Читать книгу Morde zwischen Rhein und Themse - Peter Splitt - Страница 10

Samstag, 9. März

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Gütiger Himmel! Der Blick auf die Uhr zwang Beverly, den Tag im Zeitraffer zu starten. Sie hatte verschlafen, ihr Kopf hämmerte. Sie steckte ihr Haar hoch, hetzte unter die Dusche und ärgerte sich. Es war ihr am Vorabend schwer gefallen einfach abzuschalten. Sie hatte sich bis weit nach Mitternacht von Musik und Rotwein einlullen lassen, bevor sie in ihr Bett gekrochen war. Jetzt bekam sie die Quittung. Das Schlafzimmer sah aus, als sei eine Bombe eingeschlagen. Sie griff die nächstbesten Jeans und einen schwarzen Pulli und spülte eine Kopfschmerztablette mit etwas Orangensaft hinunter. Das Frühstück musste ausfallen. Unwillkürlich kam ihr Miller in den Sinn.

Als Beverly den Yard betrat, war sie beinahe fünfzehn Minuten zu spät. Sie fuhr mit dem Aufzug hinauf, hastete den Korridor entlang, und stürmte ohne zu klopfen in Whitefields Büro, wo sie direkt an der Tür mit dem attraktivsten Mann zusammenstieß, der ihr seit Sands begegnet war. „Tut...mir...leid“, stammelte sie, und wich dem Blick seiner tiefblauen Augen aus.

„Ich werde es überleben“, antwortete er scheinbar ungerührt.

Beverlys Magen schien mit einer Kanne viel zu heißen Tees gefüllt.

„Habt ihr schon angefangen?“, versuchte sie wie beiläufig zu klingen. Sie setzte sich auf einen der freien Stühle und bemühte sich, locker zu wirken. Sands hatte sofort bemerkt, was in ihr vorging. Sie konnte es ihm ansehen, während er mit völlig gelassener Miene ihren Blick taxierte. Dir entgeht wohl gar nichts. Sie warf einen finsteren Blick zurück, und er lächelte.

„Endlich … wir können weitermachen“, raunzte Whitefield.

„Das ist Daniel Fleming, Psychologe. Vertretung für Victor Watermann.“ Allister rückte seinen Stuhl zurecht und ließ sein altbekanntes Räuspern hören. „Fleming arbeitet seit 1987 am Institut für Verhaltensforschung … forensische Psychologie, sie wissen schon.“ Er schaute kurz in die Runde und hob dann wieder an. „Fleming, Sie können Ihren Marsch durch die verschiedenen Bereiche antreten. Stanton, zeigen Sie ihm alles … aber zügig. Wenn Sie durch sind, wird Sergeant Evans Ihnen ein paar Takte zu unserem Fall sagen.“

Beverly sah den Neuling an. Tja, Evans. Hättest du das nur vorher gewusst. Dann wärst du hier nicht wie ein Altkleiderständer aufgelaufen.

„Schwul“, raunte Miller nachdem Fleming das Büro verlassen hatte.

„Unsere Ermittlungen stecken fest. Die Spuren der Tatverdächtigen …“ Whitefield runzelte die Stirn; mit der rechten Hand hob er eine Mappe vom Tisch auf. „St. Williams scheint untergetaucht zu sein. Na ja, vielleicht unter anderem Namen. Dieser Daniel Harwood … ich denke mal, dass die Behörden ihn geschützt haben … damit er Ruhe hat. Damit die Pflegefamilie nicht belästigt wird. Sie wissen schon.“ Whitefield wirkte abgearbeitet, sein graues Haar war im Neonlicht beinahe weiß. Seine Wangen hingen schlaff herab, die Falten um seinen Mund schienen sich in den letzten Tagen noch tiefer eingegraben zu haben. Zwei ungelöste Fälle und die Tatsache, dass es vor zwanzig Monaten einen riesigen Pressetumult gegeben hatte, das musste wie ein Felsbrocken auf ihm lasten. „Ich will Informationen über jedes wichtige Detail, und das sofort. Und ich will Ergebnisse, verdammt noch mal.“ Alle im Raum sahen den Superintendent an. Es war eindeutig, dass er Druck von oben bekommen hatte und unschwer zu erkennen, dass er ihn jetzt ungefiltert an das Ermittlerteam weitergab. B

everly seufzte leise. Was sonst sollte er auch tun? Sie waren, von Miller vielleicht abgesehen, alle motiviert an diesen Fall herangegangen, aber der Stillstand zehrte an den Reserven.

