Читать книгу Examens-Repetitorium Besonderes Schuldrecht 2 - Petra Buck-Heeb - Страница 37

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§ 6 Die unberechtigte GoA

Übungsfälle:

Horlach/Guhl, Die verhinderten Badewonnen, JA 2010, 94 ff.; Dornis/Sturm, Der nur scheinbare Notfall, JURA 2013, 1167 ff.; Kastrup, Einzelprobleme des Werkunternehmers bei Bauvorhaben sowie bei fehlgeschlagenem Grundstückserwerb, JURA 2014, 219 ff.

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Prüfungsschema §§ 677, 684 S. 1 (Anspruch des GF gegen GH)

I. Voraussetzungen 1. Fremdes Geschäft des GF a) Geschäft des GF (weite Auslegung) b) Geschäftsfähigkeit (§ 682) c) Fremdheit des Geschäfts 2. Mit Fremdgeschäftsführungswillen 3. Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung 4. Übernahme widerspricht dem Interesse bzw. wirklichen oder mutmaßlichen Willen des GH
II. Rechtsfolge Herausgabe des Erlangten - H.M. §§ 684 S. 1, 818 f. (Rechtsfolgenverweisung) - A.A. §§ 684 S. 1, 812 ff. (Rechtsgrundverweisung)

Prüfungsschema § 678 (Anspruch des GH gegen GF)

I. Voraussetzungen 1. Fremdes Geschäft des GF a) Geschäft des GF (weite Auslegung) b) Geschäftsfähigkeit (§ 682) c) Fremdheit des Geschäfts 2. Mit Fremdgeschäftsführungswillen 3. Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung 4. Übernahme widerspricht wirklichem oder mutmaßlichem Willen des GH 5. Übernahmeverschulden - Kenntnis/Erkennbarkeit des entgegenstehenden Willens des GH
II. Rechtsfolge Ersatz des Schadens nach §§ 249 ff. (Schaden, haftungsausfüllende Kausalität, Mitverschulden)

I. Voraussetzungen

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§ 684 S. 1 regelt die sog. unberechtigte GoA. Dort wird dem Geschäftsführer das Risiko der erfolglosen unberechtigten GoA auferlegt. Bei der unberechtigten GoA sind zunächst die Tatbestandsvoraussetzungen „fremdes Geschäft mit Fremdgeschäftsführungswillen ohne Auftrag (oder sonstige Berechtigung)“ zu prüfen. Im Vergleich zur berechtigten GoA fehlt es aber bei der unberechtigten GoA an einer Übereinstimmung mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn. Die Geschäftsführung muss diesem Willen widersprochen haben. Kann ein wirklicher oder mutmaßlicher Wille nicht festgestellt werden bzw. ist der entgegenstehende Wille unbeachtlich (§ 679), ist zu prüfen, ob eine Genehmigung durch den Geschäftsherrn vorliegt (§ 684 S. 2). Ist das nicht der Fall, sind die Voraussetzungen einer unberechtigten GoA gegeben.

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Nach h.M. besteht in diesem Fall kein gesetzliches Schuldverhältnis nach §§ 677 ff. zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn[1]. Die Abwicklung des Rechtsverhältnisses erfolgt im Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherr nach § 684 S. 1 ausschließlich nach Bereicherungsrecht[2], die Abwicklung im Verhältnis zwischen Geschäftsherr und Geschäftsführer nach § 678 und den allgemeinen Regeln. Eine Ansicht im Schrifttum will auch im Fall der unberechtigten GoA ein gesetzliches Schuldverhältnis bejahen, was Auswirkungen auf die jeweiligen Anspruchsgrundlagen hat[3].

II. Ansprüche Geschäftsführer gegen Geschäftsherrn

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Der unberechtigte Geschäftsführer ohne Auftrag kann nach h.M. nicht wie der berechtigte Aufwendungsersatz verlangen (§§ 677, 683 S. 1, 670), sondern er hat lediglich einen bereicherungsrechtlichen Anspruch aus §§ 684 S. 1, 812 ff. (Aufwendungskondiktion)[4]. Die Verweisung in § 684 S. 1 stellt nach h.M. eine Rechtsfolgenverweisung[5] dar[6], sodass die Voraussetzungen des § 812 nicht vorliegen müssen, sondern sich lediglich die Abwicklung nach Bereicherungsrecht richtet (§§ 818 f.). In der Literatur wird teilweise von einer Rechtsgrundverweisung ausgegangen, da dann z.B. die §§ 815 und 817 anwendbar seien, deren Nichtanwendung als unangemessen und vom Gesetzgeber nicht gewollt angesehen wird[7].

