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3. Öffentlich-rechtliche Handlungspflichten

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Übungsfall:

Katzenmeier/Reisewitz, Anfängerklausur – Zivilrecht: Deliktsrecht – Wilde Verfolgungsjagd, JuS 2013, 805 ff.

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Die Geschäftsführung kann nicht nur auf privatrechtlichen Handlungspflichten[73], sondern auch auf öffentlich-rechtlichen Handlungspflichten beruhen. Dabei ist zwischen der allgemeinen Handlungspflicht i.S. des § 323c StGB und speziellen Handlungspflichten zu unterscheiden. Im Falle der allgemeinen Handlungspflicht i.S. des § 323c StGB, in dem ein Unterlassen der gebotenen Handlung sogar strafbewehrt ist, wird regelmäßig ein auch-fremdes Geschäft bejaht. Erleidet eine Person dadurch einen Nachteil, dass sie im Unglücksfall Rettungsmaßnahmen ergreift, ist dieser Nachteil vom Unfallopfer (Geschäftsherr) im Wege des Aufwendungsersatzes nach §§ 677, 683 S. 1, 670 auszugleichen.

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Dieser Aufwendungsersatzanspruch umfasst auch in Kauf genommene Schäden, also unfreiwillige Vermögensopfer, die durch Verwirklichung eines mit der Geschäftsführung (hier: der Rettungshandlung) eng verbundenen, typischen Risikos entstehen (vgl. den Rechtsgedanken des § 110 HGB bzgl. Ersatz für Aufwendungen und Verluste)[74]. Möglich ist auch, dass die Hilfsmaßnahmen in Hinblick auf eine eigene öffentlich-rechtliche Pflicht getroffen werden, die nicht nur dem Interesse des Verletzten, sondern auch dem Interesse weiterer Personen dienen (anderer Unfallbeteiligter, deckungspflichtige Versicherung etc.). Dann haften dem Geschäftsführer alle Beteiligten, in deren Interesse er tätig geworden ist, für den Aufwendungsersatz als Gesamtschuldner (§ 421).

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Zu beachten ist, dass bei Hilfsmaßnahmen in Unglücksfällen eine cessio legis nach § 116 SGB X in Betracht kommen kann. Ggf. geht also der Aufwendungsersatzanspruch per Gesetz auf den öffentlichen Versicherungsträger (gesetzlicher Unfallversicherer) bzw. Sozialhilfeträger über, soweit der Unfallversicherungs- bzw. Sozialhilfeträger aufgrund des Schadensereignisses Leistungen zu erbringen hat. Infolgedessen verliert der Geschäftsführer seine Aktivlegitimation. Das gilt nach § 116 SGB X aber nur für auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhende Ansprüche „auf Ersatz eines Schadens“[75].

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Fraglich ist, ob der Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 vom Wortlaut des § 116 SGB X („auf Ersatz eines Schadens“) umfasst ist. Unter „Aufwendungen“ sind nämlich freiwillige Vermögensopfer zu verstehen, während „Schaden“ ein unfreiwilliges Vermögensopfer voraussetzt. Des Weiteren stellt der Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 weder auf Rechtswidrigkeit noch auf Verschulden ab. Aus diesen Gründen hat der BGH den Übergang des Aufwendungsersatzanspruchs auf den Versicherungsträger jedenfalls für diejenigen Fälle verneint, in denen das Unfallopfer ohne Verschulden in die Notlage geraten ist[76].

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Bei Personenschäden, d.h. etwa bei Heilbehandlungskosten, ist allerdings die Einschränkung „ohne Verschulden“ entbehrlich. Eine cessio legis des Aufwendungsersatzanspruchs nach §§ 677, 683 S. 1, 670 auf den öffentlichen Versicherungsträger muss vielmehr für Personenschäden ausscheiden. Nur so lässt sich das vom Gesetzgeber durch § 2 Abs. 1 Nr. 13 SGB VII verfolgte Ziel erreichen, Unfallhelfer und Unfallopfer freizustellen und die Kosten der Nothilfe von der Allgemeinheit tragen zu lassen. Ließe man den Rückgriff des Versicherungsträgers gegen das Unfallopfer im Wege der cessio legis zu, würde die beabsichtigte Privilegierung obsolet.