„Ran jetzt“, hob Whitefield ein letztes Mal an.

Niemand sprach ein Wort, als sie sein Büro verließen.

„Nun“, begann Daniel Fleming, „dann bringen Sie mich mal auf den neuesten Stand der Dinge.“ Der Psychologe hatte sich Beverly gegenüber hingesetzt; sie war fasziniert von seiner Ausstrahlung. Niemals vorher hatte sie solche Augen gesehen, strahlend aber dennoch voller Melancholie. Sein dunkelblondes Haar war kurz geschnitten und ein wenig verwuschelt. Es gab seinem Äußeren etwas Verwegenes. Seine Gesichtszüge waren wie das Werk eines Bildhauers, klassisch schön. Vermutlich war sein dunkler Anzug maßgeschneidert. Doch eines gefiel Beverly besonders gut an diesem Mann: Er trug keinen Ring.

„Wir ermitteln in zwei Mordfällen. … Die Recherchen haben uns bis ins Jahr 1963 zurückgebracht.“ Beverly berichtete über alle Anhaltspunkte, die bisher von den Kollegen zusammengetragen wurden, legte die Ergebnisse der Gerichtsmedizin vor, zeigte Fotos der Opfer. Sie erläuterte die Vermutungen, die hinsichtlich der möglichen Täter aufgekommen waren, und begründete das Für und Wider ihrer Theorien. Fleming lauschte ihren Ausführungen und immer wieder fühlte sich Beverly von seinem Blick seltsam berührt. „Inzwischen sind wir an einem Punkt angekommen, der nicht mehr viel hergibt“, schloss sie und schaute ihn abwartend an.

Er zog die Augenbrauen hoch und atmete hörbar ein. Rein optisch, befand Beverly, war dieser Mann ein Volltreffer. Ob er Victor auch fachlich das Wasser reichen konnte, das bezweifelte sie. Allein beim Klang des Wortes Institut, schwebte Beverly der Gedanke an staubtrockene Theorie im Kopf, nichts, das mit der Realität zu tun hatte. Außerdem hatte er, das stand für sie von vornherein fest, keinen blassen Schimmer von Polizeiarbeit, von den Strukturen und den ungeschriebenen Gesetzen. Victor würde zurück sein, bevor sich dieser Fleming überhaupt halbwegs eingearbeitet hatte.

„Sie warten aber jetzt nicht darauf, dass ich hier auf der Stelle den ultimativen Geistesblitz liefere?“, holte er sie aus ihren Gedanken.

Sie lächelte. „Was sonst?“

„Ein wenig Einarbeitungszeit müssen Sie mir zubilligen.“

„War ein Scherz!“

„Sie arbeiten schon länger hier?“ „Ja“, sie hielt kurz inne, „es sind inzwischen vier Jahre.“

„Sie wirken ziemlich abgeklärt“, stellte er fest und fixierte sie mit seinen dunklen Augen.

„Das war kein Kompliment.“ Sie konnte keine Reaktion in seiner Mimik lesen, spürte gerade deshalb das Bedürfnis sich zu erklären. „Das ist Selbstschutz. Das müssten Sie doch wissen!“

„Ja, in der Tat. Kann ich die Unterlagen noch einmal in Ruhe durchsehen?“

Beverly stapelte die Dossiers und reichte sie ihm. Er schob sich eine Lesebrille auf die Nase; sie betrachtete ihn. Die Vorstellung, ihm die Brille wieder abzunehmen, um ihn zu küssen. … aber warum hatte sie plötzlich das wirklich alberne Gefühl, sie würde Sands betrügen? Sie seufzte.

