Читать книгу Morde zwischen Rhein und Themse - Peter Splitt - Страница 22
Donnerstag, 21. März
ОглавлениеAls Beverly mit zusammengekniffenen Augen auf den Wecker sah, war es halb sieben. Sie setzte sich auf.
Daniel lag nicht mehr in ihrem Bett. Wahrscheinlich war er im Bad. Sie zog sich ihren Morgenmantel über und schlich müde durch die Wohnung. Seine Kleidung war verschwunden. Entsetzt stellte sie fest, dass es hier keinen Psychologen mehr gab. Sie spürte, wie sich etwas Undefinierbares in ihrem Inneren zusammenbraute. Sie ging unter die Dusche, verharrte eine Weile unter dem warmen Wasserstrahl, reglos, mit geschlossenen Augen. Jetzt hat er, was er wollte. Er hat dich rumgekriegt. Wie nur konntest du auf die lächerlichen paar hundert Rosen reinfallen? Sie zog sich an und kickte das cremefarbene Kleid missmutig vor sich her. Evans, du bist auch zu blöd. Sie hob die neuen Pumps auf und schleuderte sie in den Schuhschrank. Unentschlossen blieb sie stehen.
Dann klingelte es. Mit einem Anflug unbestimmter Hoffnung ging sie zur Tür und riss sie auf. „Wo warst du?“ Dämliche Frage. Es war nicht zu übersehen. Fleming war so bepackt, dass er die Brötchentüte mit den Zähnen hielt. Beverly nahm sie ihm ab. Die Erleichterung brach sich augenblicklich Bahn, sie musste lachen.
Es war Punkt acht, als sie ihre Wagen nebeneinander in der Tiefgarage des Yard abstellten. Sie fuhr allein mit dem Fahrstuhl rauf, weil Daniel unbedingt die Treppe nehmen wollte. Sie trafen sich im Treppenhaus wieder, sahen sich an, ganz so, als hätten sie sich eine Ewigkeit nicht getroffen.
In den Fluren herrschte Hochbetrieb. Hays eilte an ihnen vorbei. „Fleming, Besprechung bei Whitefield in zehn Minuten!“ Er verschwand in einem Büro, tauchte sofort wieder auf und nahm die nächste Tür.
„Er weiß inzwischen auch nicht mehr, wo ihm der Kopf steht.“ Daniels Blick lag einen Moment lang auf der Tür, durch die Hays abgehetzt verschwunden war, dann sah er Beverly an.
„Kommst du anschließend auch zu uns ins Team?“, wollte sie wissen.
„Ja. Whitefield hat mir volles Programm verordnet. Erst Hays, anschließend euer Team, dann Dexter.“
„Na, herzlichen Glückwunsch.“
Sie gingen den Korridor entlang direkt zu Whitefields Büro, aber er war nicht da. Es war nicht abgeschlossen, und zwei von Hays Mitarbeitern saßen bereits angespannt wartend in der hintersten Ecke, als seien sie dort in Sicherheit, sollte der Superintendent doch auf die Idee kommen, mit Akten zu werfen. Es war in seiner derzeitigen Stimmung nicht einmal abwegig.
Sie blieben auf dem Flur. Einige Mitarbeiter verschwanden in Büros und Besprechungszimmer, dann war der Korridor plötzlich menschenleer. Daniel drängte Beverly sachte mit dem Rücken an die Wand und küsste sie, während seine Hände unter ihren Mantel wanderten und den Konturen ihres Körpers folgten. Sie spürte seine Wärme durch den Stoff ihres Pullis, heiße Wellen zogen wie kleine Schauer über ihre Haut. Es war nur so ein Gefühl, aber sie wusste, dass jemand den Flur entlang ging, bevor sie Schritte hörte. Langsam löste sie sich von Flemings Mund und sah Sands, der gerade mit einem ich hab überhaupt nichts gesehen Blick an ihnen vorbeiging. Sie ließen voneinander ab und Beverly räusperte sich. „Ich dachte, du wärst schon unterwegs nach Birmingham?“
Sands sah kurz auf die Uhr. Er sah abgespannt und müde aus.
