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2. Privatrechtliche Handlungspflichten

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Fall 5[43]:

Wie Fall 4. Der Pkw des B versperrt die Grundstückseinfahrt des A, woraufhin A den Pkw durch den Abschleppunternehmer U entfernen lässt. Kann U von B aus eigenem Recht die Kosten für das Abschleppen des Pkw aus GoA verlangen?

1. U könnte einen Anspruch auf Aufwendungsersatz aus (berechtigter) GoA nach §§ 677, 683 S. 1, 670 haben[44]. Dafür müssten die Regeln der GoA überhaupt anwendbar sein. Der BGH[45] geht in st.Rspr. davon aus, dass dies auch dann zu bejahen ist, wenn der Geschäftsführer einem Dritten vertraglich zur Geschäftsbesorgung verpflichtet ist. Anders soll das nur sein, wenn im Vertrag die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers, insbesondere die Entgeltfrage, umfassend geregelt sind[46]. Eine solche Regelung sei hinsichtlich des Ausgleichs für die jeweils erbrachten Leistungen auch im Verhältnis zum Geschäftsherrn grundsätzlich abschließend, da den vertraglichen Rechten auch insoweit aufgrund der Privatautonomie ein Vorrang zukomme[47].

Der BGH hat klargestellt, dass nicht sämtliche Einzelheiten des Entgelts, v.a. nicht die exakte Höhe, im Vertrag geregelt sein müssen, um eine Anwendung der GoA auszuschließen[48]. Erforderlich ist nur, dass sich aus dem Vertrag ergibt, dass der Auftragnehmer überhaupt ein Entgelt erhalten und dieses dessen gesamte Tätigkeit umfassend vergüten soll. Denn bereits dann wird der Auftragnehmer (Geschäftsführer) ausschließlich aufgrund des Vertrags mit seinem Auftraggeber (Dritten) tätig und kann deshalb nicht eine zusätzliche Vergütung durch den Geschäftsherrn erwarten[49]. Fehlen besondere Abreden über die konkrete Bemessung der Vergütung, ist das so lange unschädlich, wie sich im Vertrag selbst oder im Gesetz (z.B. § 632 Abs. 2: „übliche Vergütung“) eine Grundlage finden lässt, auf der die Höhe des Entgelts bestimmt werden kann[50].

A hat U damit beauftragt, den Pkw des B abzuschleppen. Hierdurch ist ein Werkvertrag zwischen A und U zustande gekommen. Sofern, was aus dem Sachverhalt nicht deutlich wird, der Werkvertrag selbst keine ausdrückliche Entgeltregelung enthält, ergibt sich die Höhe der Vergütung aus § 632 Abs. 2 („übliche Vergütung“). Die Entgeltfrage ist demnach „umfassend“ geregelt, sodass die Vorschriften der GoA im Verhältnis zwischen U und B nicht anwendbar sind. Wer hier eine „umfassende“ Regelung der Entgeltfrage ablehnt, wird eine Anwendung der GoA bejahen. Dann ist wie folgt weiter zu prüfen.

2. Es könnte hier ein auch-fremdes Geschäft vorliegen, da U zwar zum einen seiner vertraglichen Pflicht gegenüber A nachkommen wollte, zum anderen aber ein Geschäft des B geführt hat, weil dieser als Eigentümer des Pkw verpflichtet war, den Wagen von der Grundstückseinfahrt des A zu entfernen. Die h.M. geht davon aus, dass ein auch-fremdes Geschäft selbst dann vorliegt, wenn der Geschäftsführer eine vertragliche Verpflichtung gegenüber einem Dritten erfüllen will. Die wirksame vertragliche Beziehung zum Dritten spielt, wenn der Geschäftsführer ein objektiv fremdes Geschäft für den Geschäftsherrn wahrnimmt, keine Rolle[51].

Teile des Schrifttums lehnen dagegen die Fremdheit des Geschäfts ab, wenn der Geschäftsführer aufgrund eines wirksamen Vertrags eine Aufgabe erledigt[52]. Derjenige, der mit der Geschäftsführung eigene Vertragspflichten erfüllt, wolle in erster Linie eine Leistung an seinen Vertragspartner erbringen und kein fremdes Geschäft i.S. des § 677 besorgen. Für eine solche enge Auslegung der GoA-Regeln gibt es jedoch keine Anhaltspunkte. Sie lassen sich auch nicht der Entstehungsgeschichte entnehmen[53].

