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Die Teeküche

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Was wäre ein Haushalt ohne Küche? Natürlich braucht auch das Büro eine; damit aber niemand auf die Idee kommt, dort tatsächlich mit Töpfen und Pfannen zu hantieren und sich zum Lunch ein Zürcher Geschnetzeltes mit Rösti zu machen, heißt der Raum schlicht: Teeküche. Die Mikrowelle, vor zehn Jahren angeschafft, trägt jetzt noch Spuren der leckeren Bolognese, die Frau Behrend immer gemacht hat. Da hat jeder was abbekommen. Jedenfalls bis sie dann in Rente gegangen ist, die Frau Behrend. Seitdem trauen sich nur noch sehr Magenstarke, hier ihren Eintopf warm zu machen, und das «Pling» klingt eher wie eine Alarmglocke als wie der Ruf zur Mahlzeit.

Viel wichtiger als die Nahrungszubereitung ist ohnehin die Sozialfunktion der Teeküche. Sie ist der Ort für zwanglose, schnelle Treffen. Wer etwas mit einem Kollegen zu besprechen hat, das einerseits zu privat für den Schreibtisch, andererseits aber zu dienstlich für ein gemeinsames Campingwochenende im Hunsrück ist, sagt: «Lass uns mal schnell in die Teeküche gehen.» Das kann ein kleiner Liebeskummer mit der süßen Revisionistin sein, aber auch Ärger mit dem Chef. Wer einfach nur ein wenig jammern möchte, ist hier richtig. Lässig an die Geschirrspülmaschine gelehnt, mit der Kaffeetasse in der einen Hand, mit der anderen ausgiebig gestikulierend, lässt sich schnell und effektiv Luft ablassen. Dementsprechend ist die Teeküche auch die Hauptzentrale der Intriganten. Hier finden sie garantiert immer jemanden, der sich aufwiegeln, verwirren oder gegen einen anderen einsetzen lässt. Untermalt vom zischenden Soundtrack des Wasserkochers, brüht er hier sein Gift zusammen – und jeder genießt es gern in kleinen Schlückchen. Den Hauptstänkerer im Unternehmen, den übelsten Brunnenvergifter, erkennt man problemlos daran, dass er sich häufiger in der Teeküche als an seinem Arbeitsplatz aufhält. Vorgesetzte sind gegen die Übersiedlung von Mitarbeitern vom Schreibtisch in die Küche machtlos. Erwischt und ertappt, raunzen sie empört Sätze wie «Wollte doch nur mal ’nen Tee machen» oder «Man wird sich doch wohl noch einen Kaffee holen dürfen».

Dabei besteht aus ästhetischer Sicht kein Grund, sich länger in einer typischen Büroküche aufzuhalten als irgend nötig. Auf der schon erwähnten Mikrowelle türmen sich ungespülte Mottotassen, in den Schränken gibt es Lebensmittel, deren Haltbarkeitsdatum vor Jahren abgelaufen ist – und wir reden hier von Tütensuppen! Der Kühlschrank hätte kurz vor der Jahrtausendwende abgetaut werden müssen, aber leider ist die Frau Sembrak, die das erledigen wollte, damals krank geworden. Selbst beim übelsten Heißhunger käme niemand auf die Idee, die tiefgekühlte Bordelaise zu stehlen. Wenn Sie irgendwann einmal etwas wirklich Wichtiges im Büro verstecken müssen, ist das Gefrierfach des Teeküchenkühlschranks der mit Abstand sicherste Ort.

In der Teeküche lässt sich also ein perfekter Boheme-Lifestyle praktizieren: in hygienisch nicht ganz einwandfreier Umgebung Volksreden schwingen und sich möglichst lange von der Arbeit fernhalten. Kein Wunder, dass die Teeküche auch Raucher anzieht wie das Licht die Motten. Nichts aber bringt Nichtraucher so sehr auf die Palme wie Zigarettenrauch in der Nähe von Nahrungsmitteln (egal, in welchem Zustand sich diese befinden). Deshalb muss ein Raucherraum her.

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