Читать книгу Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane - Pete Hackett - Страница 46

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Keuchend rannte der junge Joe Wood durch das Dickicht hinter der Poststation.

Da fiel der zweite Schuss. Die Kugel pfiff durch das Gestrüpp und fetzte welke Blätter und strohtrockene Äste ab.

Joe trat in eine Rinne, stolperte über einen Stein und landete auf dem Bauch. Sein Gesicht schlug in den Sand. Das Hemd klebte in seinem Rücken auf der Haut und war am Ärmel aufgerissen.

»Wo steckst du Bastard?«, schrie Tyman.

Joe kniete und zog den 44er Revolver. Mit einem leisen Klicken rastete die Feder unter den gespannten Hammer in die Sperre.

»Ich finde dich schon, verdammter Nigger!«

Gestrüpp raschelte. Raoul Tyman konnte nicht mehr weit entfernt sein. Joe wollte weiter, trat an den Stein, der klirrend gegen einen anderen stieß und in die Rinne rutschte.

Er lauschte mit angehaltenem Atem und hörte wieder das Rascheln. Der Halunke musste sich bereits in seiner unmittelbaren Nähe befinden. Dann schienen sich die Äste der Scrubbüsche zu bewegen.

Joe hob die Waffe und feuerte. Der Rückstoß schmerzte in seinem Handgelenk und sein Arm wurde etwas nach oben gerissen. Pulverrauch trieb in sein Gesicht.

»Ha, jetzt sehe ich dich!«

Joe wirbelte herum und rannte, schoss blindlings hinter sich, verhedderte sich in einem Busch und stürzte wieder. Das laute Rascheln musste ihn verraten. Er jagte die dritte Kugel aus dem Lauf, schlug einen Haken und schoss weiter, bis die Trommel leer war. In seiner Angst bemerkte er das nicht, bis er zum siebten Mal den Finger krümmte und der Hammer wirkungslos auf einen geschwärzten Patronenboden schlug.

Im Rennen klappte er die Trommel aus dem Rahmen, hielt den Revolver nach oben und schlug mit der linken Hand dagegen, damit die Hülsen aus den Kammern fallen sollten. Dabei konnte er nicht auf den Weg achten, rannte in den nächsten Busch und wurde von den verschlungenen Ästen festgehalten und wie von Federn zurückgeschleudert. Er verlor die Waffe und stürzte.

Sand knirschte unter Stiefeln. Das Keuchen eines schwergewichtigen Menschen war zu hören.

Joe sprang auf. Da wurde er von hinten am Kragen gepackt und bekam einen Tritt versetzt, der ihn wieder im Sand landen ließ. Er versuchte es abermals, sprang auf und bekam etwas auf den Hinterkopf geschmettert. Er taumelte, meinte, in seinem Kopf fände eine Explosion statt und sah in der Schwärze, die sich vor seine Augen schob, ein buntes Feuerwerk. Glitzernd und schimmernd schrumpfte es zu einem Feuerball zusammen und barst wieder auseinander. Joe merkte nicht, wie er erneut auf den Boden schrammte und das Bewusstsein verlor.

Keuchend blieb der hartgesottene Armeewerber stehen. Joe lag regungslos.

Tyman schob den Colt in die Halfter.

»Du hast ja Haare auf den Zähnen, Kleiner. Aber das nützt bei uns gar nichts.«

Er beugte sich hinunter, packte Joe am Kragen, hob ihn an und schleifte ihn durch das Gestrüpp zur Station zurück. Am Schuppen ließ er ihn fallen, ging hinein und suchte eine Weile, bis er Zügel fand. Mit ihnen band er das immer noch wehrlose Opfer.

»Raoul?«, fragte Lacon aus dem Stationshaus.

»Ja, ich bin es. Alles in Ordnung. Ich hab den kleinen Feuerfresser zu einem Paket verschnürt.« Tyman ließ den Gefesselten mitten im Hof liegen und kehrte ins Haus zurück. Er grinste überlegen.

