte der Postagent, der keuchend die Männer erreichte.

»Joe Wood?«, fragte der Offizier.

»Wer denn sonst? Der behauptet, ich würde mit Banditen gemeinsame Sache machen. So ein Schwachsinn!«

»Wirklich?« Chet lächelte dünn.

Hull sah ihn erst in diesem Augenblick und ging rückwärts.

»Das klären wir später«, sagte der Lieutenant. »Ob es die Armee was angeht oder nicht, Mister Hull. »

»Aber es ist Quatsch!«

»Ich sagte später!«, herrschte Harris den Postagenten barsch an. »Wer ist noch im Haus?«

»Das Mädchen und der Cowboy. Diese Tanja wollte, dass ich ihr ein Pferd gebe Die wollte mit dem kleinen Mischling abdampfen.«

»Bedroht Wood die beiden anderen?«

»Die halten doch zusammen, dieses Gesindel!« Hull warf Chet einen vernichtenden Blick zu.

»Mäßigen Sie sich mit Ihren Ausdrücken!«, befahl der Lieutenant kühl.

»Ist doch wahr, zum Teufel!«

Harris schob den keifenden Postagenten zur Seite. »Joe Wood, kommen Sie sofort unbewaffnet aus dem Haus!«

Der Ruf verhallte in der Nacht. Niemand antwortete.

»Kommen Sie augenblicklich heraus!«

Als wieder keine Antwort kam, befahl der Lieutenant seinen Männern das Haus zu umstellen. Die Soldaten schwärmten mit angeschlagenen Gewehren aus.

»Rizzos, was ist drin los?«, rief Chet.

Der herkulische Schmied der Bullhead-Ranch erschien an der Tür. »Er ist drin und bedroht auch Tanja und mich, Chet. Er lässt nicht mit sich reden. Ist ja auch kein Wunder. Die lassen ihm doch keine Chance mehr.«

»Tanja soll herauskommen.«

»Sie will nicht. Sie sagt, Lacon habe sich selbst zuzuschreiben, dass er in der Hölle landete. Und das sehe ich auch so.«

»Ich komme ...«

»Sie bleiben hier!«, schrie der Offizier. »Soweit schreibt die Kreide nicht, dass mir das Kommando abgenommen wird. Mister, sagen Sie dem Mädchen, dass wir das Haus stürmen, wenn Joe Wood nicht freiwillig heraustritt.«

»Wie Sie wünschen, Sir.« Rizzos wandte sich um und kehrte ins Dunkel zurück. Er sah Tanja, erkannte ihr weißes Gesicht wie einen Fleck in der Schwärze. Sie saß auf einem Stuhl. Aber Joe konnte er nicht sehen.

»Ich habe alles verstanden«, sagte das Mädchen.

»Wo ist er?«

»Nach hinten gegangen. Vielleicht sollen wir nicht sehen, wie sie ihn zusammenknüppeln.«

»Ich kenne den Offizier. Er war auf der Ranch.«

»Und?«

Rizzos zuckte mit den Schultern, obwohl Tanja das bestimmt nicht sah.

»Ich weiß auch nicht, warum ich davon rede.«

»Wir warten noch eine Minute«, sagte draußen die laute Stimme des Lieutenant.

»Wir sollten hinausgehen«, schlug Rizzos vor. »Die sind vielleicht so nervös, dass sie einfach drauflos ballern.«

»Können wir denn gar nichts für Joe tun?«

»Der muss verrückt gewesen sein, als er Lacon niederschoss.«

»Nicht verrückt, »sondern verzweifelt.«

Rizzos ging weiter, ergriff Tanjas Arm und zog sie in die Höhe. »Wir müssen hinaus.« Er führte sie durch den dunklen Raum auf das graue Türrechteck zu und in den Hof.

Tanja wollte nicht weiter, aber Rizzos schleifte sie einfach mit.

Hull verdrückte sich gerade in den Schuppen.

Der Ring der Soldaten um das Stationshaus war nicht sehr dicht, dafür waren die zwölf Männer des Lieutenant zu wenige.

»Wo ist er?«, herrschte Harris das Mädchen an.

Sie beachtete ihn gar nicht, ging bis zur Schuppenwand und sank dort auf den Boden.

»Wo ist er?«, schimpfte Harris, nun an Rizzos gewandt.

»Wenn Sie denken, ich hätte ihn in der Tasche, dann sehen Sie ruhig nach, Sir.«

Harris‘ Blick wanderte zwischen Chet und dem Ranchschmied hin und her. »Jetzt haltet ihr mich für den schlechtesten Menschen der Welt, was?«

»Nein, Sir, noch schlechter als dieser Lacon und Tyman und der seltsame Postagent, können andere wirklich nicht mehr sein«, entgegnete Rizzos. »Aber wer denen noch hilft, die Ernte für Ihre Verbrechen einzufahren – also ich weiß nicht. Was halten Sie denn selbst von solchen Leuten?«

Harris fluchte.

