Читать книгу Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane - Pete Hackett - Страница 48

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Als die Sonne aufging, hatte McCoy sich von den Handfesseln befreit. Der Unterarm schmerzte ihn tatsächlich erheblich, und die Handgelenke waren aufgescheuert. Aber er war frei.

»Ich habe es geschafft, Rizzos«, flüsterte er.

»Ich spüre die Arme schon nicht mehr, und die verdammten Fesseln sitzen immer noch so fest wie am Anfang!«, maulte der Ranchschmied.

Chet konnte die Hand nach vorn nehmen und den Strick lösen, der ihn an den Bettgiebel band. Eine Minute danach waren auch seine Beine frei. Er stand auf und half dem Partner. Dann lief er zum Fenster und spähte hinaus.

Im Hof war niemand zu sehen. Er öffnete das Fenster und stieg über den Sims. Die Haustür stand offen, aber es drangen keine Geräusche aus dem Stationshaus.

Rizzos kletterte heraus. »Die schlafen selig, wie?«

»Scheint so.« Chet schlich an der Wand entlang, duckte sich unter den Fenstern hinweg und stand hinter der Tür.

Sie waren doch munter. Durch den Spalt zwischen Tür und Rahmen sah er den Mann. Hull stellte eine Kaffeekanne auf den Tresen. Er war nur mit Hemd und Hose bekleidet, trug keine Waffe, und seine Haare standen zu Berge. Lange konnte er noch nicht munter sein.

»Findest du die Tassen nicht?«

Das Mädchen tauchte auf. Es sah übernächtigt aus, seine Bluse war zerknautscht und schmutzig und stand offen. Die Weste hatte Tanja abgelegt. Sie brachte zwei große Steinguttassen, ging aber vor den Tresen und stellte die Tassen ab.

»Sie haben von Banditen geredet.«

Hull starrte sie an. »Wer?«

»Tyman und Lacon. Es fiel mir erst heute morgen wieder ein.«

»Von Banditen?«, fragte der Stationer, scheinbar unwissend, was gemeint sein könnte.

»Ja. Als sie hereinkamen und die fünf Kerle weggeritten waren.«

»Aber das waren Farmer, die hier was abholten.«

»Sie haben aber was von Banditen gesagt!«, beharrte das Mädchen.

»Weiß nicht, was das heißen soll.« Hull schenkte die Tassen voll dampfenden Kaffee.

»Und du hast Angst vor den beiden«, fuhr Tanja fort.

»Ich?« Hull hob die Brauen an und furchte die Stirn.

»Ja. Dass die nicht astrein sind, weißt du so gut wie ich, Mister. Die haben dich unter Druck gesetzt. Niemand ist berechtigt, ein paar unbescholtene Cowboys einfach wie Banditen zu behandeln. Du tust es trotzdem. Sie zwingen dich dazu.«

»Du spinnst doch! Vergiss den Quatsch! Ich erfülle meine Pflicht als Staats ...«

»Dummes Zeugs«, sagte Tanja. Sie schien den Schock überwunden zu haben. »Du kommst in Teufels Küche, wenn die beiden wieder frei sind. Das lassen die doch nicht einfach auf sich beruhen.«

»Ich erfülle eine staatsbürgerliche Pflicht!«, beharrte der Postagent.

»Der hat vielleicht Haare auf den Zähnen«, flüsterte Rizzos.

»Oder es steckt mehr dahinter.«

»Was denn?«

»Hast du nicht zugehört? Es waren Reiter hier und man hat von Banditen gesprochen. Erinnerst du dich an den Überfall?« Chet beobachtete die beiden am Tresen immer noch und wartete auf eine Gelegenheit, in die Station eindringen zu können.

Errol Hull hatte seine mörderische Schrotflinte bestimmt unter dem Tresen liegen und konnte sie dort schneller hervorholen, als er, Chet, bei ihm war. Er benötigte einen kleinen Vorsprung, musste wenigstens schon auf der Türschwelle stehen, wenn der Stationer ihn bemerkte.

Der Mann trank schlürfend und fluchte, weil der Kaffee zu heiß war.

»Ich an deiner Stelle würde die beiden freilassen und mich entschuldigen«, redete das Saloonmädchen weiter.

»Mich interessiert nicht, was du würdest.« Hull versuchte erneut zu trinken. »Teufel noch eins, ist der Kaffee heiß!«

»Das hat frisch Gekochtes so an sich.Du bist ziemlich aufgeregt, Mister Hull! Die beiden Kerle haben dich in die Tasche gesteckt. Soll ich dir sagen, was ich denke? Die Reiter waren keine Farmer, sondern die Banditen, die man in der Front Range vermutet.«

»So ein Schwachsinn kann nur dir entfallen.« Hull blies in die Tasse.

»Wollen wir uns hier verewigen?«, schimpfte Rizzos.

»Mann, wenn der die Schrotflinte greifen kann, erkennt später unsere Gesichter kein Mensch mehr!«

Tanja trank.