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Als Rechtsfolge ist in beiden Fällen die Bereicherung des Geschäftsherrn herauszugeben. Das sind ersparte Aufwendungen des Geschäftsherrn sowie ein möglicher Wertzuwachs. Da in § 684 S. 1 auf das Bereicherungsrecht verwiesen wird, kann der Geschäftsführer eine Herausgabe lediglich verlangen, wenn und soweit der Geschäftsherr überhaupt bzw. noch bereichert ist (§ 818 Abs. 3). Zu berücksichtigen sind dabei auch die Grundsätze der aufgedrängten Bereicherung, die einen Ersatzanspruch ausschließen können[8].

III. Ansprüche Geschäftsherr gegen Geschäftsführer

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Der Geschäftsherr hat nach h.M. gegen den Geschäftsführer keinen Anspruch auf Herausgabe des durch die Geschäftsführung Erlangten gemäß §§ 670, 681 S. 2, 667, sondern allein gemäß §§ 812 ff.[9] Da die GoA-Regeln keine Anwendung finden, müsste der Geschäftsführer dem Geschäftsherrn auch nicht zur Anzeige nach § 681 S. 1, zur Rechenschaft nach §§ 681 S. 2, 666 oder zum Schadensersatz nach §§ 677, 280 Abs. 1 verpflichtet sein. Das ist jedoch im Einzelfall streitig. Teilweise wird angenommen, dass § 681 ganz[10] oder jedenfalls die Verweisung in § 681 S. 2 entsprechend auch für die unberechtigte GoA gelten soll. Auch eine Haftung aus §§ 677, 280 Abs. 1 (Ausführungsverschulden) wird teilweise bejaht[11].

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Der unberechtigte Geschäftsführer haftet dem Geschäftsherrn nach § 678 auf Schadensersatz (Übernahmeverschulden), wenn er seine Nichtberechtigung hätte erkennen können. Die Nichtberechtigung ergibt sich daraus, dass die Übernahme der Geschäftsführung nicht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprach. Auf das Interesse kommt es hier, anders als bei § 683 S. 1 oder § 677, allenfalls dann an, wenn der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn zu bestimmen ist. War die Nichtberechtigung nicht erkennbar, kann Schadensersatz nur nach den §§ 823 ff. gefordert werden[12].

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Bei einem Anspruch aus § 678 ist zunächst zu prüfen, ob der Geschäftsführer ein unberechtigter Geschäftsführer ohne Auftrag war (fremdes Geschäft, Fremdgeschäftsführungswille, ohne Auftrag, dem Interesse oder Willen des Geschäftsherrn widersprechend). Sodann muss geprüft werden, ob er schuldhaft nicht erkannt hat, dass er die Geschäftsführung nicht übernehmen durfte. Es gelten die Sorgfaltsanforderungen des § 276[13], sodass bereits die leicht fahrlässige Übernahme einer unberechtigten GoA zu einer Schadensersatzpflicht führen kann. Setzt sich der Geschäftsführer also bewusst über den ihm bekannten Willen des Geschäftsherrn hinweg oder schätzt diesen fahrlässig falsch ein, ist er schadensersatzpflichtig. Das gilt selbst dann, wenn er bei der Ausführung nicht schuldhaft gehandelt hat, denn das Verschulden muss sich nicht auf den eingetretenen Schaden beziehen (§ 678 a.E.).

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Im Zusammenhang mit der Haftung des Geschäftsführers kann auch die Haftungsmilderung des § 680 eine Rolle spielen. Bei einer Gefahrenabwehr haftet der Geschäftsführer damit nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit[14]. Die Rechtsfolge (Schadensersatz) bemisst sich nach den §§ 249 ff.

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Die Anwendung des § 678 sowie die Frage der Haftungsmilderung nach § 680 soll an Fall 11[15] verdeutlicht werden: Der völlig betrunkene Fahrzeughalter H will nach einem Fest mit seinem Kfz nach Hause fahren. Er ist nicht dazu zu bewegen, seine Schlüssel abzugeben. F erklärt sich auf Drängen anderer und weil er H gefährdet sieht, schließlich bereit, H mit dessen Wagen nach Hause zu fahren. F fährt auf den unbeleuchteten Anhänger eines abgestellten Lkw auf. Das Fahrzeug des H erleidet Totalschaden. Zur Unfallzeit hatte F 1,5 Promille Alkohol im Blut. H verlangt von F Ersatz für das zerstörte Fahrzeug. Zu Recht?

