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4. Innenausgleich zwischen Gesamtschuldnern

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Die Frage, ob ein auch-fremdes Geschäft vorliegt, stellt sich auch beim Innenausgleich zwischen Gesamtschuldnern, wobei hier zwischen echten und unechten Gesamtschuldnern zu unterscheiden ist. Liegt eine echte Gesamtschuld vor, erfolgt ein Rückgriff über § 426. Die h.M. lehnt daneben eine Anwendung der GoA zu Recht ab[85].

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Bei einer sog. „unechten“ Gesamtschuld haften mehrere Gesamtschuldner (im Innenverhältnis) nicht gleichrangig. Vielmehr muss einer der Schuldner als Letztverpflichteter die Schuld allein und endgültig tragen. Der Gläubiger hat lediglich die Möglichkeit, unabhängig vom Innenverhältnis von jedem seiner Schuldner die ganze Leistung zu verlangen. Der zahlende Schuldner, der nicht Letztverpflichteter ist, tritt gewissermaßen nur in Vorleistung für den Letztverpflichteten und nimmt dem Gläubiger dadurch das Insolvenzrisiko ab. Die Schuld des Letztverpflichteten will er hingegen nicht übernehmen.

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Einigkeit besteht in der Rechtsprechung und im Schrifttum darüber, dass der „Gesamtschuldner“ auf den Letztverpflichteten zurückgreifen können muss. Der Weg des Rückgriffs ist streitig. Nach Ansicht des RG[86] hat der besser gestellte „Gesamtschuldner“ einen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 gegen den Letztverpflichteten. Der „Gesamtschuldner“, der die ganze Schuld tilgt, obwohl er die Schuld im Ergebnis nicht endgültig tragen soll, führe zumindest auch ein Geschäft des Letztverantwortlichen.

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Die ganz h.M. in der Literatur (der BGH hat hierzu noch nicht entschieden) lehnt eine Anwendung der GoA dagegen ab[87]. Der besser gestellte „Gesamtschuldner“ soll die Schuld zwar nicht endgültig tragen, kommt er aber seiner Pflicht nach, so werde der Letztverantwortliche auf der Grundlage des normativen Schadensbegriffs durch die Leistung nicht von seiner Ersatzpflicht befreit. Der Dritte erfülle daher ausschließlich eine eigene Verpflichtung. Im Übrigen fehlt aus Sicht des Letztverpflichteten die für die GoA charakteristische Fremdnützigkeit des Handelns, weil die Leistung des besser gestellten „Gesamtschuldners“ einzig dem Gläubiger nützlich ist. Der Rückgriff soll daher nicht über die GoA, sondern über § 255 analog (Abtretung der Ersatzansprüche) oder über § 426 unter Verzicht auf die den Tatbestand des § 421 einschränkenden Merkmale (v.a. durch Verzicht auf das Kriterium der „Gleichstufigkeit“ der Verpflichtung) möglich sein.

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Hierzu zunächst Fall 8[88], wo einer der Mitverpflichteten letztendlich allein verantwortlich ist: Bei einem Stadtfest soll der zum bischöflichen Stuhl B gehörende Dom der Stadt durch ein Feuerwerk festlich illuminiert werden. Dadurch wird der Dom in Brand gesetzt und teilweise zerstört. Die Stadt S bezahlt zunächst als Trägerin der öffentlich-rechtlichen Baulast die Wiederaufbauarbeiten und verlangt nun vom Feuerwerker F, der fahrlässig gehandelt hatte, Ersatz ihrer Aufwendungen aus GoA. Zu Recht?

Die S könnte gegen F einen Anspruch auf Aufwendungsersatz aus §§ 677, 683 S. 1, 670 haben[89]. Dies setzt voraus, dass S mit den Wiederaufbauarbeiten ein fremdes Geschäft (Geschäft des F) geführt hat. Betrachtet man nur die Tätigkeit an sich, führt S zumindest auch ein Geschäft des Letztverantwortlichen F, der aus § 280 Abs. 1 oder § 823 Abs. 1 auch zum Wiederaufbau verpflichtet ist[90]. Die Rechtsprechung nimmt daher trotz der eigenen Verpflichtung der S ein auch-fremdes Geschäft an.

Demgegenüber kann nach der h.M. im Schrifttum ein (auch-)fremdes Geschäft nur angenommen werden, wenn durch die Geschäftsführung auch die Verpflichtung des Letztverantwortlichen erfüllt wird. Sie stellt somit auf die Tilgungswirkung der vorgenommenen Handlung ab. Nach dem normativen Schadensbegriff kommen aber Leistungen Dritter dem Schädiger grundsätzlich nicht zugute. Ein Schaden des B ist also weiterhin zu bejahen, obwohl S den Dom wieder aufgebaut hat. Der Schadensersatzanspruch des B gegen F ist mangels Tilgungswirkung der Leistung der baulastpflichtigen S nicht erloschen[91]. Nach dieser Ansicht scheidet ein Aufwendungsersatzanspruch aus GoA aus, weil kein fremdes Geschäft vorliegt.

