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Die Poststelle
ОглавлениеNoch vor zehn Jahren wusste kaum ein Angestellter, wo sich in seinem Bürogebäude die Poststelle befindet. Wozu auch? Die Briefe mit Aufträgen, Bestätigungsbelegen und Kundenbeschwerden würden von den fleißigen Boten schon früh genug geliefert werden. Heute ist das anders, heute ist die Poststelle ein zentraler Bereich im Büro. Jeder weiß, wo sie ist, und jeder versucht, sich mit den Boten möglichst gut zu stellen («Sie sehen phantastisch aus, Frau Selchow», «Was macht das Herz, Herr Fliedermann?»). Häufig stehen die Angestellten dort morgens schon Schlange. Die einen ziehen mit enttäuschten Mienen von dannen, die anderen tragen freudestrahlend Pakete vor sich her. Darauf steht «Amazon» oder «eBay», und die Poststelle ist der Ort, wo noch viel, viel mehr davon auf seine Besitzer wartet.
Als es höchstens einmal im Jahr ein Paket gab (und zwar mit selbstgestrickten Socken von der Urgroßtante), ließ man sich das gern nach Hause liefern – war ja ohnehin egal, ob es ankommt oder nicht. Heute, wo man alles, was man braucht (und vor allem das, was man nicht braucht), im Internet bestellen kann, sieht es anders aus. «Schnell her damit!» ist die Devise, und daher lässt man sich seine Pakete einfach ins Büro schicken – dort nimmt sie garantiert jemand an, und man kann mit dem Auspacken und Spielen schon vor dem Feierabend anfangen.
Wenn man die Handkarren der Boten und die Poststelle beispielsweise einer Verwaltung im Bergischen Land betrachtet, kann man leicht auf die Idee kommen, dass man sich im Warenlager der Internethändler befindet. Der dadurch entstandene Mehraufwand ist den Boten eher recht (er sichert ihre Arbeitsplätze), der Betriebsleitung nicht. Immer häufiger gibt es Anweisungen, sich private Pakete aus Kostengründen nicht in die Firma schicken zu lassen.
Überhaupt scheinen Büroboten eine gesunde Einstellung zum Handel zu haben. Viele Poststellen sind die heimlichen Kioske und Schenken des Unternehmens. Wenn nirgendwo im ganzen Haus mehr ein kühles Bier zu bekommen ist, fragen Sie mal in der Poststelle nach. Für zwei Euro (plus Pfand) beenden Sie Ihren Arbeitstag angenehm besäuselt.