Читать книгу Examens-Repetitorium Besonderes Schuldrecht 2 - Petra Buck-Heeb - Страница 40

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§ 8 Grundlagen

I. Systematik des Deliktsrechts

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Im Deliktsrecht wird die Frage der Verantwortlichkeit einer Person für einen Schaden geregelt, der unabhängig von einer Vertragsbeziehung entstanden ist. Das Gesetz geht grundsätzlich vom Verschuldensprinzip aus. Die Haftung trifft denjenigen, der den Schaden rechtswidrig und schuldhaft verursacht hat[1]. Die Beweislast für das Verschulden trägt regelmäßig der Geschädigte als Anspruchsteller. Dies gilt etwa für § 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2 iVm. einem Schutzgesetz, §§ 824, 826, 839 und 830 Abs. 1 S. 1 sowie 830 Abs. 2.

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In manchen Fällen sieht das Gesetz vor, dass das Verschulden widerlegbar vermutet wird (Verschuldensvermutung), d.h. der Schädiger haftet, sofern er sich nicht exkulpieren kann. Das findet sich etwa bei den §§ 831, 832, 833 S. 2, 834, 836–838 sowie § 18 StVG und bei der deliktischen Produzentenhaftung.

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In einigen Fällen weicht das Gesetz vom Verschuldensprinzip ab und sieht ausnahmsweise eine Haftung ohne Rechtswidrigkeit und Verschulden vor (Gefährdungshaftung). Haftungsgrundlage ist hier die abstrakte Gefährdung anderer durch ein bestimmtes erlaubtes Verhalten. Daher stellt sich auch nicht die Frage der adäquaten Kausalität, da schon allein für die Gefährlichkeit der „Sache“ gehaftet wird. Im BGB findet sich die Gefährdungshaftung allein bei § 833 S. 1 im Hinblick auf sog. Luxustiere, außerhalb des BGB etwa in § 7 StVG, § 1 HaftPflG[2], §§ 33 ff. LuftVG, §§ 25 ff. AtomG, § 22 WasserHG, §§ 1 ff. ProdHaftG und § 84 ArzneimG[3]. Rechtswidrigkeit[4] oder Verschulden sind bei der Gefährdungshaftung nicht erforderlich. Einen Sonderfall stellt die Billigkeitshaftung nach § 829 dar, bei der kein Verschulden erforderlich ist, aber auch keine Gefährdungshaftung vorliegt[5].

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Vereinzelt gibt es Tatbestände, bei denen nicht für eigenes, sondern für fremdes Verschulden gehaftet wird. Das ist etwa bei der Haftung für Amtspflichtverletzung bzw. Staatshaftung (Art. 34 GG iVm. § 839 Abs. 1) und bei § 3 HaftPflG der Fall.

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II. Anwendbarkeit der §§ 823 ff.

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Die deliktsrechtlichen Regelungen finden grundsätzlich neben einem vertraglichen Schadensersatzanspruch Anwendung. In Ausnahmefällen können die Vorschriften des einen Rechtsgebiets diejenigen des anderen hinsichtlich einer Haftungsmilderung oder der Verjährung[6] beeinflussen.

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Die §§ 823 ff. sind grundsätzlich nicht anwendbar, wenn ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (EBV) vorliegt[7]. Daher ist vor der Prüfung eines deliktischen Anspruchs ein Anspruch aus dem EBV zu prüfen. Sind im Zeitpunkt der Verletzungshandlung auch die Voraussetzungen des § 985 erfüllt, gehen die §§ 987 ff., insbesondere die Schadensersatzregelungen der §§ 989 f., als abschließende Sonderregelungen vor. Liegt also eine Eigentumsverletzung durch den unrechtmäßigen Besitzer vor, sind die §§ 823 ff. regelmäßig nur über § 992 anwendbar[8]. Die §§ 823 ff. sind nach h.M. neben den §§ 987 ff. also nur dann ausnahmsweise anwendbar, wenn ein Fall des § 992 oder des Fremdbesitzerexzesses vorliegt. Denn hält ein gutgläubiger Besitzer die Schranken seines vermeintlichen Besitzrechts nicht ein, ist er nicht nach § 993 Abs. 1 a.E. schutzwürdig und hat nach Deliktsrecht zu haften.

Klausurtipp:

Die Sperrwirkung des EBV umfasst nur Ansprüche auf Nutzungsherausgabe und Schadensersatz. Ansprüche auf Herausgabe, Wertersatz oder Erlösherausgabe sind daher nicht gesperrt.

