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PREISET DEN KOCH

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Raphael hatte Kopfschmerzen, als ob ihm ein ganzer Tross muskulöser, schwitzender Gleisarbeiter Schienennägel in die Hirnrinde trieb. Zumindest stellte er sich das so vor. Sie hatten alle enge orange Tops an, ansonsten waren sie nackt.

Er hatte gedacht, wenn er sich schon verkriechen musste, würden wenigstens die Verbrechen aufhören. Wenn man aus allem raus war, gab es keine dummen Gelegenheiten mehr, keine offenen Rechnungen, keine schlechten Einflüsse. Und jetzt das. Das Schlechte verfolgte ihn. Es klebte an ihm. Es fraß sein Gesicht.

Ein vergnügliches Pfeifen sagte Raphael, wer unter dem halb geschlossenen Rollo der Durchreiche in die Küche schaute.

»Na, was geht? Alles okay?«

»Gar nichts ist okay. Es ist ekelhaft.«

»Was ist ekelhaft?«

»Was wohl?! Ich brate Menschenfleisch!«

Eckerd verschwand hinter der Durchreiche, um kurz darauf in der Küche wiederaufzutauchen, wo er eine große, starke Hand auf Raphaels knochige Schulter legte.

»Unsere Gäste finden es gar nicht ekelhaft. Im Gegenteil.«

»Dann sag ihnen doch mal, was sie da essen. Sie werden es dir vor die Füße kotzen. Und dann lynchen sie uns alle. Aber wem erzähl ich das. Der Herr wacht ja über uns.« Raphael wurde von einem Schluchzen geschüttelt.

Eckerd stellte sich neben den Herd, sodass Raphael ihn ansehen musste.

»Sorget nicht für morgen, es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Sorge habe. Das ist Matthäus sechs vierunddreißig.«

Raphael bekam einen Weinkrampf. Eckerd ging etwas in die Knie, um ihm direkt in die Augen sehen zu können.

»Was meinst du, was ich für Gewissensbisse hatte. Ich habe das einzig und allein für Frank getan. Es ging ihm so schlecht. Und es wäre nie besser geworden. Aber jetzt ist es vorbei. Er ist jetzt bei Ihm. Was meinst du, wie ich um ihn geweint habe.«

»Gepfiffen hast du.«

»Um das Gewicht meiner Aufgabe ertragen zu können, ja.«

»Und was ist mit dem, was ich zu tragen habe?!«

»Nur mal so … Dein erster ciel plein de violons war für einen Dichter oder Schauspieler, jedenfalls einen sehr feingeistigen Menschen. Willst du wissen, was er gesagt hat?«

Raphael schluchzte. »Was denn?«

»Er hat darauf bestanden, dass ich dem Koch für seine Kunst danke. Er hat Kunst gesagt. Er findet, dass du ein Künstler bist. Und Waldo hat gesagt, dass du besser kochst als seine Mama.«

»Oh, wirklich?«

»Aber er bittet darum, dass wir es für uns behalten.«

Raphael riss ein Papier von einer Küchenrolle und schnäuzte sich die Nase.

»Klar, ich sag’s nicht weiter. Wem auch.«

»Ach ja, und ein Entrepreneur hat gefragt, wie viele Sterne du hast.«

Raphael reckte den Hals. »Oh. Hat er das?«

»Er hat nicht gefragt, ob du Sterne hast, sondern wie viele

Raphael tupfte sich die Tränen, schlenkerte mit dem Spielbein und wedelte mit abgeknicktem Handgelenk. »Jetzt erzählst du aber Quatsch. Du willst mich nur aufmuntern.«

»Klar will ich das. Aber deswegen ist es ja noch lange nicht gelogen. Machst du noch zwei Geigenhimmel?«

»Jep … okay … Geht klar. Dann ist das Filet aber aus. Dann gibt’s nur noch Steak, Hüfte und Hack. Und … Eckerd?«

»Was denn?«

»Danke, dass du mir das erzählt hast. Das war sehr lieb von dir.«

»Ehre, wem Ehre gebührt.« Eckerd ging pfeifend zur Tür.

Raphael sah ihm nach. »Und … Eckerd?«

»Was?«

»War meine Musikauswahl gut bisher? Ich meine, ich hör’s hier drinnen ja anders als draußen und sehe ja auch nicht, wie’s ankommt.«

»Sie ist hervorragend.«

»Ah, gut. Gut. Besser als die Band? Die spielen ganz schön schräg manchmal.«

Eckerd schob sich rückwärts durch die Schwingtüren. »Anders. Erfrischend anders. Du machst das super!«

Eckerd verschwand hinter dem Regal, das den Ausgang von der Küche trennte. Die Flügel der Küchentür wurden aufgestoßen und schwangen unterschiedlich aus, sodass sich ein Rhythmus ergab.

Raphael schnalzte den Rhythmus, schnippte dazu mit den Fingern, drehte eine Pirouette zu einem der hohen Kühlschränke, nahm die letzten beiden Frank-Filets heraus und ließ sie mit Verve in zwei heiße Pfannen gleiten.

Dann probierte er ein Kunststück mit der Pfeffermühle, während er eine Melodie pfiff, von der er vergessen hatte, woher er sie kannte.

Es war Eckerds Melodie.

Von Herzen

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