»Du musst Hornhaut auf der Zunge haben!«, knurrte der Postagent. Und auf den Zähnen auch, was?«

Tanja stellte die Tasse auf den Tresen. »Ich hole noch zwei Tassen und schaffe den Cowboys auch Kaffee in ihr Gefängnis.« Sie wartete keine Antwort ab, sondern ging in die Küche.

Hull stellte die Tasse ab und folgte dem Mädchen einen Schritt, reckte den Kopf vor und spähte in die Küche.

»Was hast du denn, Mister Hull? Angst, ich könnte vielleicht ein Messer an mich bringen?«

»Jetzt!«, stieß Chet leise hervor, schlich geduckt um die Tür und stand im nächsten Moment auf der Schwelle. Er hatte Pech. Errol Hull sah ihn sofort.

Den Bruchteil einer Sekunde stand der Mann wie gelähmt und starrte den Vormann entsetzt an. Dann wirbelte er herum.

Chet rannte vorwärts. Als der Postagent unter die Theke griff, sprang er schon auf den Tresen. Die Kaffeetassen wurden umgestoßen, und das dampfende schwarze Getränk spritzte über das Holz. Hull hatte das Gewehr in der Hand, wollte es heben und die Hämmer spannen. Doch da warf sich Chet schon auf ihn, riss ihn um, stürzte auf den Schurken und knallte ihm die Faust gegen die Stirn. Er richtete sich mit auf, zerrte Hull hoch und versetzte ihm noch einen Kinnhaken, bevor der sich wehren konnte.

Der Postagent schlitterte zurück und verlor das Gewehr. Er landete in Rizzos Armen, wurde wie eine steife Puppe herumgedreht und fasste den nächsten Hieb.

»Damit du nicht denkst, ich wollte mich nicht bedanken!«, schimpfte der Ranchschmied.

Hull flog bis in die Küche: Das Mädchen trat schnell zur Seite. Der Postagent taumelte vorbei, räumte mit der einen Hand ein paar scheppernde Blechtöpfe vom Tisch und ging zu Boden.

Chet hob die Schrotflinte auf, richtete sie auf den schimpfenden Mann auf dem Boden und klemmte den Kolben mit dem Ellenbogen gegen die Hüfte. »Komm, steh auf, Hull!«

Tanja trat noch weiter zur Seite, um nur nicht in die Reichweite des Stationers zu geraten.

Hull griff nach der Tischkante und richtete sich ächzend auf. »Ich habe nur eine staats ...«

»Mann, lass die alte Leier!«, unterbrach Rizzos den zwielichtigen Gesellen grob. »Das musst du Leuten erzählen, die ihre Hosen mit der Beißzange anziehen.«

»Es ist die Wahrheit!« Hull hob beschwörend die rechte Hand.

»Heraus hier!« Chet ging mit dem noch an der Hüfte angeschlagenem Schrotgewehr rückwärts.

»Na, was ist, stehst du auf den Ohren?« Rizzos ging auf Errol Hull zu und wollte nach ihm greifen, aber der Mann fiel ihn an.

Darauf hatte der herkulische Schmied der Bullhead-Ranch genau gewartet. Er wischte die Faust wie etwas Lästiges leicht zur Seite und setzte Hull die Rechte knallhart auf den Punkt. Der Postagent verdrehte die Augen und ging in die Knie, dann fiel er nach der Seite.

»Wie ein nasser Sack fällt der um«, staunte das Mädchen.

Rizzos schleifte den Bewusstlosen in den Stationsraum, kehrte zurück, nahm den leeren Zinkeimer und ging hinaus. Er ließ ihn in den Brunnen hinunter, zog ihn voll herauf, kam zurück und leerte ihn über Errol Hull aus.

Das eiskalte Nass brachte den Mann sofort in die für ihn noch wesentlich ungemütlicher gewordene Gegenwart zurück.

Wie Riesen standen die Bullhead-Reiter vor ihm. Tanja tauchte an der Küchentür auf. Rizzos ließ den Eimer aus der Hand fallen.

»Es ...«

»Du redest nur noch, wenn du gefragt wirst!«, befahl Chet eisig. »Sonst kommen wir nie weiter. Wohin sind die beiden geritten?«

»Nach Colorado Springs, das konntet ihr von mir erfahren«, wandte das Mädchen ein. »Dort muss die Armee irgendeine Agentur, oder wie man das sonst nennen mag, unterhalten.«

»Wahrscheinlich einen Armeeposten«, mutmaßte Rizzos. »Der als Anwerbestation dient. Gewöhnlich kommen die künftigen Soldaten wohl freiwillig da hin.«

»Und wie lange sind sie fort?« Chet blickte über die Schulter.

»Das kann schon zehn Stunden her sein.« Tanja kam bis an den Tresen. »Hull hat ihnen drei Pferde gesattelt. Aber Joe Wood haben die Strolche einfach quer darüber geworfen. Mir wird noch übel, wenn ich daran denke, in was für eine Gesellschaft ich da geraten bin!«

Chet ging zurück und lehnte sich gegen den Pfosten.

