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DAMALS : JESUS

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Eckerd schaute zu Jesus auf.

Schmerz und Sanftmut waren ihm gleichermaßen ins Gesicht modelliert, Tag für Tag litt er stumm an seinem überdimensionalen Kreuz an der Stubenwand gegenüber der Tür.

Früher war es das heilige Zentrum eines Kirchenaltars gewesen, weswegen es groß, pompös und mit Blattgold plattiert war. An manchen Stellen war Gips abgeplatzt, und eine Seite war teilweise geschwärzt von dem Brand, der die Kirche zerstört hatte, aus der es stammte, aber das alles verstärkte nur Jesus’ elegische Heldenhaftigkeit und die dramatische Darstellung seines barbarischen Martyriums.

Geschwärzt vom Ruß des zu Asche brennenden Roms, sah der auferstandene Jesus Christ Superstar in unfassbarer Güte auf die herab, die ihm sein Martyrium auferlegt hatten.

So hatte sich Eckerd das zusammengereimt, bis Elmar ihm die Bibel so weit nahegebracht hatte, dass er einsehen musste, dass sich das wohl nicht ganz so zugetragen haben konnte. Die Dramatik gefiel Eckerd trotzdem, zumal niemand ihm je erklärt hatte, woher Jesus den Ruß und die abgeplatzten Stellen hatte.

Damals, in der Nacht des Kirchenbrandes, hatte Elmar das große Kreuz unter Einsatz seines Lebens aus dem Feuer geborgen und es auf einem Karren nach Hause gefahren, den er eigens dafür vorbereitet hatte, um es schließlich unter großem technischen Aufwand an der Stubenwand aufzuhängen.

Für Elmar war der Brand der Kirche eine klare Konsequenz aus dem moralisch maroden Zustand der Dorfgemeinde. Das Feuer war die höhere Gewalt, es war die spirituelle Reinigung des Glaubens von der Sündhaftigkeit bestimmter Mitglieder, die sich zusammengetan hatten, um sich über die anderen zu stellen.

Elmar empfand Gerechtigkeit bei dem Gedanken, dass der Brand ihnen das Haus entrissen hatte, in dem sie sich gegenseitig ihre Sünden erlassen hatten, anstatt sie gar nicht erst zu begehen. Deswegen hatte Elmar den Brand auch gelegt.

Wochen danach entschied die Dorfgemeinde, die Kirche nicht wieder aufzubauen, da die Versicherung sich wegen des Verdachts einer Brandstiftung weigerte zu zahlen. Die wohlhabenderen Würdenträger des Dorfes signalisierten daraufhin, dass eine Untersuchung, das Gegenteil zu beweisen, aufgrund der allgemein bekannten, ungünstigen Geschäftslage augenblicklich nicht finanzierbar war, aber später natürlich gern nachgeholt werden würde, sobald sich die Situation bessern würde. Zuvor hatte es ein inoffizielles Treffen gegeben, bei dem man sich einig war, dass man das ewige Spenden schon länger satthatte.

Von da an fuhr man zum Beten ins Nachbardorf, dessen Kirche größer, schöner und umsonst war. Außerdem entschied man dann doch, die Nachforschungen hinsichtlich der Brandstiftung auch später nicht weiter zu verfolgen, da man das Gefühl, einen Brandstifter unter sich zu haben, verstörend fand. Was blieb und immer wieder aufflammte, war Entrüstung über den Diebstahl des schönen Kreuzes, weswegen Elmar nie wieder einen Menschen ins Haus ließ, der nicht zum engsten Familienkreis gehörte. Innerhalb der Familie postulierte er, dass kein Fremder jemals die Stube zu betreten hätte, denn Jesus dürfe unter keinen Umständen gestört werden. Er tat das so vehement, dass weder Bernhard noch Eckerd wagten, ihn zu einer Ausnahme zu bewegen.

So war der katholische Geist im Hause von Herzen omnipräsent und Jesus überlebensgroß, vor allem für Eckerd, der unter dem riesigen Kreuz zu Jesus aufschaute, seit er ganz klein war. Jesus war sein Held. Er hörte ihm geduldig zu, ohne dass er ihn mit Maßregelungen quälte.

Eckerd sah gern zu Jesus auf, besonders seit ihm klar geworden war, dass er ihn irgendwann an Größe überragen würde.

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