„Das dachte ich auch.“
„Und?“, forschte sie.
„Es ist etwas dazwischen gekommen. Eigentlich bin ich schon weg. Ich denke, dass wir morgen Mittag Genaueres wissen.“ Er lächelte matt und ging.
Sie sahen ihm nach; in Daniels Augen lag ein seltsamer Ausdruck. „Meinst du, er findet was raus?“
„Darauf kannst du dich verlassen.“
Hays und seine Truppe hatten ihren Ärger mit dem Vorgesetzten bereits kassiert. Die Spannung, die mit ihnen auf den Korridor strömte, war durchaus spürbar. Sands Team betrat das Büro ohne ihn, im wahrsten Sinne des Wortes also kopflos, und nicht gerade begeistert, nachdem sie die Gesichter gesehen hatten, die ihnen entgegenkamen.
„Was ist jetzt mit den verdammten chiffrierten Anzeigen? Wir brauchen die Nummern, wir brauchen die Namen.“ Whitefield brodelte während Stanton nervös seine Listen sortierte.
„Sie geben die Telefonnummern und Adressen nicht raus.“ „Machen Sie Druck, Bill. Machen Sie den Knaben von der Presse mal Feuer unterm Hintern. Drohen Sie mit einem Durchsuchungsbefehl.“
„Den würden wir für so eine Sache gar nicht bekommen.“
„Das weiß ich auch, Sie Schlaumeier“, raunzte Allister.
„Sie sollen nur damit drohen.“
„Diese Leute lassen sich nicht drohen“, warf Beverly ein. „Die wissen ganz genau um die Rechtslage. ... Aber wir bekommen Telefonnummern von der Anzeigenabteilung der London News. La Vince hat es mir zugesagt.“
Miller beugte sich vor. „Hast du dafür auch die Beine breit gemacht?“ Hank kam nicht mehr zu seinem perfiden Grinsen, die Faust, die in seinem Gesicht landete, war schneller. Der Stuhl, auf dem er saß, kippte wie in Zeitlupe rückwärts und Miller mit ihm. Mit einem Krachen landete er auf dem Boden, Blut lief ihm aus der Nase. Whitefield war aufgesprungen, er schrie. „Sind Sie verrückt geworden?“ Henderson sah dem Schauspiel gebannt zu. Miller rappelte sich auf, er ballte die Fäuste. Stanton hielt ihn zurück. Whitefield brüllte, die Adern an seinen Schläfen traten hervor. „Das ist doch nicht zu fassen. Prügeln Sie sich woanders, Fleming! Das wird ein Nachspiel haben! ... Und Sie, Miller, halten Sie in Zukunft gefälligst Ihre blöde Klappe!“ Er sackte zurück in seinen Stuhl und schnappte nach Luft. Mit der Rechten griff er in die Schublade, zog sein Aerosol hervor und sprühte sich in den Rachen.
Miller holte ein zerknülltes Taschentuch aus der Hosentasche und hielt es sich unter die Nase. Seine hasserfüllten Blicke waren auf Fleming gerichtet.
Auch Beverlys Blicke klebten an Daniel. Erst stopfte er ihr Auto mit Rosen voll, dann gab er Miller eins auf die Nase; sie fragte sich, was er als Nächstes tun würde. Er setzte sich wieder und schien dabei die Gelassenheit in Person zu sein.
„Wann bekommen wir die Nummern?“, knüpfte Whitefield, immer noch schwer atmend, da an, wo sie notgedrungen stehen geblieben waren. Seine Stimme klang heiser.
