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Die Kantine

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Ablenkung von der Arbeit und die neuesten Gerüchte (allerdings nicht Gerichte), das alles verspricht die Kantine. Meine Lieblingskantine war die im ehemaligen Verlagshaus des Mitteldeutschen Verlags in Halle/Saale. Hier wurde erst gar nicht versucht, mit Rohkost-Terror oder einer «kulinarischen Reise um die Welt» von dem abzulenken, was eine Kantine im Grunde ist: eine vom Gesetzgeber vorgeschriebene Massenverköstigungsanlage. In Halle gab es eine Theke, hinter der schwergewichtige Frauen ebenso gehaltvolle Portionen Fleisch, Kartoffeln und Sauce (wahlweise Fleisch, Reis und Sauce und freitags Fischstäbchen mit Kartoffeln und Sauce) auf in drei Abteilungen unterteilte Teller hievten und dem Delinquenten rüberschoben. Auf dem Weg zur Kasse passierte man eine Auslage mit «Bemmen» (belegte Brote) und einer sehr überschaubaren Anzahl Süßigkeiten (Snickers, Raider, Hallorenkugeln). An langen Tischen wurden die Speisen vertilgt, anschließend musste einer für alle anderen Kaffee holen, und beim Hinausgehen grüßten viele Mitarbeiter verstohlen den hellen Fleck auf der Tapete, wo noch vor kurzer Zeit das Konterfei von Erich Honecker gehangen hatte. Meine zweitliebste Kantine war die des Landgerichts von Kleve, die nicht nur Beamte und Anwälte, sondern auch uns Journalisten und weite Teile der Bevölkerung wegen der legendären Jägerschnitzel anzog.

Das alles ist heute nicht mehr genug. Die Kantine heißt jetzt «Personalrestaurant», und statt mit Geld wird mit dem Hausausweis bezahlt. An diversen Selbstbedienungs-«Inseln» versorgt man sich mit Hühnersuppe oder Chili con Carne, für dessen geringen Fleischanteil man in Texas den Koch lynchen würde. Sehr arbeitsaufwendig ist der Besuch des «Salatbuffets»: Nachdem man sich eine angeblich gesunde Mischung aus Mais, Thunfisch, drei hartgekochten Eierhälften, kurzgebratenem Schweinefleisch und Cocktailsauce zusammengestellt hat, muss das Ganze eigenhändig abgewogen werden. In der offenen Küche wird vor Publikum geschmort und gebrutzelt, filetiert, geschwenkt und flambiert. Das bringt starke Geruchsentwicklung mit sich. In fetten Schwaden wabert dieses Odeur durch den gesamten Betrieb. Für Exotik sorgen Auftritte von Gaststars wie als Japaner verkleideten Koreanern, die lustlos rohen Fisch und Reis zu Röllchen und zu Schiffchen formen, die auch nicht viel günstiger sind als beim «Sushi-Palast» einen Block weiter. In den obligatorischen Themenwochen («Ole Espana», «Deftiges aus Bayern» und «Die Hirseküche Schwarzafrikas») kann man Speisen kosten, vor denen man in Urlaubshotels im Allgemeinen flüchtet. Das alles mag gut gemeint sein, auf wirkliche Gegenliebe stößt es nicht. Das Lieblingsgericht in Deutschlands Kantinen ist nach wie vor die Currywurst.

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