»Sehen Sie«, sagte Rizzos.

»Ich kann mich nicht mit Gefühlsduseleien aufhalten. Ich habe meine Vorschriften.«

»Wie schön, dass Sie sich dahinter verstecken können«, murmelte Chet.

Harris wandte sich brüsk ab und verstärkte die weit gespannte Kette seiner Soldaten. »Letzte Aufforderung, Joe Wood! Wenn du in zehn Sekunden nicht draußen bist, stürmen wir das Haus!«

Joe blieb die Antwort wie nicht anders zu erwarten schuldig, und die Zeit verstrich.

»Also gut. Stürmt das Haus!«

Die Soldaten brachen in Gebrüll wie Apachen beim Angriff auf einen Rancho aus, feuerten und stürmten vorwärts.

Die Pferde wieherten und liefen auseinander. Niemand war abkommandiert, sie zu halten. Harris schien es vergessen zu haben.

Die Soldaten drängten vorn und hinten durch die Türen.

Schemenhaft zu sehen jumpte eine Gestalt aus einem Fenster, hastete zum nächsten Pferd und warf sich in den Sattel.

»Da ist er!«, schrie Tyman. »Lasst ihn nicht entkommen!« Er rannte vorwärts.

Joe feuerte. Die Kugel fuhr vor Tyman in den Boden. Der Mann warf sich nieder.

Joe jagte von der Station.

Die Soldaten kamen zurück und schossen aus den Gewehren, obwohl der Flüchtende schon nach wenigen Sekunden nicht mehr zu sehen war

»Hinterher!« rief der Sergeant.

Lieutenant Harris erreichte seinen Rappen als erster, saß auf und gab Befehl zur Verfolgung, die er selbst aufnahm, bevor er richtig ausgesprochen hatte. Die anderen galoppierten hinterher. Nur ein Soldat blieb zurück, weil er kein Pferd besaß. Bis er das von Tyman sah, dem er nachlief, aufsprang und den anderen folgte.

Sie feuerten blindlings weiter in die Nacht hinaus, wohl hoffend, den Fliehenden zufällig treffen zu können.

Chets Hengst irrte noch schnaubend über den Hof. Tyman lief zum Haupthaus hinüber und schmetterte die Tür zu.

»Wagt euch ja nicht herein!«, rief Hull aus dem Schuppen.

»Weshalb ist der denn eigentlich frei?«, staunte Chet.

»Wir hatten keine Lust, ihm die Arbeit wegzunehmen«, erwiderte Rizzos. »Das hat dem so gepasst, herumzusitzen und sich bedienen zu lassen. Aber nicht mit uns!«

Durch das zerschossene Fenster in der Station zuckte von einem Knall begleitet eine Mündungsflamme. Die Kugel schrammte neben Chet in die Bretterwand.

»Weg hier, Tanja!« Chet zog das Mädchen hoch und lief mit ihm um die Ecke.

Rizzos schoss aus dem Colt zurück, ging aber ebenfalls am Regenfass in Deckung.

Sie lehnten an der Wand. Kugeln fetzten an der Ecke entlang. Rizzos schoss noch zweimal zurück, dann kroch er ebenfalls um die Ecke.

»Tyman, wir müssen sie mundtot machen!«, schrie der Postagent aus Leibeskraft. »Die wissen alles.«

»Ist das mein Problem, Hull?«, höhnte Tyman.

»Ich sage für die Cowboys aus, wenn Sie mir nicht helfen!«

»Du weißt nicht mehr als die!«

»Ist doch egal. Ich sage für sie aus, wenn du mir nicht helfen willst, das schwöre ich dir!«

Chet lief weiter nach hinten, erreichte die Rückfront und sah eine kleine Tür. Er zog den Colt und blickte auf den Riegel.

»Dir glauben sie kein Wort, wenn sie erst wissen, dass es die Bande von Bide Wilder ist, die du mit Waren belieferst und dir dabei sicher eine goldene Nase verdient hast!« brüllte der Menschenjäger.

»Habt ihr es gehört?« Tanja rüttelte Chet an der Schulter.

»Ja, ja.«

»Bide Wilder, hat er gesagt. Das sind bestimmt die Banditen, die über euch herfallen wollten, als ihr hierher unterwegs gewesen seid.«

»Sicher«, gab Rizzos zurück. »Ist doch nun aber egal.«

»Warum?«

»Weil es hier sowieso bis zum bitteren Ende ausgefochten wird. So oder so. Hast du davon noch nichts bemerkt?«

Der Halunke im Schuppen und der in der Station verhielten sich still, schienen zu lauschen oder den eigenen Mordplänen nachzuhängen.