Beverly hatte nach dieser Szene Mühe, zum eigentlichen Geschehen zurückzufinden. „Kann ich nicht definitiv sagen. Ich werde ihn noch einmal anrufen.“
Sie sah, wie es in Millers Gesicht zuckte, aber er schwieg. Whitefields Telefon klingelte, er nahm ab. Seine Mundwinkel wanderten langsam noch weiter nach unten, während ihn jemand am anderen Ende mit einem Wortschwall übergoss. Er seufzte. Dann legte er auf. Seine Hand glitt kraftlos am Telefon herab auf den Schreibtisch. „Wieder eine tote Prostituierte. ... Fleming, Dr. Morrow und Hays warten im Autopsiesaal auf Sie.“
Daniel wurde kreidebleich, und Miller fand augenblicklich zu seiner Form zurück. „Ja, ja, Fleming. Kleine Sünden straft der Herrgott sofort.“
Beverly versuchte bis zum Mittag vergeblich, La Vince ans Telefon zu bekommen. Sie spielte gerade mit dem Gedanken, persönlich zur London News zu fahren, als das Telefon klingelte. Sie griff nach dem Hörer, eine Frau meldete sich, die sich als Schwester Susan vorstellte. „Tim Wilson war gestern in unserer Unterkunft für Obdachlose“, sagte sie ruhig.
„Gestern? Wieso haben Sie uns nicht angerufen? Wo ist er jetzt?“, fragte Beverly entgeistert.
„Das können wir Ihnen nicht sagen. Wir wissen es nicht. Wir sind darüber hinaus der einhelligen Meinung, dass er unschuldig ist.“
„Sie sind ein Orden, kein Schwurgericht.“
„Tim Wilson ist ein sanfter Mensch. Vorbildlich in seinem Benehmen. Stets zuvorkommend. Er hat in der Kapelle die Orgel zu den Gottesdiensten gespielt. Er hat nie etwas verlangt. Er war immer mit dem zufrieden, was wir ihm gewährt haben, Unterkunft und Essen. Er kann so etwas nicht getan haben. Darum haben wir ihn weggeschickt, damit er nicht unschuldig in den weltlichen Mühlen zermahlen wird.“
„Sie machen sich strafbar, Schwester Susan.“
„Strafe ist allein die Sache Gottes, Sergeant. Wir haben unser Versprechen gehalten. Ich habe mitgeteilt, dass er bei uns war.“
„Ja, aber zu spät. Wenn er wirklich unschuldig ist, hat er nichts zu befürchten.“
„Das haben wir ihm gesagt.“
Beverly schnappte nach Luft. „Sie haben ihm gesagt, dass wir ihn suchen?“
„Hätten wir lügen sollen?“
„Schweigen hätte auch gereicht.“
„Wir schließen ihn in unsere Gebete ein. Wir werden auch für Sie beten, Sergeant. Wir werden dafür beten, dass Sie den richtigen Weg finden.“ Schwester Susan legte auf.
Beverly fragte sich, wie sie das Whitefield beibringen sollte. St. Williams war jetzt gewarnt. Wenn er bislang vorsichtig war, würde er ab jetzt noch wachsamer sein. Sie erhob sich, machte sich auf, Allister die nächste schlechte Nachricht zu überbringen.
Sie klopfte und trat ein. Er saß allein in seinem Büro, auf seinem Schreibtisch türmten sich Unterlagen und Akten. Er blickte vor sich, als ob er las, aber unter seinen Augen gab es nur die Kunststoffunterlage aus dunklem Grün.
„St. Williams war gestern bei den Nonnen. Sie haben ihn weggeschickt. Er weiß jetzt, dass wir ihm auf der Spur sind.“
Beverly wartete eine kurze Ewigkeit, dann erst blickte Superintendent Whitefield auf. Er sah sie schweigend an und drehte ein Radiergummi zwischen seinen dicken Fingern. Dann räusperte er sich, wie sie es von ihm gewohnt war. „Schreiben Sie einen Bericht, Evans, und heften Sie ihn ab“, sagte er ohne jegliche Gefühlsregung in der Stimme. Dann senkte er den Blick wieder auf die Schreibtischunterlage. Beverly wartete, weil sie nicht glauben konnte, dass damit alles gesagt war. Sie rührte sich nicht, bis er sie ohne aufzublicken mit einer Handbewegung hinauswinkte. Sie verließ den Raum mit genau dem gleichen unguten Gefühl, das sie schon beschlichen hatte, als sie ihn mit Sands hatte streiten sehen.
