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Der Firmenparkplatz

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Die tägliche Anreise zum Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln, per pedes apostolorum oder per Fahrrad hat sich nicht durchgesetzt. Jede Firma, die etwas auf sich hält (und den letzten Grundbesitz noch nicht verscherbelt hat), verfügt daher über einen Parkplatz. Wurde neu gebaut, vielleicht sogar über eine Tiefgarage. Das schützt davor, dass die Mitarbeiter wegen langer Suche nach freien Stellplätzen ständig zu spät kommen, bringt einen netten Zusatzverdienst (denn natürlich muss der Stellplatz bezahlt werden) und bietet den Männern die Gelegenheit für den ersten Schwanzvergleich des Tages. Schließlich sind wir in Deutschland, und da gilt es nach wie vor als oberste Bürgerpflicht, eine möglichst große deutsche Limousine zu besitzen. Oder andersherum: Wer im Alter von vierzig Jahren noch mit einem sieben Jahre alten Golf zu Arbeit kommt, dem wird durch die mitleidigen Blicke der Kollegen auf dem Nachbarparkplatz mitgeteilt, dass er irgendetwas falsch gemacht hat.

Dabei ist klar: Geparkt wird nicht etwa da, wo ein Platz frei ist. Geparkt wird da, wo der Parkplatzwächter meint, dass ein Platz frei ist. In einer Firma in der Münchner Innenstadt hieß der Mann R. Er verwaltete ein höchstens dreihundertfünfzig Quadratmeter kleines Areal, in dem fünfhundert Mitarbeiter ihre Autos abstellen wollten. Folglich war R. der meistgehasste (wenn man ihn nicht sah) beziehungsweise beliebteste (wenn man hoffnungsfroh durchs Tor gefahren kam) Mitarbeiter im gesamten Haus. Mit einer blauen Phantasieuniform ausgestattet und einem Berufsehrgeiz, der ganz offensichtlich aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammte, fühlte er sich als letzte große Ordnungsinstanz des Betriebes.

Der Platz entlang der Außenmauer seines Reiches war für die obersten Chefs und ihre viele Meter langen S-Klasse-Mercedes reserviert. Der einzige abgesperrte Bereich war für einen der viele Meter langen S-Klasse-Mercedes des Eigentümers vorgesehen. Die Aufteilung des restlichen Raumes lag allein in R.s Ermessen. Frauen wurden bevorzugt – allerdings eher die, die ihre Haare lang, als die, die ein Kind auf dem Arm trugen. Außendienstmitarbeiter hatten gute Karten. Alle anderen wurden entweder abgewiesen oder aufgefordert, ihr Auto in abstrusen Winkeln in das bereits vorhandene Mosaik geparkter Wagen einzufügen. Die Einweisung übernahm R. selbst. Schreiend, zeternd, mit hochrotem Kopf hätte er selbst Michael Schumacher zu verstehen gegeben, nicht Auto fahren zu können. Der Schlüssel hatte stecken zu bleiben, da das Knäuel nach Einführung der Gleitzeit anders nicht mehr zu entwirren war. R. selbst lenkte die Autos dann aus dem Knäuel heraus und arrangierte das Chaos neu.

Irgendwann wurde der wertvolle Grundbesitz verkauft. Vor der neuen Zentrale «im Grünen» war genug Platz, um eine Jahresproduktion von Hummer-Panzerautos zu parken. R. verlor seinen Job. Kurze Zeit später soll er gestorben sein, erzählte man sich auf dem neuen, langen Weg vom hintersten Parkplatzeck zum Firmeneingang.

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