»Ich glaube, die sind alle hinter dem Schuppen!«, rief der Postagent auf einmal.

»Dann komm doch herüber!« Tyman lachte grollend. »Oder hast du Angst, ich würde dir den Garaus machen?«

»Du solltest froh sein, wenn dir jemand hilft, Tyman!«, schimpfte Errol Mull.

Chet zog vorsichtig am Riegel, aber er konnte ihn nicht bewegen. Er schüttelte den Kopf.

»Was ist denn, hat er innen eine Sperre?, flüsterte das Mädchen.

»Es scheint so.«

»Auch das noch.«

Im Schuppen stürzte mit dumpfem Gepolter ein Balken um. Schritte hasteten davon.

»Er hat die Nase voll.« Rizzos lief zur Ecke, konnte von dort aus aber auch nicht mehr sehen.

Chet ging rückwärts und warf sich mit der Schulter gegen die kleine Tür. Das Holz zitterte und ächzte, bog sich in der Mitte nach innen und ließ den Riegel rasselnd gegen die Falle schlagen. Aber die Bretter hielten dem Ansturm stand.

»Der ist gar nicht so baufällig, wie er aussieht, was?«, sagte Tanja verwundert.

Chet ging ein paar Schritte weiter zurück, um mehr Wucht zu entwickeln, dann rannte er erneut gegen das Hindernis vor und warf sich dagegen. Diesmal war die Wucht des Ansturms so groß, dass die Bretter regelrecht zerfetzt und in den dunklen Schuppen geworfen wurden. McCoy flog hinterher, schrammte auf den Boden und rollte einmal um seine Achse, bis er liegenblieb. Er sprang sofort auf und warf sich zur Seite, um einem möglichen Feuerüberfall auszuweichen.

Aber es wurde nicht geschossen.

Tanja wagte sich herein. »Rizzos hat recht. Der geldgierige Vogel ist ausgeflogen.«

»Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Im Augenblick vertragen sie sich.« Rizzos schob das Saloonmädchen weiter herein und folgte ihm.

Chet stand auf und schlug über seine Kleidung. Stroh und Sägespäne bedeckten überall den Boden. Als er weiterging, stieß er gegen den Sägebock.

»Hoffentlich kommen die Banditen nicht ausgerechnet in dieser Nacht wieder her«, murmelte Tanja.

Chet wandte sich nach ihr um. Auch Rizzos starrte sie an.

»Wie kommst du denn plötzlich darauf?«, fragte Chet.

»Könnte doch sein. Hull muss die ziemlich unwirsch abgewimmelt haben. Wenn die noch mehr wollten, als sie bekamen, lassen sie sich wieder sehen. Und wenn ihnen die Art nicht gefällt, wie der Postagent mit ihnen umsprang, dann auch.«

»Richtig«, gab Rizzos zu. »Logisch ist es. Aber wann sie deshalb hier aufkreuzen, weiß vorher keiner. Das muss nicht in dieser Nacht sein.«

»Könnte aber«, beharrte Tanja.

Chet tastete sich weiter, bis er das helle Türrechteck zum Hof hin erreichte und undeutlich das Haupthaus sehen konnte. Mondlicht brach sich matt in den Fenstern und ließ die zerschossene Scheibe erkennen. Die Tür stand offen. Aber von den beiden Schurken war nichts zu sehen und nichts zu hören.

Rizzos und Tanja erschienen am anderen Pfosten und spähten in den Hof hinaus.

»Erzähl doch mal was los war!«, verlangte Rizzos.

»Es gibt zwischen hier und Colorado Springs doch noch eine Stadt. Ein kleines Nest nur. Und ohne Doc. Vielleicht hat Hull es deswegen nicht erwähnt. Dort hat Joe Wood im Saloon Lacons Colt an sich bringen können. Als der Kerl ihn angriff, schoss er ihn nieder.«

»Wenn man einen Wolf in die Enge treibt, dann zeigt er nicht nur die Zähne, nein, er beißt auch«, flüsterte Tanja.

»Genau so ist es. Und das hätte Lacon wissen müssen.« Chet McCoy nickte.

»Der hat nur gekriegt, was ihm zustand«, knurrte Rizzos. Finster schaute er zum Haus hinüber. »Und die beiden kriegen es auch noch, wenn es so was wie eine Gerechtigkeit gibt. Was machen wir nun, greifen wir an?«

»Über den Hof kommen wir nicht«, erwiderte Chet. »Wir müssen wieder hinten hinaus und einen Bogen schlagen.« Er blieb aber noch stehen und beobachtete das gedrungene Stationshaus. Es war ihm, als würde sich hinter dem von der Kugel gesprengten Fenster etwas bewegen.

Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane

Подняться наверх