Gegen die Annahme eines auch-fremden Geschäfts wird zudem vorgebracht, es führe zu Abwicklungsschwierigkeiten, wenn neben der vertraglichen Verpflichtung eine berechtigte GoA bejaht würde. Denn der Geschäftsführer hätte zwei Schuldner, die aber nicht Gesamtschuldner seien[54]. Dem kann entgegengehalten werden, dass U die Vergütung nur einmal verlangen kann. Einerseits muss er, sobald er vom Vertragspartner (hier: A) den Werklohn erhält, seinen Anspruch aus GoA gegen den Geschäftsherrn (hier: B) an den Vertragspartner abtreten. Andererseits darf er seinen vertraglichen Anspruch gegen den Vertragspartner nicht geltend machen, wenn er den Geschäftsherrn aus GoA in Anspruch nimmt, da nach Auslegung des Vertrags in solchen Fällen regelmäßig ein Vergütungsanspruch ausgeschlossen sein wird.

Im vorliegenden Fall ist daher trotz bestehender vertraglicher Verpflichtung vom Vorliegen eines (auch-)fremden Geschäfts auszugehen.

3. U müsste mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt haben. Die h.M. vermutet den Fremdgeschäftsführungswillen selbst dann, wenn nicht ausschließlich, sondern nur auch ein objektiv fremdes Geschäft vorgenommen worden ist[55]. Teile der Literatur wollen dagegen einen Fremdgeschäftsführungswillen beim auch-fremden Geschäft nur dann bejahen, wenn es konkrete Anhaltspunkte für einen solchen Willen gibt. Nach dieser Ansicht muss der Fremdgeschäftsführungswille im Einzelfall bewiesen werden[56].

Ein anderer Teil der Literatur will den Fremdgeschäftsführungswillen beim auch fremden Geschäft durch wertende Betrachtungsweise ermitteln. So kann ein Fremdgeschäftsführungswille nur vermutet werden, wenn die primäre Verpflichtung des Dritten dominierendes Motiv der Geschäftsführung gewesen ist. Andernfalls muss der Fremdgeschäftsführungswille konkret bewiesen werden[57]. Im vorliegenden Fall ist – mangels anderer Anhaltspunkte im Sachverhalt – unter jedem der Gesichtspunkte von einem Fremdgeschäftsführungswillen auszugehen.

4. U war B gegenüber nicht zur Geschäftsführung verpflichtet. Er handelte mithin ohne Auftrag i.S. des § 677. Die Geschäftsführung des U für B war objektiv nützlich und entsprach daher dem Interesse des B. Da der wirkliche Wille des B nicht festgestellt werden kann, ist auf dessen mutmaßlichen Willen abzustellen. Zu dessen Bestimmung kann wiederum das Interesse des B herangezogen werden. B hatte zwar an einem kostenpflichtigen Abschleppen seines Pkw kein Interesse, sodass ein mutmaßlicher Wille von der h.M. abgelehnt wird. Wer gleichwohl einen solchen mutmaßlichen Willen bejaht, hat wie folgt weiter zu prüfen. Demnach handelte U interessen- und auch willensgemäß.

5. Rechtsfolge ist, dass U von B die erforderlichen Aufwendungen ersetzt verlangen kann (§ 670). Grundsätzlich ist die vom Geschäftsführer aufgewendete Zeit und Arbeitskraft vom Aufwendungsersatzanspruch nicht umfasst[58]. Anders verhält es sich jedoch, wenn – wie hier – eine Geschäftsführung vorliegt, die der Geschäftsführer sonst im Rahmen seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit vornimmt (§ 1835 Abs. 3 analog). Da U gewerbsmäßig Fahrzeuge abschleppt, steht ihm also ausnahmsweise eine Tätigkeitsvergütung zu.

Allerdings bekommt U das Abschleppen nur einmal ersetzt: Zahlt der Vertragspartner (A) den vereinbarten Werklohn, muss er seinen Anspruch aus GoA an diesen abtreten. Zahlt hingegen B aufgrund des Aufwendungsersatzanspruchs, ist die Geltendmachung des vertraglichen Anspruchs auf die Tätigkeitsvergütung durch U ausgeschlossen (Vertragsauslegung, §§ 133, 157). B kann im zuletzt genannten Fall nicht die Abtretung des vertraglichen Anspruchs des U gegen A auf Zahlung des Werklohns verlangen. B ist Letztverpflichteter und soll als solcher allein haften[59].

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Ein Fremdgeschäftsführungswille ist auch fraglich, wenn jemand aufgrund nichtigen Vertrags tätig wird. Das verdeutlicht Fall 6[60]: Steuerberater S macht für den G Rückübertragungsansprüche nach dem Vermögensgesetz geltend. Bei dieser Wahrnehmung handelt es sich, was S fahrlässig nicht weiß, um die unerlaubte Besorgung einer fremden Rechtsangelegenheit i.S. des § 3 RDG. S verlangt von G die Zahlung des vereinbarten Entgelts für seine Leistungen aus GoA. Zu Recht?