»Lebt er noch richtig?«, fragte Lacon.

»Natürlich. Die Armee braucht gesunde Kerle. Ich hab so geschossen, dass er nicht getroffen werden konnte.« Tyman hielt den Colt wieder in der Hand.

Chet ließ die Hände sinken und lehnte sich gegen einen Pfosten. Tyman kam auf ihn zu und stieß ihm die Revolvermündung gegen den Leib.

»Ich möchte nicht, dass uns jemand verfolgt, Cowboy. Das kannst du doch sicher verstehen?«

»Und wir wollen uns nicht mit der Armee anlegen, werden den Colonel aber trotzdem wissen lassen, wie der Vertrag zustande kam. Ich hoffe, das geht euch auch in die Köpfe.«

»Der kleine Halunke hat euch belogen. Er war in Schwierigkeiten und brauchte dringend Geld, egal, was dann passiert. Der wusste, auf was er sich einlässt.«

Chet schaute in die kalten Bernsteinaugen des Schurken. So genau wie er wusste, dass Raoul Tyman ihn belog, so klar war ihm, dass er das niemals beweisen konnte.

»Dreh dich um. Wir sperren euch hinten in ein Zimmer. Der Stationer wird euch bewachen!«

»Na los, du auch!« Lacon fuchtelte mit der Waffe herum und blickte Rizzos an. »Tanja, scher dich aus dem Weg!«

Das Mädchen gehorchte sofort. Rizzos ließ die Hände sinken, blieb jedoch wie Chet stehen.

»Die wollen nicht, Raoul«, sagte Lacon gedehnt. »Was machen wir denn nun? Knallen wir sie wegen Widerstand gegen die Staatsmacht einfach ab?«

»Das würde alles sehr vereinfachen«, entgegnete der klotzige Kerl mit den grauen Borstenhaaren. »Vor allem, wenn sie es auch noch wagen sollten, uns anzugreifen. Na, was macht ihr nun, ihr Kuhjungen?«

Sie hatten mindestens im Augenblick überhaupt keine Chance. Aber wären ihre Aussichten gegen diese Männer nicht so schlecht gewesen, hätte Chet wohl trotzdem versucht, eine Änderung herbeizuführen. So allerdings sagte er sich, es wäre besser, zunächst sich zu fügen und dann dahin zu reiten, wohin Joe gebracht werden sollte. Deshalb gehorchte er.

Rizzos wandte sich ebenfalls um. Aber bevor sie losgehen konnten, um sich einsperren zu lassen, schlugen die heimtückischen Schurken sie hinterrücks nieder.

Chet taumelte gegen einen Stuhl und riss ihn um. Ein zweiter Schlag raubte ihm die Besinnung, so dass er den eigenen Sturz nicht mehr spürte, Rizzos nicht zusammenbrechen sah und den Schrei des Mädchens nicht mehr hörte.

»Stricke!«, befahl Tyman an den Keeper gewandt. »Na los, bewege dich, du lahme Schnecke!«

Der Stationer legte die abgesägte Schrotflinte auf den Tresen und lief in die Küche.

Tanja stand zitternd dabei.

Der Postagent brachte Stricke. Chet und Rizzos wurden an Händen und Füßen gefesselt und nach hinten geschleift.

Das Mädchen war unfähig, sich zu bewegen und befürchtete für sich selbst das Schlimmste.

Aber die drei Männer kehrten zurück und schenkten ihr keine Beachtung. Tyman und Lacon schienen ein Saloonmädchen nicht als ernsthaften Gegner zu betrachten. Nur als sie nach draußen gingen, winkte ihr Lacon.

»Komm, wir wollen dich sehen. Damit du nicht auf dämliche Gedanken verfällst!«

Sie ging mit. Die kühle Nachtluft tat ihr gut. Joe Wood lag wie ein Bündel mitten im Hof.