Hull setzte sich und kroch so bis zum nächsten Pfosten, an den er den Rücken lehnte.

»Wie war denn das nun mit den Reitern?«

»Farmer aus den Bergen!«, stieß Hull sofort hervor.

Chet begriff, dass es sinnlos war, in den Mann dringen zu wollen. Wenn er mit Banditen schwunghaften Handel trieb, musste es ihm bewiesen werden. Er schaute Rizzos an und überlegte, ob er den Schmied mit dem Wagen nach Hause schicken sollte, oder ob es besser war, wenn der mit dem Mädchen hier blieb, die Postkutsche am nächsten Tag erwartete und den Fahrer über das aufklärte, was sich hier abspielte. Den Ritt nach Colorado Springs wollte er allein unternehmen, denn bis er dort sein konnte, war Joe sowieso abgeliefert. Um mit dem Colonel zu reden, bedurfte es keiner Hilfe durch Rizzos. Beweisen konnten sie ohnehin nichts.

Rizzos ging durch die Station und sagte: »An die Bucks hat keiner mehr gedacht, die liegen immer noch hier.«

»Dann lass sie am besten auch liegen. Wo sind unsere Waffen?«

»In der Küche. Ich hole sie.« Tanja wandte sich um.

»Und nun?« Rizzos kehrte zurück.

»Einer von uns muss hier bleiben. Wegen des Mädchens. Und damit dem Führer der nächsten Kutsche die Wahrheit über diesen ehrenwerten Postagenten erzählt wird.«

»Ihr wollt mich unmöglich machen!«, jammerte Hull.

»Darauf dürfte es wohl hinauslaufen«, entgegnete Chet.

»Ich habe aber nur eine Pflicht erfüllt.«

Chet winkte ab. »Wir hoffen, es lässt sich das Gegenteil beweisen. Übernimmst du ihn, Rizzos?«

Der Schmied seufzte. »Bleibt mir was anderes übrig?«

»Ich fürchte, nein«, gestand Chet.

»Soll ich ihn fesseln?«

»Wenn du seine Arbeit übernehmen willst.« Chet lächelte.

Rizzos verzog das Gesicht, dann streckte er die Hand aus und winkte mit den Fingern. Chet gab ihm die Schrotflinte.

»Tanja, hole seinen Revolver und durchsuche das ganze Haus nach Waffen!«, verlangte der Schmied.

Chet wollte zur Tür.

»Warte!«, rief das Mädchen. »Du musst erst einen Kaffee trinken und was essen. Und du brauchst Wasser bei dieser Hitze. Und Proviant für unterwegs!«

Chet kehrte an den Tresen zurück.

»Nicht so hudeln, sonst wird es nichts!«, mahnte Rizzos. »Die haben es vielleicht gar nicht so eilig, wie du denkst. Rasten müssen sie unterwegs sowieso. Schon wegen der Pferde!«

McCoy schüttelte den Kopf. »Nein, die beeilen sich. Nicht nur, weil sie ihre Prämie kassieren wollen. Das Geschäft müssen sie schleunigst hinter sich bringen und verduften. Ist doch ganz klar, dass die Armee solche Art von Rekrutenfang kaum gut finden kann.«

»Auf jeden Fall wird erst was gegessen und Kaffee getrunken!«, bestimmte das Mädchen kategorisch.

Der Postagent richtete sich am Pfosten auf. Das Hemd klebte noch nass an seinem Körper, und auch seine Hose war noch sichtbar bei der kalten Dusche in Mitleidenschaft gezogen worden

Rizzos richtete das abgesägte Schrotgewehr auf den Halunken.

»Setz dich dort an den Tisch und bewege dich nicht, Hull! Ich werde nicht fackeln, wenn du mir Schwierigkeiten bereiten willst!«

»Ich habe nichts getan, als meine Pflicht erfüllt!«, jammerte der Stationer.

Rizzos verdrehte die Augen. »Ist das zu fassen? Wie lange willst mir das noch auf die Backe kleben, Hull?«

»Es ist die Wahrheit!«

»Am besten, du verpasst ihm einen Knebel«, schlug Chet vor.

Tanja brachte Tassen und schenkte Kaffee ein, wischte den Schanktisch ab und goss ihre Tasse auch wieder voll. »Inzwischen dürfte er ja etwas abgekühlt sein.«

Chet trank und fand seine Vermutung bestätigt. Der Kaffee war recht stark.

Tanja beobachtete ihn und lächelte. »Da bleibt der Löffel drin stecken, was?«

»Scheint ganz so, Tanja. Wirst du Woods helfen?«

»Aber natürlich. Und ich kann ein Gewehr nicht nur festhalten, sondern auch damit schießen. Und noch etwas, Vormann: Ich hoffe, du kannst für Joe wirklich etwas tun!«

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