Im Korridor standen Hays, seine Leute und Fleming. Die Stimmung schien auch dort im tiefsten Keller zu liegen. Hays fuchtelte mit den Armen, seine Stimme schwankte aufgeregt zwischen laut und leise. Beverly bekam nur einzelne Wörter mit, und die klangen nicht besonders verheißungsvoll. Daniel sah sie aus Whitefields Büro kommen. Ein kurzer intensiver Blick von ihm traf sie, er schlug wie ein Blitz ein. Sie konnte es kaum erwarten, seinen Körper wieder zu spüren.
Stanton schob fluchend Akten in seinen Schrank. „Ich könnte diesen Nonnen den Hals umdrehen. Wir hätten ihn gehabt. Nicht zu fassen. Man sollte diesen Weibern mal in den...“
„Versündige dich nicht, Billy“, grinste Miller. „Sonst belegen sie dich mit einem Fluch, und du rennst den Rest deines Lebens mit Impotenz rum.“
Henderson verdrehte die Augen.
„Wir hätten dieses Haus beschatten lassen sollen“, seufzte Beverly.
„Gerade von den Nonnen hätte ich mehr Gradlinigkeit der Polizei gegenüber erwartet“, bemerkte Stanton enttäuscht.
„Ich nicht. Ich kann dir da Sachen erzählen, da sträuben sich einem die Nackenhaare.“
„Lass deine komischen Geschichten mal stecken, Hank“, warf Bill mit einem genervten Gesichtsausdruck ein.
„Ganz wie du meinst, dann mach ich jetzt Feierabend.“ Miller erhob sich und ging zur Tür, die in diesem Augenblick geöffnet wurde. Wie angewurzelt blieb er stehen und sah Daniel mit zusammengekniffenen Augen ins Gesicht. „Sie tragen aber ein ziemlich schwules Parfüm, Fleming.“
„Und sie, Miller, stinken wie immer nach Whisky.“ Er schob sich an Hank vorbei und ging zu Beverly, die eine Hand auf seinen Arm legte.
„Ach, so ist das!“ Millers Gesichtsausdruck durchlief mehrere Stadien, bis er wieder auf Angriff programmiert war. „Ich würde die Finger von dem kleinen Luder lassen. Sie wären nicht der erste, der einen frühen Herztod erleidet.“ Sein Blick traf
Beverly, und sie wusste, dass Stanton die Anspielung verstanden hatte, denn er sah sie ungläubig an. Miller lächelte süßlich und verließ erhobenen Hauptes das Büro.
„Glaub ihm kein Wort, Bill“, war das erste, was Beverly spontan über die Lippen kam. „Er dichtet mir doch ständig was an. Ich hatte nichts mit Edward“, log sie.