Plötzlich blieb Tyman stehen und stieß ein Zischen aus. Auch die anderen verharrten.

»Reiter!«, stieß Lacon hervor. »Was hat das zu bedeuten, Hull?«

Tyman trat in den Schatten des Haupthauses zurück.

Der Stationer fluchte verdrossen.

»He, mein Partner redet mit dir!«, knurrte Tyman scharf.

»Es sind vielleicht Leute, die bei mir nur was abholen wollen. Leute aus den Bergen. Farmer. Für die bringen manchmal die Kutschen was mit hier heraus. Ist doch normal, oder?«

»Wenn es normal ist, musst du keine Reden halten. Gib ihnen, was sie zu kriegen haben und jage sie zum Teufel!«

Auch Lacon trat in den schwarzen Schatten zurück. »Hol den Bastard hierher, den müssen die nicht unbedingt sehen!«

Hull hastete weiter und schleifte Joe zum Haus herüber. Er bewegte sich, schien aber noch benommen zu sein. Der Postagent ging auf den Corral zu.

Fünf Reiter schälten sich aus der Nachtschwärze und hielten beim Schuppen. Hull erreichte die Männer und sagte: »Wollt ihr die Ware abholen, Mister?«

Einer schaute herüber. Hull flüsterte ihm etwas zu.

Tyman packte den Colt fester.

»Weißt du, wer das ist?«, flüsterte er Lacon zu.

»Ich kann die Visage nicht gut genug erkennen.«

»Aber ich!«

»Und?«

Tyman beugte sich noch weiter zu seinem Kumpan herüber. »Bide Wilder und seine Bande!«

Lacon pfiff durch die Zähne, schaute prüfend auf das Mädchen und kam zu der Überzeugung, dass es die letzten Worte nicht verstanden haben konnte.

Zwei Banditen stiegen ab und folgten Hull in den Schuppen.

»Das ist ja ein Ding«, sagte Lacon. »Wenn wir das gegen ihn ausspielen, frisst er uns aus der Hand. Ob er will oder nicht.«

»Und ob wir das ausspielen.«

Die Banditen schleppten ein paar Säcke aus dem Schuppen und gaben sie den anderen. Hull schien Geld zu bekommen. Dann saßen die beiden auf, die Pferde wurden im Hof gewendet, und die Outlaws sprengten in die Nacht hinaus.

»Wer war das?«, fragte Tanja hohl und kaum interessiert.

»Das geht dich einen Dreck an!«, zischte Lacon. »Und noch was: Halte dich aus der Sache ganz heraus, wenn du keine Schwierigkeiten haben willst. Setz dich in die nächste Postkutsche und verschwinde. Aber lass dich nicht in Colorado Springs sehen! Kannst du dir das merken, Flittchen.«

Tanja gab keine Antwort.

Lacon fluchte.

Hull kam herüber. Die beiden Kerle grinsten ihn kalt an. Lacon stieß ihn in die Station und folgte. Tyman schloss sich an.

»Das hatten wir allerdings nicht von dir erwartet, Hull.« Tyman lehnte sich gegen den Tresen, griff nach der Whiskyflasche und schenkte drei der herumstehenden Gläser voll.

Lacon beobachtete das Mädchen in der Lichtbahn vor dem Haus.

»Was denn?« Hull sah unsicher aus.

»Dass du mit diesen Leuten einen flotten Handel treibst. Die müssen sicher ordentlich für jedes Pfund Mehl blechen, das du ihnen beschaffst was?«

Hull wurde bleich. »Ich weiß nicht ...«

»Doch, du weißt es ganz genau«, unterbrach Tyman ihn schroff. »Und nun weißt du sogar, dass wir es auch wissen.«

Lacon beugte sich über den Tresen. »Bide Wilder«, raunte er dem Postagenten zu.

Hull zuckte zusammen.