Sie ließ Fleming in dem kleinen Büro allein, weil er sich entschieden hatte, die Akten gleich hier und auf der Stelle durchzuarbeiten. Verdammt, wieso kam sie von dem Gedanken an Sands nicht los? Er war verheiratet. Er hatte ihr nicht ein einziges Mal einen Anlass zu der Hoffnung gegeben, sie hätte eine Chance bei ihm. Und du, Evans, bist trotzdem hoffnungslos in ihn... Vergiss es endlich! Ja, sie wollte einen Mann an ihrer Seite, aber einen Mann der ihre Gefühle erwiderte. War nicht gerade Sands derjenige, der diese Sehnsucht nie erfüllen würde? Warum übte er einen so unwiderstehlichen Reiz auf sie aus? Wenn sie ernsthaft daran dachte, eine überlebensfähige Beziehung mit einem anderen Mann einzugehen, dann musste sie lernen, die Gefühle für Harold Sands endlich hinter sich zu lassen. Ihr Privatleben hatte sich auf Belanglosigkeiten reduziert, sie arbeitete lieber, als sich der Einsamkeit ihrer Wohnung zu stellen, als sich dort mit der Frage zu beschäftigen, warum sie sich immer die falschen Männer aussuchte. Wollte sie ernsthaft so weitermachen? Es hätte so einfach sein können. Sie brauchte es nur zuzulassen.

Es war Dienstschluss; das Unbehagen, das sich in Form des Wochenendes genähert hatte, war jetzt unabwendbar da. Beverly hatte ihrer Mutter versprochen, dieses Wochenende bei ihr in Aldermaston zu verbringen, aber sie bereute es schon jetzt. Während sie ihre Reisetasche packte, grübelte sie über passende Ausreden nach, vielleicht sollte sie sich einfach krank ins Bett legen. Sie schminkte sich und sah dabei das Schuldbewusstsein in den grünen Augen. Sie hatte versprochen zu kommen, ihre Mutter hatte Geburtstag.


Aldermaston war ein kleiner Ort, etwa fünfzig Kilometer westlich von London. Sie erinnerte sich daran, wie frei sie sich gefühlt hatte, als sie die provinzielle Enge endlich hatte verlassen können. Besonders heute spürte sie, wie bedrückend es war, dorthin zurückzukehren. Stell dich nicht so an, Beverly, es ist ja nur für eine Nacht. Sie warf die Tasche in den Wagen und machte sich im verebbenden Tageslicht auf den Weg. Sie verließ die beleuchteten Straßen und fuhr hinaus in die Dunkelheit. Was hatte dieser Fleming gesagt? Abgeklärt? Pah, was wusste er denn schon von ihr? Ja, sie war froh, wenn es ihr gelang, die grausamen Bilder verdrängen zu können, wenn sie nicht ständig darüber nachdenken musste. Sie war froh darüber, wenn sie einen kühlen Kopf bewahren konnte. Kühl, nicht kalt, denn es war immer noch die Bereitschaft da, Mitgefühl zuzulassen. Zumindest sich selbst gegenüber konnte sie zugeben, dass es oft wehtat. Was wusste schon dieser Daniel Fleming! Peggy Brown war eine hagere, hochgewachsene Frau Anfang vierzig, deren verkniffener schmaler Mund und die restlos weggezupften Augenbrauen sie wesentlich älter wirken ließen. Ihre blassgrünen Augen wirkten tonlos und matt, das kurze rote Haar kräuselte sich wie eine Pudelfrisur um das blasse Gesicht. Sie trug einen geblümten Rock, der die Knie bedeckte, dazu eine schlichte weiße Bluse. Förmlich reichte sie Beverly die Hand, ihre schmalen Lippen versuchten ein Lächeln. „Hallo Bevy-Baby, immer noch solo?“ „Hallo, Peggy.“ Beverly schob sich mit ihrer Tasche durch den engen Flur und stellte sie auf die Treppe. „Wo ist Mum?“ „In der Küche, wie immer.“ Peggy drängte sich an ihrer jüngeren Schwester vorbei und öffnete die abgeblätterte weiße Tür an der Stirnseite des Flures. „Mum, Bevy ist da.“

Mrs. Evans hätte nicht leugnen können, dass Peggy ihre Tochter war. Sie war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Mit Beverly hatte sie, wenn man von den kupferroten Haaren und den grünen Augen einmal absah, nichts gemein. Melinda Evans Statur war von Arbeit gebückt, ihr Gesicht von Falten durchzogen und genauso verkniffen wie das ihrer ältesten Tochter. Ein Großteil ihres kurzgeschnittenen Haares war ergraut. Sie drehte sich zu Beverly um. „Hallo, Kind. Bring deine Sachen rauf.“ Wortkarg wie sie war, wandte sie sich wieder dem Herd zu.

Da ist sie wieder, dachte Beverly. Mums Angst, … Mums Angst vor Peggys Missgunst.