Beverly war allein zu ihrer Wohnung gefahren. Sie duschte, zog frische Sachen an. Sie wusste eigentlich nicht viel mehr von Daniel, als dass er Psychologe war. Sie wusste nicht einmal, wo er wohnte. Das würde sich jetzt ändern. Sie zog ihren Mantel über, verließ die Wohnung und stieg in ihren Wagen. Sie wollten gemeinsam kochen. Wenn er in der Küche genauso gut war wie sie, dann würde es heute Abend Nudeln oder Spiegeleier geben. Sie hielt vor der roten Ampel und warf kurz einen Blick auf die Wegbeschreibung. Warum nur wurde sie dieses verdammte, dieses schleichend ungute Gefühl nicht los? Locker bleiben, Evans! Er ist genauso scharf auf dich, wie du auf ihn. Aber wo ist der Haken? Es gab bislang immer einen Haken. Entspann dich. Wieso solltest du nicht endlich Glück haben? Schalt endlich die Negativregion in deinem Hirn aus. Sie bog ab und folgte dem Straßenverlauf. In dieser Gegend des Stadtteils Richmond gab es viele ältere Bürohäuser. Einige wurden in den letzten Jahren abgerissen, einige zu Wohnungen umgebaut, einige privat verkauft und saniert. Sie fuhr langsam und versuchte die Hausnummern zu entziffern. Da war es. Nummer einundsiebzig. Sie bog in die Einfahrt ein, fuhr auf das Gebäude zu und hinunter in die Tiefgarage. Sie drehte zwei Runden, bis sie sein Auto sah und parkte ihren Wagen daneben. Sie stieg aus. Der Durchgang zum Aufzug war gut beleuchtet. Sie fuhr in den fünften Stock und trat auf den Korridor. Rechts hatte er gesagt. Sie ging auf die Tür an der Stirnseite zu und schaute auf das Türschild: D. Fleming. Sie klingelte. Er war verdammt schnell an der Tür und sie küssten sich im Türrahmen, nachdem sie ihre Uhren abgelegt hatten.
Er hatte ihr im Vorraum den Mantel abgenommen, jetzt drehte sie sich zweimal um sich selbst. Das Wohnzimmer war riesig. Drei Betonsäulen stützten die hohe Decke, der Fußboden war aus hellem Holz und eine der schmaleren Wände verschwand hinter einem riesigen Regal, das bis auf die letzte Lücke mit Büchern gefüllt war. Die gegenüberliegende Seite war komplett verglast, dort stand ein kleiner Baum, der fast bis an die Decke reichte. Man hatte einen Blick über die Häuser, und direkt in den Himmel. Die wenigen Möbel, Esstisch und Stühle, ein Schrank und ein Vertiko waren schnörkellos und stilvoll. Ein großer Kunstdruck hing über der hellen Couchgarnitur. Abstrakt. Die Linienführung und das Spiel der rot-braunen Farbtöne ließen nur erahnen, dass zwei Körper miteinander verschmolzen. Auf dem Vertiko standen gerahmte Fotos. Beverly warf einen kurzen Blick darauf und bemerkte, dass einer der Rahmen leer war. Sie sah Daniel an. „Die Wohnung ist ja Wahnsinn.“
„Freut mich, dass sie dir gefällt. Das Ding war früher ein Großraumbüro. Es hat ganz schön Nerven gekostet was Bewohnbares daraus zu machen.“
„Hast du diese Bücher alle gelesen?“
'„Bis auf wenige Ausnahmen, ja. Ich hasse es, mit einem Lexikon ins Bett zu gehen.“
Sie lachte und folgte ihm in die Küche. Es gab keine Nudeln. Es gab auch keine Spiegeleier. Die Art, wie er ganz selbstverständlich hier herumhantierte, erinnerte sie an Robert. Ihr Schwager war ein exzellenter Koch, und was das anbelangte, fraß Peggy ihm aus der Hand. Sie konnte noch so wütend auf ihn sein, wenn sie sich an den perfekt gedeckten Tisch setzte, er die Kerzen anzündete und servierte, war aller Ärger vergessen.
Beverly schnitt die Kartoffeln in dünne Scheiben, würzte sie und schob sie in den Backofen. Sie schnipselten Paprika in kleine Würfel, bestreuten damit das Lachsfilet in der Auflaufform. Sie experimentierten mit der Soße, bis sie schmeckte und übergossen den Fisch. Der Lachs folgte den Kartoffelscheiben in den Herd, Daniel stellte den Timer ein, dann deckten sie den Tisch im Wohnzimmer.
Sie war in ausgeglichener Stimmung, das wollte sie auch bleiben. Sie versuchte alle Grübeleien beiseite zu schieben, die sie aus dem Hinterhalt anflogen. Sie lag in Daniels Armen auf der Couch und seine Finger spielten in ihren Haaren. Sie nippte an ihrem Weinglas, nahm den Duft von gegartem Lachs und gerösteten Kartoffeln wahr. Als der Timer piepte, ging Daniel in die Küche; Beverly nahm den Wein mit an den Tisch. Es war alles zu perfekt, und wieder spürte sie das alte Misstrauen in sich wachsen.