1. H könnte gegen F einen Schadensersatzanspruch aus § 678 (Übernahmeverschulden) haben, wenn F als unberechtigter Geschäftsführer ohne Auftrag für H gehandelt hat. Mit dem Fahren des Pkw führte F objektiv und subjektiv ein fremdes Geschäft. Der Fremdgeschäftsführungswille wird nach h.M. vermutet. Die Geschäftsführung erfolgte auch ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung. Es liegt kein Gefälligkeitsverhältnis zwischen F und H vor, da es an der erforderlichen Einigung zwischen beiden fehlt.

Die Geschäftsführung müsste dem Interesse und dem Willen des H widersprochen haben. Auf den wirklichen Willen des H kann es aufgrund seiner völligen Trunkenheit nicht ankommen (§ 105 Abs. 2 analog). Es ist daher auf seinen mutmaßlichen Willen abzustellen. Hierbei kommt es auf das objektive Interesse des H an. Da F bei der Fahrt einen Blutalkoholgehalt von 1,5 Promille hatte und damit absolut fahruntüchtig war, entsprach es nicht dem mutmaßlichen Willen des H, von ihm gefahren zu werden[16]. Es liegt eine unberechtigte GoA vor.

Des Weiteren setzt der Schadensersatzanspruch aus § 678 voraus, dass F schuldhaft nicht erkannt hat, dass die Übernahme der Geschäftsführung dem (mutmaßlichen) Willen des H widersprach. Grundsätzlich schadet schon die leicht fahrlässige Übernahme einer unberechtigten GoA (§ 276). Allerdings wollte F hier vom Geschäftsherrn H eine drohende dringende Gefahr abwenden, da dieser in völlig betrunkenem Zustand fahren wollte. Es kommt deshalb die Haftungsmilderung des § 680 in Betracht[17]. Fraglich ist also, ob F mit dem Fahren die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in grobem Maß missachtet hat. Wer im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses von Alkohol nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, handelt idR. grob fahrlässig.

Hier könnten jedoch besondere Umstände vorliegen, die zumindest den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit entkräften. F war in der konkreten Situation gezwungen, schnell zu handeln, er wurde von den Umstehenden gedrängt und zudem war die abzuwendende Gefahr ungewöhnlich groß (Gefährdung von Leib und Leben des H und anderer Verkehrsteilnehmer). Andere Maßnahmen hätten zur Anwendung von Gewalt geführt (Schlüsselwegnahme) oder zu gefährlichen Verzögerungen (Anruf bei der Polizei). In dieser Situation hat es F zwar an einer sorgfältigen Prüfung seiner eigenen Fahruntüchtigkeit fehlen lassen, wegen der eben genannten besonderen Umstände der Geschäftsübernahme liegt hierin aber keine grobe Missachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. H kann daher mangels (Übernahme-)Verschuldens des F keinen Schadensersatz nach § 678 verlangen[18].

2. H könnte gegen F einen Anspruch aus §§ 677, 280 Abs. 1 haben (Ausführungsverschulden). Voraussetzung ist, dass § 677 anwendbar ist. Grundsätzlich findet § 677 bei der unberechtigten GoA keine Anwendung[19]. Ausnahmsweise soll nach einer Ansicht im Schrifttum eine Haftung aus §§ 677, 280 Abs. 1 zu bejahen sein. Aufgrund eines Erst-Recht-Schlusses soll eine Haftung des unberechtigten Geschäftsführers über § 678 hinaus bei fehlender Kenntnis oder bei fahrlässiger Unkenntnis von der fehlenden Übernahmeberechtigung gegeben sein[20]. Der unberechtigte Geschäftsführer soll nicht besser stehen als der berechtigte. Diese Meinung ist jedoch mit der h.M. abzulehnen, da mangels Vorliegens der Voraussetzungen der berechtigten GoA gerade das an das Auftragsrecht angelehnte Schuldverhältnis nicht entsteht. Damit scheidet eine Haftung nach §§ 677, 280 Abs. 1 aus.

Folgt man der Mindermeinung, ist Voraussetzung, dass der Geschäftsführer das Geschäft schuldhaft nicht so geführt hat, wie es das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen erfordert. Im vorliegenden Fall ist ein Ausführungsverschulden aus den gleichen Gründen zu verneinen, die bereits gegen ein grobes Verschulden bei Übernahme der Geschäftsführung sprachen[21]. Danach scheidet auch nach dieser Ansicht ein Anspruch des H gegen F auf Schadensersatz gemäß §§ 677, 280 Abs. 1 (mangels Verschuldens des F) aus.

3. H könnte gegen F einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 haben. Das Eigentum des H wurde von F kausal verletzt. Die Rechtswidrigkeit ist indiziert. Allerdings ist in Bezug auf das Verschulden auch hier § 680 zu beachten[22], sodass eine Haftung nach § 823 Abs. 1 ausscheidet.

Examens-Repetitorium Besonderes Schuldrecht 2

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