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PREMIERE

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Frank fand sich auf der Bühne einer atemberaubend opulenten Konzerthalle. Sitze, Ränge und Balkone gepolstert mit blutrotem Samt unter einem Himmel voller Stuck, Ornamenten und einer obszönen Anzahl blattgoldener, Trompete blasender Putten.

Das tief einfallende Scheinwerferlicht ließ ihn blinzeln, sein Blick streifte die voll besetzten, prächtigen Ränge, er grüßte die Wichtigen und Gewichtigen und die Reichsten der Erlesenen in ihren verschwenderisch verzierten Balkonen, die einzig und allein gekommen waren, um einen einzigen Künstler zu erleben. Ihn.

Der Dirigent nickte Frank zu. Es war nur eine angedeutete Kopfneigung, und doch strotzte sie vor allergrößtem kollegialem Respekt. Frank legte den Bogen auf, als der Dirigent den Taktstock hob. Niemand im Saal atmete. Schon mit dem ersten Schwung zerbarst das Orchester förmlich in einem Sinne raubenden Tusch, aus dem sich eine erhabene Eröffnung fortspann, um sich kurz darauf in ein bescheidenes, fast demütiges Pianissimo zurückzuziehen.

Franks Einsatz.

Kaum hörbar ließ er eine Serie hinreißender Arpeggios im Meer der gestreichelten Noten schwimmen, um dann mehr und mehr an Energie und schließlich an Gewalt zuzulegen. Frank fühlte den Fluss. Er war der Fluss. Er trieb in einem Strom aus Musik, und Musik strömte durch ihn. Er nahm den Saal mit auf eine dramatische Reise, er erzählte eine mitreißende Geschichte in einer virtuosen Melange aus halsbrecherischen Skalen, perkussivem Pizzicato, schwindelerregenden Akkordfolgen und peitschenden, kreischenden Bogenstrichen, nur um unerwartet wieder das Tempo anzuziehen, dass allen der Atem stockte. Seine Läufe schaukelten sich auf zu einem Sturm irrwitziger Themen, die sich weit über die Töne erhoben, aus denen sie bestanden.

Franks Körper wand und bog sich um seine Violine, sie war das Zentrum und er ein zitternder Aal, der sich flink um sie wand. Seine Hände arbeiteten in aberwitzigem Tempo, als ob Paganinis Geist höchstselbst sie führte. Die aufgerissenen Augen selbst der Kritischsten im Saal riefen Respekt, niemanden hätte es gewundert, hätte Franks Violine begonnen zu brennen. Der Stock des Dirigenten peitschte das Orchester dem Besessenen hinterher, und doch zog Frank das Tempo abermals an.

Der Saal bebte, als ausnahmslos alle im Applaus standen, um ihm zu huldigen, wiewohl er noch nicht am Ende seiner Darbietung angelangt war. Die Reichen und Intellektuellen konnten nicht anders, wollten nicht anders: Sie grölten und johlten wie Fußballfans nach einem Meisterschaftstor.

Frank hatte seinen Höhepunkt erreicht. Von Heerscharen unsichtbarer Musen geküsst, spielte er eine raffinierte Reprise und ließ sie wieder verblassen, wie auch seine Vision Stück für Stück verblasste und den frenetischen Applaus in verebbendem Hall mit sich nahm, bis auf ein letztes Paar Hände, das immer noch stürmisch Beifall klatschte, während die grausame Kakofonie ein Ende fand. Vom Kopf des gefolterten Bogens hingen etliche zerschlissene Haare wie vom Haupt eines verwahrlosten, alten Mannes. Endlich durfte er aufhören zu kratzen, und auch die arme, missbrauchte Geige konnte sich von dem nervenzerfetzenden Jaulen und Kreischen erholen, das sie hatte produzieren müssen.

Von Herzen

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