„Wo ist der Haken?“, fragte sie ihn, während sie aßen.
Er schaute nur irritiert, das zwang sie, ausführlicher zu werden.
„Ich hatte bislang nur Pech mit Männern. Meistens habe ich zu spät herausgefunden, dass sie verheiratet waren. Wenn du wirklich solo bist, Daniel, wo ist dann der Haken?“
Er lächelte. „Natürlich gibt es einen Haken. Es gibt immer einen, oder glaubst du, es gäbe irgendwo auf der Welt die perfekte Beziehung?“
Sie sah ihn voll innerer Spannung an, bis er fortfuhr. „Ich sag es am besten mit den Worten der Frau, die mich vor einem Jahr verlassen hat, damit du weißt, worauf du dich einlässt.“ In seiner Stimme schwang ein wenig Bitterkeit, aber Beverly hatte keine Ahnung, was diese Frau gesagt haben könnte.
„Deine Eifersucht macht mich krank.“
Sie lächelte. „Eifersucht? Damit kann ich leben.“ Sie schwieg einen Moment und dachte nach.
„An Millers Gerede ist überhaupt nichts dran“, sagte sie unvermittelt. „Hank konnte bei mir nicht landen, und Sands kann er nicht ausstehen. Darum macht er andauernd diese anzüglichen Bemerkungen über unsere angebliche Affäre.“ Sie musterte Daniel. „Ich hatte nie was mit Sands“, fügte sie hinzu.
Beverly zog sich aus. Die Rückwand des Schlafraums war durch helle Kanthölzer in große Quadrate unterteilt und mit dünnem Wachspapier bespannt. Es erinnerte sie an die Trennwände in japanischen Häusern. Der Futon, der von hellem Holz gerahmt wurde, verstärkte den fernöstlichen Eindruck. Eine Dachschräge aus Glas überspannte beinahe den ganzen Raum. Auf dem Fußboden, der aus den gleichen Bohlen gearbeitet war wie der Wohnzimmerboden, lagen unzählige Kissen, dazu ein Stapel Bücher. Beverly wickelte sich in Daniels Morgenmantel und ging auf die Dachterrasse. Die Wohnung lag im obersten Stockwerk, sie hatte einen Blick bis weit über den Bushy-Park.
Mit einem Gefühl von Unwirklichkeit starrte sie in den Himmel.
Beverly wurde wach, spürte den kalten Luftzug, der durchs Zimmer ging. Fröstelnd zog sie die Decke über die Schultern und sah über sich, direkt in den Sternenhimmel. Die Tür zur Dachterrasse war offen. Daniel stand in seinen Morgenmantel gewickelt an der Balustrade. Sie schlang sich die Decke um und ging hinaus. Er blickte in den Himmel und die breite Mondsichel spiegelte sich in seinen Augen.
„Was tust du hier draußen bei der Kälte?“ Er sah sie kurz an, wandte sich dann wieder dem Mond zu.
„Es gibt etwas, dass ich dir sagen muss.“
Sie lehnte sich mit dem Rücken an das Geländer und sah ihn an. „Du bist doch verheiratet!“
Er schüttelte den Kopf.
„Lass mich raten. Du bist ein Werwolf.“ Er lächelte matt.
„Dann hab ich heut ja noch nichts zu befürchten“, flüsterte sie und sah in den Himmel.
Er atmete hörbar aus. „Es hat mit unseren Ermittlungen zu tun.“
Sie sah ihn kopfschüttelnd an. „Du bist ja noch schlimmer als ich, Daniel. Es ist fast Mitternacht, wie kannst du jetzt an die Arbeit denken?“ Sie schob ihre warmen Hände unter seinen Morgenmantel. „Komm lieber ins Bett und vernasch mich noch mal.“