1. S könnte einen Anspruch gegen G aus berechtigter GoA haben, §§ 677, 683 S. 1, 670[61]. Fraglich ist die Anwendbarkeit der GoA-Regeln[62]. Teilweise wird im Schrifttum eine solche verneint. Nichtige Verträge seien ausschließlich nach den Regeln der Leistungskondiktion abzuwickeln, da ansonsten den bereicherungsrechtlichen Wertungen widersprochen würde. Würde man die GoA-Regeln anwenden, könnten die bereicherungsrechtlichen Ausschlussvorschriften der §§ 814, 815, 817 S. 2 und 818 umgangen werden[63]. Der Anspruchsteller, der aufgrund eines nichtigen Vertrags eine Leistung erbracht habe, dürfe nicht derart bevorzugt werden.

Demgegenüber rechtfertigen die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur die Anwendung der §§ 677 ff. damit, dass derjenige, der von vornherein ohne Vereinbarung für einen anderen tätig geworden ist, nicht besser stehen darf als derjenige, der aufgrund eines nichtigen Vertrags berechtigterweise das Geschäft eines anderen geführt hat. Daher sollen die §§ 677 ff. immer dann angewendet werden, wenn das Geschäft aufgrund eines unwirksamen Vertrags oder aus einem anderen Grund geführt worden ist[64].

2. Bejaht man mit der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur die Anwendbarkeit der GoA-Regeln, so ist zu prüfen: Die Geltendmachung von Rückübertragungsansprüchen nach dem Vermögensgesetz stellt für S ein objektiv fremdes Geschäft dar. Allerdings ist S aufgrund einer vermeintlichen Vertragsverpflichtung und damit auch im eigenen Interesse tätig geworden. Daher liegt ein auch-fremdes Geschäft vor[65]. Den Fremdgeschäftsführungswillen vermutet die Rechtsprechung auch beim auch-fremden Geschäft.

Dagegen verneint die wohl h.L.[66] einen Fremdgeschäftsführungswillen, da der S ausschließlich seine vermeintliche Verpflichtung aus dem Vertrag erfüllen wollte. Dahinter steht – wieder – die Überlegung, dass die Bejahung einer GoA nicht interessengerecht sein kann, da ansonsten ein Wertungswiderspruch zu spezielleren Regelungen (z.B. §§ 812 ff.) bestehe. Die §§ 812 ff. und nicht die GoA-Regelungen seien für die Rückabwicklung unwirksamer Verträge einschlägig. Die GoA-Regelungen sollen lediglich den gemeinnützigen/„guten“ Geschäftsführer schützen, nicht aber fehlgeschlagene Verträge rückabwickeln. Ließe man das zu, würden die Einschränkungen der §§ 814, 817 S. 2, 818 Abs. 3 umgangen. Die bereicherungsrechtlichen Wertungen durch die GoA-Regelungen auszuschalten würde etwa bedeuten, dass ein Geschäftsführer grundsätzlich auch nutzlose Aufwendungen erstattet verlangen kann. Ein Bereicherungsschuldner dagegen kann um nutzlose Aufwendungen nicht bereichert sein. Folgt man der Ansicht der Literatur, scheidet ein Anspruch aus GoA aus[67].

3. Bejaht man mit der Rechtsprechung den Fremdgeschäftsführungswillen[68], so ist zu prüfen: S hat ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung gehandelt, da der Vertrag mit G nichtig war. Die Übernahme des Geschäfts entsprach dem Interesse und dem Willen des G. S kann daher Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen. Da allerdings das Tätigwerden des S durch das Rechtsberatungsgesetz verboten war, durfte S seine Aufwendungen nicht für erforderlich i.S. des § 670 halten, sodass er sie nicht ersetzt bekommt. Im vorliegenden Fall gestehen also – mit unterschiedlicher Begründung – weder die Rechtsprechung noch die h.L. einen Anspruch aus GoA zu[69].

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Wäre aber im vorliegenden Fall der Vertrag zwischen S und G aus anderen Gründen nichtig und S zur Rechtsberatung befugt, könnte er nach der Rechtsprechung im Rahmen der GoA grds. die übliche Vergütung verlangen[70]. War der im (nichtigen) Vertrag festgelegte Preis niedriger, kann nur dieser verlangt werden[71]. Da die Rechtsprechung hier bei nichtigen Verträgen regelmäßig einen Aufwendungsersatzanspruch aus GoA bejaht, bleibt daneben kein Raum für einen Anspruch aus § 812, da eine berechtigte GoA einen Rechtsgrund i.S. des § 812 darstellt[72].

Examens-Repetitorium Besonderes Schuldrecht 2

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