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Umstritten ist, ob das auch für Sachschäden gilt. Das könnte deshalb zweifelhaft sein, weil § 13 Abs. 2 SGB VII ausdrücklich auf § 116 SGB X verweist. Andere wollen dagegen auch bei Sachschäden eine Legalzession verneinen und begründen dies damit, dass der Anspruchsübergang i.S. des § 116 SGB X „echte“ Schadensersatzansprüche des Hilfeleistenden voraussetze, wohingegen der Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 seinem Wesen nach eben keinen Schadensersatz gewährt.

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Bei speziellen Hilfspflichten kann der Fremdgeschäftsführungswille problematisch sein, wenn etwa eine Behörde in öffentlich-rechtlicher Form Aufgaben übernimmt, die in erster Linie in den privatrechtlichen Geschäftsbereich eines Bürgers gehören. Dazu Fall 7[77]: Ein Öltankwagen der Firma P erleidet auf vereister Straße einen Unfall. Die hinzugerufene Feuerwehr der Gemeinde G richtet das umgefallene Fahrzeug wieder auf. Kann die G von P Ersatz ihrer Aufwendungen aus GoA verlangen?

1. G könnte einen Aufwendungsersatzanspruch aus berechtigter GoA haben, §§ 677, 683 S. 1, 670. Dazu müssten die Regeln der GoA anwendbar sein. Dem könnte entgegenstehen, dass die G als Trägerin der öffentlichen Verwaltung tätig wurde und sich damit ein Aufwendungsersatzanspruch aus öffentlich-rechtlichen Normen ergibt, der im Verwaltungsrechtsweg geltend gemacht werden müsste. Der BGH sieht die unmittelbare Anwendung der §§ 677 ff. im vorliegenden Fall als unproblematisch an[78]. Er stellt darauf ab, dass die Feuerwehr bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zwar in der Regel hoheitlich handle, dies jedoch eine bürgerlichrechtliche GoA nicht hindere[79]. Werde die Behörde im privatrechtlichen Geschäftsbereich eines Bürgers tätig, komme es auf die hoheitlichen Befugnisse der Behörde nicht an. Anstelle der öffentlich-rechtlichen Aufgabenwahrnehmung hätte ohne Weiteres auch eine Privatperson handeln können.

Die Gegenauffassung in der Literatur lehnt eine Anwendung der GoA-Regeln schon grundsätzlich ab, da eine gesetzlich der Behörde zugewiesene Aufgabe nicht zugleich privatrechtlicher Natur sein könne. Überdies sei die Behörde bei der Wahrnehmung ihrer hoheitlichen Aufgaben an die öffentlich-rechtlichen Pflichten gebunden, während der Geschäftsführer im Rahmen der GoA die Interessen des Geschäftsherrn zu wahren habe. Beides ließe sich nicht stets miteinander vereinbaren. Außerdem würden die spezielleren öffentlich-rechtlichen Regelungen über den Kostenersatz umgangen[80].

Inzwischen hat der BGH[81] seine Ansicht dahingehend relativiert, dass ein Rückgriff auf den Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 ausgeschlossen ist, wenn eine abschließende öffentlich-rechtliche Regelung der Kostenfolge einer Handlung besteht[82]. Da aus dem Sachverhalt keine abschließende Regelung ersichtlich ist, ist die Anwendbarkeit der GoA zu bejahen.

2. Hält man mit der Rechtsprechung die GoA-Regeln hier für anwendbar, ist zu prüfen, ob ein fremdes Geschäft mit Fremdgeschäftsführungswillen vorliegt. Abgelehnt wird dies teilweise mit dem Argument, bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen liege kein fremdes Geschäft des Handelnden vor, da die Behörde durch ihr Handeln ihrer (öffentlich-rechtlichen) Pflicht nachkommen wolle[83]. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass die Beseitigung von Gefahren zwar zu den öffentlichen Aufgaben der Feuerwehr gehört, zugleich aber demjenigen Hilfe geleistet wird, der für die aus dem Unfall drohenden Schäden verantwortlich ist. Dessen Geschäft werde hier mit besorgt. Neben ihrer eigenen Pflicht zur Gefahrenabwehr besorgt die Feuerwehr hier also zugleich privatrechtliche Aufgaben des Kfz-Halters[84].

Folgt man der Rechtsprechung, wird der Fremdgeschäftsführungswille vermutet und es ist zu prüfen, ob die Geschäftsführung ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung erfolgte sowie, ob die Vornahme des Geschäfts dem Interesse und dem wirklichen oder, falls dieser nicht feststellbar ist, dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Dies ist im vorliegenden Fall zu bejahen. Die G kann Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen.

Examens-Repetitorium Besonderes Schuldrecht 2

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