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a) Voraussetzungen

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§ 9 WpPG enthält eine Haftung bei fehlerhaftem, dh unrichtigem oder unvollständigem Prospekt. Ergänzend tritt eine Haftung auch für sämtliche fehlerhafte Prospekte iS des WpPG ein, die nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen und damit nicht Börsenzulassungsprospekte sind (§ 10 WpPG). Für einen unrichtigen Nachtrag zum Prospekt (Art. 23 ProspektVO) wird ebenso nach § 9 WpPG gehaftet, da er Teil des ursprünglichen Prospekts ist, und lediglich die Aufgabe der Ergänzung hat[3].

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Nach Art. 6 Abs. 1 ProspektVO müssen im Prospekt sämtliche für die Beurteilung der relevanten Wertpapiere wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse richtig und vollständig dargestellt werden.

→ Definition:

Unrichtig ist ein Prospekt, wenn er nicht der Wahrheit entspricht.

→ Definition:

Unvollständig ist ein Prospekt, wenn er nicht den in Art. 6, 13 ProspektVO enthaltenen Vorgaben entspricht.

Das Merkmal der Unvollständigkeit soll einen Unterfall der Fehlerhaftigkeit darstellen, da ein Prospekt, der die für die Anlageentscheidung erheblichen Angaben nicht vollumfänglich enthält, immer auch aufgrund des Unterlassens von Angaben unrichtig ist. Für die Beurteilung der Unrichtigkeit spielt es keine Rolle, ob der Prospekt von der BaFin gebilligt wurde oder nicht, da die Billigung lediglich der formalen Kontrolle dient, nicht aber eine Haftungsbefreiung bewirkt. Unter Prospektangaben sind nicht nur Tatsachen, sondern auch Prognosen und Werturteile zu verstehen.

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Bei der Bewertung der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit ist der Horizont eines „aufmerksamen Lesers und durchschnittlichen Anlegers“ entscheidend[4]. Eine Fehlerhaftigkeit des Prospekts kann auch auftreten, wenn sich Verhältnisse geändert haben, die der Prospekt ursprünglich zutreffend wiedergegeben hat. Nach Art. 23 Abs. 1 ProspektVO muss jeder wichtige neue Umstand, der vor Schluss des Angebots oder der Einbeziehung oder Einführung in den Handel auftritt, in einem Nachtrag zum Prospekt aufgeführt werden.

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Haftender für den fehlerhaften Börsenzulassungsprospekt ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 WpPG zunächst der Prospektverantwortliche (§ 8 WpPG), dh derjenige, der für den Prospekt die Verantwortung übernommen hat. Das sind zum einen zwingend der Anbieter, der Emittent, der Zulassungsantragsteller oder der Garantiegeber. Sofern es sich um einen Angebotsprospekt handelt, muss zumindest der Anbieter die Prospektverantwortung übernehmen (§ 8 Satz 2 WpPG). Bei einem Zulassungsprospekt ist jedenfalls der Emittent sowie das die Zulassung mit beantragende Kredit- bzw Finanzdienstleistungsinstitut verantwortlich. Die Haftungsadressaten haften im Außenverhältnis als Gesamtschuldner. Außerdem haften nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 WpPG die Prospektveranlasser, dh v.a. die sog. Hintermänner.

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Ersatzberechtigter ist derjenige, der die Wertpapiere nach Veröffentlichung des Prospekts und innerhalb von sechs Monaten nach erstmaliger Einführung der Wertpapiere bzw nach dem ersten öffentlichen Angebot erworben hat. Erforderlich ist ein entgeltlicher Erwerb, da dann, wenn kein Preis bezahlt wurde, auch kein Erwerbspreis ersetzt verlangt werden kann[5]. Außerdem muss das Erwerbsgeschäft im Inland abgeschlossen worden sein, oder es müssen dem Erwerb inländische Wertpapierdienstleistungen zugrunde liegen (Inlandsbezug, vgl § 9 Abs. 3 WpPG).

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Weitere Voraussetzung ist die haftungsbegründende Kausalität. Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem fehlerhaften Prospekt und dem Erwerb der Wertpapiere bestehen. Die Wertpapiere müssen aufgrund des Prospekts erworben worden sein (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 WpPG)[6]. Der Anspruchsgegner hat zu beweisen, dass der Anleger die Wertpapiere etwa nur auf den Rat eines Freundes hin oder wegen vermeintlicher Insiderkenntnisse erworben hat. Der Prospekt darf also in keiner Weise zum Erwerb der Wertpapiere beigetragen haben[7].

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Diese gesetzlich festgelegte Beweislastumkehr ist Ausfluss der Rechtsprechung zur sog. Anlagestimmung. Bei individuell geprägten Willensentschlüssen wie der Anlageentscheidung ist zwar grds ein Anscheinsbeweis ausgeschlossen, dennoch machte die Rechtsprechung für die Prospekthaftung ursprünglich eine Ausnahme[8]. So ging sie zugunsten des Anlegers davon aus, dass der Prospekt die Einschätzung des Wertpapiers in Fachkreisen mitbestimmt und damit beim Publikum eine Anlagestimmung erzeugt. Auf eine tatsächliche Kenntnis des Anlegers vom Prospekt kam es dabei nicht an[9].

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Für eine Haftung nach § 9 Abs. 1 WpPG ist Verschulden erforderlich, dh der Adressat der Prospekthaftung muss die Fehlerhaftigkeit des Prospekts gekannt oder grob fahrlässig nicht gekannt haben (§ 12 Abs. 1 WpPG). Das Verschulden wird vermutet; der Anspruchsgegner kann es im Einzelfall entkräften. Grobe Fahrlässigkeit bedeutet, dass die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wurde. Dabei spielt der persönliche Kenntnisstand des Prospektverantwortlichen eine Rolle.

281

Es darf auch kein Haftungsausschluss nach § 12 WpPG vorliegen. Dabei ist zwischen individueller Entlastung mangels Verschuldens und allgemeiner Entlastung etwa durch den Nachweis fehlender haftungsbegründender (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 WpPG) oder haftungsausfüllender Kausalität (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 WpPG) zu unterscheiden.

282

Eine Haftungsbeschränkung oder ein Haftungserlass im Voraus ist unwirksam (§ 16 Abs. 1 WpPG). Anders als noch bei § 47 Abs. 2 BörsG aF besteht keine Beschränkung auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, vielmehr kommen deliktische Ansprüche auch bei lediglich fahrlässigem Verhalten in Betracht (§ 16 Abs. 2 WpPG)[10].

283

Es gelten die allgemeinen Verjährungsregeln der §§ 195, 199 BGB. Die Ansprüche wegen eines fehlerhaften (oder fehlenden) Prospekts verjähren daher innerhalb von drei Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt, spätestens aber in zehn Jahren[11]. Des Weiteren ist nun nicht mehr positive Kenntnis des Erwerbers für den Verjährungsbeginn erforderlich, sondern es genügt grob fahrlässige Unkenntnis (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

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