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Dagegen können Ansprüche aus den §§ 823 ff. neben solchen aus Gefährdungshaftung (§ 833 S. 1, § 7 Abs. 1 StVG usw.) bestehen. Dem kommt v.a. deshalb Bedeutung zu, weil der Gesetzgeber bei der Gefährdungshaftung meist eine Haftungshöchstgrenze (z.B. §§ 10 ff. StVG) oder eine Selbstbeteiligung (§ 11 ProdHaftG) vorgesehen hat, bei der Verschuldenshaftung aber nach §§ 249 ff. in der Regel der ganze Schaden ersetzt werden muss. Auch Ansprüche aus den §§ 812 ff. können neben Ansprüchen aus den §§ 823 ff. geltend gemacht werden.

III. Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche

Übungsfall:

Schultheiß, Fortgeschrittenenklausur – Zivilrecht: Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet – Anonymous, JuS 2015, 719 ff.

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Die §§ 823 ff. enthalten keine Rechtsfolge für die Fälle, in denen ein Eingriff in ein Recht oder Rechtsgut unmittelbar bevorsteht oder nach bereits erfolgter Verletzung weitere Eingriffe drohen. Damit kann aus den §§ 823 ff. in der Regel weder Unterlassung noch Beseitigung verlangt werden[9].

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Unterlassung und Beseitigung sind die zwei Seiten des sog. negatorischen Rechtsschutzes nach § 1004. Dieser hat seinen Ursprung im Grundstücksrecht. Allerdings wurde sein Anwendungsbereich vom (Grund-)Eigentum zunächst auf die anderen in § 823 Abs. 1 genannten Rechtsgüter erstreckt (Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit). Schließlich wurde er auf jede nach den §§ 823 ff. deliktsrechtlich geschützte Position ausgedehnt. Man spricht hier von quasi-negatorischem Rechtsschutz. Anspruchsgrundlage sind §§ 1004 Abs. 1 S. 2 analog, 823 Abs. 1.

Klausurtipp:

Bitte beachten, dass bei einem Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 analog, anders als bei einem Schadensersatzanspruch aus §§ 823 ff., kein Verschulden erforderlich ist.

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Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch ist eine Verletzung der in den §§ 823 ff. geschützten Rechte oder Rechtsgüter, eine Wiederholungsgefahr[10] sowie Rechtswidrigkeit. Letztere liegt vor, wenn keine Duldungspflicht besteht. Verschulden ist nicht erforderlich. Ein Unterlassen kann aber nicht nur dann gefordert werden, wenn eine Rechtsgutverletzung schon erfolgt ist, sondern auch dann, wenn sie noch nicht erfolgt ist, aber nachweislich die Gefahr eines unmittelbar bevorstehenden rechtswidrigen Eingriffs droht (vorbeugender quasi-negatorischer Rechtsschutz)[11].

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Voraussetzung ist hier neben der drohenden Verletzung der in den §§ 823 ff. geschützten Rechte und Rechtsgüter die Erstbegehungsgefahr. Diese ist dann gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die einen ernstlich drohenden Eingriff mit Sicherheit erkennen lassen. Auch hier ist Rechtswidrigkeit erforderlich, die durch eine Duldungspflicht (§ 1004 Abs. 2) ausgeschlossen wird. Die größte Bedeutung hat der vorbeugende Rechtsschutz im Zusammenhang mit der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts[12]. Rechtsfolge ist die Unterlassung der bevorstehenden Störung.

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Der Beseitigungsanspruch soll eine fortdauernde Beeinträchtigung eines absoluten Rechts oder von Lebens-(Rechts-)gütern, Rechten und Interessen, die durch § 824 bzw. durch § 823 Abs. 2 iVm. einem Schutzgesetz geschützt sind, beseitigen, welche nach einem erfolgten Eingriff bestehen. Damit ist Voraussetzung die Verletzung eines durch die §§ 823 ff. geschützten Rechts oder Rechtsguts sowie die fortdauernde Beeinträchtigung. Auch hier liegt Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn keine Duldungspflicht (Rechtfertigungsgrund, z.B. Einwilligung) besteht. Verschulden des Täters ist nicht erforderlich. Rechtsfolge ist die Beseitigung der fortdauernden Beeinträchtigung. Hauptfälle des Beseitigungsanspruchs sind der öffentliche Widerruf unzutreffender Tatsachenbehauptungen sowie die Vernichtung rechtswidriger Bild- oder Tonbandaufnahmen[13]. Es erfolgt hier kein Schadensausgleich. Die Beseitigung bereits eingetretener Schäden kann nur über einen Schadensersatzanspruch nach §§ 823 ff. erreicht werden.