Das Gästezimmer war einmal Beverlys Zimmer gewesen, doch nichts erinnerte mehr daran. Peggy hatte jegliche Erinnerung an ihre jüngere Schwester aus diesem Raum verbannt. Eine Schlafcouch, ein Kleiderschrank und ein Sessel waren die einzigen Möbel. Der weiß geflieste Boden, die hellblauen schlichten Vorhänge und die weiße Tapete gaben dem Raum etwas Kaltes. Es war nichts vorbereitet. Peggy zeigte ihr wieder einmal deutlich, was sie vom Besuch ihrer Halbschwester hielt. Beverly zog die Schlafcouch auseinander. Sie nahm die Bettwäsche aus dem Schrank, um die Decke zu beziehen, die zusammengeknautscht auf dem Schrank gelegen hatte. Es war ja nur für eine Nacht. Sie blickte aus dem Fenster und sah Peggy mit einer Taschenlampe über den Hof zum Hühnerstall gehen.

Es könnte alles ganz normal sein, es könnte sogar schön sein, ohne diese ständige und sinnlose Eifersucht. Ja, genau das ist es, diese Eifersucht macht alles kaputt. Beverly ging hinunter in die Küche. Was immer ihre Mutter da zusammenbraute, es duftete köstlich. „Wie geht’s dir, Mum?“ Sie schob Melinda ein kleines Bündel Geldscheine in die Schürzentasche und streichelte ihr unsicher über den Rücken. „Das gibst du nur für dich aus, Mum, kauf dir irgendwas Schönes, ja?“

Mrs. Evans blickte auf. „Bevy, du weißt, dass ich nichts brauche. Peggy und Robert sorgen für mich.“

„Ich will, dass du es nimmst, Mum. Kauf dir was Schönes zum Anziehen, irgendwas, nur für dich.“

„Die Küche bräuchte einen neuen Anstrich, Farbe könnte ich kaufen.“ Beverly seufzte.

„Hier sind die Eier, Mum“, Peggy hielt kurz inne, ihr argwöhnischer Blick sprang zwischen den beiden Frauen hin und her,.

„Bevy, du hast ihr doch nicht schon wieder Geld gegeben“, sagte sie vorwurfsvoll.

Melinda senkte schuldbewusst den Kopf.

„Du kümmerst dich auch sonst nicht um Mum, also lass das! Sie hat alles, was sie braucht.“

„Peggy, das ist unfair! Du weißt, dass ich nicht ständig von London rüberkommen kann; ich bin ja auch dankbar, dass ihr bei Mum wohnt und sie nicht allein ist. Aber wirf mir das nicht ständig vor. Du wolltest schließlich nie von hier weg!“

„Ach, Kinder, müsst ihr euch denn immer streiten?“

Peggy rümpfte die Nase, sie verließ mit einem Stapel Teller in den Händen die Küche. „Ich decke den Tisch, Robert wird gleich kommen, und Tante Rebecca ist sicher auch schon im Anmarsch.“

Robert Brown kam pünktlich von der Schicht. Er war Maschinenführer in einer Fabrik in Reading. Nachdem er sich frisch gemacht und umgezogen hatte, gesellte er sich zu ihnen.

Robert und Peggy hatten gleich nach Beverlys Auszug geheiratet und das Haus umgebaut. Beverly war es damals so vorgekommen, als habe Peggy nur darauf gewartet, ihre Schwester endlich loszuwerden. Das war nun schon fast zehn Jahre her. Robert war ein etwas untersetzter Mann, aber seine lebhaften runden Augen strahlten mit einer Selbstverständlichkeit, dass es jeden ansteckte. Sein glattes dunkelblondes Haar war sauber gescheitelt, seine rundlichen Wangen glühten. „Hallo, da ist ja meine allerliebste Schwägerin.“ Er riss sie an sich und drückte sie mit solcher Inbrunst, dass sie glaubte, ihre Rippen würden zu splittern anfangen.

„Hey, Robert. Lass meine Knochen heil.“

„Ja, ja, die Evans-Frauen. Irgendwie hat man nie richtig was in den Armen.“ Er grinste.

Beverly war sich sicher, dass Robert es nur mit ihrer knurrigen Schwester aushielt, weil er alles mit Gelassenheit nahm und selbst ihre Spitzen mit Humor ertrug. Sie mochte ihn. Er strahlte die Herzlichkeit aus, die Peggy fehlte, er brachte Wärme in dieses Haus. Es war schön zu sehen, wie nett er mit seiner Schwiegermutter umging. Es war erstaunlich, wie er es immer wieder schaffte, Peggy trotz ihrer Launen um den kleinen Finger zu wickeln. Er war der ideale Mann für sie, optimistisch, locker und leidensfähig.

