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Die zweite Angst: Das Ende der Gemütlichkeit

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Die Petrischale Büro wurde erhitzt. Das beschleunigte die Prozesse rasant. Der Brennstoff, mit dem sich die Flammen unter der Schale speisten, war der Fortschritt. In keiner Branche der Welt geht er so schnell vonstatten wie in der datenverarbeitenden. Am Kölner Dom wurde vom 13. bis ins 19. Jahrhundert praktisch ohne bahnbrechende Veränderung der Arbeitsweise gebaut. Die Büroarbeit aber, die heute erledigt wird, ist schon mit den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg kaum mehr zu vergleichen. Trotzdem blieb es im Büro bis in die achtziger Jahre relativ gemütlich. Zwar hatten Schreibmaschinen längst die Füllfederhalter, die ersten Kopiermaschinen das Durchschlagpapier ersetzt, doch die wichtigsten Instrumentarien des Büroarbeiters blieben aus heutiger Sicht vorsintflutlich: die Telekommunikationseinrichtungen.

Nachrichten aus der Außenwelt erreichten den Büromenschen auf zwei Wegen: postalisch oder fernmündlich. Beides machte das Büro zu einer Welt ohne Geschwindigkeit. Briefe konnten getrost liegengelassen werden – mit der Ausrede, die Post habe geschlampt. Anrufbeantworter und Mobiltelefone gab es noch nicht, ständige Erreichbarkeit war ein Fremdwort. Durch Gummibäume ausreichend mit Sauerstoff versorgt, lebten die Büromenschen dieser Epoche ein friedliches Leben in einer hermetisch abgeriegelten Welt, die der Pförtner so gut hütete wie Olli Kahn zu seinen besten Zeiten das Tor der Nationalmannschaft. Karriere war eine Sache des beharrlichen Abwartens, Gehaltserhöhungen gab es dank wirtschaftlicher Prosperität des Landes automatisch.

Umgepflügt wurde dieser Garten Eden Anfang der achtziger Jahre. Wie die vier apokalyptischen Reiter hielten Anrufbeantworter, Fotokopierer, Faxgerät und schließlich der Computer Einzug. Daten wurden sofort übermittelt und warteten auf Bearbeitung, der Anrufbeantworter zwang zum Rückruf. Dann kam das Internet und stellte die Bürouhren auf Echtzeit.

Die Karten wurden neu gemischt: Jahrzehntelange Erfahrung zählte nicht mehr, dafür angelerntes IT-Wissen. Gestandene Abteilungsleiter saßen ratlos vor dem Monitor und mussten sich von den Jüngeren zeigen lassen, wie der Cursor läuft – Munition im Generationenkampf. Langsame kamen nicht mehr mit, Faulheit war nicht länger zu kaschieren. Im Sekretariat lief die Flut an Daten dann zusammen – Dienstreisen, Spesen, Urlaubspläne, Personalverwaltung, das alles wurde jetzt elektronisch geregelt. Waren Sekretärinnen einst nach der Qualität ihres Kaffees beurteilt worden, schätzte man sie nun, wenn sie über EDV-Kenntnisse verfügten.

Eine digitale Welt (also: «an» oder «aus») hielt den analogen (also: «ja», «vielleicht», «nein», «weiß nicht») Menschen von nun an gefangen wie die Dornenhecke Dornröschen in seinem Schloss. Die Technisierung löste die erste Welle der Furcht im Büro aus. Und die wurde, als die Ersten die Büros verlassen mussten, immer größer.

Das Büro

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