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Der Raucherraum

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Ich arbeite in einer Branche, in der Kettenrauchen praktisch zur Arbeitsplatzbeschreibung gehört, möchte man meinen. Eine Zeitungsredaktion stellt man sich gemeinhin als vollgequalmte Bude vor, in der Kaffee verschüttende Psychopathen mindestens zwei Zigaretten gleichzeitig rauchen, während sie blonden Sekretärinnen wüste Geschichten, vermixt mit ihrer ganz persönlichen Meinung, in die Schreibmaschinen diktieren. Das stimmt im Grunde auch. Nur geraucht wird nicht mehr. Denn auch in dieser letzten Bastion des Qualms haben mittlerweile die Nichtraucher das Kommando übernommen. Tatsächlich reicht schon ein einziger Nichtraucher, der sich durch die schmauchenden Kollegen belästigt fühlt, um die ganze Bude zu entnikotinisieren. Das ist Minderheitenschutz in Reinform und in vielerlei Hinsicht durchaus vernünftig. Fragwürdig allerdings sind die Beweggründe der Gesundheitsapostel.

Den meisten Nichtrauchern war es jahrzehntelang vollkommen egal, ob in ihrer Gegenwart geraucht wurde oder nicht. Die Angst vor den Gefahren des Passivrauchens wurde so ernst genommen wie Lawinengefahr beim Snowboarden. Sie ist da, aber nicht sehr stark. Für einige Kollegen jedoch ist sie die ideale Gelegenheit, eine große Welle zu machen. Häufig sind es Menschen, die in der Arbeit nicht gerade glänzen und die sich durch ihren Frischluft-Kreuzzug Gehör und Beachtung verschaffen. Ich nenne sie die kriegerischen Nichtraucher. Zuerst husten sie ein paar Tage lang herum, reiben sich die Augen und reißen mit vorwurfsvollem Blick die Fenster auf, bis der Großraum so tiefgekühlt ist, dass sich das Betriebssystem verabschiedet. Dann bekommen die kriegerischen Nichtraucher eine Erkältung und sprechen alle Raucher persönlich an. Sie sagen: «Du, Entschuldigung, ich will kein Spießer sein, aber das mit dem Rauchen finde ich nicht so gut.» Klar, sagen dann die Raucher und drücken ihre Zigaretten aus, schütteln die Köpfe und stecken sich eine neue an, sobald der kriegerische Nichtraucher außer Sichtweite ist. Der wiederum bittet in den nächsten Tagen um ein Gespräch beim Chef. Im Normalfall verspricht der Chef, mit den betreffenden Rauchern zu sprechen. Vergisst er das, rennt der kriegerische Nichtraucher zum Betriebsrat – er weiß, er ist juristisch auf der sicheren Seite. Der Betriebsrat schickt dem Vorgesetzten eine E-Mail, der Chef will keinen Ärger mit dem Betriebsrat und schreibt eine Hausmitteilung. In der wird das Rauchen generell verboten.

Dann beginnt der Grabenkrieg. Die Raucher rauchen heimlich doch wieder in der Teeküche. Dort färben sich die Wände nach drei Tagen nikotingelb, und der Joghurt schmeckt nach Aschenbecher. Daraufhin solidarisieren sich die gemäßigten Nichtraucher mit dem kriegerischen Nichtraucher. Die Raucher fühlen sich als bedrohte Minderheit, nörgeln herum, diskutieren mehr und arbeiten weniger und gehen zum Rauchen in kleinen Gruppen vor das Firmengebäude, wo sie andere Raucher treffen. Die Nichtraucher müssen in dieser Zeit die Telefonanrufe für die Raucher annehmen und kommen vor lauter Notizenmachen nicht mehr dazu, ihrer eigenen Arbeit nachzugehen.

Von meinem Büro aus sehe ich in ein Büro, in dem man eine phantastische Lösung gefunden hat – in einen ehemaligen Druckerraum wurde eine Kabine gestellt, wie man sie beispielsweise vom Flughafen Heathrow kennt: Über einem kleinen Stehtisch hängt eine riesige Luftabzugshaube, die laut röhrend den Zigarettenqualm der Raucher aufsaugt und wer weiß wohin bläst. In das Tischchen ist ein Trichter eingebaut, in den werden die Kippen nach dem Rauchen geworfen. Ich habe mich mal nach dem Preis erkundigt; die Kabine kostet lediglich 18 000 Euro, und ich hoffe, bald auch eine anschaffen zu können. Denn neidisch sehe ich, wie sich die Raucherkabine im Büro gegenüber zu einem Ort der Kommunikation entwickelt hat. Raucher, Gelegenheitsraucher, aber auch gemäßigte Nichtraucher, Exraucher und sogar kriegerische Nichtraucher versammeln sich hier gerne zu einer gemütlichen Spontankonferenz. Manchmal ist es so voll, dass sich die ersten Raucher wieder an ihre Arbeitsplätze verziehen, um in Ruhe eine qualmen zu können.

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