Er setzte sich und blickte erwartungsvoll über den gedeckten Tisch. „Na, was gibt es denn Gutes?“

„Kannst du immer nur ans Essen denken, Robert?“, erwiderte Peggy gereizt.

„Ans Essen, ans Kochen und an dich“, lachte er.

„Hör auf damit. Bevy, setz dich da rüber. Wo bleibt Tante Rebecca? Kann sie denn nie pünktlich sein? Sie hat es sicher vergessen. Oder sie treibt sich wieder rum.“ Es klingelte, als Peggy sich gerade gesetzt hatte. Sie stand mit einem wütenden Schnauben wieder auf.

„Ich kann hingehen“, warf Beverly ein, aber Peggy schob sich an ihr vorbei. „Nein, du nicht!“


Rebecca war zwei Jahre älter als ihre Schwägerin, aber im Gegensatz zu Melinda sah man ihr das Alter nicht an. Sie war trotz ihrer dreiundsechzig Jahre ein Hingucker, modisch gekleidet, dezent geschminkt, immer perfekt frisiert. Tante Rebecca war Dauergesprächsstoff in Aldermaston. Beverly wusste, dass ihre Schwester diese Tatsache peinlich fand. Peggy war der Ansicht, dass Rebecca sich völlig daneben benahm, weil sie immer wieder dem einen oder anderen Witwer der Stadt den Kopf verdrehte.

Rebecca verlor keine Zeit und stürmte auf Beverly zu. „Wie lange habe ich dich nicht mehr gesehen? Mein Gott, Beverly, schön wie die Venus.“

„Danke, ich gebe das Kompliment unverändert an dich zurück. Wie geht es dir?“

„Bestens. Ich bin frisch verliebt.“ Rebecca setzte sich neben Robert und puffte ihm mit dem Ellenbogen in die Seite.

Er lachte. „Hilfe, diese scharfe Tante baggert mich immer an.“

Peggys Ausdruck war wie versteinert.

Rebecca nestelte in ihrer Handtasche und zog ein kleines Päckchen hervor. „Schwesterherz, für dich.“

„Wir wollten diese Schenkerei doch sein lassen“, mäkelte Peggy.

„Du vielleicht. Was ich tue, musst du mir schon selbst überlassen. Ich bin schließlich alt genug“, konstatierte Rebecca ruhig.

„Ja, vor allem alt.“

Robert warf seiner Frau einen wütenden Blick zu, aber Rebecca lächelte beschwichtigend. „Was manchmal von Vorteil ist, weil man im Alter viele Dinge nicht mehr so verkniffen sieht.“

„Wenn du das Lotterleben meinst, über das sich alle das Maul zerreißen!“

„Peggy!“ Robert war aufgesprungen; Beverly hatte ihn noch nie mit einem solch unbeherrschten Gesichtsausdruck gesehen. Rebecca zog ihn am Ärmel zurück auf seinen Stuhl. „Liebe Nichte. Wir sollten das klären, bevor wir deiner Mutter den Geburtstag verderben. Merke dir bitte: Es ist ganz allein meine Sache, wie ich mein Leben lebe, solange ich niemandem damit schade. Wenn die so genannten Leute darüber tratschen wollen, so sollen sie es meinetwegen tun. Es lässt mich kalt, weil es mit der Wahrheit wenig gemein hat. Wenn du allerdings glaubst, Peggy, ich würde dir schaden, weil ich die Familie dadurch in den Schmutz ziehe, dann kannst du allen gern sagen, dass du mit deiner Tante nichts zu schaffen hast.“ Sie nahm ihr Glas und prostete allen zu. „Gegen das Gerede kann ich dir übrigens Ohrstöpsel empfehlen. Lasst uns jetzt trinken, auf Melinda Evans und die einundsechzig Jahre, die sie auf dieser Erde weilt.“


Sie stießen an und tranken, während Peggy mit hochrotem Kopf hastig das Zimmer verließ.

„Ja, du hast Recht“, keifte sie, bevor sie die Tür zuschlug, „du und Bevy, ihr seid wirklich eine Schande für die ganze Familie.“

Morde zwischen Rhein und Themse

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