»Du wirst die beiden eine Woche hier festnageln«, verlangte Tyman. »Bis dahin haben wir den Bastard verkauft und uns in eine andere Gegend abgesetzt. Hast du kapiert?«

Hull nickte, weil er keine Worte über die Zunge brachte, so sehr saß ihm der Schreck in den Gliedern.

»Du kontrollierst jede Stunde die Fesseln der Halunken«, befahl Tyman. »Auch die Stricke, die sie ans Bett binden und verhindern, dass sie zueinander kommen. Und du sperrst die Bude zu und behältst das Weibsstück im Auge. Mit der nächsten Postkutsche jagst du sie zum Teufel! Kannst du dir das alles merken?«

»Es sind die Bedingungen, unter denen wir totschweigen, was wir eben sahen«, setzte Lacon hinzu.

»Und jetzt sattelst du drei Pferde. Vorwärts!«

Hull trank erst das eine Glas leer, dann hastete er aus dem Stationshaus.

»Haben wir heute einen Dusel!« Tyman wackelte mit dem Kopf, stieß die Gläser zusammen und trank das eine aus.

Das Mädchen stand noch wie zu einer Salzsäule erstarrt in der Lichtbahn und schien die böse Welt um sich herum vergessen zu haben.

Hull fing im Corral Pferde ein und sattelte sie am Zaun.

Die beiden hartgesichtigen Männer verließen die Station, schleiften Joe über den Hof und warfen ihn quer über einen Sattel.

»Vergiss nie, den Schlüssel der Bude abzuziehen!«, schärfte Lacon dem Postagenten ein.

Hull trat zurück. »Was wird denn mit den Pferden?«

»Die geben wir in Colorado Springs in der Poststation ab. Dann muss die Wells Fargo zusehen, wie sie die Gäule wieder zu dir bringt. Tyman schwang sich in den Sattel und nahm das dritte Tier am Zügel.

»Und behalte Tanja im Auge«, sagte Lacon. Dann saß er ebenfalls auf dem Pferd.

Hull schaute den Reitern nach, während er verdrossen vor sich hin fluchte. Wenn die beiden ausplauderten, welchen trüben Geschäften er nachging, war er als Postagent erledigt. Und vielleicht nicht nur das.

»Los, rein!«, fuhr er Tanja an, als er das Haus wieder erreichte.

Sie wandte sich steif um und betrat mit hölzern wirkenden Bewegungen die Station.

Hull hieb hinter sich die Tür zu, ging hinter den Tresen und wischte die Gläser mit der abgesägten Schrotflinte ins Spülbecken.

Tanja sank auf einen Stuhl. »Wann kommt die nächste Postkutsche?«

»Übermorgen. Aber die geht nach Colorado Springs. Dorthin würde ich dir nicht raten, zu fahren. Da kommst du den beiden wieder in die Quere!« Er beobachtete sie scharf, als wollte er ergründen, ob sie auch wusste, wer die Reiter waren, die bei ihm die Säcke abholten. Aber ihrem verschlossenen Gesicht ließ sich nichts entnehmen.

»Wohin soll ich dann fahren?«

»Mit einer anderen Kutsche. In drei Tagen nach Boulder zum Beispiel.« Hull ließ das Gewehr los. »Was haben Tyman und Lacon noch erzählt?«

Sie blickte ihn zwar an, aber es sah aus, als hätte sie nicht zugehört. Hull ging um den Tresen herum und fuchtelte mit dem abgesagten Gewehr herum.

»He, ich rede mit dir!«

Tanjas Blick kehrte aus weiter Ferne oder einer anderen Welt zurück.

»Was ist?«

»Was Tyman und Lacon erzählt haben?«

»Erzählt? Ich weiß nicht. Ich stand doch draußen.«

»Sie haben nichts zu dir gesagt?«

»Nein.«

Hull war beruhigt und kehrte hinter den Tresen zurück.

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