Folgt man der Rechtsprechung und geht von einem auch-fremden Geschäft aus, so ist zu prüfen: Der Fremdgeschäftsführungswille ist nach der Rechtsprechung selbst beim auch-fremden Geschäft zu vermuten. Teile der Literatur lehnen diese Vermutung allerdings ab und verlangen, dass der Fremdgeschäftsführungswille äußerlich erkennbar zutage treten muss[92]. Vermutet man mit der Rechtsprechung den Fremdgeschäftsführungswillen, so bleibt festzustellen, dass kein Auftrag oder eine sonstige Berechtigung vorlag. Die Geschäftsführung entspricht zudem auch dem Willen und Interesse des F[93]. Nach der Ansicht der Rechtsprechung ist ein Anspruch auf Aufwendungsersatz aus §§ 677, 683 S. 1, 670 zu bejahen[94].

Folgt man der Literatur und verneint ein (auch-)fremdes Geschäft, so wird man einen Anspruch aus § 255 analog (Abtretung der Ersatzansprüche) prüfen müssen: Die S könnte gegen B einen Anspruch auf Abtretung der Ansprüche gegen F nach § 255 analog haben. Eine direkte Anwendung des § 255 kommt nicht in Betracht, da im vorliegenden Fall nicht für den Verlust einer Sache, sondern für die Beschädigung Ersatz geleistet wurde. In Hinblick auf Ausgleichsansprüche gegen den Letztverpflichteten besteht die für eine Analogie erforderliche Regelungslücke. Auch ist die Interessenlage vergleichbar: Unabhängig davon, ob für den Verlust oder die Beschädigung einer Sache Ersatz geleistet worden ist, ist demjenigen ein Ausgleichsanspruch zu gewähren, der in Vorleistung für einen Dritten getreten ist, welcher als vorrangig Haftender die Schuld allein zu tragen hat. Leistet der Mitverpflichtete Schadensersatz, kann er vom Gläubiger Abtretung der Ansprüche gegen den Letztverantwortlichen gemäß § 255 analog verlangen[95]. Daher kann S von B verlangen, dass dieser ihm die Ersatzansprüche gegen F abtritt. Daraufhin kann S gegen F Ansprüche aus abgetretenem Recht geltend machen.

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In Fall 9[96] sind zwischen den Mitverpflichteten gleiche Verantwortlichkeiten gegeben: N1 und N2 sind Eigentümer benachbarter Häuser, die bei einem Brand zerstört werden. Die Brandursache bleibt ungeklärt. Die Ordnungsbehörde O verlangt von N1 aufgrund Einsturzgefahr auf die Straße, die noch stehende gemeinsame Mauer abzubrechen. N1 verlangt sodann von N2 die Hälfte der Abbruchkosten ersetzt. Zu Recht?

N1 könnte gegen N2 einen Anspruch aus GoA nach §§ 677, 683 S. 1, 670 haben[97]. Dazu müssten die Grundsätze der GoA im Innenverhältnis der Schuldner, wenn einer die Schuld begleicht, überhaupt anwendbar sein. Das Schrifttum sieht teilweise, sofern die Schädiger Gesamtschuldner sind, § 426 als abschließende Regelung des Ausgleichs im Innenverhältnis[98]. Ein solcher Fall liegt hier aber gerade nicht vor. Die Regeln der GoA finden somit Anwendung. N1 hat, ohne dem N2 gegenüber verpflichtet zu sein, mit dem Abriss der Mauer zumindest auch ein Geschäft des N2 und damit ein fremdes Geschäft getätigt. Die Rechtsprechung vermutet auch beim auch-fremden Geschäft den Fremdgeschäftsführungswillen[99]. Aber selbst wenn man mit einem Teil der Literatur verlangt, dass der Fremdgeschäftsführungswille positiv festgestellt wird, kann hier von einem Fremdgeschäftsführungswillen des N1 ausgegangen werden.

Die Geschäftsführung entsprach dem Interesse des N2, da sie objektiv nützlich war. Auch der mutmaßliche Wille des N2 ist mangels anderweitiger Äußerung zu bejahen. Selbst wenn ein entgegenstehender Wille festgestellt werden könnte, so wäre dieser unbeachtlich (§ 679). Der N2 war zur Beseitigung der einsturzgefährdeten Giebelmauer verpflichtet (im öffentlichen Interesse an einer effektiven Gefahrenabwehr). Damit erfolgt der Ausgleich unter mehreren polizei- und ordnungsrechtlich Verantwortlichen nach den Vorschriften der GoA[100].

N1 kann von N2 die zum Abriss erforderlichen Aufwendungen ersetzt verlangen. Im Falle eines auch-fremden Geschäfts ist daher Folgendes zu berücksichtigen: Sobald die Aufwendungen gegenständlich abgrenzbar sind, hat der Geschäftsführer lediglich einen Anspruch auf Ersatz der (anteiligen) Aufwendungen, die auf die Fremdgeschäftsführung entfallen. Im konkreten Fall gehörte die Mauer N1 und N2 gemeinsam, sodass jeder die Hälfte der Aufwendungen zu ihrer Beseitigung zu zahlen hat. In den sonstigen Fällen muss der Umfang des Aufwendungsersatzanspruchs nach dem Gewicht der Verantwortlichkeit sowie den Vorteilen bestimmt werden[101].

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