IV. Verjährung

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Deliktische Ansprüche verjähren regelmäßig in drei Jahren (§ 195). Die Verjährung beginnt nach § 199 Abs. 1 mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den für den Anspruch relevanten Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

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Für Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, gilt nach § 199 Abs. 2 – ohne Rücksicht auf die Entstehung des Anspruchs, die Kenntnis oder grobe Fahrlässigkeit – eine Höchstfrist von 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an. Für Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des Eigentums und des Vermögens wird in § 199 Abs. 3 eine ausdrückliche Regelung der Höchstfristen getroffen. Es ist die jeweils früher endende Frist maßgeblich.

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Für Herausgabeansprüche nach Eintritt der Verjährung ist § 852 (Herausgabeanspruch nach Eintritt der Verjährung) zu beachten. Der Schädiger ist nach § 852 S. 1 zur Herausgabe desjenigen, was er durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten erlangt hat (z.B. Lösegeld), nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet, und zwar selbst dann, wenn der Schadensersatzanspruch aus der unerlaubten Handlung schon verjährt ist.

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Der Schädiger ist hier nicht schutzwürdig und soll deshalb die Vorteile, die er aus einer unerlaubten Handlung auf Kosten des Verletzten gezogen hat, nicht behalten dürfen. Aufgrund des Begriffs „auf Kosten“ muss ein Zusammenhang zwischen dem Schaden des Verletzten und dem Vorteil des Verletzers festgestellt werden. § 852 S. 1 ist eine Rechtsfolgenverweisung[14], sodass der Tatbestand eines Bereicherungsanspruchs nicht vorzuliegen braucht. Der Anspruch verjährt nach § 852 S. 2 in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

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Bestehen deliktische und vertragliche Ersatzansprüche nebeneinander, verjähren diese grundsätzlich selbstständig nach den jeweiligen Verjährungsvorschriften. Ausnahmsweise kann aber die für einen vertraglichen Anspruch geltende kürzere Verjährungsfrist auch für die Haftung aus unerlaubter Handlung relevant sein. Voraussetzung ist, dass der Zweck der die kurze Verjährungsfrist festlegenden Norm eine Ausdehnung auch auf das Deliktsrecht erfordert. Das ist nach h.M. etwa bei § 548 (Verjährung der Ersatzansprüche und des Wegnahmerechts) der Fall, der auch auf konkurrierende Deliktsansprüche anwendbar sein soll[15].

V. Entgeltfortzahlung und Versicherungen

Übungsfälle:

Bayer/Schneider, Referendarexamensklausur – Bürgerliches Recht: Probleme aus dem Deliktsrecht, JuS 2004, 230 ff.; Gerecke/Valentin, Referendarexamensklausur – Zivilrecht: Ausgleich unter Nachbarn, JuS 2007, 834 ff.

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Sowohl der Geschädigte als auch der Schädiger können im Hinblick auf einen eingetretenen Schaden abgesichert sein. Klausurrelevant kann v.a. eine Versicherung des Geschädigten sein. Hier kann sich die Frage stellen, ob der Geschädigte überhaupt einen Schaden erlitten hat, wenn seine Versicherung dafür einsteht. Außerdem kann relevant sein, ob der Versicherer gegen den Schädiger im Regressweg vorgehen kann.

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Der Geschädigte hat durch das Eintreten seines Versicherers tatsächlich keinen Schaden (mehr). Fraglich ist aber, ob dieser Vorteil, den der Geschädigte erlangt, schadensmindernd zu berücksichtigen ist (Vorteilsausgleichung). Abgelehnt wird das bei Entgeltfortzahlungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), denn Zweck der Fortzahlung ist nicht die Entlastung des Schädigers, sondern der Schutz des Arbeitnehmers. Auch Leistungen Dritter, die sich der Geschädigte „erkauft“ hat (Sozialversicherung, private Lebens- oder Unfallversicherung, Schadensversicherung), werden regelmäßig nicht auf den Schadensersatzanspruch anspruchsmindernd angerechnet. Eine Vorteilsausgleichung findet nicht statt.

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Durch die Entgeltfortzahlung tritt ein gesetzlicher Forderungsübergang (Legalzession) ein (§ 6 EFZG). Das Gleiche gilt bei den o.g. Leistungen Dritter (§ 116 SGB X[16], § 86 VVG). Der Geschädigte ist damit nicht mehr anspruchsberechtigt (aktivlegitimiert), der Arbeitgeber/Versicherer hat einen Anspruch aus § 6 EFZG bzw. § 116 SGB X oder § 86 VVG iVm. § 823 Abs. 1. Trägt also eine Krankenkasse die Krankheitskosten des Geschädigten, geht sein Schadensersatzanspruch in Höhe dieser Kosten im Wege der Legalzession auf den Träger der Krankenkasse über (§ 116 SGB X). Will der Träger Regress beim Schädiger nehmen, muss der Geschädigte einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 haben. Anspruchsgrundlage ist § 823 Abs. 1, § 116 SGB X.

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