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SPARGELSCHAUMSÜPPCHEN

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Gerstenschleim.

Nicht atmen half, wenn man ihn aß.

Früher hatte Raphael bei jeder noch so kleinen Gelegenheit wahre Festessen zubereitet. Er fand, dass er ein guter Koch war. Ein brillanter Koch. Viel zu gut für das hier.

Wenn er ein Rezept las, wusste er sofort, ob es sich lohnte, es zu kochen. Er konnte jede beliebige Kombination aus Zutaten und Gewürzen auf der Zunge schmecken, wenn er sie sich nur vorstellte. Das war auch das Einzige, was ihm geblieben war, der Geschmack eines Gerichts, das er nie essen würde. Ein Gericht, das er nur für andere kochte. Kochen war zur Qual geworden, denn es zu riechen bedeutete, es essen zu wollen, und es zu essen bedeutete Strafe.

Nichts, was er kochte, durfte er noch essen. Nicht mit dem, was er hatte. Nur noch Wasser und Gerstenschleim, damit fraß es sich wenigstens nicht noch weiter durch sein Gesicht.

Der Schleim klebte in seiner Kehle. Trinken machte es schlimmer, dann fühlte es sich an wie ein Schimmelrasen, der von der Zunge bis zum Mageneingang hinunterreichte.

Raphael bereitete für andere wahre Geschmacksexplosionen, aber sein eigenes Leben war Schleim und Schimmelrasen. Genau genommen kochte er noch nicht mal für andere. Er kochte für Tische. Tisch eins, Tisch sechs, Tische waren seine Richter, Tische lobten und tadelten ihn.

Tisch drei ist es zu salzig. Tisch fünf zu scharf. Tisch zwei sagt, das Fleisch ist zäh.

Raphael ging nie zu den Tischen. Würde er hingehen, und sei es nur, um Guten Abend zu sagen – sie würden auf eine Bestellung verzichten, so, wie er aussah. Sie hatten ihn noch nie gesehen, aber sie urteilten über ihn.

Klebriges Schluchzen kroch Raphaels Schlund hinauf. Er versuchte es hinunterzuschlucken, aber es blieb ihm als Kloß im Hals stecken.

Wer immer an einen der Tische kam und aß, gut oder schlecht, der ging danach einfach wieder. Raus in die Freiheit. Nur er musste bleiben. Wahrscheinlich würde er hier sterben.

Tisch sieben. Spargelschaumsüppchen.

Raphael würgte den Kloß aus seinem Hals in einen tiefen Teller, verrieb ihn mit der Kelle, aus der er anschließend das Spargelschaumsüppchen darübergab, und streute frische Gartenkräuter darauf. Tisch sieben konnte ruhig ein wenig Anteil an dem nehmen, was er durchmachen musste. Er stellte den Teller auf die Ablage in der Durchreiche. Das hölzerne Rollo, mit dem sich die Durchreiche schließen ließ, zog er bis auf einen schmalen Spalt herunter und bückte sich, dass er hindurchsehen konnte. Er wartete, bis der Teller geholt wurde, und verfolgte, an welchen Tisch man ihn brachte.

Er ging erst wieder an die Arbeit, als Tisch sieben das Spargelschaumsüppchen aufgegessen hatte.

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